Kündigung - Rechtswahl - Schriftform - Massenentlassung
Leitsatz
Nach § 17 Abs. 2 KSchG zu konsultierende Arbeitnehmervertretungen sind nur solche, die es nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind.
Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 10 Ca 7826/20 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 11 Sa 1130/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis - insbesondere durch eine Kündigung der Beklagten vom zum - aufgelöst wurde, damit in Zusammenhang stehende Annahmeverzugslohnansprüche sowie hilfsweise geltend gemachte Zeugniserteilungs-, Weiterbeschäftigungs- und Wiedereinstellungsansprüche.
2Der Kläger hat zuletzt - nachdem die Vorinstanz unter Klageabweisung im Übrigen das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum festgestellt hat - beantragt,
3Die Beklagte hat beantragt, die Klage insgesamt - auch soweit sie die Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den hinaus betrifft - abzuweisen.
4Mit seiner Revision verfolgt der Kläger insbesondere seine Bestandsschutz-, Zeugniserteilungs- und Zahlungsanträge weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision eine vollständige Abweisung der Klage.
5Im Übrigen wird von einer Darstellung des Tatbestands gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist im Wesentlichen im Urteil des Senats vom (- 2 AZR 251/23 -) wiedergegeben.
Gründe
6Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind hinsichtlich des Bestandsschutzbegehrens des Klägers unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die von beiden Parteien eingelegten Berufungen im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund der mit Schreiben vom erklärten, aber erst im Oktober 2020 zugegangenen Kündigung mit Ablauf des geendet. Die Revision des Klägers betreffend seinen Antrag auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses hat hingegen Erfolg. Die vom Kläger für den Zeitraum Oktober 2020 bis Mai 2021 geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche (Revisionsanträge des Klägers zu 5. a) bis h)) sind nicht Gegenstand des vorliegenden Teilurteils. Die übrigen (Hilfs-)Anträge sind nicht zur Entscheidung angefallen.
7I. Die Revision des Klägers ist hinsichtlich seines über den hinausgehenden Bestandsschutzbegehrens unbegründet.
81. Das ergibt sich - entgegen der Ansicht der Beklagten - allerdings nicht bereits daraus, dass die Berufung des Klägers mangels hinreichender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil unzulässig gewesen wäre (vgl. - Rn. 13). Vielmehr hat sich der Kläger insbesondere gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu § 623 BGB gewandt. Träfe seine Auffassung zu, wäre bereits diese Rüge geeignet, die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung - soweit sie ihn beschwert - in Frage zu stellen. Ob, wie die Beklagte meint, die Argumente des Klägers unzutreffend sind, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung, nicht aber ihrer Zulässigkeit.
92. Die Revision des Klägers ist auch nicht deshalb unbegründet, weil seine Klage unzulässig wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegeben ist. Diesbezüglich nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Urteil vom (- 2 AZR 251/23 - Rn. 21 bis 25). Anders als im vorstehend zitierten Verfahren hat der Kläger seinen Wohnort in Deutschland und ist deutscher Staatsangehöriger, wodurch ersichtlich keine engere Verknüpfung der Bestandsschutzanträge zu den Vereinigten Staaten von Amerika begründet wird.
103. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom , zugegangen im Oktober 2020, das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls mit Ablauf des aufgelöst hat. Weder ist eine generelle Unwirksamkeit der Kündigung ersichtlich noch ein späteres Beendigungsdatum. Dabei ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob deutsches oder US-amerikanisches Recht (gegebenenfalls des Bundesstaats Illinois) gilt. Eines Sachgruppenvergleichs zwischen beiden Rechtsordnungen bedarf es nicht.
11a) Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff. EGBGB in der bis geltenden Fassung (aF). Die Rom I-VO findet keine Anwendung, weil der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem (vgl. Art. 28 Rom I-VO) geschlossen wurde und es in der Folgezeit keine umfangreiche Vertragsänderung gab, die der Sache nach zu einer Ersetzung des bisherigen Vertrags geführt hätte (vgl. - [Nikiforidis] Rn. 35 ff.; - Rn. 20). Im Übrigen stellte sich die Rechtslage im Streitfall gemäß Art. 3, 8 und 9 Rom I-VO nicht anders dar als nach Art. 27 ff. EGBGB aF (vgl. - Rn. 20).
