Instanzenzug: Az: S 12 R 819/18 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 4 R 411/19 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten über die Erstreckung einer Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) auf eine berufsfremde Tätigkeit.
2Die Klägerin war ab dem als Rechtsanwältin bei einer in L ansässigen Kanzlei beschäftigt und seit dem Mitglied in der Rechtsanwaltskammer Sachsen. Bereits seit dem war sie aufgrund ihrer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch die Rechtsanwaltskammer Düsseldorf Pflichtmitglied beim Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen, der Beigeladenen zu 2. Diese Mitgliedschaft wurde auf Antrag der Klägerin auch für die Zeit nach ihrer Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer Sachsen unter einkommensbezogener Verbeitragung fortgesetzt. Für ihre Beschäftigung als Rechtsanwältin bei der in L ansässigen Kanzlei wurde die Klägerin von der Beklagten von der Versicherungspflicht in der GRV befreit (Bescheid vom ).
3Die Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin endete durch Kündigung der Klägerin zum . Zum nahm die Klägerin auf Grundlage eines am mit dem Freistaat Sachsen, dem Beigeladenen zu 1., geschlossenen und sachgrundlos für die Zeit vom bis zum befristeten Arbeitsvertrags eine Tätigkeit als Referentin beim S auf. Neben dieser Tätigkeit war die Klägerin weiterhin als Rechtsanwältin zugelassen und übte als solche eine ehrenamtliche Tätigkeit aus. Die Mitgliedschaften in der Rechtsanwaltskammer Sachsen und bei der Beigeladenen zu 2. bestanden fort. Mit formularmäßig gestaltetem Bescheid vom wurde die Klägerin von der Beklagten im Wege der Erstreckung "für die Dauer Ihrer zeitlich befristeten berufsfremden Beschäftigung/Tätigkeit vom bis als Referentin bei Freistaat Sachsen, S, in L von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit".
4Mit Verträgen vom hoben die Klägerin und der Beigeladene zu 1. das zum begründete Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem auf und schlossen einen neuen Arbeitsvertrag, welcher für die Dauer der Abordnung einer Kollegin der Klägerin längstens bis zum befristet war.
5Mit Schreiben vom teilte die Klägerin der Beklagten unter Beifügung des neuen Arbeitsvertrags mit, dass sie mit Wirkung zum vom Wirtschaftsreferat in das Steuerreferat umgesetzt worden sei und beantragte die Verlängerung der Befreiung von der Versicherungspflicht zur GRV bis zum . An der grundlegenden Tätigkeit als Referentin habe sich nichts geändert. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).
6Im anschließenden Klageverfahren hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum von der Versicherungspflicht zu befreien (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die mit Bescheid vom ausgesprochene Befreiung sei ab dem gegenstandslos geworden. Einer weiteren Erstreckung stehe entgegen, dass der ursprünglich zur Befreiung führende Sachverhalt, an den die Erstreckung anknüpfen solle, nicht mehr fortbestehe, nachdem die Klägerin ihre Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin vollständig aufgegeben habe. Darüber hinaus fehle der erforderliche enge zeitliche Zusammenhang zwischen dem ab dem neu begründeten Arbeitsverhältnis und der zum aufgegebenen Beschäftigung (Urteil vom ).
7Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI. Sozialrechtlich habe sie dasselbe Beschäftigungsverhältnis fortgesetzt, auf welches allein abzustellen sei.
8Die Klägerin beantragt,das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom zurückzuweisen.
9Die Beklagte beantragt,die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
10Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Gründe
11Die zulässige Revision der Klägerin ist teilweise begründet. Das Urteil des LSG ist im tenorierten Umfang zu ändern (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG) und die Revision im Übrigen zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten die Klage zu Unrecht abgewiesen, soweit es die Erstreckung der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV auf den Zeitraum vom bis verneint hat. In diesem Umfang hat das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom zu Recht aufgehoben. Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch gegen die Beklagte, ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV auf die Zeit vom bis zum zu erstrecken.
