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EuGH Urteil v. - C-59/23 P

Rechtsmittel – Staatliche Beihilfen – Art. 107 Abs. 3 Buchst. c und Art. 108 AEUV – Geplante Beihilfe für die Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren am Standort Paks (Ungarn) – Direktvergabe des Bauauftrags – Richtlinie 2014/25/EU – Beschluss, mit dem die Beihilfe vorbehaltlich der Erfüllung bestimmter Verpflichtungen für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird – Vereinbarkeit der Beihilfe mit nicht beihilferechtlichen Bestimmungen des Unionsrechts – Zweck der Beihilfe – Untrennbar mit der Beihilfe verbundene Modalitäten – Parallel laufendes Vertragsverletzungsverfahren – Begründungspflicht

Leitsatz

  1. Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Österreich/Kommission (T‑101/18, ), wird aufgehoben.

  2. Der Beschluss (EU) 2017/2112 der Kommission vom über die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe SA.38454 – 2015/C (ex 2015/N) für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II wird für nichtig erklärt.

  3. Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die der Republik Österreich sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

  4. Die Tschechische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren.

  5. Die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs.

Gesetze: AEUV Art. 107 Abs. 3 Buchst. c, AEUV Art. 108, RL 2004/17/EG Art. 40, RL 2014/25/EU Art. 50 Buchst. c, RL 2014/25/EU Art. 106, RL 2014/25/EU Art. 107

Gründe

1 Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Republik Österreich die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom , Österreich/Kommission (T‑101/18, im Folgenden: angefochtenes Urteil, ), mit dem das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses (EU) 2017/2112 der Kommission vom über die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe SA.38454 – 2015/C (ex 2015/N) für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II abgewiesen hat (ABl. 2017, L 317, S. 45, im Folgenden: streitiger Beschluss).

I.  Rechtlicher Rahmen

A.  Richtlinie 2004/17/EG

2 Art. 40 („Anwendung des offenen, des nichtoffenen und des Verhandlungsverfahrens“) Abs. 3 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) sah vor:

„Die Auftraggeber können in den folgenden Fällen auf ein Verfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb zurückgreifen:

c)

wenn der Auftrag wegen seiner technischen oder künstlerischen Besonderheiten oder aufgrund des Schutzes von ausschließlichen Rechten nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer ausgeführt werden kann;

…“

B.  Richtlinie 2014/25/EU

3 Art. 50 („Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb“) der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. 2014, L 94, S. 243) bestimmt:

„Die Auftraggeber können ein Verhandlungsverfahren ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb in den folgenden Fällen anwenden:

c)

wenn die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen aus einem der folgenden Gründe nur von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer erbracht beziehungsweise bereitgestellt werden können:

i)

Ziel der Beschaffung ist die Erschaffung oder der Erwerb eines einzigartigen Kunstwerks oder einer einzigartigen künstlerischen Leistung;

ii)

nicht vorhandener Wettbewerb aus technischen Gründen;

iii)

Schutz von ausschließlichen Rechten, einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums.

Die Ausnahmen gemäß den Ziffern ii und iii finden nur Anwendung, wenn es keine sinnvolle Alternative oder Ersatzlösung gibt und der fehlende Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einengung der Auftragsvergabeparameter ist;

…“

4 In Art. 106 („Umsetzung und Übergangsbestimmungen“) Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten setzen die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis zum nachzukommen. …“

5 Art. 107 („Aufhebung“) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Die Richtlinie 2004/17/EG wird am aufgehoben.“

II.  Vorgeschichte des Rechtsstreits

6 Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 9 des angefochtenen Urteils dargelegt. Sie lässt sich für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens wie folgt zusammenfassen.

7 Am meldete Ungarn bei der Europäischen Kommission unter dem Aktenzeichen C(2017) 1486 eine Maßnahme zur Gewährung eines finanziellen Beitrags zur Entwicklung von zwei neuen Kernreaktoren am Standort des Kernkraftwerks Paks (Ungarn) an. Es handelt sich dabei um die Blöcke 5 und 6 (im Folgenden: die zwei neuen Kernreaktoren), genannt Paks II, die zusätzlich zu den vier dort bereits betriebenen Kernreaktoren entstehen sollten. Begünstigte der angemeldeten Maßnahme war die MVM Paks II Nuclear Power Plant Development Private Company Limited by Shares (im Folgenden: Gesellschaft Paks II), eine Gesellschaft, deren Kapital zu 100 % vom ungarischen Staat gehalten wird und die Eigentümerin und Betreibergesellschaft der zwei neuen Kernreaktoren werden sollte.

8 Gemäß einem zwischenstaatlichen Abkommen über die Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie, das am zwischen der Russischen Föderation und Ungarn geschlossen wurde (im Folgenden: zwischenstaatliches Abkommen), verpflichteten sich diese zwei Staaten, im Rahmen eines Kernenergieprogramms bei der Instandhaltung und der Weiterentwicklung des Kernkraftwerks Paks zu kooperieren. Nach diesem Abkommen sollten die Russische Föderation und Ungarn jeweils eine erfahrene, in staatlichem Eigentum stehende und vom Staat kontrollierte Organisation benennen, die als Auftragnehmerin bzw. Eigentümerin finanziell und technisch für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen u.a. in Bezug auf die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme der zwei neuen Kernreaktoren verantwortlich sein sollte. Die Russische Föderation beauftragte die Nizhny Novgorod Engineering Company Atomenergoproekt (im Folgenden: JSC NIAEP), eine Kapitalgesellschaft, mit dem Bau dieser zwei neuen Kernreaktoren; Ungarn benannte die Gesellschaft Paks II als Eigentümerin und Betreibergesellschaft dieser zwei Reaktoren. Zu diesem Zweck unterzeichneten JSC NIAEP und die Gesellschaft Paks II am ein Abkommen betreffend einen Vertrag über die Entwicklung, den Kauf und den Bau dieser Reaktoren.

9 In dem zwischenstaatlichen Abkommen verpflichtete sich die Russische Föderation, Ungarn ein staatliches Darlehen zur Finanzierung der Entwicklung der zwei neuen Kernreaktoren zu gewähren. Dieses Darlehen unterlag einem zwischenstaatlichen Finanzierungsabkommen vom und ermöglichte eine revolvierende Kreditfazilität von 10 Mrd. Euro, die ausschließlich für die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme dieser Reaktoren eingesetzt werden sollte. Ungarn verpflichtete sich, aus eigenen Mitteln einen weiteren Betrag von 2,5 Mrd. Euro zur Finanzierung der Investition in diese Reaktoren aufzubringen. Ungarn sollte die erforderlichen Mittel für die Zahlung des Kaufpreises für diese Reaktoren nicht auf die Konten der Gesellschaft Paks II übertragen. Diese Mittel sollten größtenteils von der russischen Bank für Außenwirtschaft, der Vnesheconombank, gehalten werden. Nach Abschluss jeder Phase sollte die Gesellschaft Paks II bei dieser Bank die Auszahlung von 80 % des jeweils fälligen Betrags unmittelbar an JSC NIAEP beantragen. Außerdem sollte die Gesellschaft bei der ungarischen Staatlichen Behörde für Schuldenverwaltung die Zahlung der übrigen 20 % beantragen.

10 Im streitigen Beschluss, der nach Durchführung des förmlichen Prüfverfahrens gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV erlassen wurde, stellte die Kommission fest, dass die angemeldete Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darstelle, die vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 3 dieses Beschlusses nach Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Hinsichtlich der direkten Vergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren an JSC NIAEP stellte die Kommission fest, dass diese nicht zu einer zusätzlichen Verfälschung des Wettbewerbs und einer Beeinträchtigung des Handels auf dem relevanten Markt, nämlich dem Strommarkt, führen könne und dass die Kommission daher aufgrund der anwendbaren Rechtsprechung nicht verpflichtet sei, zu prüfen, ob diese Vergabe mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinbar sei. Die Kommission führte im streitigen Beschluss aus, dass hierzu jedenfalls ein eigenes Verfahren auf der Grundlage von Art. 258 AEUV durchgeführt worden sei, in dem geprüft worden sei, ob Ungarn die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge eingehalten habe. In diesem Verfahren sei keine Verletzung dieser Vorschriften durch Ungarn festgestellt worden.

III.  Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

11 Mit Klageschrift, die am bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Republik Österreich Klage auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses.

12 Am wurden das Großherzogtum Luxemburg zur Unterstützung der Anträge der Republik Österreich und die Tschechische Republik, die Französische Republik, Ungarn, die Republik Polen, die Slowakische Republik und das Königreich Großbritannien und Nordirland zur Unterstützung der Anträge der Kommission als Streithelfer zugelassen.

13 Im angefochtenen Urteil wurden vom Gericht mit Ausnahme des zweiten und des dritten Klagegrundes, die die Republik Österreich in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hatte, alle von der Republik Österreich geltend gemachten Klagegründe geprüft und zurückgewiesen, und die Klage wurde somit abgewiesen.

IV.  Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

14 Die Republik Österreich beantragt,

  • das angefochtene Urteil vollständig aufzuheben;

  • dem erstinstanzlichen Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses vollständig stattzugeben;

  • der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

15 Das Großherzogtum Luxemburg beantragt,

  • das angefochtene Urteil aufzuheben;

  • dem erstinstanzlichen Antrag auf Nichtigerklärung des streitigen Beschlusses vollständig stattzugeben;

  • der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

16 Die Kommission beantragt,

  • das Rechtsmittel zurückzuweisen;

  • der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen.

17 Die Tschechische Republik beantragt,

  • das Rechtsmittel zurückzuweisen;

  • der Republik Österreich die Kosten aufzuerlegen.

18 Die Französische Republik, Ungarn und im Wesentlichen auch die Republik Polen beantragen, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

V.  Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

19 Mit Schriftsatz, der am bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat Ungarn beantragt, nach Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das mündliche Verfahren wiederzueröffnen. Der Antrag wurde im Wesentlichen darauf gestützt, dass Ungarn mit einigen in den Schlussanträgen der Generalanwältin enthaltenen Beurteilungen nicht einverstanden sei. Ungarn wendet sich insbesondere gegen die Beurteilungen im Zusammenhang mit dem Umfang der Verpflichtung der Kommission, im Rahmen eines Verfahrens wie jenem, das dem streitigen Beschluss zugrunde liegt, zu prüfen, ob eine Beihilfemaßnahme mit anderen Bestimmungen des Unionrechts vereinbar ist als jenen über staatliche Beihilfen, insbesondere, wenn die Kommission eine solche Prüfung bereits im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den betreffenden Mitgliedstaat vorgenommen hat.