12b) Hinsichtlich der Rechtswahl nach den Art. 27 ff. EGBGB aF und insbesondere nach Art. 30 EGBGB aF nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom (- 2 AZR 251/23 - Rn. 28 und 29) Bezug.
13c) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Parteien gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB aF in ihrem Arbeitsvertrag das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika einschließlich des Railway Labor Act und der AFA-Vereinbarung gewählt haben (vgl. - Rn. 30).
14d) Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne revisiblen Fehler angenommen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Rechtswahl objektiv deutsches Vertragsstatut Anwendung gefunden hätte, ohne dass eine engere Verbindung zu den Vereinigten Staaten von Amerika bestand (vgl. - Rn. 32 bis 34).
15e) Vorliegend bedurfte es keines Sachgruppenvergleichs bezüglich der Günstigkeit der jeweiligen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften für den Kläger. Weder bei Anwendung US-amerikanischen Rechts noch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich eine Unwirksamkeit der Kündigung mit Schreiben vom oder eine spätere Beendigung als zum ergeben.
16aa) Das gilt zunächst für das gewählte US-amerikanische Recht.
17(1) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass nach der „Employment-at-will-Doktrin“ im US-amerikanischen Recht ein unbefristeter Arbeitsvertrag von jeder Partei jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann und es an einem (Sach-)Vortrag des Klägers fehlt, wonach gegen etwaige Ausnahmen von dieser Doktrin im Hinblick auf Diskriminierungsverbote verstoßen wurde, unabhängig davon, dass dies nur zu Schadensersatzansprüchen, nicht aber zur Unwirksamkeit der Kündigung und zur - antragsgemäßen - Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. - Rn. 37 bis 47). Anders als in dem dem vorstehend genannten Revisionsverfahren vorhergehenden Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht vorliegend ein Sachverständigengutachten zum US-amerikanischen Recht eingeholt, das diese Auffassung bestätigt.
18(2) Der Kläger meint zu Unrecht, es habe zumindest ein Ergänzungsgutachten zu der Frage eingeholt werden müssen, ob sich aus der AFA-Vereinbarung eine Kündigungsbeschränkung ergebe, die dazu noch - nach deutschem Verständnis - zu einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses und nicht bloßen Wiedereinstellungs- oder Entschädigungsansprüchen bei einem etwaigen Verstoß führe, wobei die Prüfungskompetenz deutscher Gerichte durch den Spruch des System Board of Adjustment nicht eingeschränkt werde. In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht als selbständig tragenden Grund zutreffend ausgeführt, dass ein sich so etwaig ergebender (kollektivrechtlicher) Kündigungsschutz jedenfalls durch die Vereinbarungen der Beklagten mit der Gewerkschaft AFA vom September und Oktober 2020 wieder aufgehoben worden wäre. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten und ein Schrifttumszitat auf die weitreichende, gegebenenfalls sogar rückwirkende Dispositionsbefugnis der Kollektivparteien im US-amerikanischen Recht abgestellt, die einen tariflichen Kündigungsschutz auch wieder aufheben können. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
19(3) Der Kläger beruft sich in der Revisionsinstanz zu Unrecht darauf, das Schreiben vom könne nicht - jedenfalls nach US-amerikanischem Recht - als Kündigung zum nächstzulässigen Termin ausgelegt werden, da es an einem unbedingten Beendigungswillen der Beklagten fehle und das Berufungsgericht nicht festgestellt habe, ob eine entsprechende Auslegung nach US-amerikanischem Recht möglich sei (vgl. dazu - Rn. 49 bis 53).
20(a) Die Auslegungsnormen folgen allerdings dem jeweiligen Vertragsstatut (vgl. Art. 32 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF; - zu I 2 der Gründe). Das Arbeitsgericht, dessen Entscheidung vom Landesarbeitsgericht als zutreffend in Bezug genommen wurde, ist davon ausgegangen, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis wegen Stilllegung der Basis auf jeden Fall beenden wollen, wobei es sich bei der amerikanischem Recht folgenden Angabe „“ um nicht mehr als eine Wissenserklärung handele.
