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BGH Urteil v. - V ZR 76/24

Leitsatz

1. Bei der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts müssen keine Alternativangebote anderer Rechtsanwälte vorliegen; dies gilt auch dann, wenn der Abschluss einer Honorarvereinbarung beabsichtigt ist. Entsprechendes gilt bei der Beauftragung von Gutachtern.

2. Es steht im Ermessen der Wohnungseigentümer, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eine von dem Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen. Eine derartige Genehmigung ist jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht.

Gesetze: § 18 Abs 1 WoEigG, § 19 Abs 1 WoEigG

Instanzenzug: LG München I Az: 1 S 5174/22 WEG Urteilvorgehend Az: 1290 C 12769/21 WEG

Tatbestand

1Die Klägerin ist Mitglied der beklagten Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Sie errichtete die Anlage als Bauträgerin. Im Jahr 2020 fand keine Eigentümerversammlung statt. Vor dem Hintergrund der im Oktober 2021 drohenden Verjährung beauftragte die Verwalterin im Frühjahr 2021 drei Sachverständige im Namen der GdWE mit der Begutachtung des Gemeinschaftseigentums. Die Sachverständigen stellten Baumängel fest, bezifferten den Beseitigungsaufwand mit 469.271,38 € und berechneten für ihre Gutachten insgesamt 49.927,74 €. Zudem beauftragte die Verwalterin im Namen der GdWE eine Rechtsanwaltskanzlei. Ein Beschluss der Wohnungseigentümer war den Auftragserteilungen jeweils nicht vorausgegangen.

2In einer Eigentümerversammlung im Juli 2021 wurde zu TOP 6 unter anderem beschlossen, die durch die Verwalterin erfolgte Einschaltung und Vergütung der Gutachter sowie die bisherigen Kosten der Rechtsanwaltskanzlei zu genehmigen. Unter TOP 7d wurde beschlossen, die Rechtsanwaltskanzlei zu beauftragen, gegenüber der Klägerin außergerichtlich und notfalls gerichtlich einen Anspruch auf Kostenvorschuss zur Beseitigung der sich aus den Gutachten ergebenden Mängel geltend zu machen und hierfür eine Sonderumlage zu erheben. Unter TOP 8 wurde die Verwaltung unter anderem ermächtigt, mit der Anwaltskanzlei eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, deren Stundensätze 300 € netto je Anwaltsstunde und 150 € netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürfen.

3Das Amtsgericht hat die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Auf ihre Berufung hat das Landgericht den Beschluss zu TOP 6 in dem genannten Umfang und die Beschlüsse zu TOP 7d und 8 insgesamt für ungültig erklärt. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen.

Gründe

A.

4Das Berufungsgericht meint, die unter TOP 6 beschlossene Genehmigung der Einschaltung und Vergütung der Gutachter sowie der bisherigen Kosten der Rechtsanwaltskanzlei widerspreche ordnungsmäßiger Verwaltung. Diese Genehmigung stelle keine solche nach § 177 Abs. 1 BGB dar, weil die Verwalterin unabhängig von ihrer Berechtigung im Innenverhältnis gemäß § 9b Abs. 1 Sätze 1 und 3 WEG im Außenverhältnis Vertretungsmacht für die GdWE gehabt habe. Infolgedessen müsse die GdWE die vereinbarte Vergütung ohnehin zahlen. Die beschlossene Genehmigung habe für sie keinerlei Nutzen, sondern könne allenfalls bewirken, dass die Verwalterin von einer etwaigen Haftung befreit werde. Damit komme der Beschluss einer auf eine Einzelmaßnahme bezogenen Entlastung des Verwalters gleich, weswegen an ihn die gleichen Anforderungen wie an einen Entlastungsbeschluss zu stellen seien. Ein solcher sei anfechtbar, wenn Ersatzansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kämen und kein Grund für einen Anspruchsverzicht ersichtlich sei. Hieran gemessen entspreche die Genehmigung nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil ohne eingehende Prüfung nicht beurteilt werden könne, ob die Verwalterin im Innenverhältnis zum Abschluss der Verträge überhaupt und auch zu den konkreten Konditionen berechtigt gewesen sei.