20 Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und seine Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die Parteien vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom , Kommission/European Food u.a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 55 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21 Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an ihre Begründung durch den Generalanwalt gebunden. Dass eine Partei nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom , Kommission/European Food u.a., C‑638/19 P, EU:C:2022:50, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22 Zwar kann der Gerichtshof gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält oder wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist.

23 Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof jedoch nach Anhörung der Generalanwältin der Auffassung, dass er nach dem schriftlichen Verfahren und der mündlichen Verhandlung vor ihm über alle für die Entscheidung in der vorliegenden Rechtssache erforderlichen Angaben verfügt. Jedenfalls lässt der von Ungarn gestellte Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens, der sich im Wesentlichen auf Rechtsfragen konzentriert, die bereits im Rahmen des schriftlichen Verfahrens bzw. in der mündlichen Verhandlung erörtert wurden, keine neue Tatsache erkennen, die für die vom Gerichtshof in dieser Rechtssache zu erlassende Entscheidung von Bedeutung wäre.

24 Unter diesen Umständen besteht keine Veranlassung, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens anzuordnen.

VI.  Zum Rechtsmittel

25 Die Republik Österreich stützt sich auf vier Rechtsmittelgründe. Erstens habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die fehlende Durchführung eines Vergabeverfahrens für den Bau von zwei neuen Kernreaktoren nicht zur Rechtswidrigkeit des streitigen Beschlusses führe. Zweitens wird ein Rechtsfehler in Bezug auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme geltend gemacht. Drittens habe das Gericht im Hinblick auf die Frage des Vorliegens einer unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrung sowie die Frage nach der Stärkung/Schaffung einer marktbeherrschenden Stellung einen Rechtsfehler begangen. Viertens liege im Hinblick auf die Determinierung der Elemente der in Rede stehenden Beihilfe ein Rechtsfehler vor.

A.  Zum ersten Rechtsmittelgrund

26 Der erste Rechtsmittelgrund betrifft die Rn. 27 bis 50 und 196 bis 203 des angefochtenen Urteils.

27 Er richtet sich als Erstes gegen die Zurückweisung des ersten Klagegrundes durch das Gericht, mit dem die Republik Österreich geltend machte, dass der streitige Beschluss rechtswidrig sei, weil der Bau der zwei neuen Kernreaktoren, der ihr zufolge eine mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe „untrennbar verbundene Modalität“ darstelle, ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens an JSC NIAEP vergeben worden sei, was gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoße.

28 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht in den Rn. 25 bis 50 des angefochtenen Urteils im Wesentlichen zum einen festgestellt hat, dass sich die Kommission in den Erwägungsgründen 279 bis 287 des streitigen Beschlusses zu Recht in erster Linie auf den Grundsatz gestützt habe, wonach sie nur verpflichtet sei, den Zusammenhang zwischen dem Beihilferecht und den Regelungen anderer Bereiche des Unionsrechts zu beachten, wenn es sich um Modalitäten der in Rede stehenden Beihilfe handle, die derart untrennbar mit dem Zweck dieser Beihilfe verknüpft seien, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden könnten. Unter Bezugnahme auf das Urteil vom , Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), das von der Republik Österreich herangezogen worden war, hat das Gericht zunächst festgestellt, dass vor ihm nicht geltend gemacht worden sei, dass die durch die in Rede stehende Beihilfe geförderte wirtschaftliche Tätigkeit, nämlich die Erzeugung von Kernenergie, gegen Unionsrecht verstoße. Sodann ließen sich dem Gericht zufolge keine Schlussfolgerungen daraus ziehen, dass der Gerichtshof im genannten Urteil nicht geprüft habe, ob eine untrennbare Verbindung zwischen den Modalitäten der betreffenden Beihilfe und dieser Beihilfe selbst vorgelegen habe, da sich in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, der geltend gemachte Verstoß gegen Grundsätze des Unionsrechts aus dem eigentlichen Zweck dieser Beihilfe, nämlich der Entwicklung eines Kernkraftwerks, ergeben habe. Schließlich gehe aus dem genannten Urteil nicht hervor, dass der Gerichtshof beabsichtigt hätte, den Umfang der Kontrolle zu erweitern, die der Kommission in diesem Bereich obliege. Unabhängig vom Vorliegen einer solchen untrennbaren Verbindung eine Kontrollpflicht vorzusehen, verstieße nämlich sowohl gegen die Verfahrensvorschriften und ‑garantien, die für verschiedene, für andere Bereiche des Unionsrechts typische Verfahren gälten, als auch gegen den Grundsatz der Autonomie der Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe. In Anbetracht dieser Erwägungen hat das Gericht in Rn. 34 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass der Kommission kein Rechtsfehler unterlaufen sei, als sie festgestellt habe, dass ihre Kontrolle im Rahmen des Verfahrens nach Art. 108 AEUV auf die in Rede stehende Beihilfemaßnahme selbst und auf die mit dieser untrennbar verbundenen Modalitäten zu beschränken sei.

29 Zum anderen hat das Gericht in Rn. 35 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Republik Österreich zu Unrecht geltend gemacht habe, dass die Direktvergabe des Baus der zwei neuen Kernreaktoren an JSC NIAEP eine „Modalität [darstelle], die untrennbar“ mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe „verbunden sei“, weil ein Auswahlwettbewerb zu einer völlig anderen Beihilfe hätte führen können, insbesondere im Hinblick auf deren Höhe und Ausgestaltung. Nach der Klarstellung, dass die fragliche Beihilfe darin bestehe, dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen würden, führte das Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Urteils aus, dass die Frage, ob der Bau dieser zwei neuen Kernreaktoren öffentlich hätte ausgeschrieben werden müssen, die Herstellung und die Ausstattung des unentgeltlich überlassenen Gegenstands betreffe und damit der eigentlichen Beihilfemaßnahme vorgelagert sei, so dass die Vergabe des Auftrags für die Entwicklung und den Bau der zwei neuen Kernreaktoren keine Modalität der Beihilfe selbst darstelle.

30 In Rn. 37 des angefochtenen Urteils hat das Gericht hierzu entschieden, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens und die eventuelle Beauftragung eines anderen Unternehmens mit dem Bau der zwei neuen Kernreaktoren weder am Zweck der in Rede stehenden Beihilfe, nämlich der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Reaktoren zum Betrieb, noch am Empfänger dieser Beihilfe, nämlich der Gesellschaft Paks II, etwas geändert hätte. Außerdem würde sich ein Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge nur auf den Markt für den Bau von Kernkraftwerken auswirken, nicht aber auf den Markt, auf den der Zweck der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme gerichtet sei, nämlich den Strommarkt.

31 Was insbesondere den Einfluss des Fehlens eines öffentlichen Vergabeverfahrens auf die Höhe dieser Beihilfe betrifft, hat das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass nicht dargelegt worden sei, dass andere Anbieter in der Lage gewesen wären, zwei Reaktoren mit der betreffenden Technologie „zu besseren Konditionen bzw. zu einem niedrigeren Preis“ zu liefern. Auch wenn eine solche öffentliche Ausschreibung zu einer anderen Höhe der in Rede stehenden Beihilfe hätte führen können, hätte dies außerdem für sich genommen nichts an dem Vorteil geändert, den diese Beihilfe für den Begünstigten dargestellt habe, da dieser Vorteil in der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Kernreaktoren zum Betrieb bestanden habe. Folglich hätte nach Ansicht des Gerichts eine Erhöhung oder Verringerung der Summe der in Rede stehenden Beihilfe weder die Beihilfe im eigentlichen Sinne noch ihre wettbewerbswidrige Wirkung berührt.

32 Als Zweites richtet sich der erste Rechtsmittelgrund gegen die durch das Gericht erfolgte Zurückweisung des ersten Teils des zehnten Klagegrundes, mit dem eine unzureichende Begründung des streitigen Beschlusses in Bezug auf die Vereinbarkeit der Beihilfe mit anderen Vorschriften des Unionsrechts geltend gemacht wurde. Die Republik Österreich führte vor dem Gericht insbesondere aus, die Kommission habe nicht angemessen begründet, warum sie aufgrund der Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren, die eine mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe untrennbar verbundene Modalität darstelle, keinen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge festgestellt habe. Das Gericht hat hierzu in den Rn. 197 und 198 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass die Kommission ausweislich der Erwägungsgründe 280 bis 284 des streitigen Beschlusses in erster Linie festgestellt habe, dass mangels einer untrennbaren Verbindung zwischen dem etwaigen Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 und dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe dieser Verstoß die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt nicht zu berühren vermöge. Die Kommission war somit nach Ansicht des Gerichts nicht verpflichtet, im streitigen Beschluss zu begründen, warum die Voraussetzungen von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 erfüllt waren.

33 Als Drittes hat das Gericht, wie sich aus den Rn. 40 und 43 des angefochtenen Urteils ergibt, festgestellt, dass die Kommission im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ausgeführt habe, jedenfalls in einem eigenen Verfahren – dem Vertragsverletzungsverfahren NIF 2015/4231-32 (im Folgenden: Vertragsverletzungsverfahren 2015) – geprüft zu haben, ob Ungarn die Vorschriften der Richtlinie 2014/25 eingehalten habe; nach Abschluss dieses Verfahrens sei die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass die in der Richtlinie 2014/25 beschriebenen Verfahren nach Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie auf die Beauftragung mit dem Bau der zwei neuen Kernreaktoren nicht anwendbar seien.

34 Basierend auf einer inhaltlichen Prüfung dieser nicht tragenden Gründe des streitigen Beschlusses hat das Gericht in Rn. 41 des angefochtenen Urteils entschieden, dass die Kommission zu Recht angenommen habe, dass sie auf ihre im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 vorgenommene Beurteilung verweisen könne, und zwar im Interesse der Kohärenz der Ergebnisse der Prüfung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfe und des Vertragsverletzungsverfahrens. Rn. 42 des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, dass die Kommission nach einer eingehenden Analyse konkret davon ausgegangen sei, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren an JSC NIAEP ohne vorherigen Aufruf zum Wettbewerb erfolgen könne, da es aus technischen Gründen keinen Wettbewerb gegeben habe und somit Art. 50 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2014/25 maßgeblich sei. Den Rn. 43 bis 46 des angefochtenen Urteils zufolge hat die Kommission dem Gericht im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme hierzu Unterlagen vorgelegt, aus denen abzuleiten gewesen sei, dass sich Ungarn verpflichtet hatte, für die meisten anderen Teile des betreffenden Projekts auf transparente Weise und unter Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung wettbewerbliche Vergabeverfahren durchzuführen. Insbesondere aus Rn. 45 des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht erläutert hat, dass diese von Ungarn eingegangene Verpflichtung im 372. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zum Ausdruck komme, der in Verbindung mit dem 285. Erwägungsgrund des Beschlusses zu lesen sei.

