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BGH Beschluss v. - II ZR 102/24

Instanzenzug: Az: 20 U 44/23 Urteilvorgehend Az: 31 O 131/22 KfH

Gründe

I.

11. Die Beklagte ist eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft i.S.d. § 3 Abs. 2 AktG und notierte im Freiverkehr (Euronext Börse in Paris) zur Zeit ihrer Hauptversammlung 2022 mit 27.640.920 auf den Inhaber lautenden Stückaktien. Sie ist die Muttergesellschaft der H.   GmbH, die unter anderem Infanterie- und Handfeuerwaffen herstellt. Der Kläger und die C.                                                              S.A. mit Sitz in L.                (im Folgenden: CDE) sind Aktionäre der Beklagten.

2Der Kläger war jedenfalls im Dezember 2019 Mehrheitsaktionär der Beklagten mit 15.000.787 Aktien, die von der P.                                       LLP als Treuhänderin verwahrt wurden. Für die Zeit danach war das Eigentum an den Aktien im Zusammenhang mit einer Verpfändung an die CDE zur Sicherung mehrerer Darlehensverträge zwischen dem Kläger und der CDE streitig und Gegenstand eines Rechtsstreits gewesen. Mit Rechtskraft des Urteils des OLG Frankfurt am Main vom (17 U 66/22, NZG 2024, 202) am durch die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde des hiesigen Klägers mit ) sind 13.925.498 Aktien des Klägers dinglich auf die CDE übergegangen.

3Am teilte die CDE dem Vorstand der Beklagten per E-Mail mit, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am die Freigabe zum Erwerb einer Aktienmehrheit erteilt habe. Als Dateianhang beigefügt war eine auf den datierte Beteiligungsmitteilung der CDE:

und folgende ebenfalls auf den datierte Beteiligungsmitteilung derS.                Ltd.:

4Ebenfalls am veröffentlichte die Beklagte eine Ad-hoc Mitteilung zur Übernahme des Mehrheitsanteils durch die CDE.

5Am machte die Beklagte die beiden Mitteilungen gemäß § 20 Abs. 6 AktG bekannt.

6Am wurde die Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung 2022 am im Bundesanzeiger veröffentlicht.

7Die Satzung der Beklagten enthält in Ziffer 14.1 folgende Regelung:

"Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind diejenigen Aktionäre berechtigt, die sich rechtzeitig nach Ziffer 14.2 in Textform auf Deutsch oder Englisch angemeldet haben und ihre Berechtigung nachgewiesen haben. Zum Nachweis reicht ein von einem in- oder ausländischen Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut als depotführendes Institut oder von einem deutschen Notar in Textform auf Deutsch oder Englisch erstellter besonderer Nachweis des Anteilsbesitzes, eine entsprechende Bescheinigung der Gesellschaft oder ein sonstiger, von der Gesellschaft als ausreichend angesehener Nachweis aus. Bei Zweifeln an der Richtigkeit des Berechtigungsnachweises ist die Gesellschaft berechtigt, einen geeigneten weiteren Nachweis zu fordern. Der Nachweis hat sich jeweils auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung zu beziehen."

8Am ging der Beklagten im Original eine von W.            unterzeichnete und auf den datierte Beteiligungsmitteilung gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG zu, zudem am ein von L.       unterzeichnetes Original einer auf den datierten Beteiligungsmitteilung gemäß § 20 Abs. 1 und Abs. 4 AktG und ein von L.        als Director unterzeichnetes Original der auf den datierten Beteiligungsmitteilung derC.                      Ltd. Die Beklagte machte diese Mitteilungen am gemäß § 20 Abs. 6 AktG bekannt.

9Mit Schreiben vom forderte der Kläger Rechtsanwältin Dr. E.              , Partnerin von P.                                      LLP, auf, ihm bis zum einen Nachweis über seinen Anteilsbesitz bezüglich der an die CDE verpfändeten 15.000.787 Aktien, mindestens aber in Bezug auf 1.898.539 Aktien zu übermitteln und die Ausstellung eines Nachweises zugunsten der CDE zu unterlassen. Dr. E.          lehnte dies ab. Der Kläger meldete sich daraufhin zur Hauptversammlung vom für nur 1.616.014 Aktien an, mit denen er zur Teilnahme und Stimmrechtsausübung zugelassen wurde.

10Mit E-Mail vom meldete sich die CDE zur Hauptversammlung 2022 an. Der E-Mail waren drei Nachweise des Anteilsbesitzes über insgesamt 18.080.902 Aktien beigefügt, nämlich ein Schreiben der P.                                   S.A. vom über 4.614.225 Aktien, ein von Rechtsanwalt            M.          unterzeichnetes Schreiben von P.                          LLP vom über 606.000 Aktien und ein von Rechtsanwältin Dr. E.              als Partnerin von P.                                   LLP unterzeichnetes Schreiben vom mit folgenden Worten: "ich bestätige hiermit, dass ich per … für die C.                                                                          S.A. … 12.860.677 Aktien der H.   AG,                         Deutschland, in Verwahrung habe."