5Die unter TOP 7d beschlossene Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei mit der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin sei für ungültig zu erklären; der Beschluss habe deswegen gemäß § 139 BGB insgesamt keinen Bestand. Er sei allerdings insoweit unbedenklich, als er die abzuschließende Honorarvereinbarung nicht umfasst habe. Jedoch habe es an der Einholung von Alternativangeboten gefehlt. Den Wohnungseigentümern müssten vor der Beschlussfassung über den Abschluss von Verträgen, die mit einer nicht unerheblichen Kostenlast verbunden seien, grundsätzlich mehrere, in der Regel drei Alternativangebote vorgelegt werden. Dies gelte auch bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts. Eine Ausnahme ergebe sich weder aufgrund der bereits erfolgten Einarbeitung der Rechtsanwaltskanzlei in den Sachverhalt noch wegen der drohenden Verjährung.

6Mangels Vorlage von Alternativangeboten könne auch der Beschluss zu TOP 8 keinen Bestand haben.

B.

7Über die Revision der Beklagten ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis der Klägerin, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).

8Das Rechtsmittel hat Erfolg.

9I. Zu TOP 7d und TOP 8

101. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen Begründung können die zu TOP 7d und TOP 8 gefassten Beschlüsse über die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei und Ermächtigung der Verwalterin zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung nicht für ungültig erklärt werden.

11a) Zutreffend sieht das Berufungsgericht allerdings darin, dass in dem Beschluss zu TOP 7d nur über die grundsätzliche Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei und nicht zugleich über die abzuschließende Honorarvereinbarung beschlossen wurde, keinen Widerspruch zur ordnungsmäßigen Verwaltung. Eine getrennte Beschlussfassung über die Beauftragung und die Vergütungsvereinbarung ist jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn die Wohnungseigentümer beide Beschlüsse - wie hier - in derselben Wohnungseigentümerversammlung erörtern und fassen (zur Verwalterbestellung vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 12).

12b) Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, vor der Beschlussfassung hätten Alternativangebote anderer Rechtsanwaltskanzleien eingeholt werden müssen.

13aa) Ob es vor der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts der Einholung von Vergleichsangeboten bedarf, ist allerdings umstritten.

14(1) Nach einer Ansicht, der auch das Berufungsgericht folgt, müssen vor der Beauftragung eines Rechtsanwaltes - zumeist drei - Alternativangebote eingeholt werden. Nur ausnahmsweise könne hiervon abgesehen werden, nämlich dann, wenn die Beauftragung eine unwesentliche Angelegenheit mit geringen Kosten betreffe, der Rechtsanwalt nach den gesetzlichen Gebühren abrechne oder zu dem Rechtsanwalt ein Vertrauensverhältnis bestehe (vgl. AG München, ZMR 2018, 1034, 1037; AG Hamburg, ZMR 2018, 876, 879 f.; AG Charlottenburg, ZWE 2019, 90 Rn. 16; Hügel/Elzer, WEG, 4. Aufl., § 18 Rn. 32; Schultzky, ZWE 2024, 105, 107; dies erwägend auch LG Karlsruhe, ZWE 2024, 175 Rn. 7).

15(2) Die Gegenmeinung verneint eine Pflicht zur Einholung von Vergleichsangeboten (vgl. Wolicki, ZWE 2024, 345, 347 f.;Schmidt in Festschrift Riecke, 2019, 379, 389), da Alternativangebote bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts nicht den Zweck erfüllen könnten, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen.

16bb) Der Senat entscheidet diese Streitfrage im Sinne der zuletzt genannten Auffassung.