35 Im Übrigen hat das Gericht in Rn. 47 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass es nicht vertretbar wäre, in dem Verfahren über die Vereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Binnenmarkt alle früheren Entscheidungen in Frage zu stellen, die bereits Gegenstand eines eigenen Verfahrens gewesen seien, für das im Sinne des Urteils vom , Matra/Kommission (C‑225/91, EU:C:1993:239, Rn. 44), besondere Regeln gälten, die sich von den beihilferechtlichen Regeln unterschieden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbiete es, dass die Kommission die Vergabe eines Bauauftrags im Rahmen eines Beihilfeverfahrens erneut prüfe, obwohl sie im Vergleich zu den Informationen, über die sie zu dem Zeitpunkt verfügt habe, zu dem sie die Einstellung eines zuvor geführten Vertragsverletzungsverfahrens beschlossen habe, über keine neuen Informationen verfüge. Der Kommission zufolge sei dies zum Zeitpunkt des Erlasses des streitigen Beschlusses im Hinblick auf die Prüfung der Einhaltung der Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Ungarn im Rahmen der Vergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren am Standort von Paks der Fall gewesen.

36 Das Argument der Republik Österreich, wonach ein Vertragsverletzungsverfahren der Beurteilung eines etwaigen Verstoßes gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Rahmen eines Beihilfeverfahrens nicht vorgreifen könne, da für das Vertragsverletzungsverfahren das Opportunitätsprinzip gelte, hat das Gericht in Rn. 48 des angefochtenen Urteils als unerheblich erachtet, da die Kommission tatsächlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet habe, in dessen Rahmen sie die technischen Gründe, auf die sich Ungarn gestützt habe, analysiert habe und daraufhin zu dem Schluss gelangt sei, dass die Voraussetzungen von Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 erfüllt seien. Das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 sei im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses nur deshalb als „vorläufige[r] Schluss“ bezeichnet worden, weil es der Kommission jederzeit möglich sei, aufgrund neuer Informationen ein neues Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen.

37 Der erste Rechtsmittelgrund besteht aus drei Teilen, wobei die ersten beiden Teile gemeinsam zu prüfen sind.

1.  Zum ersten und zum zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

a)  Vorbringen der Parteien

38 Mit dem ersten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Republik Österreich, unterstützt vom Großherzogtum Luxemburg, dem Gericht zunächst im Wesentlichen vor, insbesondere in den Rn. 27 und 201 des angefochtenen Urteils „künstlich“ zwischen dem Bau der zwei neuen Kernreaktoren und ihrer unentgeltlichen Überlassung an die Gesellschaft Paks II unterschieden zu haben und davon ausgegangen zu sein, dass der Zweck der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme einzig und allein in dieser Überlassung bestehe. Konkret vertritt die Republik Österreich die Ansicht, dass die den Zweck der in Rede stehenden Beihilfe verfolgenden Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu betrachten seien. Die vom Gericht vertretene „strenge Trennung“ zwischen der unentgeltlichen Überlassung der zwei neuen Kernreaktoren und der hierfür seitens Ungarns aufgewendeten Mittel erweise sich damit als verfehlt. Des Weiteren führt die Republik Österreich insbesondere unter Bezugnahme auf die Rn. 2, 65, 73 und 188 des angefochtenen Urteils – formal zwar zum zweiten Rechtsmittelgrund, jedoch im Rahmen einer Argumentationslinie, die im Wesentlichen noch dem ersten Rechtsmittelgrund zuzurechnen ist – aus, dass das Gericht die in Rede stehende Beihilfemaßnahme im angefochtenen Urteil nicht nur auf eine, sondern auf mehrere Arten beschrieben habe.

39 Es habe im Übrigen mit der Annahme, dass der Gerichtshof mittels seines Urteils vom , Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht beabsichtigt habe, den Umfang der Kontrolle zu erweitern, die der Kommission im Rahmen eines Verfahrens wie dem in Rede stehenden Beihilfeverfahren obliege, einen Rechtsfehler begangen.

40 Nach Ansicht der Kommission hat das Gericht in diesem Zusammenhang keinen Rechtsfehler begangen. Sie macht geltend, dass die Republik Österreich fälschlicherweise den Zweck der in Rede stehenden Beihilfe und die Modalitäten der Beihilfe vermische. Unter Bezugnahme insbesondere auf das Urteil vom , Kommission/Braesch u.a. (C‑284/21 P, EU:C:2023:58), weist die Kommission darauf hin, dass die Modalitäten einer Beihilfe nur dann in einem Verfahren wie dem in Rede stehenden Beihilfeverfahren beurteilt werden müssten, wenn sie derart untrennbar mit dem Zweck der betreffenden Beihilfe verknüpft seien, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden könnten. Das Gericht habe im vorliegenden Fall richtigerweise zwischen der in Rede stehenden Beihilfe und ihrem Zweck einerseits und den Modalitäten dieser Beihilfe andererseits unterschieden und in Rn. 36 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass ein Ausschreibungsverfahren betreffend den Auftrag für die Entwicklung und den Bau von zwei neuen Kernreaktoren der eigentlichen Beihilfemaßnahme – nämlich „dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen“ würden – vorgelagert sei und daher keine Modalität der Beihilfe selbst darstelle.

41 Im Übrigen habe das Gericht richtig festgestellt, dass die Durchführung eines Vergabeverfahrens und die eventuelle Beauftragung eines anderen Unternehmens mit dem Bau der zwei neuen Kernreaktoren weder am Zweck noch am Empfänger der in Rede stehenden Beihilfe etwas geändert hätte. Selbst wenn es einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge gegeben hätte, was nicht der Fall sei, würde sich dieser nur auf den Markt für den Bau von Kernkraftwerken auswirken, nicht aber auf den Strommarkt, auf den die in Rede stehende Beihilfemaßnahme gerichtet sei. Das gelte auch für die Annahme, dass die Höhe der in Rede stehenden Beihilfe durch die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren hätte beeinflusst werden können, was ebenfalls nicht der Fall sei. Die Kommission habe ihre Bewertung der Verhältnismäßigkeit der betreffenden Maßnahme jedenfalls sorgfältig und unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte durchgeführt.

42 Mit dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes macht die Republik Österreich zunächst im Wesentlichen geltend, dass die Vergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren entgegen den Ausführungen des Gerichts insbesondere in den Rn. 35 bis 39 des angefochtenen Urteils unmittelbar mit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme zusammenhänge. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das gemeinsame Ziel des Vergabe- und des Beihilfenrechts, einen fairen unverfälschten Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu gewährleisten. Sodann führt die Republik Österreich aus, dass die Überlassung der zwei neuen Kernreaktoren und das Ungarn von der Russischen Föderation gewährte Darlehen in Wirklichkeit eng miteinander verknüpft seien und die Regierungen Russlands und Ungarns, wie es dem zwischenstaatlichen Abkommen entnommen werden könne, das betreffende Projekt als „Gesamtvorgang“ konzipiert und durchgeführt hätten.

43 Ebenfalls im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes und diesbezüglich unter Verweis auf ihre im Rahmen des zweiten Rechtsmittelgrundes dargelegten Argumente weist die Republik Österreich außerdem darauf hin, dass die Verletzung vergaberechtlicher Vorgaben Auswirkungen auf die Beihilfe selbst – genauer auf die Verhältnismäßigkeit sowie die Höhe derselben – habe. Sie erläutert außerdem, dass ein gemäß den vergaberechtlichen Vorschriften durchgeführter Auswahlwettbewerb möglicherweise zu einer insbesondere im Hinblick auf Höhe und Ausgestaltung völlig anderen Beihilfe geführt hätte, da ein günstigeres Angebot für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren die Höhe der in Rede stehenden Beihilfe unmittelbar reduziert hätte.

44 In dieser Hinsicht beanstandet die Republik Österreich die Rn. 36 und 38 des angefochtenen Urteils, soweit das Gericht darin zu dem Schluss gelangt ist, dass eine Erhöhung oder Verringerung der Summe der in Rede stehenden Beihilfe weder zu einer Änderung der Beihilfe im eigentlichen Sinne noch zu einer Änderung ihrer Auswirkung auf den Wettbewerb führe. Hätte im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens ein günstigeres Angebot eingereicht und angenommen werden können, hätte die in Rede stehende Beihilfe in Bezug auf ihre Höhe und Ausgestaltung anders ausfallen können. Mangels eines Ausschreibungsverfahrens sei nicht gewährleistet, dass die in Rede stehende Beihilfe tatsächlich verhältnismäßig – also auf das Mindestmaß beschränkt – sei.

45 Die Kommission verweist auf das Urteil vom , Iannelli & Volpi (74/76, EU:C:1977:51), nach dem nur die Modalitäten, die nicht für sich allein beurteilt werden könnten, untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft seien. Ob bei der in Rede stehenden Beihilfe die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge beachtet worden seien, könne im vorliegenden Fall gesondert beurteilt werden, was im Übrigen im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 erfolgt sei.

46 Zum Argument der Republik Österreich, das auf dem zwischenstaatlichen Abkommen basiert (siehe Rn. 42 des vorliegenden Urteils), führt die Kommission aus, dass dieses erstmals im Rahmen des Rechtsmittels vorgebracht worden und damit unzulässig sei.

47 Im Übrigen merkt die Kommission an, dass der Umstand, dass die Höhe und Ausgestaltung der in Rede stehenden Beihilfe möglicherweise anders gewesen wäre, wenn ein Ausschreibungsverfahren stattgefunden hätte, auch nicht relevant sei, da die Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der in Rede stehenden Beihilfe nicht zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Da, wie sich aus Rn. 38 des angefochtenen Urteils ergebe, der Zweck dieser Beihilfe in der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Kernreaktoren bestehe, bedeute eine Erhöhung oder Verringerung der Beihilfensumme selbst keine andere Bewertung der Beihilfe.