12A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des LSG, mit dem es das stattgebende Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen hat. Die Klägerin hat zur Durchsetzung ihres Begehrens zulässigerweise eine Anfechtungsklage gegen den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom erhoben. Sie hat damit ebenfalls statthaft eine Klage auf deren Verpflichtung verbunden, ihre Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV auf die gesamte Dauer ihrer Tätigkeit als Referentin beim S zu erstrecken (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 und 3 iVm § 56 SGG). Denn die Beklagte hatte über die Erstreckung ebenso wie zuvor über die Befreiung durch Verwaltungsakt zu entscheiden (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 14 mwN).
13B. Entgegen der Auffassung des LSG ist die Anfechtungsklage teilweise begründet, während es der Verpflichtungsklage zu Recht den Erfolg versagt hat. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtswidrig, soweit sie mit diesem auch für den Zeitraum vom bis eine Erstreckung der Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV auf ihre Referententätigkeit beim S abgelehnt hat (dazu unter I.). Der Klägerin steht jedoch für ihre in der Zeit vom bis zum ausgeübte Tätigkeit als Referentin bei dem Beigeladenen zu 1. kein Anspruch auf Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV zu (dazu unter II.).
14I. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit er die Zeit vom bis betrifft. Die Befreiung von der Versicherungspflicht in der GRV im Wege der Erstreckung für die Referententätigkeit der Klägerin beim S in diesem Zeitraum steht zwischen den Beteiligten bereits aufgrund des bestandskräftigen Verwaltungsakts vom fest. Sie entspricht dessen Verfügungssatz, den der Senat nach ständiger Rechtsprechung des BSG wegen seines Formularcharakters selbst auslegen darf (vgl - SozR 4 <vorgesehen>, juris RdNr 15; - SozR 4-1300 § 31 Nr 15 RdNr 12; - BSGE 127, 147 = SozR 4-2600 § 6 Nr 18, RdNr 37). Dieser Bescheid erstreckt die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht in der GRV in der Zeit vom aus Sicht eines verständigen Empfängers bis zum auf ihre "berufsfremde Beschäftigung als Referentin beim Freistaat Sachsen, S". Der nicht mit Rechtsbehelfen angefochtene und damit bestandskräftige Bescheid war für die Beteiligten nach § 77 SGG in der Sache bindend, da er sich weder durch Zeitablauf oder auf sonstige Weise erledigt (dazu unter 1.), noch die Beklagte ihn aufgehoben hat (dazu unter 2.).
151. Der Bescheid vom hat sich nicht vor dem durch Zeitablauf erledigt. Er bezog sich ausdrücklich auf die bis dahin durchgängig ausgeübte Beschäftigung als Referentin beim S.
16Dieser Bescheid hat sich auch nicht auf andere Weise iS von § 39 Abs 2 SGB X erledigt. Die mit den Verträgen vom vereinbarten Änderungen des zugrunde liegenden Arbeitsvertrags und die Umsetzung der Klägerin zum haben keine Erledigung des Verwaltungsakts in sonstiger Weise nach § 39 Abs 2 SGB X bewirkt. Auf sonstige Weise erledigt sich ein Verwaltungsakt, wenn er seine regelnde Wirkung verliert oder die Ausführung seines Verfügungssatzes rechtlich oder tatsächlich unmöglich geworden ist (vgl - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 18; Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 39 RdNr 14). Eine solche Erledigung tritt ein, wenn eine Änderung der Sach- oder Rechtslage das Regelungsobjekt des Verwaltungsakts entfallen lässt, etwa weil aufgrund der geänderten Verhältnisse kein Anwendungsbereich für die getroffene Regelung mehr verbleibt oder dadurch der geregelte Tatbestand selbst entfällt ( - SozR 4-2500 § 13 Nr 44 RdNr 41; - SozR 3-1300 § 39 Nr 7 S 13; siehe zur vergleichbaren Regelung in § 43 VwGO auch Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwGO, 24. Aufl 2023, § 43 RdNr 83). Maßgeblich für die Fortgeltung des Verwaltungsakts bei nachträglicher Änderung der Sach- oder Rechtslage ist daher, ob er nach dem darin ausgedrückten Regelungswillen trotz geänderter Umstände noch Geltung beansprucht (vgl - SozR 4-5540 Anl 9.1 Nr 5 RdNr 18).