17(1) Inwiefern überhaupt vor einer Beschlussfassung über die Vergabe von Aufträgen Alternativangebote vorgelegt werden müssen, ist höchstrichterlich nicht geklärt. In der Instanzrechtsprechung und der Literatur wird dies im Grundsatz überwiegend bejaht (Nachweise etwa bei Sommer in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 18 Rn. 27a; Bärmann/Pick/Emmerich, WEG, 21. Aufl., § 19 Rn. 83). Der Senat hat sich dazu bisher nur im Zusammenhang mit der Bestellung des Verwalters (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 12 f.; Urteil vom - V ZR 110/19, ZWE 2020, 284 Rn. 9; Urteil vom - V ZR 201/20, NZM 2021, 764 Rn. 5) und in prozessualen Sonderkonstellationen geäußert (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 246/21, NJW 2023, 2190 Rn. 15; Urteil vom - V ZR 51/23, NJW 2024, 1183 Rn. 33). Dass allgemein eine Pflicht zur Einholung von Alternativangeboten besteht, geht aus diesen Entscheidungen - entgegen einer zum Teil geäußerten Ansicht (vgl. etwa Staudinger/Lehmann-Richter, WEG [], § 19 Rn. 39.1) - nicht hervor.

18(2) Jedenfalls bei der Beschlussfassung über die Beauftragung eines Rechtsanwalts müssen keine Alternativangebote anderer Rechtsanwälte vorliegen; dies gilt auch dann, wenn der Abschluss einer Honorarvereinbarung beabsichtigt ist.

19(a) Zweck der Einholung von Alternativangeboten ist es, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 190/11, NJW 2012, 3175 Rn. 10). Können Alternativangebote dieses Ziel nicht erreichen, kann es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, auf ihre Einholung zu verzichten.

20(b) Daran gemessen müssen vor der Beauftragung eines Rechtsanwaltes keine Alternativangebote eingeholt werden. Sie wären ohnehin nicht dazu geeignet, den Wohnungseigentümern einen grundlegenden Erkenntnisgewinn in Bezug auf die Stärken und Schwäche der Angebote zu vermitteln.

21(aa) Zum einen ermöglichten derartige Alternativangebote keinen aussagekräftigen Preisvergleich.

22Rechnen die Rechtsanwälte nach den gesetzlichen Honorartabellen ab, wird zwischen ihren Angeboten kein Preisunterschied bestehen und es kann davon ausgegangen werden, dass ihr Honorar üblicher Vergütung entspricht (vgl. Jennißen, ZWE 2022, 460). Gleichwohl steht damit, anders als bei einem Handwerker, der im Rahmen einer Angebotserstellung einen prognostizierten Endpreis anbieten kann, noch kein fester Endbetrag für die rechtsanwaltliche Vergütung fest. Der Endpreis ist vielmehr abhängig von Faktoren, die der beauftragte Rechtsanwalt nur begrenzt beeinflussen kann; ob etwa eine außergerichtliche Einigung zustande kommt oder ein Gerichtsprozess über mehrere Instanzen geführt wird, hängt nicht nur von der anwaltlichen Beratung und Vertretung, sondern von vielen Umständen ab.

23Ähnlich verhält es sich, wenn - wie hier - die rechtsanwaltliche Tätigkeit nach Stundensätzen abgerechnet werden soll. Denn entscheidend ist nicht nur die Vergütungshöhe pro Stunde, sondern vor allem die Anzahl der geleisteten Stunden, die letztlich in Rechnung gestellt werden. Das endgültige Rechtsanwaltshonorar lässt sich deshalb vorab konkret nicht in einer Weise verlässlich beziffern, die einen tragfähigen Vergleich verschiedener Kanzleien zuließe. Darüber hinaus bietet § 3a Abs. 3 RVG der GdWE einen Schutz gegen eine überhöhte Gebührenforderung des beauftragten Rechtsanwaltes. Denn nach dieser Vorschrift kann eine unangemessen hohe Vergütung im Vergütungsstreit durch das Gericht auf den angemessenen Betrag - bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung - herabgesetzt werden.

24Aufgrund der Vielzahl von Faktoren, die die Vergütung beeinflussen, kann auch nicht von vorneherein beurteilt werden, ob eine Abrechnung nach Stundensätzen oder nach der gesetzlichen Vergütung günstiger wäre.