48 In der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof hat die Kommission angegeben, dass die Investitionssumme, die Gegenstand der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme sei, 12,5 Mrd. Euro betrage. 10 Mrd. davon habe die Russische Föderation auf der Grundlage des zwischenstaatlichen Abkommens als Kredit gewährt, bei 2,5 Mrd. Euro handele es sich um Eigenmittel Ungarns. Sie hat ausgeführt, dass ein Wirtschaftsteilnehmer auf dem Markt von einer solchen Investition finanziell nicht ausreichend profitiert hätte, und hat daraus den Schluss gezogen, dass das in Rede stehende Projekt ohne die Beihilfe Ungarns nicht durchgeführt worden wäre, so dass dieser Mitgliedstaat einen Betrag von 12,5 Mrd. Euro investieren müsse. Hierzu hat die Kommission in ihrer Antwort auf eine Frage des Gerichtshofs bestätigt, dass dieser Betrag den Kosten für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren sowie für gewisse Investitionen im Zusammenhang mit dem Betrieb dieser Reaktoren durch die Gesellschaft Paks II entspreche.

49 Die Französische Republik macht im Wesentlichen geltend, dass die Republik Österreich mit ihrem Argument, dass es sich bei der Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren um eine untrennbar mit der fraglichen Beihilfe verbundene Modalität handle, in Wirklichkeit die vom Gericht vorgenommene Tatsachen- und Beweiswürdigung angreife. Außer im Fall ihrer Verfälschung stelle eine solche Würdigung aber keine Rechtsfrage dar, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge.

b)  Würdigung durch den Gerichtshof

50 Mit dem ersten und dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes möchte die Republik Österreich die in den Rn. 35 bis 38 des angefochtenen Urteils dargelegte Analyse in Frage stellen, soweit das Gericht nach Abschluss dieser Analyse die zentrale Schlussfolgerung des 284. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses bestätigt hat, wonach ohne eine untrennbare Verbindung zwischen dem etwaigen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge und dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe dieser Verstoß keine Auswirkungen auf die Bewertung der Vereinbarkeit der Beihilfe haben könne.

51 Die Republik Österreich macht im Wesentlichen geltend, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen habe, als es zum einen den Bau der zwei neuen Kernreaktoren von der Definition des Zwecks der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme ausgeschlossen und zum anderen die Schlussfolgerung der Kommission bestätigt habe, wonach die Direktvergabe des Auftrags für diesen Bau keine Modalität dieser Beihilfe darstelle, die mit deren Zweck untrennbar verbunden sei.

52 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung das in Art. 108 AEUV vorgesehene Verfahren niemals zu einem Ergebnis führen darf, das zu den besonderen Bestimmungen des Vertrags im Widerspruch stünde. Somit kann eine staatliche Beihilfe, die als solche oder wegen bestimmter Modalitäten gegen Bestimmungen oder allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt, nicht für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt werden (Urteil vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 96 und die dort angeführte Rechtsprechung).

53 Wie von der Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 33 ihrer Schlussanträge ausgeführt, ergibt sich also aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Kommission Verstöße gegen andere Bestimmungen des Unionsrechts als jene zu staatlichen Beihilfen berücksichtigen muss, wenn sich ein solcher Verstoß aus der finanzierten wirtschaftlichen Tätigkeit, aus der Beihilfe oder ihrem Zweck als solchen oder aber aus untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verbundenen Modalitäten ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Iannelli & Volpi, 74/76, EU:C:1977:51, Rn. 14, und vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 98 und 103 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

54 Sind die Modalitäten einer Beihilfe also derart untrennbar mit dem Zweck der Beihilfe verknüpft, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden können, muss ihre Auswirkung auf die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit der Beihilfe insgesamt zwangsläufig im Rahmen des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens beurteilt werden (Urteil vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 97 und die dort angeführte Rechtsprechung). Solche Modalitäten gehören somit zu den von der Kommission zu prüfenden und gegebenenfalls zu genehmigenden Punkten, so dass, wenn sie zu einem Verstoß gegen allgemeine Bestimmungen oder Grundsätze des Unionsrechts führen, ein von der Kommission erlassener Beschluss, mit dem diese Beihilfe genehmigt wird, zwangsläufig rechtswidrig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 99).

55 Insoweit hat das Gericht in Rn. 30 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass sich aus dem Urteil vom , Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht darauf schließen lasse, dass der Gerichtshof seine Rechtsprechung habe aufgeben wollen, nach der zwischen solchen Modalitäten, die eine untrennbare Verbindung mit dem Zweck der Beihilfe aufwiesen, und solchen, bei denen dies nicht der Fall sei, unterschieden werden müsse, und dass das diesbezügliche Vorbringen der Republik Österreich daher zurückzuweisen sei. Zwar hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Österreich/Kommission (C‑594/18 P, EU:C:2020:742), nicht auf seine Rechtsprechung zu untrennbar mit einer Beihilfe oder deren Zweck verbundenen Modalitäten verwiesen. Dies ist jedoch dem Umstand geschuldet, dass es in der dem genannten Urteil zugrunde liegenden Rechtssache nur um einen angeblichen Verstoß gegen Unionsrecht ging, der sich aus eben jener wirtschaftlichen Tätigkeit ergab, die in der betreffenden Rechtssache durch die betreffende Beihilfe finanziert werden sollte und daher nicht vom Zweck dieser Beihilfe getrennt werden konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Braesch u.a., C‑284/21 P, EU:C:2023:58, Rn. 98).

1)  Zur Definition des Zwecks der in Rede stehenden Beihilfe

56 Zunächst ist zu prüfen, ob das Gericht den Zweck der in Rede stehenden Beihilfe in Rn. 36 des angefochtenen Urteils zu Recht so definiert hat, dass er allein darin bestehe, „dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen werden“, wodurch der Bau dieser Kernreaktoren vom Zweck der Beihilfe ausgeschlossen wurde.

57 Vorab ist zur Zulässigkeit des gegen Rn. 36 des angefochtenen Urteils gerichteten Vorbringens darauf hinzuweisen, dass zum einen zwar gemäß Art. 170 Abs. 1 der Verfahrensordnung das Rechtsmittel den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern kann, ein Rechtsmittelführer jedoch zulässigerweise ein Rechtsmittel einlegen kann, mit dem er beim Gerichtshof Rechtsmittelgründe geltend macht, die sich aus dem angefochtenen Urteil selbst ergeben und mit denen dessen Stichhaltigkeit aus rechtlichen Erwägungen in Frage gestellt wird (vgl. Urteil vom , Aeris Invest/Kommission und SRB, C‑535/22 P, EU:C:2024:819, Rn. 146 und die dort angeführte Rechtsprechung). Entgegen dem Vorbringen der Französischen Republik in ihrer Gegenerwiderung kann die Republik Österreich im Rechtsmittelverfahren also zulässigerweise erstmals ein Argument geltend machen, das sich gegen die vom Gericht in Rn. 36 des angefochtenen Urteils vorgenommene Eingrenzung des Zwecks der in Rede stehenden Beihilfe richtet.

58 Zum anderen ist der Gerichtshof nach der Rechtsprechung im Rechtsmittelverfahren nicht zur Feststellung von Tatsachen befugt und darf die Beweise, auf die das Gericht seine Feststellungen zu diesen Tatsachen gestützt hat, grundsätzlich nicht überprüfen. Die Befugnis des Gerichtshofs zur Kontrolle der Tatsachenfeststellungen des Gerichts erstreckt sich insbesondere darauf, ob Tatsachen verfälscht wurden, ob sich aus den Verfahrensakten ergibt, dass diese Feststellungen tatsächlich falsch sind, ob Beweise verfälscht wurden, wie diese rechtlich zu qualifizieren sind und ob die Vorschriften über die Beweislast und das Beweisverfahren eingehalten wurden (vgl. Urteil vom , Kommission/Irland u.a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 168 und 169 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im vorliegenden Fall beanstandet die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen zur vom Gericht vorgenommenen Eingrenzung des Zwecks der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme nicht die Tatsachenfeststellungen des Gerichts, sondern die rechtliche Qualifizierung dieser Tatsachen.

59 Was den Inhalt der in Rn. 36 des angefochtenen Urteils vorgenommenen Beurteilung betrifft, so hat sich das Gericht auf die in Rn. 56 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Prämisse gestützt, um festzustellen, dass „[d]ie Frage, ob der Bau dieser beiden Reaktoren hätte öffentlich ausgeschrieben werden müssen, … die Herstellung und die Ausstattung des unentgeltlich überlassenen Gegenstands [betrifft] und … damit der eigentlichen Beihilfemaßnahme vorgelagert [ist]“, und daraus geschlossen, dass „die Vergabe des Auftrags für die Entwicklung und den Bau der beiden neuen [Kernr]eaktoren [somit] keine Modalität der Beihilfe selbst dar[stellt]“.

60 Ein Vorgang, dessen wesentliche Elemente sich aus der Anmeldung dieser Maßnahme ergeben und der ein integrierender Bestandteil dieser Maßnahme ist, kann aber nicht vom Zweck der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme ausgeschlossen werden, da er für die Durchführung dieser Maßnahme und folglich für die Erfüllung ihres Zwecks zwingend erforderlich ist.

61 Im vorliegenden Fall bestand, wie sich aus Rn. 2 des angefochtenen Urteils ergibt, der Zweck der von Ungarn geplanten Beihilfe darin, die Erzeugung von Kernenergie zu unterstützen. Dieser Zweck sollte mittels eines Projekts erreicht werden, das gemäß der für die Anmeldung der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme gewählten Bezeichnung dem „Bau von zwei Kernreaktoren“ diente. Den Rn. 5 und 6 des angefochtenen Urteils kann auch entnommen werden, dass gemäß dem zwischenstaatlichen Abkommen die Entwicklung dieser zwei neuen Kernreaktoren ihre Planung und ihren Bau umfasste, wobei sich die wesentlichen Eckpunkte dieses Vorhabens, nämlich insbesondere die Identität des Bauunternehmens und die technischen Spezifikationen der zwei neuen Kernreaktoren, aus der Anmeldung der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme ergaben.

62 Im Übrigen wird im neunten Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses, auf den in Rn. 116 des angefochtenen Urteils Bezug genommen wird und der zu Punkt 2.1 („Beschreibung des Vorhabens“) gehört, ausgeführt, dass „[d]ie Maßnahme … in der Entwicklung zweier neuer Kernreaktoren … in Ungarn [besteht], deren Bau zugunsten der Gesellschaft Paks II …, die auch Eigentümerin und Betreibergesellschaft der neuen Reaktoren sein wird, vollständig vom ungarischen Staat finanziert wird“. Im gleichen Zusammenhang wird die angemeldete Beihilfemaßnahme in den Erwägungsgründen 324 bis 328 des streitigen Beschlusses von der Kommission als ein „geeignetes Instrument zur Unterstützung des Baus der … neuen Reaktorblöcke“ angesehen, das der Erreichung des „in der Förderung der Kernenergie bestehenden Ziels von gemeinsamem Interesse“ diene.