21(b) Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, es gebe keine Umstände des Einzelfalls aus denen sich ein Wille der Beklagten ergebe, die Kündigung ausschließlich zum erklärten, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt gegen sich gelten zu lassen (vgl. - Rn. 15), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn man im US-amerikanischen Privatrecht eher den objektiven Erklärungswert einer Willenserklärung in den Vordergrund stellte - wie eine vernünftige Person die Erklärung unter den gegebenen Umständen verstehen würde (vgl. Reimann Einführung in das US-amerikanische Privatrecht 2. Aufl. S. 44) - ergibt sich nichts anderes, da angesichts der „Employment-at-will-Doktrin“ und im US-amerikanischen Recht fehlender Kündigungsfristen die Frage der „richtigen“ Kündigungsfrist nicht aufgeworfen wird, sondern nur die des Beendigungswillens. Dieser ist aber auch nach objektivem Maßstab bei einem Schreiben, mit welchem ein Arbeitsverhältnis „für beendet“ erklärt wird, nicht in Zweifel zu ziehen, auch wenn dabei ein konkretes Datum genannt wird. Eine vernünftige Person konnte daraus nicht schließen, die Beklagte wolle das Arbeitsverhältnis ausschließlich zu diesem Termin beenden und es anderenfalls lieber fortbestehen lassen (vgl. - Rn. 49, 53). Auch der Kläger zeigt insoweit keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler auf, sondern setzt allein seine Meinung gegen die der Vorinstanzen.
22bb) Vorliegend ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn trotz der Wahl US-amerikanischen Rechts - jedenfalls in Teilbereichen - deutsches Recht zur Anwendung käme. Auch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich die Kündigung mit Schreiben vom weder als unwirksam erweisen noch zu einem späteren Zeitpunkt als dem wirken.
23(1) Die Rechtswahl der Parteien darf nicht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dazu führen, dass dem Kläger der Schutz entzogen würde, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das wäre deutsches Recht (vgl. oben Rn. 14).
24(2) Der Kläger kann sich allerdings nicht auf die fehlende Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB berufen.
25(a) Die Frage der „Günstigkeit“ der Norm oder ob diese zwingend iSv. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF ist, stellt sich dabei nicht. Dem steht Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB entgegen. Für Formerfordernisse von Rechtsgeschäften ist auf das Recht des Staats abzustellen, in dem sie vorgenommen werden. Ein von Chicago abgesandtes Kündigungsschreiben bedarf nach den - ua. das Sachverständigengutachten in Bezug nehmenden - nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum US-amerikanischen Recht keiner Form. Der Umstand, dass (nur) in Art. 29 Abs. 3 EGBGB aF für Verbraucherverträge eine Ausnahmeregelung zu Art. 11 EGBGB besteht, nicht aber in Art. 30 EGBGB aF lässt mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass diese Einschränkung des Art. 11 EGBGB für den Bereich von Arbeitsverträgen nicht gilt (vgl. Staudinger/Hausmann [2021] Rom I-VO Art. 11 Rn. 37; MHdB ArbR/Oetker 6. Aufl. § 13 Rn. 66; Erman/Stürner 17. Aufl. Rom I-VO Art. 8 Rn. 8; KR/Horcher 14. Aufl. Int. ArbvertragsR Rn. 92; aA EuArbRK/Krebber 5. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 11 Rn. 2).