25(bb) Vor allem ist die Höhe des Honorars des Rechtsanwalts nicht der einzige und auch nicht der wichtigste Gesichtspunkt für die Auswahl des Rechtsanwalts. Entscheidend ist insbesondere, ob der in Aussicht genommene Rechtsanwalt seiner Aufgabe gerecht wird (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 96/10, NZM 2011, 515 Rn. 13 - zur Weiterbestellung des Verwalters). In der Regel versetzen Konkurrenzangebote mehrerer Rechtsanwälte die Wohnungseigentümer nicht in die Lage, die Qualität der jeweiligen Leistungen der Rechtsanwälte zu vergleichen. Anders als bei handwerklichen Auftragsarbeiten, bei denen zur Erreichung eines Werkerfolges unterschiedliche Herangehensweisen denkbar sein können, die in den Angeboten erläutert werden, wird der Rechtsanwalt regelmäßig auf Grund eines Anwaltsdienstvertrags im Sinne von § 611 Abs. 1, § 675 Abs. 1 BGB tätig. Damit schuldet der Rechtsanwalt keinen Erfolg, sondern eine ergebnisoffene Dienstleistung. Darüber hinaus können aus Angeboten auch keine Rückschlüsse auf die fachlichen Qualifikationen der Rechtsanwälte gezogen werden. Zuletzt kommt neben der fachlichen Qualifikation der persönlichen (Vertrauens-)Beziehung zwischen Mandanten und Rechtsanwalt besondere Bedeutung zu, die durch einen Angebotsvergleich nicht abgebildet werden kann.

26cc) Daran gemessen bedurfte die Beschlussfassung über die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei und den Abschluss der Honorarvereinbarung - anders als das Berufungsgericht meint - keiner Einholung von Alternativangeboten. Die Beschlüsse konnten daher nicht allein aus diesem Grund für ungültig erklärt werden.

272. Die Entscheidung erweist sich im Hinblick auf TOP 7d und 8 auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).

28a) Dass die beauftragte und mit dem Sachverhalt bereits zuvor befasste Rechtsanwaltskanzlei für die Aufgabe fachlich geeignet war, zieht die Klägerin nicht in Zweifel. Ohne Erfolg rügt sie, die beschlossene Ermächtigung der Verwalterin zum Abschluss einer Vergütungsvereinbarung, deren Stundensätze 300 € netto je Anwaltsstunde und 150 € netto je Sekretariatsstunde nicht überschreiten dürften, erweise sich als unwirtschaftlich. Im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums müssen die Wohnungseigentümer zwar das Gebot der Wirtschaftlichkeit beachten und im Grundsatz auf die Leistungsfähigkeit der Wohnungseigentümer Rücksicht nehmen. Sie sind aber berechtigt, Kosten und Nutzen einer Maßnahme gegeneinander abzuwägen (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 203/17, NJW 2018, 3238 Rn. 9; Urteil vom - V ZR 254/17, NJW 2019, 3780 Rn. 10). Die Wohnungseigentümer sind nicht gehalten, den Verwalter auf eine „günstigere“ Vergütungsvereinbarung zu beschränken, wenn sie sich von der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei ein der Vergütung entsprechendes hohes Engagement sowie eine besonders kompetente Leistung versprechen. Auch der Umstand, dass die Rechtsanwaltskosten im Obsiegensfall nur bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühren erstattet werden und etwaige Mehrkosten von der GdWE getragen werden müssen (vgl. , NJW 2018, 1477 Rn. 20 mwN), steht dem Abschluss einer Vereinbarung auf Stundenhonorarbasis nicht von vornherein entgegen.

29Hier liegt die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei mit einer Vergütung in Höhe von 300 € pro Stunde (vgl. zur üblichen Honorarhöhen etwa NK-RVG/Winkler, 9. Aufl., § 3a Rn. 172; BeckOK RVG/v. Seltmann [], § 3a Rn. 41; Schons in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 3a Rn. 125 f.) jedenfalls in Anbetracht der besonders gelagerten Gesamtumstände innerhalb der Grenzen des den Wohnungseigentümern zustehenden Entscheidungsermessens. Gegenstand der Beauftragung war ein Anspruch aus einem speziellen Rechtsgebiet (WEG-Recht verknüpft mit Baurecht) in Höhe von etwa einer halben Million Euro. Die beauftragte Rechtsanwaltskanzlei war bereits in den konkreten Sachverhalt eingearbeitet, was schon angesichts der unmittelbar bevorstehenden Verjährung deren Beauftragung nahelegte. Darüber hinaus musste die GdWE - wie auch das vorliegende Verfahren zeigt - mit einer erheblichen Gegenwehr der Klägerin gegen die Anspruchsdurchsetzung rechnen.