63 Zur Höhe der in Rede stehenden Beihilfe ergibt sich aus Rn. 188 des angefochtenen Urteils, in der Angaben aus dem 15. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses wiedergegeben werden, dass diese Beihilfe „aus einer revolvierenden Kreditfazilität in Höhe von 10 Mrd. Euro und einem weiteren Betrag des ungarischen Staates in Höhe von 2,5 Mrd. Euro“ besteht. Rn. 7 des angefochtenen Urteils ist zu entnehmen, dass Ungarn diese Kreditfazilität gemäß dem zwischenstaatlichen Abkommen im Wege eines Darlehens von der Russischen Föderation gewährt wurde und ausschließlich für die Planung, den Bau und die Inbetriebnahme der zwei neuen Kernreaktoren eingesetzt werden durfte. Schließlich hat die Kommission, wie in Rn. 48 des vorliegenden Urteils ausgeführt, im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass der von Ungarn investierte Betrag im Rahmen des in Rede stehenden Projekts insbesondere den Kosten für den Bau dieser zwei neuen Kernreaktoren entsprach.

64 Da der Bau dieser Reaktoren zum einen für die Erfüllung des mit der in Rede stehenden angemeldeten Maßnahme verfolgten Zwecks notwendig war und es sich dabei zum anderen um ein zumindest mittelbar aus ungarischen Ressourcen finanziertes Vorhaben handelte, bildete er demnach einen integralen Bestandteil der von Ungarn angemeldeten Beihilfemaßnahme und ist das Gericht folglich zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass er nicht vom Zweck dieser Maßnahme umfasst sei.

65 Die Feststellung des Gerichts in Rn. 36 des angefochtenen Urteils, wonach der einzige Zweck dieser Beihilfe darin bestehe, „dass der Gesellschaft Paks II unentgeltlich zwei neue Kernreaktoren zum Betrieb überlassen werden“, beruht somit auf einer fehlerhaften rechtlichen Qualifizierung der maßgeblichen Tatsachen.

2)  Zum Vorliegen einer untrennbaren Modalität

66 Daher ist nunmehr zu prüfen, ob das Gericht trotz des in Rn. 65 des vorliegenden Urteils festgestellten Fehlers bei der rechtlichen Qualifizierung der Tatsachen in Rn. 39 des angefochtenen Urteils zu Recht die zentrale Schlussfolgerung des streitigen Beschlusses bestätigt hat, wonach die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren, also die Vergabe dieses Auftrags an JSC NIAEP ohne Durchführung eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens, keine Modalität darstellt, die im Sinne der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung untrennbar mit dem Zweck dieser Beihilfe verbunden ist.

67 Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung, wenn die Gründe des Urteils des Gerichts zwar eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, der Tenor des Urteils sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist, ein solcher Verstoß nicht die Aufhebung des angefochtenen Urteils nach sich ziehen kann und eine Ersetzung von Gründen vorzunehmen ist (Urteil vom , Kommission/Amazon.com u.a., C‑457/21 P, EU:C:2023:985, Rn. 51 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

68 Insoweit handelte es sich bei der Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren zwingend um eine mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe verbundene Modalität, da dieser Bau, wie in Rn. 64 des vorliegenden Urteils festgestellt, einen integralen Bestandteil der in Rede stehenden Maßnahme bildete, wie sie von Ungarn angemeldet wurde, die der unentgeltlichen Überlassung zweier neuer Reaktoren an die Gesellschaft Paks II diente.

69 Dennoch ist, wie von der Generalanwältin im Wesentlichen in Nr. 48 ihrer Schlussanträge ausgeführt, noch zu prüfen, ob davon ausgegangen werden kann, dass diese Modalität derart untrennbar mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfe verknüpft ist, dass die Kommission im Rahmen ihrer Prüfung der Vereinbarkeit dieser Beihilfe mit dem Binnenmarkt verpflichtet war, auch eine Bewertung der Vereinbarkeit dieser Modalität mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vorzunehmen.

70 Wie in Rn. 54 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat die Kommission im Rahmen des in Art. 108 AEUV vorgesehenen Verfahrens die untrennbar mit dem Zweck einer Beihilfe verknüpften Modalitäten zu beurteilen, also jene, die derart untrennbar mit diesem Zweck verknüpft sind, dass sie nicht für sich allein beurteilt werden können, so dass ihre Auswirkung auf die Vereinbarkeit oder Unvereinbarkeit dieser Beihilfe insgesamt mit dem Binnenmarkt zwangsläufig im Rahmen dieses Verfahrens zu bewerten ist.

71 Bei Modalitäten, die zwar zur in Rede stehenden Beihilfemaßnahme gehören, zur Verwirklichung ihres Zwecks oder zu ihrem Funktionieren aber nicht unerlässlich sind, handelt es sich hingegen nicht um untrennbar mit dem Zweck einer Beihilfe verknüpfte Modalitäten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Iannelli & Volpi, 74/76, EU:C:1977:5, Rn. 14, und vom , A-Fonds, C‑598/17, EU:C:2019:352, Rn. 47 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Dementsprechend hat der Gerichtshof entschieden, dass zwar in einem Sachzusammenhang stehende, aber rechtlich gesonderte Maßnahmen des betreffenden Mitgliedstaats keine untrennbar mit einer Beihilfemaßnahme verbundenen Modalitäten darstellen (Beschluss vom , CAPA u.a./Kommission, C‑742/21 P, EU:C:2023:1000, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72 Im vorliegenden Fall stellt die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren entgegen der Feststellung des Gerichts in Rn. 39 des angefochtenen Urteils eine Modalität dar, die mit dem Zweck der von Ungarn bei der Kommission angemeldeten Beihilfemaßnahme, die der Entwicklung dieser Reaktoren zwecks unentgeltlicher Überlassung an die Gesellschaft Paks II diente, untrennbar verbunden ist. Aus den Feststellungen des Gerichts in den Rn. 6 bis 8 des angefochtenen Urteils ergibt sich nämlich, dass die in einer solchen Vergabe bestehende Modalität für die Verwirklichung des so definierten Zwecks der Beihilfe unerlässlich war.

73 Diesen Feststellungen zufolge verpflichtete sich die Russische Föderation, Ungarn ein Darlehen zur Finanzierung der Entwicklung der zwei neuen Kernreaktoren des Kernkraftwerks Paks zu gewähren, deren Bau die von der Russischen Föderation benannte JSC NIAEP übernehme, wobei die für diese Entwicklung erforderlichen Mittel größtenteils von der russischen Bank für Außenwirtschaft gehalten würden, die JSC NIAEP auf Antrag der Gesellschaft Paks II für jeden als erfüllt betrachteten Meilenstein des Baus dieser Reaktoren Zahlungen leiste. Dieses Darlehen bestand also aus einer revolvierenden Kreditfazilität in Höhe von 10 Mrd. Euro, die ausschließlich für die Planung, den Bau dieser neuen Reaktoren und ihre Inbetriebnahme eingesetzt werden durfte. Außerdem war vorgesehen, dass der weitere, aus eigenen Mitteln Ungarns stammende Betrag von 2,5 Mrd. Euro, der für die Finanzierung der Entwicklung benötigt wurde, auf Antrag der Gesellschaft Paks II ebenfalls direkt an JSC NIAEP bezahlt werden sollte, und zwar in diesem Fall von der ungarischen Staatlichen Behörde für Schuldenverwaltung.

74 Diese Finanzierungsmethode, die speziell der Entwicklung neuer Reaktoren zur unentgeltlichen Überlassung an die Gesellschaft Paks II diente und eine schrittweise, am Baufortschritt der zwei neuen Kernreaktoren orientierte Freigabe der Mittel an JSC NIAEP vorsah, bestätigt, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau dieser Reaktoren an JSC NIAEP untrennbar mit der genannten Überlassung verbunden war.

75 Daraus folgt, dass gemäß der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung ein etwaiger Verstoß dieser untrennbar mit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme verbundenen Modalität gegen allgemeine Bestimmungen oder Grundsätze des Unionsrechts, etwa die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge, dem entgegenstehen konnte, dass diese Maßnahme im Rahmen eines Verfahrens gemäß Art. 108 AEUV für mit dem Binnenmarkt vereinbar erklärt wird.

76 Eine Prüfung, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit diesen Vorschriften vereinbar ist, war umso mehr geboten, als sich die Durchführung eines offenen, sachlichen und vorbehaltlosen Ausschreibungsverfahrens betreffend die Vergabe eines Auftrags für den Bau von Infrastruktur, wie von der Republik Österreich zu Recht geltend gemacht, insbesondere auf die für diesen Bau erforderlichen Investitionskosten und die Eigenschaften dieser Infrastruktur sowie in weiterer Folge auf den Umfang des Vorteils auswirken kann, der einem Unternehmen oder einer Gruppe von Unternehmen auf diese Weise gewährt wird (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteile vom , Land Burgenland u.a./Kommission, C‑214/12 P, C‑215/12 P und C‑223/12 P, EU:C:2013:682, Rn. 94, vom , SNCF Mobilités/Kommission, C‑127/16 P, EU:C:2018:165, Rn. 140, sowie vom , Volotea und easyJet/Kommission, C‑331/20 P und C‑343/20 P, EU:C:2022:886, Rn. 126 und die dort angeführte Rechtsprechung).

77 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich zwar, dass es der Kommission nicht obliegt, aus eigener Initiative, wenn keine dahin gehenden Anhaltspunkte vorliegen, alle Informationen zusammenzutragen, die einen Zusammenhang mit der Sache aufweisen könnten, mit der sie befasst ist, auch wenn solche Informationen öffentlich zugänglich sind (Urteil vom , Slowenien/Kommission, C‑447/22 P, EU:C:2024:678, Rn. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wie sich aus den Erwägungsgründen 279 bis 287 des streitigen Beschlusses ergibt, auf die in Rn. 25 des angefochtenen Urteils verwiesen wird, wurde die Frage der Vereinbarkeit der Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge im Rahmen des Verfahrens, das mit dem Erlass des streitigen Beschlusses geendet hat, im vorliegenden Fall jedoch von zahlreichen Beteiligten aufgeworfen.