11Die Hauptversammlung vom wurde virtuell durchgeführt. Der Versammlungsleiter stellte bei den einzelnen Abstimmungen zu den Tagesordnungspunkten zur Präsenz fest, dass jeweils über 24.466.437 Stückaktien vertreten seien. Nach den Abstimmungen stellte er das mehrheitliche Zustandekommen der Beschlüsse fest. Der Kläger erhob gegen die Beschlüsse Widerspruch.

122. Das Landgericht ( KfH, BeckRS 2023, 53929) hat die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage abgewiesen.

133. Das Berufungsgericht (OLG Stuttgart, NZG 2025, 652) hat auf die Berufung des Klägers das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und unter Klageabweisung im Übrigen die Beschlüsse zu TOP 8 a, b, c für nichtig erklärt und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.

14Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen, soweit für das Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

15a) Die Hauptversammlung der Beklagten sei beschlussfähig gewesen. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg auf das etwa fehlende Eigentum der CDE an den angemeldeten 12.860.677 Aktien berufen, da zugunsten der Beklagten die unwiderlegliche Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG eingreife. Die Norm sei auch auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften anwendbar. Die Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG sei auf den Nachweis von Dr. E.                  anwendbar, da er den Anforderungen der Ziffer 14.1 Satz 2 der Satzung der Beklagten entspreche. Der Legitimationswirkung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG könne nicht entgegengehalten werden, dass für die Beklagte konkrete Anhaltspunkte hinsichtlich der inhaltlichen Unrichtigkeit des von der CDE vorgelegten Nachweises bestanden hätten, da sie der dadurch ausgelösten Überprüfungspflicht in ausreichendem Umfang nachgekommen sei.

16b) Die Hauptversammlungsbeschlüsse seien auch nicht wegen des Verstoßes der CDE gegen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG anfechtbar.

17c) Diese Ausführungen zu TOP 6 würden für sämtliche weiteren Beschlussfassungen vom gelten.

18d) Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.

II.

19Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor und sie hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a ZPO).

201. Ein Zulassungsgrund besteht nicht.

21a) Die Revision ist nur beschränkt zugelassen.

22aa) Das Berufungsgericht hat die im Tenor uneingeschränkt ausgesprochene Zulassung der Revision in den Entscheidungsgründen allein damit begründet, dass nicht geklärt sei, ob die Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG auch auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften Anwendung finde.

23Eine Beschränkung der Revisionszulassung, die, wie hier, nicht schon in der Entscheidungsformel des Berufungsurteils enthalten ist, kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt und klar erkennbar ist, dass die Zulassung auf den durch die Rechtsfrage betroffenen Teil des Streitgegenstands beschränkt sein soll (, ZIP 2021, 1856 Rn. 15; Urteil vom - II ZR 144/21, ZIP 2023, 2193 Rn. 11; jeweils mwN). Bei einer aktienrechtlichen Beschlussmängelklage ist eine Beschränkung auf einzelne Anfechtungsgründe möglich, da es sich um jeweils abtrennbare Teile des Streitstoffs handelt (, ZIP 2010, 879 Rn. 3; Beschluss vom - II ZR 105/09, ZIP 2010, 1898 Rn. 4; Urteil vom - II ZR 391/18, ZIP 2021, 459 Rn. 26). Wird die Zulassung nur wegen Rechtsfragen ausgesprochen, die einzelne Anfechtungsgründe betreffen, ist die Zulassung regelmäßig als beschränkt anzusehen (, ZIP 2010, 879 Rn. 4).

24bb) Gemessen daran ist die Revision nur beschränkt zugelassen. Die vom Berufungsgericht als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage, ob die Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG auch auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften Anwendung finde, betrifft den vom Kläger geltend gemachten Anfechtungsgrund, die Hauptversammlung der Beklagten vom sei nicht beschlussfähig gewesen, weil die CDE mit 12.860.677 Aktien zu Unrecht zugelassen worden sei. Daneben steht selbständig der vom Kläger behauptete Anfechtungsgrund, die CDE sei wegen des Verstoßes gegen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen gewesen. Dementsprechend ist auch das Berufungsgericht in seinem Urteil verfahren, so dass die Anfechtungsgründe im Zusammenhang mit § 20 AktG allein im Rahmen der vorsorglich eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfen sind.