30Aus denselben Gründen hält es sich noch im Rahmen des Entscheidungsspielraums der Wohnungseigentümer, dass die Verwalterin zu der Vereinbarung einer besonderen Vergütung der Sekretariatsstunden ermächtigt wurde. Ob die in jedem Fall entstehenden Kosten des Sekretariats in den Stundensatz der Rechtsanwälte „eingepreist“ oder gesondert berechnet werden, ist letztlich nur eine Berechnungsmethode. Eine separate Vergütungsvereinbarung über die Leistung der nichtanwaltlichen Mitarbeiter ist möglich (vgl. Enders in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 5 Rn. 23; NK-RVG/Winkler, 9. Aufl., § 3a Rn. 173); die Gesamtvergütung hält der Senat mit dem Amtsgericht angesichts der bereits genannten Gesamtumstände (Rn. 29) für vertretbar.

31b) Mit ihrer weiteren Rüge, es sei in mehrfacher Hinsicht gegen § 23 Abs. 2 WEG verstoßen worden, dringt die Klägerin aus den bereits von dem Amtsgericht ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ebenfalls nicht durch.

32II. Zu TOP 6

331. Auch die zu TOP 6 beschlossene Genehmigung der Beauftragung und Vergütung der Gutachter und der Rechtsanwaltskanzlei kann mit der gegebenen Begründung nicht für ungültig erklärt werden.

34a) Richtig ist im Ausgangspunkt allerdings, dass seit dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am ein Beschluss über die nachträgliche Genehmigung nicht (mehr) erforderlich ist, um das Handeln des Verwalters als vollmachtlosen Vertreters gemäß § 177 Abs. 1 BGB zu genehmigen. Der Verwalter einer GdWE besitzt nämlich nunmehr im Außenverhältnis gemäß § 9b Abs. 1 Sätze 1 und 3 WEG eine im Grundsatz unbeschränkte Vertretungsmacht für die GdWE. Daher wird diese - unabhängig von etwaigen Beschränkungen im Innenverhältnis - aufgrund der in ihrem Namen erfolgten Vertragsabschlüsse der Verwalterin wirksam berechtigt und verpflichtet (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 180/21, ZWE 2023, 28 Rn. 14).

35b) Rechtsfehlerhaft bejaht das Berufungsgericht jedoch einen Verstoß gegen die ordnungsmäßige Verwaltung nach den für einen Entlastungsbeschluss geltenden Grundsätzen. Selbst wenn die Prämisse des Berufungsgerichts, der Genehmigungsbeschluss unterliege denselben Anforderungen wie ein Beschluss zur Entlastung des Verwalters, als richtig unterstellt wird, sind jedenfalls die weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang zu beanstanden.

36aa) Nach der Rechtsprechung des Senats widerspricht - wie das Berufungsgericht noch zutreffend ausführt - eine Entlastung des Verwalters dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn Ansprüche gegen den Verwalter erkennbar in Betracht kommen und kein Grund dafür ersichtlich ist, auf diese Ansprüche zu verzichten (st. Rspr. vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 11/03, BGHZ 156, 19, 29; Urteil vom - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 19).

37bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, eine derartige Konstellation läge schon dann vor, wenn nicht offensichtlich sei und ohne vorherige eingehende Prüfung nicht eindeutig beurteilt werden könne, ob die Verwalterin zu der Beauftragung ohne Beschlussfassung im Innenverhältnis berechtigt gewesen sei, weicht jedoch von diesem Obersatz ab. Ein Schadensersatzanspruch kommt nicht bereits dann erkennbar in Betracht, wenn er ohne nähere Prüfung nicht ausgeschlossen ist. Erforderlich ist vielmehr, dass konkrete Tatsachen festgestellt sind, die sein Bestehen nahelegen, wie zum Beispiel eine Vorlage fehlerhafter Abrechnungen durch den Verwalter (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127 Rn. 19). Allein mit der Begründung, Schadensansprüche seien nicht auszuschließen, kann ein Entlastungsbeschluss nicht für ungültig erklärt werden. Da aus der Ex-ante-Perspektive kaum sicher einzuschätzen sein wird, ob Schadensersatzansprüche bestehen können, wären Entlastungsbeschlüsse dann grundsätzlich rechtswidrig. Dies wiederum wäre unvereinbar mit der Rechtsprechung des Senats, wonach der Verwalter grundsätzlich entlastet werden darf (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 11/03, BGHZ 156, 19, 25).

382. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Genehmigung entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung.

39a) Die nachträgliche Genehmigung einer von dem Verwalter ohne Beschluss veranlassten Maßnahme ist im Ausgangspunkt nicht schon grundsätzlich zu beanstanden.

40aa) Nach vereinzelter Ansicht (vgl. BeckOGK/Greiner, WEG [], § 27 Rn. 10 u. 60), die auch das Berufungsgericht im Ausgangspunkt vertritt, soll allerdings aus der nunmehr gegebenen Vertretungsmacht des Verwalters im Außenverhältnis (s.o. Rn. 34) folgen, dass eine nachträgliche Genehmigung nur dazu dienen könne, dem Verwalter im Innenverhältnis „Absolution“ zu erteilen, was grundsätzlich unzulässig sei.

41bb) Das trifft nicht zu. Es steht vielmehr im Ermessen der Wohnungseigentümer, im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung eine von dem Verwalter ohne Beschluss veranlasste Maßnahme nachträglich zu genehmigen. Zweifelhaft ist schon, ob die nachträgliche Genehmigung überhaupt einen Verzicht auf (erkennbare) Ansprüche gegen den Verwalter darstellt oder mit ihr nicht vielmehr lediglich die von dem Verwalter vorgenommene Maßnahme genehmigt werden soll. Jedenfalls wirkt sich die nachträgliche Genehmigung nicht nur gegenüber dem Verwalter, sondern auch im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer aus. Denn durch eine Genehmigung wird die interne Willensbildung der Wohnungseigentümer nachgeholt und damit die rechtliche Grundlage für die Maßnahme und auch ihre Finanzierung geschaffen (vgl. zur Genehmigung von baulichen Veränderungen Senat, Urteil vom - V ZR 64/19, NJW-RR 2020, 1022 Rn. 10). Dafür gibt es selbst dann ein Bedürfnis, wenn der Verwalter zu der Auftragserteilung ohne vorherigen Beschluss berechtigt war. In Grenzfällen kann die Reichweite der Kompetenzen des Verwalters unklar sein; das gilt in besonderem Maße in der hier relevanten Zeit der Coronapandemie, in der die Verwalter häufig dringliche Entscheidungen ohne vorherigen Beschluss treffen mussten, ohne die Kompetenzverteilung vorab rechtssicher klären zu können. Abgesehen davon steht es der Eigentümerversammlung ohnehin frei, Entscheidungen an sich zu ziehen. Die nachträgliche Genehmigung schafft jedenfalls im Binnenverhältnis der Wohnungseigentümer im Nachhinein eine verlässliche Grundlage für die Maßnahme.

42b) Unter welchen Voraussetzungen sich die Genehmigung einer von dem Verwalter ohne Beschluss veranlassten Maßnahme als rechtmäßig erweist, ist nicht abschließend geklärt. Vertreten wird, dass nur die Genehmigung für sich genommen ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen müsse (vgl. LG Hamburg, ZWE 2017, 276). Andere halten es für erforderlich, dass die genehmigte Maßnahme „als solche“ ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. BeckOGK/Skauradszun, WEG [], § 19 Rn. 13). Teils wird sogar gefordert, es müssten nachträglich Alternativangebote eingeholt werden (so LG München I, ZMR 2023, 222, 225; Sommer in Jennißen, WEG, 8. Aufl., § 18 Rn. 26a).