78 Als Erstes ist daher festzustellen, dass das Gericht in Rn. 38 des angefochtenen Urteils zu Unrecht entschieden hat, dass die Kommission zu Recht davon habe ausgehen können, dass die Rechtmäßigkeit des streitigen Beschlusses nicht von der Einhaltung der Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge durch Ungarn abhänge, da auch unter der Annahme, dass eine öffentliche Ausschreibung zu einer anderen Beihilfehöhe hätte führen können, dies für sich genommen nichts an dem Vorteil geändert hätte, den diese Beihilfe für ihren Begünstigten dargestellt habe und der in der unentgeltlichen Überlassung von zwei neuen Kernreaktoren zum Betrieb an die Gesellschaft Paks II bestanden habe. Diese Feststellung des Gerichts ist nämlich nicht mit dem Umstand vereinbar, dass die aus der Direktvergabe des Auftrags für den Bau dieser Reaktoren bestehende Modalität untrennbar mit dieser Überlassung verbunden und somit im Rahmen des Verfahrens nach Art. 108 AEUV in die Prüfung der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme mit dem Binnenmarkt einzubeziehen war.

79 Als Zweites ist auch die vom Gericht in Rn. 37 des angefochtenen Urteils getroffene Feststellung, wonach „sich ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nur auf den Markt für den Bau von Kernkraftwerken auswirken [würde], nicht aber auf den Markt, auf den der Zweck der … Beihilfemaßnahme gerichtet ist“, mit einem Fehler behaftet. Eine Voraussetzung wie die in Rn. 37 des angefochtenen Urteils genannte lässt sich der in Rn. 52 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung nämlich in keiner Weise entnehmen. Wie von der Generalanwältin in Nr. 56 ihrer Schlussanträge ausgeführt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Kommission bei der Beurteilung, ob eine geplante Beihilfe die Voraussetzung von Art. 107 Abs. 3 Buchst. c AEUV, dass die Handelsbedingungen nicht in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise verändert werden dürfen, erfüllt, die negativen Auswirkungen dieser Beihilfe auf den Wettbewerb und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Allgemeinen berücksichtigen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Österreich/Kommission., C‑594/18 P, EU:C:2020:742, Rn. 101).

80 Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kommission einen Verstoß gegen eine Bestimmung des Unionsrechts, der zu einer Verfälschung des Wettbewerbs auf einem anderen, aber mit dem Markt, auf den die angemeldete Beihilfemaßnahme gerichtet ist, verbundenen Markt führen kann, im Rahmen ihrer Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Binnenmarkt berücksichtigen muss. Dies gilt im vorliegenden Fall auch für eine etwaige Verfälschung des Wettbewerbs, die möglicherweise auf dem Markt für den Bau von Kernkraftwerken entstanden ist, nämlich durch die gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßende Vergabe des Auftrags für den Bau von zwei neuen Kernreaktoren am Standort von Paks, da diese Vergabe eine mit dem Zweck der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme untrennbar verbundene Modalität darstellte.

81 Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass das Gericht angesichts der zentralen Schlussfolgerung der Kommission im streitigen Beschluss, wonach sie nicht verpflichtet gewesen sei, zu prüfen, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinbar sei, einen Rechtsfehler begangen hat, als es zum einen in Rn. 36 des angefochtenen Urteils davon ausging, dass der Zweck der in Rede stehenden Beihilfe den Bau dieser zwei neuen Reaktoren nicht umfasse, und zum anderen in Rn. 39 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, dass die Kommission zu Recht festgestellt habe, dass die Vergabe des Auftrags für den Bau der beiden neuen Kernreaktoren keine Modalität der Beihilfe darstelle, die mit dieser untrennbar verbunden sei.

82 Dem ersten und dem zweiten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist somit stattzugeben.

83 Es ist jedoch auch der dritte Teil des ersten Rechtsmittelgrundes zu prüfen, mit dem die Republik Österreich die vom Gericht durchgeführte Prüfung der ergänzenden Schlussfolgerung der Kommission beanstandet, wonach kurz gesagt die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren jedenfalls nicht mit einem Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 einhergegangen sei.

2.  Zum dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes

a)  Vorbringen der Parteien

84 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes beanstandet die Republik Österreich, unterstützt vom Großherzogtum Luxemburg, die Rn. 40 bis 50 des angefochtenen Urteils, insbesondere Rn. 41, in der das Gericht im Wesentlichen ausgeführt hat, dass sogar unter der Annahme, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren als untrennbar mit der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme oder ihrem Zweck verbundene Modalität qualifiziert werden könne, die Kommission im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses zu Recht davon ausgegangen sei, ergänzend auf die Beurteilung verweisen zu können, die sie hierzu im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 vorgenommen habe. Die Republik Österreich führt aus, die Kommission habe – wie sich aus Rn. 40 des angefochtenen Urteils ergebe – festgestellt, dass sie in diesem Vertragsverletzungsverfahren jedenfalls geprüft habe, ob Ungarn die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge eingehalten habe, und dabei zu dem vorläufigen Schluss gelangt sei, dass die in der Richtlinie 2014/25 beschriebenen Verfahren nach Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie nicht auf die Vergabe dieses Bauauftrags anwendbar seien.

85 Die Republik Österreich macht geltend, dass ein einfacher Verweis auf ein eingestelltes, nicht öffentliches Vertragsverletzungsverfahren – das Vertragsverletzungsverfahren 2015 – nicht als Begründung genüge, zumal der Kommission vor dem Erlass des streitigen Beschlusses Stellungnahmen zu einem möglichen Verstoß gegen das Vergaberecht zugegangen seien. Dies werde dadurch bestätigt, dass das Gericht die Kommission im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme habe auffordern müssen, ihm entsprechende Dokumente zum Vertragsverletzungsverfahren 2015 vorzulegen. Ohne diese Dokumente hätte das Gericht nicht nachvollziehen können, ob gegen die Unionsvorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen worden sei.

86 Im Übrigen macht die Republik Österreich geltend, dass die in Art. 50 Buchst. c Ziff. ii der Richtlinie 2014/25 vorgesehene Ausnahme eng auszulegen sei. Wahrscheinlich seien die technischen Anforderungen des in Rede stehenden Projekts, die sich auf die sicherheitsrelevanten Aspekte konzentrierten, künstlich auf den russischen Bautyp eingeengt worden, um in den Genuss einer russischen Finanzierung zu kommen.

87 Hierzu legt die Republik Österreich dar, dass es ihr entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 38 des angefochtenen Urteils nicht oblegen habe, darzulegen, dass andere Anbieter in der Lage gewesen wären, die zwei neuen Kernreaktoren „zu besseren Konditionen bzw. zu einem niedrigeren Preis“ zu liefern.

88 Schließlich spreche weder der Res-iudicata-Grundsatz noch der Grundsatz der Rechtssicherheit dagegen, dass ein eingestelltes Vertragsverletzungsverfahren jederzeit wieder aufgenommen werden könne. Wäre die Kommission im vorliegenden Fall im Rahmen ihrer Beurteilung der in Rede stehenden Beihilfemaßnahme also zu dem Schluss gelangt, dass gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen worden sei, hätte sie ohne Weiteres ein neues Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn einleiten können.

89 Die Kommission macht geltend, dass das Gericht in Rn. 41 des angefochtenen Urteils zu Recht entschieden habe, dass sie sich auf ein eingestelltes Vertragsverletzungsverfahren stützen dürfe. Aus den dem Gericht im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme vorgelegten Nachweisen gehe hervor, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren aus technischen Gründen nach Art. 50 Buchst. c der Richtlinie 2014/25 „für die wesentlichen Teile des Projektes gerechtfertigt“ gewesen sei. Um eine zufriedenstellende Lösung zu erreichen, habe sich Ungarn auch bereit erklärt, „für die meisten anderen Teile des Projektes“ transparent vorzugehen. Diese Zusagen hätten „es der Kommission [erlaubt], das Vertragsverletzungsverfahren einzustellen“. Im Rahmen des Verfahrens, in dem der streitige Beschluss ergangen sei, die Vereinbarkeit der Direktvergabe des Auftrags für den Bau dieser zwei neuen Reaktoren mit Unionsrecht zu prüfen, obwohl sie diese Prüfung bereits im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens durchgeführt habe, hätte sich im Übrigen nachteilig auf den effizienten Einsatz der Ressourcen der Kommission ausgewirkt.

90 Der Kommission zufolge handelt es sich bei der diesbezüglichen Entscheidung Ungarns um eine „freie strategische Entscheidung des Mitgliedstaats“, die anzugreifen sie keine Grundlage gehabt habe. Diese Entscheidung sei auch aufgrund der früheren Erfahrung mit dem betreffenden Hersteller gerechtfertigt, und die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) und die Sachverständigen der Generaldirektion (GD) „Energie“ der Kommission hätten, wie vom Gericht in Rn. 46 des angefochtenen Urteils ausgeführt, die technische Einzigartigkeit des von diesem Hersteller hergestellten und von Ungarn ausgewählten Reaktors WWER 1200 bestätigt. Da für die wesentlichen Teile des Projekts nur ein Auftragnehmer vorhanden gewesen sei, sei es im Übrigen gerechtfertigt gewesen, den gesamten in Rede stehenden Auftrag an diesen Auftragnehmer zu vergeben.

91 Die Kommission führt aus, dass es nicht ausreiche, dass die Republik Österreich auf einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge hinweise, insbesondere vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall „eine Marktbewertung ergeben [hatte], dass keine anderen Lieferanten zur Verfügung standen“. Folglich habe das Gericht von der Republik Österreich keinen „unmöglichen Beweis“ verlangt, sondern in Rn. 64 des angefochtenen Urteils lediglich festgestellt, dass es in dieser Situation an Österreich gewesen wäre, Anhaltspunkte darzulegen, die auf eine Alternativlösung für den Bau dieser zwei neuen Reaktoren hinwiesen.

92 Im Übrigen hätten die dem Gericht von der Kommission vorgelegten Nachweise betreffend das Vertragsverletzungsverfahren 2015 (siehe Rn. 34 des vorliegenden Urteils) klar gezeigt, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau dieser Reaktoren für die wesentlichen Teile des in Rede stehenden Projekts gerechtfertigt gewesen sei. Das Gericht habe in Rn. 47 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass es gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen würde, im streitigen Beschluss eine Position einzunehmen, die der Position der Kommission im Vertragsverletzungsverfahren 2015 widerspreche.