26(b) Anders als der Kläger meint, gilt Art. 30 EGBGB aF nur für den Inhalt von Rechtsgeschäften, aber gerade nicht für die Form. Art. 30 EGBGB aF ist nicht die speziellere Norm im Vergleich zu Art. 11 EGBGB, sondern regelt einen anderen Bereich. Ein etwaiges Schriftformgebot für ein Rechtsgeschäft ist schon nach seinem Wortlaut und entgegen der Ansicht des Klägers ein „Formerfordernis“ iSv. Art. 11 Abs. 1 EGBGB. Nach Überschrift und Inhalt ist § 623 BGB eine Formvorschrift und nicht - wie der Kläger annimmt - eine materiellrechtliche Kündigungsschutzbestimmung. Der vom Kläger für erforderlich gehaltenen Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union bedarf es nicht. Dass Arbeitsverträge keine Verbraucherverträge iSv. Art. 29 Abs. 3 Satz 1 EGBGB aF sind, ist schon durch die normative Regelung selbst klar. Nach Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF sind Verbraucherverträge nur solche, die nicht der beruflichen Tätigkeit des Berechtigten zugerechnet werden können. Das entspricht der Regelung in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Nach Erwägungsgrund 10 dieser Richtlinie sind von ihr insbesondere Arbeitsverträge ausgenommen. Darüber hinaus ist es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass Arbeitnehmer als abhängig Beschäftigte keine „Verbraucher“ iSv. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO - der insoweit Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF entspricht - sind (vgl. - [ROI Land Investments] Rn. 55). Die vorgenannte Entscheidung, die eine „abhängige Beschäftigung“ als „berufliche Tätigkeit“ und damit gerade als Ausschluss der „Verbrauchereigenschaft“ einordnet (vgl. auch Heiderhoff in Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 5. Aufl. Art. 6 EGV 593/2008 Rn. 37), wird vom Kläger offenkundig missverstanden.
27(c) Entgegen der Ansicht des Klägers ist „Vornahmeort“ der einseitigen Willenserklärung iSv. Art. 11 Abs. 1 EGBGB klar der Ort, von dem die E-Mail mit dem Kündigungsschreiben abgesandt wurde (vgl. - Rn. 57; Staudinger/Schäuble [2024] EGBGB Art. 11 Rn. 161; von Hein in Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 5. Aufl. Art. 11 EGV 593/2008; MüKoBGB/Kleinschmidt 9. Aufl. Rom I-VO Art. 11 Rn. 46; BeckOGK/Gebauer Stand Rom I-VO Art. 11 Rn. 143), und nicht der Ort, an dem diese geöffnet wird, der vom Erklärenden, dem die einzuhaltenden Formvorschriften bei seiner Erklärung bekannt sein müssen, regelmäßig nicht vorausgesehen werden kann. Ob dem Arbeitgeber die Berufung auf die für den Arbeitnehmer ungünstigere Formvorschrift im Fall eines bewussten Unterlaufens der inländischen Regeln nach § 242 BGB zu verwehren ist (vgl. MHdB ArbR/Oetker 6. Aufl. § 13 Rn. 66), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Eine Treuwidrigkeit des Versendens des Kündigungsschreibens vom Sitz der Beklagten in den Vereinigten Staaten von Amerika ist nicht erkennbar.
28(d) Zu dem Umstand, dass die E-Mail aus den Vereinigten Staaten von Amerika abgesandt wurde, hat sich das Landesarbeitsgericht nach § 286 Abs. 1 ZPO eine rechtlich nicht zu beanstandende Überzeugung gebildet. Anders als vom Kläger angenommen, hat der Umstand, dass die E-Mail vom die Absenderangabe „… Admin <... @[Luftfahrtunternehmen].com>“ beinhaltet und nicht wie die ursprünglich an seine Arbeitskollegen gerichtete E-Mail vom „HR Communication <HR.Communication@[Luftfahrtunternehmen].com>“, keine maßgebende Bedeutung. Im erstinstanzlichen Urteil, das vom Landesarbeitsgericht der Sache nach hinsichtlich der Kündigung als zutreffend angesehen wurde, hat das Arbeitsgericht den abweichenden Geschehensablauf zur Kenntnis genommen und beschieden. Dabei folgen aus den unterschiedlichen E-Mail-Absendeadressen keine wesentlichen Unterschiede. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts befand sich die Abteilung „Inflight Base Operations“ in Chicago. Es gibt insoweit keine Anzeichen dafür, dass die E-Mail von einem anderen Ort versandt worden sein könnte. Auch der Kläger stellt in diesem Zusammenhang keine konkreten Behauptungen auf, sondern weist nur darauf hin, dass das „Flight Attendant Support Team Inflight“ nach Angaben der Beklagten auch über eine Abteilung in Manila verfüge, was aber für die Anwendbarkeit des (deutschen) § 623 BGB erkennbar ohne Bedeutung ist. Im Übrigen setzt der Kläger nur seine Ansicht gegen die des Berufungsgerichts, ohne einen revisiblen Fehler aufzuzeigen. Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung nicht aus den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern von Deutschland versandt wurde, trägt der Kläger nicht vor.