17Ausgehend von diesen Grundsätzen haben die mit den Verträgen vom vereinbarten Änderungen des ursprünglichen Arbeitsvertrags und der seit dem ausgeübten Beschäftigung sowie die Umsetzung der Klägerin vor dem keine Erledigung des Verwaltungsakts vom bewirkt. Das ergibt sich aus der Reichweite der mit diesem Bescheid geregelten Befreiung, die von den eingetretenen Änderungen unberührt geblieben ist.
18a) Für die Beurteilung der Reichweite einer nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI erstreckten Befreiung von der Versicherungspflicht gelten dieselben Maßstäbe wie für eine Befreiung nach § 6 Abs 1 SGB VI selbst. Auch eine wie auf die Referententätigkeit der Klägerin nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI erstreckte Befreiung knüpft allein an die konkrete, für den bestimmten Arbeitgeber verrichtete Beschäftigung an (vgl dazu und zur Auslegung des insoweit maßgeblichen § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 17 f). § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV definiert Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach Abs 1 Satz 2 der Vorschrift eine "Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation" eines (konkreten) Weisungsgebers ( - SozR 4-2600 § 6 Nr 16 RdNr 33; - BSGE 112, 108 = SozR 4-2600 § 6 Nr 9, RdNr 18 f).
19Dieselbe Beschäftigung liegt daher nicht mehr vor, wenn sie für einen anderen Arbeitgeber ausgeübt wird, weil dann ein anderes Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis zu beurteilen ist ( - SozR 4-2600 § 231 Nr 5 RdNr 23). Ohne Arbeitgeberwechsel sind nur wesentliche Änderungen der Tätigkeit relevant, soweit sie für den Fortbestand einer Erstreckung der Befreiung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI bedeutsam sind (vgl - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 27). Dafür maßgebliche Eigenschaften der Tätigkeit sind ua die konkreten inhaltlichen Merkmale der ausgeübten Beschäftigung, wie Berufsbezeichnung, berufliche Qualifikation oder Status sowie konkrete Aufgabenstellung und Funktion des Beschäftigten ( - SozR 4-2600 § 6 Nr 22 RdNr 24).
20b) Die wertende Gesamtbetrachtung und Gewichtung dieser Kriterien ergibt auf der Grundlage der berufungsgerichtlichen Feststellungen (§ 163 SGG), dass der Wechsel der Klägerin vom Wirtschafts- ins Steuerreferat ihres Arbeitgebers zum die prägenden Charakteristika ihrer Beschäftigung, wie sie die Beklagte ihrem Befreiungsbescheid vom 1.11.2017zugrunde gelegt hatte, unverändert gelassen hat. Nach den Feststellungen des LSG ähnelten sich beide Referententätigkeiten in den maßgeblichen Aspekten. Das zeigen insbesondere die weitgehend identischen Beschreibungen der von der Klägerin in beiden Referaten zu erfüllenden Aufgaben. Die Änderung des Grunds und der Dauer der Befristung des Arbeitsvertrags über die Tätigkeit als Referentin modifizieren keine die Beschäftigung konkret inhaltlich prägenden Charakteristika. Die Beklagte hatte die Wirkung und den Fortbestand ihres Erstreckungsbescheids vom auch nicht erkennbar an den Fortbestand des ursprünglichen Arbeitsvertrags gebunden. Damit wirkt die Erstreckung der Befreiung von der Versicherungspflicht in diesem Bescheid bis zum fort.
212. Nach den Feststellungen des LSG und dem Akteninhalt hat die Beklagte den bestandskräftigen Verwaltungsakt auch nicht nach §§ 45 oder 48 SGB X aufgehoben. Dem hierfür allein in Betracht kommenden Bescheid vom in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom lassen sich keine Aufhebungsabsicht oder eventuell erforderliche Ermessenserwägungen entnehmen. Vielmehr wollte die Beklagte ersichtlich lediglich erstmals über die von der Klägerin beantragte Erstreckung des Befreiungsbescheids vom auf die geänderte Referententätigkeit entscheiden, was sie im Laufe des Verfahrens ua mit ihrem Hinweis auf ihre Rechtsansicht, der Verwaltungsakt vom habe sich auf andere Weise erledigt, ausdrücklich bekräftigt hat.