93 Schließlich hat die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof bekräftigt, dass JSC NIAEP zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung im Jahr 2014 der einzige verfügbare Lieferant für die betreffende Nukleartechnologie gewesen sei und dass diese Technologie die geeignetste, wenn nicht sogar die einzige gewesen sei, mit der das in Rede stehende Projekt umsetzbar gewesen sei. Sie hat dargelegt, dass keine andere Technologie den technischen Spezifikationen im Zusammenhang mit den für den ungarischen Markt geeigneten 2 400 Megawatt entsprochen hätte und dass aus diesem Grund die zwei neuen Kernreaktoren als vom Zweck der in Rede stehenden Beihilfe umfasst zu betrachten seien. Außerdem habe der Gerichtshof seine Beurteilung auf der Grundlage der Situation auf dem Markt für den Bau von Kernkraftwerken im Jahr 2017 durchzuführen. Zu diesem Zeitpunkt seien – schon aus Sicherheitsgründen – nur die Reaktoren dieser Technologie an den Standort von Paks angepasst gewesen.

94 Die Französische Republik macht geltend, dass das Vorbringen der Republik Österreich, soweit diese einen Begründungsmangel des streitigen Beschlusses geltend mache, unzulässig sei, da Österreich vor dem Gericht nichts dergleichen vorgetragen habe. Hierzu führt die Kommission in ihrer Gegenerwiderung aus, dass die Republik Österreich nicht einmal geltend mache, dass die Rn. 40 ff. des angefochtenen Urteils, die das Vertragsverletzungsverfahren 2015 beträfen, mit einem Begründungsmangel behaftet seien. Die Republik Polen führt aus, das Vorbringen der Republik Österreich, mit dem die vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen zum Vertragsverletzungsverfahren 2015 in Frage gestellt würden, sei unzulässig.

95 Die Französische Republik vertritt jedenfalls die Ansicht, dass die Kommission den streitigen Beschluss in Bezug auf die Einhaltung der Richtlinie 2014/25 durch Ungarn rechtlich hinreichend begründet habe. Da die entsprechenden Gründe „lediglich vorsorglich“ angeführt worden seien, habe es der Kommission freigestanden, eine begrenzte Begründung anzuführen, ohne damit gegen Art. 296 AEUV zu verstoßen, und gleichzeitig das Begründungserfordernis mit dem grundsätzlich vertraulichen Charakter der Bestandteile eines eingestellten Vertragsverletzungsverfahrens in Einklang zu bringen. Hierzu macht die Republik Polen geltend, dass die Republik Österreich angesichts der sensiblen Natur der mit diesem Verfahren verbundenen Informationen vernünftigerweise nicht erwarten könne, dass diese veröffentlicht würden.

b)  Würdigung durch den Gerichtshof

96 Mit dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes wirft die Republik Österreich dem Gericht vor, zum einen mit der Annahme, die Kommission habe ihre ergänzende Schlussfolgerung im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses rechtlich hinreichend begründet, einen Rechtsfehler begangen zu haben. In diesem Erwägungsgrund hat die Kommission im Wesentlichen ausgeführt, dass es selbst unter der Annahme, dass sie verpflichtet sei, zu prüfen, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinbar sei, nicht zu einem Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 gekommen sei, da die Direktvergabe in den Anwendungsbereich von Art. 50 Buchst. c dieser Richtlinie falle.

97 Zum anderen bringt die Republik Österreich eine Reihe von Argumenten vor, die sich gegen die Feststellung der Kommission richten, dass kein Verstoß gegen die Richtlinie 2014/25 vorliege.

98 Was die insbesondere von der Französischen Republik vorgebrachten Argumente zur Zulässigkeit der Rüge betrifft, dass kein Begründungsmangel des streitigen Beschlusses festgestellt worden sei, genügt der Hinweis, dass die Republik Österreich mit dem ersten Teil des zehnten Klagegrundes einen Begründungsmangel des streitigen Beschlusses geltend gemacht hat. Aus Rn. 41 des angefochtenen Urteils ergibt sich im Übrigen eindeutig, dass die Republik Österreich vor dem Gericht auch ausdrücklich beanstandet hat, dass die Kommission im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses ergänzend auf ihre im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 vorgenommene Beurteilung verwiesen habe.

99 Jedenfalls stellt ein Begründungsmangel, der die Verletzung wesentlicher Formerfordernisse betrifft, einen Gesichtspunkt zwingenden Rechts dar, der in jedem Stadium des Verfahrens geprüft werden kann, selbst wenn die Partei, die ihn geltend macht, es unterlassen hat, dies vor dem Gericht zu tun (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Chronopost und La Poste/UFEX u.a., C‑341/06 P und C‑342/06 P, EU:C:2008:375, Rn. 48 bis 50, sowie vom , Überprüfung Simpson/Rat und HG/Kommission, C‑542/18 RX‑II und C‑543/18 RX‑II, EU:C:2020:232, Rn. 57).

100 Die im Rahmen des dritten Teils des ersten Rechtsmittelgrundes geltend gemachte Rüge, dass kein Begründungsmangel des streitigen Beschlusses festgestellt worden sei, ist somit zulässig.

101 Zur Frage, ob das Vorbringen im Rahmen dieses dritten Teils begründet ist, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der in Art. 296 AEUV vorgesehenen Begründungspflicht nach ständiger Rechtsprechung um ein wesentliches Formerfordernis handelt, das von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist, die zur materiellen Rechtmäßigkeit des streitigen Rechtsakts gehört. Die gemäß diesem Artikel vorgeschriebene Begründung muss dem Wesen des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegungen des Organs, das diesen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Hierzu brauchen in der Begründung nicht alle tatsächlich und rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen von Art. 296 AEUV genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteil vom , Kommission/Irland u.a., C‑465/20 P, EU:C:2024:724, Rn. 389, 391 und 392 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

102 Im Licht dieser Rechtsprechung ist zu prüfen, ob das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es im Wesentlichen entschieden hat, dass die ergänzende Schlussfolgerung im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses durch den darin vorgenommenen Verweis auf das Vertragsverletzungsverfahren 2015 rechtlich hinreichend begründet wurde.

103 Die Kommission hat sich in diesem Erwägungsgrund darauf beschränkt, zu bekräftigen, dass „die Kommission in einem eigenen Verfahren geprüft [hat], ob Ungarn die Vorschriften der Richtlinie [2014/25] eingehalten [hat]; in dieser Prüfung [ist] die Kommission aufgrund der verfügbaren Informationen zu dem vorläufigen Schluss gelangt, dass die in [dieser] Richtlinie … beschriebenen Verfahren nach [ihrem] Artikel 50 Buchstabe c … auf die Beauftragung mit dem Bau der beiden Reaktorblöcke nicht anwendbar [sind]“.

104 Zwar können, wie von der Generalanwältin in Rn. 70 ihrer Schlussanträge dargelegt, ein Vertragsverletzungsverfahren und ein Verfahren gemäß Art. 108 AEUV zusammenfallen, wenn eine staatliche Maßnahme gleichzeitig in den Anwendungsbereich der Vorschriften über staatliche Beihilfen und in den Anwendungsbereich anderer Bestimmungen des Vertrags fällt.

105 Es ist jedoch auch darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass die Kommission im Rahmen des Vertragsverletzungsverfahrens nicht die Rechte und Verpflichtungen eines Mitgliedstaats abschließend festlegen oder ihm Zusicherungen hinsichtlich der Vereinbarkeit eines bestimmten Verhaltens mit dem Unionsrecht geben kann, da nach Art. 260 Abs. 1 AEUV allein der Gerichtshof für die Feststellung zuständig ist, dass ein Mitgliedstaat gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat. Somit kann die Einstellung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat durch die Kommission, die die Ausübung ihres Ermessens darstellt, über das der Gerichtshof im Übrigen keine gerichtliche Kontrolle ausüben kann, für die Beurteilung, ob die nationale Regelung oder Maßnahme, die Gegenstand dieses Verfahrens war, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, nicht ausschlaggebend sein (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Tecno*37, C‑242/23, EU:C:2024:831, Rn. 29, 32 und 33 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

106 Somit hinderte die Kommission im vorliegenden Fall zwar nichts daran, im streitigen Beschluss auf das Vertragsverletzungsverfahren 2015 und insbesondere auf die Schlussfolgerungen zu verweisen, zu denen sie im Anschluss an ihre in diesem Zusammenhang vorgenommenen Beurteilungen gelangt war, gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Informationen oder Beweise, die ihr möglicherweise nach der Einstellung dieses Verfahrens und vor Annahme des streitigen Beschlusses zugekommen waren.

107 In Anbetracht der in Rn. 105 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Rechtsprechung kann ein bloßer Verweis auf ein solches Vertragsverletzungsverfahren sowie auf die Bestimmung, die der Kommission zufolge auf den vorliegenden Fall anwendbar ist, ohne jegliche Erläuterung, welche anderen konkreten Gesichtspunkte von der Kommission berücksichtigt wurden und wie sie zu ihrer Schlussfolgerung gelangt ist, den Anforderungen von Art. 296 AEUV jedoch nicht genügen.

108 Aus Rn. 103 des vorliegenden Urteils ergibt sich, dass die von der Kommission im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses dargelegten Gründe keine Gesichtspunkte enthalten, die die Überlegungen dieses Organs, die zu der Feststellung geführt haben, dass die Direktvergabe des Auftrags für den Bau von zwei neuen Reaktoren am Standort von Paks mit der Richtlinie 2014/25 vereinbar sei, klar und deutlich zum Ausdruck bringen.

109 Auch der Grund, aus dem sich die Kommission im streitigen Beschluss auf die Richtlinie 2014/25 gestützt hat, obwohl gemäß deren Art. 106 Abs. 1 und Art. 107 Abs. 1 der als Frist für die Umsetzung festgelegt wurde und die Richtlinie 2004/17 erst mit diesem Tag aufgehoben wurde, kann daraus nicht abgeleitet werden. Dies gilt umso mehr, als die Kommission auf eine diesbezügliche Frage des Gerichtshofs in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass auf den vorliegenden Fall zeitlich die Richtlinie 2004/17 anwendbar sei.