29(e) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass keine Prüfung durchzuführen ist, ob § 623 BGB eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF darstellt. Die Ausnahmeregelung des Art. 34 EGBGB aF gilt nur für „diesen Unterabschnitt“, in dem Art. 11 EGBGB aber nicht verortet ist. Unbeschadet dessen handelt es sich bei § 623 BGB nicht um eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF (vgl. Staudinger/Oetker [2022] BGB § 623 Rn. 27; zum Begriff der Eingriffsnorm vgl. - Rn. 46 ff.). Das Schriftformerfordernis für Kündigungen soll zwar auch ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit gewährleisten und gleichzeitig die Arbeitsgerichte entlasten. Es dient jedoch keinem so gewichtigen öffentlichen Gemeinwohlinteresse, dass es auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewandt werden müsste.
30(3) Der Kläger rügt zu Unrecht, die Kündigung sei durch einen vollmachtlosen Vertreter ausgesprochen worden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr S als zuständiger Geschäftsführer für die Planung und Verwaltung der Bordbesatzung keine Vollmacht für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gehabt haben könnte, zumal der Exekutive Vice President & Chief Financial Officer and Director of the Board of A, Inc., Herr L, dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom Juli 2021 bestätigt hat. Hinsichtlich der Überzeugungsbildung setzt der Kläger auch hier nur seine Ansicht gegen die des Berufungsgerichts. Auf die Ausführungen des Klägers zu einer rückwirkenden Genehmigung nach US-amerikanischem Recht kommt es insoweit nicht an.
31(4) Der Kläger rügt zu Unrecht, es fehle an einem Zugang der Kündigung als Willenserklärung, da es sich bei der Übersendung des entsprechenden Schreibens vom mit einer E-Mail vom um eine bloße Wissensmitteilung handele. Dem Kläger wurde von der Beklagten auf seine Nachfrage, dass er - anders als seine Kollegen - bislang keine Kündigung erhalten habe, eine E-Mail mit dem Kündigungsschreiben übermittelt. Es handelt sich offenkundig nicht um eine „versehentliche“ Übersendung eines Kündigungsschreibens ohne Erklärungswillen, sondern um die bewusste Übermittlung einer Kündigung, weil sie bislang nicht zugegangen ist. Daran ändert auch der Text der begleitenden E-Mail nichts. Der Kläger meint, dass damit keine Kündigung erklärt werde, sondern von dem Boten nur auf eine in seiner Akte enthaltene Kündigung hingewiesen werde. Das mag für die E-Mail selbst zutreffen. Die angehängte Datei beinhaltet aber die Kündigung, die damit dem Kläger zugegangen ist und ihm auch zugehen sollte.
32(5) Die Kündigung ist nicht mangels sozialer Rechtfertigung iSv. § 1 KSchG unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis richtig erkannt. Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass es überhaupt einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung bedürfe und eine diesbezügliche Prüfung mit für den Kläger negativem Ergebnis durchgeführt. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist schon nicht eröffnet. Die Beklagte hatte in Deutschland keinen Betrieb iSv. § 24 Abs. 2 KSchG (vgl. - Rn. 9 ff.; - 2 AZR 150/22 - Rn. 33 ff.).
33(a) Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung. Das gilt im Grundsatz auch für Luftverkehrsbetriebe iSd. § 24 Abs. 2 KSchG. Dabei kommt es nicht auf das Vorhandensein betrieblicher Organisationsstrukturen im Inland an. § 24 Abs. 2 KSchG fordert als Anknüpfungspunkt für den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Belegenheit der dort genannten Luftfahrzeuge im Inland. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist deren Stationierung an inländischen Flughäfen(vgl. - Rn. 59 ff.; - 2 AZR 325/22 - Rn. 9 ff.; - 2 AZR 150/22 - Rn. 33 ff., BAGE 181, 161).
34(aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (vgl. - Rn. 32 mwN, BAGE 146, 37), deren Beschäftigtenzahl den erforderlichen Wert erreicht (vgl. - Rn. 13). Diese auf Betriebe iSd. § 23 KSchG bezogene Rechtsprechung (vgl. - Rn. 21 ff., BAGE 125, 274) gilt im Grundsatz auch für Luftverkehrsbetriebe iSd. § 24 Abs. 2 KSchG, wobei diese Norm einen gegenüber Land- und Bodenbetrieben eigenständigen Betriebsbegriff enthält (vgl. - Rn. 57, BAGE 169, 362).