43aa) Ob auf die Genehmigung selbst oder auch auf die ursprüngliche Maßnahme abzustellen ist, dürfte entscheidend davon abhängen, wie sich die nachträgliche Genehmigung auf die Haftung des Verwalters auswirkt. Verschlechtert die Genehmigung bei einer erkennbaren Pflichtverletzung die Aussicht auf eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Verwalters, wird sie mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung unvereinbar sein (vgl. BeckOGK/Skauradszun, WEG [], § 19 Rn. 13).

44bb) Einer abschließenden Entscheidung bedarf es hier indes nicht. Die nachträgliche Genehmigung einer ohne Beschlussfassung vom Verwalter veranlassten Maßnahme ist nämlich jedenfalls dann rechtmäßig, wenn die Maßnahme selbst ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Hätten die Wohnungseigentümer die Maßnahmen vor ihrer Durchführung beschließen dürfen, kann es nicht ordnungsmäßiger Verwaltung widersprechen, wenn sie ihre Durchführung nachträglich genehmigen. Eine Haftung des Verwalters scheidet dann schon in Ermangelung eines verursachten Schadens von vorneherein aus.

45c) Daran gemessen entspricht der Beschluss zu TOP 6 ordnungsmäßiger Verwaltung, und zwar unabhängig davon, ob der Verwalter, was das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht aufgeklärt hat, die Kompetenz hatte, die Aufträge ohne vorherige Beschlussfassung zu erteilen. Denn die Beauftragung der Gutachter sowie der Rechtsanwaltskanzlei hält sich jedenfalls im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.

46aa) Angesichts der drohenden Verjährung war die Auftragserteilung zur Begutachtung der Mängel und zur Vorbereitung der Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Klägerin als Bauträgerin angezeigt und sinnvoll. Einer Einholung von Alternativangeboten bedurfte es vor der Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei nicht (s.o. Rn. 18 ff.). Entsprechendes gilt bei der Beauftragung von Gutachtern. Auch insoweit könnte die Einholung von Alternativangeboten nicht den Zweck erfüllen, den Wohnungseigentümern die Stärken und Schwächen der Leistungsangebote aufzuzeigen (vgl. LG Hamburg, ZMR 2014, 822, 823; LG Frankfurt a.M., ZWE 2021, 373 Rn. 10 f.; AG Oldenburg in Holstein, ZMR 2022, 841, 842; Jennißen, ZWE 2022, 460).

47bb) Dass die Gutachter und die Rechtsanwaltskanzlei untauglich waren oder bei der Beauftragung absehbar war, dass die Kosten außer Verhältnis zu den zu erbringenden Leistungen stehen würden, macht die Klägerin nicht geltend. Auch ihr Einwand, die vorhandenen Mängel hätten die Einholung von Gutachten für eine Rechnungssumme von knapp 50.000 € nicht gerechtfertigt, verfängt nicht. Gutachterkosten in Höhe von ca. 10 % der voraussichtlichen Schadenssumme sind nicht ersichtlich unangemessen.

48d) Die weiteren vorgebrachten Anfechtungsgründe (unzureichende Bezeichnung des Beschlussgegenstandes im Ladungsschreiben; fehlende Informationsgrundlage über die bereits entstandenen Kosten; Verstoß gegen § 181 BGB; Vorziehen der Beschlussfassung über TOP 6 bis 8; fehlerhafter Ausschluss nach § 25 Abs. 4 WEG) greifen aus den von Amts- und Berufungsgericht ausgeführten Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, ebenfalls nicht durch.

C.

49I. Das Urteil kann danach keinen Bestand haben; es ist aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Anfechtung und zur Wiederherstellung der klageabweisenden amtsgerichtlichen Entscheidung.

50II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (Berufungsverfahren) und § 91 Abs. 1 ZPO (Revisionsverfahren).

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn das Rechtsmittel nur teilweise eingelegt werden solle, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann die Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

Brückner                         Göbel                         Haberkamp

                       Laube                        Grau

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180725UVZR76.24.0

Fundstelle(n):
NJW 2025 S. 8 Nr. 40
XAAAJ-99574