110 Jedenfalls ist sogar unter der Annahme, dass das Gericht im Rahmen seiner Würdigung nicht nur den 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses berücksichtigt hat, sondern, wie von der Kommission angeregt (siehe Rn. 34 des vorliegenden Urteils), auch dessen 372. Erwägungsgrund, festzustellen, dass auch der letztgenannte Erwägungsgrund keine rechtfertigenden Gesichtspunkte im Sinne der Rn. 108 und 109 des vorliegenden Urteils enthält. Der 372. Erwägungsgrund des angefochtenen Beschlusses gehört zu dem Teil des Beschlusses, der sich mit den potenziellen Wirkungen eines gleichzeitigen Betriebs der bestehenden Kernreaktoren am Standort Paks und der zwei neuen Kernreaktoren beschäftigt. Dort wird zwar dargelegt, dass die für den Bau dieser zwei Kernreaktoren gewählte Technologie in Europa zum ersten Mal verwendet werde und dass „die Teile des Vorhabens, die nicht aus technischen Gründen ausgenommen [sind], … nach Maßgabe der Vorschriften für die Auftragsvergabe in der EU beschafft [werden]“, doch diese Punkte sind in der Stellungnahme Ungarns enthalten, ohne dass die Kommission sie ausdrücklich gebilligt hätte.

111 Hinsichtlich der Informationen, die im Anschluss an eine prozessleitende Maßnahme erlangt wurden, die das Gericht in den Rn. 42 bis 46 des angefochtenen Urteils berücksichtigt hat und auf die in Rn. 34 des vorliegenden Urteils verwiesen wird, sowie jener, auf die sich die Kommission in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof gestützt hat und auf die in Rn. 93 des vorliegenden Urteils verwiesen wird, genügt der Hinweis, dass der Umstand, dass die Kommission im Laufe des Verfahrens sowohl vor dem Gericht als auch vor dem Gerichtshof Informationen übermittelt hat, die gegebenenfalls geeignet sind, den streitigen Beschluss zu begründen, die ursprünglichen Begründungsmängel des streitigen Beschlusses nicht zu heilen vermag. Sofern nicht außergewöhnliche Umstände gegeben sind, kann die Begründung nämlich nicht zum ersten Mal und nachträglich vor den Unionsgerichten erfolgen (vgl. entsprechend Urteil vom , Kommission/Sopra Steria Benelux und Unisys Belgium. C‑101/22 P, EU:C:2023:396, Rn. 88 und die dort angeführte Rechtsprechung). Außergewöhnliche Umstände sind weder dem angefochtenen Urteil noch den dem Gerichtshof vorliegenden Akten zu entnehmen.

112 Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es in Rn. 48 des angefochtenen Urteils davon ausgegangen ist, dass sich die Kommission im vorliegenden Fall zu Recht ergänzend auf das Ergebnis des Vertragsverletzungsverfahrens 2015 gestützt habe.

113 Im Übrigen kann die vorliegende Rechtssache nicht mit den Rechtssachen verglichen werden, die den Urteilen vom , Ryanair und Airport Marketing Services (C‑758/21 P, EU:C:2023:917), sowie vom , Neos/Ryanair und Kommission (C‑490/23 P, EU:C:2025:32), zugrunde lagen.

114 Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 97 des Urteils vom , Ryanair und Airport Marketing Services (C‑758/21 P, EU:C:2023:917), bestätigt, dass die Kommission im Rahmen eines Verfahrens nach Art. 108 AEUV ihrer Begründungspflicht nachkommen kann, ohne auf die Argumente anderer Beteiligter als des betreffenden Mitgliedstaats einzugehen, da aus dem streitigen Beschluss, der in der Rechtssache erging, die dem genannten Urteil zugrunde lag, zumindest implizit hervorging, dass die Kommission angenommen hatte, dass dem Vorbringen dieser Beteiligten nicht gefolgt werden könne. Den Rn. 92 und 93 des genannten Urteils kann jedoch entnommen werden, dass diese Beteiligten von der Kommission Dokumente erhalten hatten, aus denen sie die Punkte ableiten können mussten, die die Kommission ihrem Vorwurf zufolge in dem betreffenden Beschluss nicht im Einzelnen angeführt habe.

115 Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, da nicht nachgewiesen wurde, dass sämtliche Angaben aus dem Vertragsverletzungsverfahren, die geeignet waren, die insoweit bestehenden Mängel des 285. Erwägungsgrundes des streitigen Beschlusses zu heilen, öffentlich verfügbar oder den Beteiligten, die am von der Kommission gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV geführten Verfahren teilgenommen hatten, zumindest zugänglich waren.

116 Die vorliegende Rechtssache kann auch nicht mit der Rechtssache verglichen werden, in der das Urteil vom , Neos/Ryanair und Kommission (C‑490/23 P, EU:C:2025:32), erging. Aus den Rn. 35 und 51 jenes Urteils ergibt sich nämlich, dass der Gerichtshof auf den dem betreffenden Urteil zugrunde liegenden Fall die Rechtsprechung angewandt hat, wonach ein Beschluss nach Art. 108 Abs. 3 AEUV, gegen eine Beihilfemaßnahme keine Einwände zu erheben, der außerdem innerhalb kurzer Fristen zu fassen ist, lediglich die Gründe enthalten muss, aus denen die Kommission keine ernsten Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Frage der Vereinbarkeit der betreffenden Beihilfe mit dem Binnenmarkt sieht. Diese Rechtsprechung ist jedenfalls nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da der streitige Beschluss nicht am Ende der Vorprüfungsphase gemäß Art. 108 Abs. 3 AEUV erlassen wurde.

117 Im Übrigen greift das in Rn. 95 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Argument der Französischen Republik, mit dem diese im Wesentlichen geltend macht, dass die Kommission, wenn sie auf ein eingestelltes Vertragsverletzungsverfahren verweise, den Grundsatz der Vertraulichkeit beachten müsse, weshalb insoweit eine kurze Begründung den Anforderungen von Art. 296 AEUV genügen könne, nicht durch. Denn nach der Rechtsprechung kann eine Entscheidung der Kommission über staatliche Beihilfen im Hinblick auf diese Pflicht zwar ausreichend begründet sein, ohne dass sie sämtliche Angaben enthält, auf die sich die Erwägungen der Kommission stützen, jedoch muss sie klar und eindeutig die Überlegungen der Kommission und die von ihr verwendete Methodik zum Ausdruck bringen und es damit den Betroffenen ermöglichen, von diesen Gründen Kenntnis zu nehmen, und den Unionsgerichten, insoweit ihre Kontrolle auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 111 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

118 Dem dritten Teil des ersten Rechtsmittelgrundes ist somit stattzugeben, soweit dem Gericht damit zur Last gelegt wird, die Feststellung eines Begründungsmangels des streitigen Beschlusses unterlassen zu haben.

119 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich zum einen, dass das Gericht einen Rechtsfehler begangen hat, als es entschieden hat, dass sich die Kommission im streitigen Beschluss auf die von ihr in erster Linie angeführten Gründe habe stützen können, nach denen sie im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen sei, zu prüfen, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinbar sei. Zum anderen hat das Gericht auch einen Rechtsfehler begangen, als es davon ausgegangen ist, dass die Kommission ihre ergänzende Schlussfolgerung im 285. Erwägungsgrund des streitigen Beschlusses rechtlich hinreichend begründet habe.

120 Da dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben, ohne dass die anderen im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes erhobenen Rügen oder die anderen Rechtsmittelgründe geprüft werden müssen.

B.  Zur Klage vor dem Gericht

121 Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif, kann ihn der Gerichtshof selbst endgültig entscheiden.

122 Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof über die erforderlichen Informationen, um endgültig über die von der Republik Österreich eingereichte Klage zu entscheiden.

123 Aus den Rn. 78 bis 81, 112, 118 und 119 des vorliegenden Urteils ergibt sich nämlich, dass der streitige Beschluss zum einen hinsichtlich der Aussage der Kommission, wonach sie im vorliegenden Fall nicht verpflichtet gewesen sei, zu prüfen, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren mit den Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinbar sei, mit einem Rechtsfehler behaftet ist und dass er zum anderen in Bezug auf die Annahme der Kommission, sich jedenfalls mit einem einfachen Verweis auf das Vertragsverletzungsverfahren 2015 begnügen zu können, um ihre ergänzende Schlussfolgerung zu begründen, dass die Direktvergabe nicht gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen habe, mit einem Begründungsmangel behaftet ist.

124 Es ist also zum einen dem ersten Klagegrund stattzugeben, mit dem im Wesentlichen geltend gemacht wird, dass die Kommission im streitigen Beschluss nicht geprüft habe, ob die Direktvergabe des Auftrags für den Bau der zwei neuen Kernreaktoren einen Verstoß gegen die Unionsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge darstelle, und mit dem auch ein Begründungsmangel in Hinblick auf die diesbezügliche ergänzende Schlussfolgerung der Kommission geltend gemacht wird. Zum anderen ist dem ersten Teil des zehnten Klagegrundes stattzugeben, mit dem ein Verstoß gegen die Begründungspflicht gemäß Art. 296 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird. Folglich ist der streitige Beschluss in vollem Umfang für nichtig zu erklären, ohne dass die anderen Rügen, die im Rahmen des zehnten Klagegrundes geltend gemacht wurden, oder die übrigen Klagegründe zu prüfen sind.

VII.  Kosten

125 Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

126 Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

127 Da im vorliegenden Fall die Kommission unterlegen ist und die Republik Österreich beantragt hat, die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen, sind dieser neben ihren eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die der Republik Österreich im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

128 Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten. Die Tschechische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn und die Republik Polen tragen folglich ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren.

129 Schließlich können nach Art. 184 Abs. 4 der Verfahrensordnung einer erstinstanzlichen Streithilfepartei, wenn sie das Rechtsmittel nicht selbst eingelegt hat, im Rechtsmittelverfahren nur dann Kosten auferlegt werden, wenn sie am schriftlichen oder mündlichen Verfahren vor dem Gerichtshof teilgenommen hat. Angesichts dieser Bestimmung tragen die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom , Österreich/Kommission (T‑101/18, ), wird aufgehoben.

2.

Der Beschluss (EU) 2017/2112 der Kommission vom über die von Ungarn geplante Maßnahme/Beihilferegelung/Staatliche Beihilfe SA.38454 – 2015/C (ex 2015/N) für den Bau von zwei Kernreaktoren im Atomkraftwerk Paks II wird für nichtig erklärt.

3.

Die Europäische Kommission trägt neben ihren eigenen Kosten die der Republik Österreich sowohl im Verfahren des ersten Rechtszugs als auch im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten.

4.

Die Tschechische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, Ungarn und die Republik Polen tragen ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren.

5.

Die Slowakische Republik und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten im Verfahren des ersten Rechtszugs.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:686

Fundstelle(n):
TAAAJ-99532