35(bb) Nach § 24 Abs. 2 KSchG gelten als Betriebe iSd. Kündigungsschutzgesetzes jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines Schifffahrtsbetriebs oder Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs. Der letztgenannte Begriff beruht auf einem offenkundigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers und meint „Luftverkehrsunternehmen“, da sonst die von § 24 Abs. 2 KSchG ersichtlich gewollte Fiktionswirkung leerliefe (vgl. zum entsprechenden Begriff „Schifffahrtsbetrieb“ in § 22 KSchG 1951: - zu 1 der Gründe, BAGE 3, 197).
36(cc) Mit der in § 24 Abs. 2 KSchG enthaltenen Fiktion hat der Gesetzgeber gerade auch Lebenssachverhalte erfasst, bei denen typischerweise Auslandsberührungen zu erwarten sind. Diese hat der Gesetzgeber einer eigenständigen Regelung zugeführt und damit diese Sachverhalte unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten mit einem Anknüpfungspunkt in der Bundesrepublik Deutschland versehen (vgl. - Rn. 25, BAGE 125, 274), ohne dass es auf das Vorhandensein betrieblicher Organisationsstrukturen im Inland ankäme.
37(dd) Allerdings kann auch bei Luftverkehrsbetrieben trotz der gesetzlichen Fiktion, die nur den Betriebsbegriff als solchen betrifft, nicht auf jeden Bezug zum Inland verzichtet werden, weil sonst die Kohärenzen und Korrespondenzen des Kündigungsschutzrechts zerrissen würden (vgl. - Rn. 17), wie sie sich beispielsweise aus dem Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 1 Abs. 4 und § 1 Abs. 5, §§ 3, 4 Satz 3 KSchG) und deren Anwendungsbereich ergeben (vgl. - Rn. 24, BAGE 125, 274). Deshalb erfordert § 24 Abs. 2 KSchG als Anknüpfungspunkt für den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Belegenheit der dort genannten Luftfahrzeuge im Inland. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist deren Stationierung an inländischen Flughäfen. Die Gesamtheit der dort stationierten Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsunternehmens bildet demnach den für § 24 Abs. 2 KSchG und das ganze Kündigungsschutzrecht maßgeblichen Betrieb, ohne dass es - wegen der Fiktionswirkung der Norm - auf eine im Inland ansässige Leitung oder eine weitergehende Organisationsstruktur ankäme.
38(ee) Zur Bestimmung des betrieblichen Geltungsbereichs des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes kann nicht ausschließlich auf das Vertragsstatut des fliegenden Personals abgestellt werden. Dieser Sichtweise steht schon der Wortlaut von § 24 Abs. 2 KSchG entgegen, der das Vertragsstatut des fliegenden Personals für die Bestimmung des Betriebsbegriffs nicht in den Blick nimmt. Im Übrigen wären dann vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auch Arbeitsverhältnisse erfasst, in denen das fliegende Personal einer ausländischen Fluggesellschaft mit deutschem Vertragsstatut auf sog. „Point-to-point“-Verbindungen ausschließlich zwischen Flughäfen im Ausland eingesetzt wird.
39(ff) Der Gesetzgeber hat Sachverhalte im Zusammenhang mit einem Luftverkehrsbetrieb unabhängig von den tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten nach § 23 Abs. 1 KSchG und einer betrieblichen Organisation mit einem zusätzlichen Anknüpfungspunkt im Inland versehen. Liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 KSchG nicht vor, ist eine „nochmals“ erweiternde Auslegung des inländischen Betriebsbegriffs verfassungsrechtlich nicht geboten. Umgehungs- und Missbrauchstatbeständen, die hier nicht vorliegen, kann in genügender Weise im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln entgegengetreten werden (vgl. - Rn. 62).