22II. Wie das LSG dagegen im Ergebnis zutreffend angenommen hat, kann die Klägerin nicht beanspruchen, von der Beklagten auch für die Zeit vom bis zum für ihre Tätigkeit als Referentin beim S im Wege der Erstreckung von der Versicherungspflicht in der GRV befreit zu werden.
23Gemäß § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI beschränkt sich die Befreiung von der Versicherungspflicht in den Fällen des § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und 2 SGB VI abweichend vom Regelfall des § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI nicht auf die jeweilige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, sondern erstreckt sich auch auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist und der Versorgungsträger für die Zeit der Tätigkeit den Erwerb einkommensbezogener Versorgungsanwartschaften gewährleistet. Dafür müssen die ursprünglichen Befreiungsvoraussetzungen (Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer) fortbestehen ( - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 22; - SozR 4-2600 § 6 Nr 8 RdNr 25; Hedermann, NZS 2014, 321, 322). Zudem muss der Versicherte die berufsfremde Tätigkeit in engem zeitlichen Zusammenhang von höchstens drei Monaten mit der ursprünglichen Beschäftigung aufnehmen (grundlegend - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 25 ff = NJW 2021, 1899 ff mit zust Anm Kellner; so auch - juris RdNr 38). Schließlich muss die zeitliche Begrenzung der Beschäftigung, auf welche die Befreiung erstreckt werden soll, nach Gesetzeszweck und Wortlaut des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI bereits im Voraus und damit spätestens gleichzeitig mit deren Aufnahme vertraglich vereinbart worden sein.
24Dafür spricht schon die Wortbedeutung im Sinne von "vor dem eigentlichen Zeitpunkt" (www.duden.de) oder "zeitlich vorher" (DWDS - "im Voraus"). Dieses Wortverständnis wird vom Sinn und Zweck der Norm gestützt. Die darin eröffnete Möglichkeit, eine Befreiung zeitlich begrenzt auf eine andere versicherungspflichtige Tätigkeit zu erstrecken, soll verhindern, dass eine vorübergehende berufsfremde Tätigkeit sofort einen dauerhaften Wechsel des Alterssicherungssystems erzwingt und so den lückenlosen Aufbau einer Altersversorgung im bisherigen System vereitelt, obwohl die weitere berufliche Entwicklung noch offen ist (vgl BT-Drucks 11/4124 S 152; - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29). Mit Hilfe der ausnahmsweisen Erstreckung der bisherigen Befreiung für die Dauer einer befristeten Anschlussbeschäftigung soll der lückenlose Aufbau einer einheitlichen Altersversorgung im bisherigen System des Versorgungswerks für den Fall der anschließenden Aufnahme einer wiederum zur Befreiung berechtigenden Beschäftigung ermöglicht werden ( - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29). Entgegen der früheren Verwaltungspraxis der Beklagten dient § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI aber nicht dazu, anknüpfend an die Befreiung einer bereits in der Vergangenheit aufgegebenen Beschäftigung immer wieder neue befristete Tätigkeiten von der an sich bestehenden Versicherungspflicht in der GRV freizustellen ( - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29). Die Norm bezweckt auch nicht, eine befristete Beschäftigung aufgrund immer neuer Befristungsabreden über deren ursprünglich vorgesehenen Beendigungszeitpunkt hinaus von der Versicherungspflicht in der GRV zu befreien (so auch Ruland in GK-SGB VI, Stand Februar 2025, § 6 RdNr 244). Eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf wiederholte oder verlängerte arbeitsvertragliche Befristungen ginge über den vor allem auf eine berufliche Umbruchsituation zugeschnittenen Zweck der Regelung hinaus (vgl - juris RdNr 17; - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 29). Eine solche weite Auslegung wäre kaum verwaltungspraktikabel und eröffnete ein erhebliches Missbrauchspotential. Der Fortbestand einer beruflichen Umbruchssituation und die absehbar noch nicht endgültige Aufgabe der berufs- und kammerspezifischen Tätigkeit ließen sich kaum rechtssicher feststellen. Letztlich hinge die Erstreckung der Befreiung auf immer neue befristete Tätigkeiten und damit die Zugehörigkeit zum System der gesetzlichen oder kammerspezifischen Altersversorgung vom zielgerichteten Vortrag des Betroffenen und der Gestaltung der jeweiligen Verlängerungsabrede ab (vgl Ruland in GK-SGB VI, Stand Februar 2025, § 6 RdNr 244; Gürtner in BeckOGK, SGB VI § 6 RdNr 39, Stand ; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 3. Ergänzungslieferung 2025) § 6 RdNr 134; Kellner, NJW 2021, 1899, 1904).