25b) Der im Zeitpunkt der Zulassung durch das Berufungsgericht bestehende Zulassungsgrund ist in der Folge entfallen. Der Senat hat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden, dass die unwiderlegliche Vermutung des § 123 Abs. 4 Satz 5 AktG nur für die in § 123 Abs. 4 AktG genannten Nachweise gilt und nicht auf davon abweichende Satzungsbestimmungen über die Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts anwendbar ist (, ZIP 2025, 824 Rn. 18 ff.). Ob ein Zulassungsgrund besteht, ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts und nicht dem Erlass des Berufungsurteils zu beurteilen (, ZIP 2010, 1078 Rn. 3 mwN).

262. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

27Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zutreffend den Nachweis des Aktienbesitzes durch die CDE als geführt angesehen.

28Die Beklagte durfte für den Nachweis des Aktienbesitzes in ihrer Satzung eine von § 123 Abs. 4 AktG abweichende Regelung treffen und deren Anforderungen durch die von Dr. E.                vorgelegte Bestätigung über die Verwahrung von 12.860.677 Aktien für die CDE vom als erfüllt ansehen (vgl. , ZIP 2025, 824 Rn. 25 ff.).

29a) Der entschieden, dass § 123 Abs. 3 Hs. 1 AktG für Inhaberaktien ausgebende nicht börsennotierte Aktiengesellschaften eine weitgehende Satzungsfreiheit begründet, wie sie den Nachweis der Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung oder zur Ausübung des Stimmrechts ausgestalten (, ZIP 2025, 824 Rn. 26). Zulässigerweise knüpft die Satzung der Beklagten in Ziffer 14.1 Satz 1 und 2 an den Anteilsbesitz des Aktionärs an. Der Streit um das Eigentum an den Aktien zwischen dem Kläger und der CDE ist damit für den vorliegenden Rechtsstreit unerheblich (, ZIP 2025, 824 Rn. 30 f.). Zulässig ist es auch, dass die Satzung Ziffer 14.1 Satz 2 Var. 4 einen sonstigen von der Gesellschaft als ausreichend angesehenen Nachweis genügen lässt (, ZIP 2025, 824 Rn. 33 f.).

30b) Die Teilnahme- und Stimmberechtigung der CDE konnte auf den von Dr. E.                      ausgestellten Nachweis vom gestützt werden.

31aa) Das Schreiben erfüllt die Anforderungen von Ziffer 14.1 Satz 2 der Satzung der Beklagten, da es als anwaltliche Erklärung eine ähnliche Richtigkeitsgewähr bietet wie die in der Satzung formulierten Regelbeispiele.Dr. E.                   bescheinigt dort die Verwahrung der streitgegenständlichen 12.860.677 Aktien für die CDE. Dabei kam es allein auf ihren Willen als Besitzmittlerin an, den unmittelbaren Besitz für den mittelbaren Besitzer auszuüben (, ZIP 2025, 824 Rn. 35).

32bb) Das Berufungsgericht hat keine konkreten Anhaltspunkte für die inhaltliche Unrichtigkeit des Nachweises von Dr. E.               feststellen können, was revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. , ZIP 2025, 824 Rn. 36). Soweit das Berufungsgericht konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Nachweises darin erblickt hat, dass die Beklagte um die zwischen dem Kläger und der CDE umstrittene Eigentumslage wusste, ist diese Feststellung aufgrund des Senatsurteils vom hinfällig, da das Eigentum an den Aktien nach der Satzungsregelung der Beklagten ohne Relevanz ist (, ZIP 2025, 824 Rn. 30 f.).

33Konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit hätten sich daher auf den nach der Satzung der Beklagten allein relevanten Nachweis des Anteilsbesitzes beziehen müssen. Diese bestanden nicht. Dass der Kläger mit Schreiben vom Dr. E.                 aufgefordert hat, ihm bis zum einen Nachweis über seinen Anteilsbesitz bezüglich 15.000.787 Aktien, mindestens aber in Bezug auf 1.898.539 Aktien, zu übermitteln und die Ausstellung eines entsprechenden Nachweises zugunsten der CDE zu unterlassen, Dr. E.                 jedoch einen entsprechenden Nachweis für den Kläger verweigert hat, spricht gerade für die inhaltliche Richtigkeit ihrer Bescheinigung, wonach sie die 12.860.677 Aktien für die CDE verwahrte (vgl. , ZIP 2025, 824 Rn. 36).

III.

34Der Senat weist darauf hin, dass die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hin (Anfechtungsgrund "Die CDE sei wegen des Verstoßes gegen Mitteilungspflichten nach § 20 AktG von der Stimmrechtsausübung ausgeschlossen gewesen." - Berufungsurteil II. 3. "Stimmrechtsmitteilungen") nicht vorliegen dürften.

Born                         Wöstmann                         Bernau

             von Selle                        C. Fischer

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040625BIIZR102.24.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-99516