40(b) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Inland keine Flugzeuge stationiert, sondern ausschließlich in den USA. Mangels eines inländischen Betriebs der Beklagten iSv. § 24 Abs. 2 KSchG kommt es auf eine soziale Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 1 KSchG nicht an. Deshalb kommt es auf die Ausführungen des Klägers, dass er neben einem C1/D-Visum auch über ein B1-Visum verfüge, was ihm eine Arbeitsaufnahme in den Vereinigten Staaten von Amerika erlaube und weshalb als milderes Mittel eine Versetzung oder Änderungskündigung hätte ausgesprochen werden müssen, nicht weiter an. Ergänzend bemerkt der Senat, dass sich hilfsweise die Kündigung auch als sozial gerechtfertigt erweisen würde (vgl. - Rn. 63). Insbesondere ist es fernliegend, dass die Kombination eines C1/D-Visums mit einem Besuchervisum - unabhängig davon, ob es sich um ein B1- oder ein B2-Visum handelt - die Möglichkeit der Stationierung eines ausländischen Flugbegleiters in den Vereinigten Staaten von Amerika ermöglicht.
41(6) Die Wirksamkeit der Kündigung mit Schreiben vom nach deutschem Recht steht auch nicht mit Blick auf §§ 17, 18 KSchG in Frage, selbst wenn man sie als zwingende und günstigere Normen des objektiv anwendbaren Vertragsstatuts ansieht.
42(a) Die Kündigung der Beklagten ist nicht wegen einer formal oder inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Es kann offenbleiben, ob Verstöße im Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit einer Kündigung führen können. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass es sich bei der Station der Beklagten am Flughafen Frankfurt um einen Betrieb iSd. Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, MERL) und damit des § 17 KSchG handelt (vgl. - Rn. 35 ff., BAGE 169, 362).
43(b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine unrichtige Angabe der Zahl zu entlassender Arbeitnehmer (hier: 148 statt 135) nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann, wenn sie Auswirkungen auf die Arbeit der Agentur für Arbeit haben kann (vgl. - Rn. 71, BAGE 181, 161). Bei einer marginalen Abweichung - wie vorliegend - ist das nicht anzunehmen, zumal nach Auffassung des Klägers sogar eine geringfügig zu hohe Zahl mitgeteilt worden sei. Soweit sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Sechsten Senats bezieht ( - Rn. 109, BAGE 169, 362), erwähnt er nicht, dass dort der Fall einer - wie hier - unerheblichen Abweichung ausdrücklich nicht entschieden wurde und der Sechste Senat zwischenzeitlich marginale Abweichungen bei der Angabe der beschäftigten Arbeitnehmer massenentlassungsrechtlich als unbedeutend eingestuft hat (vgl. - Rn. 77, BAGE 179, 207).
44(c) Soweit der Kläger auch noch in der Revisionsbegründung das Fehlen der „Soll-Angaben“ des § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG rügt, ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass hiervon die Wirksamkeit der Kündigung nicht abhängt (vgl. - Rn. 12 ff., BAGE 178, 66). Die Ansicht des Klägers, auf die Vorlage des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union ( (A) -) könne dieser möglicherweise entscheiden, dass die Wirksamkeit der Kündigung mangels „Soll-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG unwirksam ist, übersieht, dass der Senat auch hierzu und zur Frage des Erfordernisses einer Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union bereits umfangreich Stellung genommen und dies verneint hat (vgl. - Rn. 19 ff., aaO).
45(d) Der Kläger rügt ferner zu Unrecht, dass die Massenentlassungsanzeige der Beklagten keine Angaben zur Konsultation der Arbeitnehmervertreter, insbesondere die Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen enthalte.
46(aa) Bei der Beklagten war weder ein Betriebsrat noch eine Bordvertretung iSv. § 117 BetrVG gewählt. Deshalb war weder ein Konsultationsverfahren durchzuführen noch die Agentur für Arbeit darüber zu unterrichten. Es ist auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn in einem betriebsratsfähigen Betrieb ein Konsultationsverfahren ausscheidet, weil kein Betriebsrat gewählt ist und die Arbeitnehmer dieses Betriebs auch nicht durch ein anderes, von ihnen mitgewähltes Gremium repräsentiert werden (vgl. - Rn. 62, BAGE 169, 362). Ebenso wenig sind in einem solchen Fall die betroffenen Arbeitnehmer einzeln zu konsultieren (vgl. - [Brink's Cash Solutions] Rn. 37). Das Gleiche gilt bei Fehlen einer Bordvertretung.