25Eine Tätigkeit ist daher nur dann iS des § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt, wenn ihre Gesamthöchstdauer spätestens im Zeitpunkt ihrer Aufnahme endgültig feststeht (vgl zum wortlautgleichen § 4 SGB IV B 11a AL 3/06 R - SozR 4-2400 § 4 Nr 1 RdNr 17; - juris RdNr 24; Zieglmeier in BeckOGK, Stand , § 4 SGB IV RdNr 33 ff; Plagemann in Keck/Michaelis, Die Rentenversicherung im SGB, 123. Lieferung, 3/2025, § 4 SGB IV RdNr 9; Dalichau, SGB, Stand März 2025, § 4 SGB IV S 17 f).
26Nach diesen Vorgaben hat das LSG eine Verpflichtung der Beklagten zur Erstreckung der ursprünglichen Befreiung von der Versicherungspflicht auf die von der Klägerin in der Zeit vom bis zum ausgeübte Beschäftigung nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI zu Recht verneint. Die Klägerin kann für ihre Tätigkeit als Referentin ab dem keine weitere Erstreckung ihrer Befreiung von der Versicherungspflicht verlangen. Die ursprünglich zur Befreiung führende Beschäftigung als angestellte Rechtsanwältin hatte durch Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits Ende Mai 2017 geendet. Damit bestand zwischen der am neu vereinbarten Befristung ihrer Referententätigkeit über den hinaus und der ursprünglich befreiten Tätigkeit als angestellte Rechtsanwältin schon kein enger zeitlicher Zusammenhang mehr. Bei Beginn ihrer Referententätigkeit zum , als dieser Zusammenhang noch bestand, wurde deren Ende zudem vertraglich schon zum vereinbart und erst mehr als ein halbes Jahr nach Aufnahme der Tätigkeit vertraglich weiter in die Zukunft verschoben.
27An den befristeten und zum durch Zeitablauf nach § 39 Abs 2 SGB X erledigten Erstreckungsbescheid vom konnte eine weitere Erstreckung nicht anknüpfen. Die Erstreckung einer Befreiung auf der Grundlage einer erteilten Erstreckung (sog Kettenerstreckung) sieht das Gesetz nicht vor (vgl - juris RdNr 13; - SozR 4-2600 § 6 Nr 21 RdNr 20).
28III. Die bestehende Versicherungspflicht der Klägerin gemäß § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der GRV für die in der Zeit vom bis zum ausgeübte Beschäftigung verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Insbesondere liegt kein Eingriff in Art 14 Abs 1 GG oder eine Verletzung von Art 12 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG oder Art 3 Abs 1 GG vor (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 2204/00 ua - BVerfGK 11, 352 = juris RdNr 24 ff; BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 285/01 - juris zu Art 14 und Art 2 GG; jeweils mwN).
29C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem Verhältnis des Obsiegens der Klägerin zu ihrem Unterliegen Rechnung. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die im Verfahren keine Anträge gestellt haben, ist nicht veranlasst.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:140525UB1012R323R0
Fundstelle(n):
UAAAJ-99186