47(bb) Die Ansicht des Klägers, der „Local Council 20 F“ sei als solche Arbeitnehmervertretung anzusehen, kann weder aus § 17 KSchG noch aus der MERL abgeleitet werden. Zwar muss nicht nur der Betriebsrat, sondern jedes nach nationalem Recht gewählte Gremium, das (auch) die Arbeitnehmer des Betriebs iSd. § 17 KSchG repräsentiert, durch den Arbeitgeber beteiligt werden (vgl. - Rn. 60, BAGE 169, 362). Dazu gehört der nach US-amerikanischem Recht gebildete „Local Council“ aber nicht, was das Landesarbeitsgericht zutreffend hervorhebt. Die Ansicht des Klägers, es spiele keine Rolle, dass der „Local Council“ nicht nach deutschem Recht errichtet worden ist, findet in § 17 KSchG keine Stütze. Auch die MERL sieht als „Arbeitnehmervertreter“ nur solche an, die es „nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten“ sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der MERL). Dabei handelt es sich um eine abschließende Legaldefinition (vgl. - [Mono Car Styling] Rn. 39). Die Vereinigten Staaten von Amerika, auf Grundlage derer rechtlichen Vorschriften der „Local Council“ gebildet wurde, sind hingegen nicht Mitglied der Europäischen Union. Das ist so eindeutig klar, dass es keines Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf. Unabhängig davon wäre die Frage des Bestehens einer Arbeitnehmervertretung nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten allein von den nationalen Gerichten und nicht vom Gerichtshof der Europäischen Union zu klären (vgl. EuArbRK/Spelge 5. Aufl. RL 98/59/EG Art. 1 Rn. 138).
48f) Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - spätestens mit Ablauf des beendet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Kläger das Kündigungsschreiben am zugegangen. Wie bereits ausgeführt (vgl. oben Rn. 17) sind im US-amerikanischen Recht keine Kündigungsfristen geregelt. Bei einer Beendigung zum wäre die längste Kündigungsfrist nach deutschem Recht (§ 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB: sieben Monate zum Monatsende) eingehalten.
494. Soweit der Kläger mit seiner Revision Verfahrensrügen erhoben hat, insbesondere betreffend eine Verletzung des Gebots fairen Verfahrens, des rechtlichen Gehörs, der fehlerhaften Zuordnung von streitigem und unstreitigem Vorbringen, der notwendigen Einholung weiterer Gutachten und der ausreichenden Ermittlung US-amerikanischen Rechts, hat der Senat diese geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
505. Das Landesarbeitsgericht verletzt eine Rechtsnorm iSv. § 73 Abs. 1 ArbGG, indem es den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 GewO abgewiesen hat. Das Berufungsurteil ist insoweit auf die Revision des Klägers aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), ohne dass es einer Zurückverweisung bedarf, da der Senat selbst in der Sache entscheiden kann (§ 563 Abs. 3 ZPO).
51a) Allerdings ist das Berufungsgericht zu Recht unter Bezugnahme auf die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen aus dem Schrifttum davon ausgegangen, dass dem Kläger ein Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis nach dem von den Parteien gewählten US-amerikanischen Recht, insbesondere dem Recht des Bundesstaats Illinois, nicht zusteht (vgl. auch Reimann Einführung in das US-amerikanische Privatrecht 2. Aufl. S. 313). Insoweit erhebt die Revision keine Einwendungen.
52b) Es besteht aber ein Anspruch des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses gemäß § 109 Abs. 1 GewO als international zwingende Norm iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF.
53aa) Dabei spielt es keine Rolle, dass § 109 Abs. 1 GewO keine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF ist. Die Maßstäbe von Art. 30 Abs. 1 und Art. 34 EGBGB aF sind nicht identisch (vgl. hierzu und zum Folgenden: - Rn. 76 ff.; - 2 AZR 692/19 - Rn. 46 ff.).
54(1) Nach Art. 34 EGBGB aF bleiben ohne Rücksicht auf eine nach Art. 27 ff. EGBGB aF getroffene Rechtswahl und das hiernach auf den Vertrag anzuwendende Recht diejenigen Bestimmungen des deutschen Rechts unberührt, die den Sachverhalt zwingend regeln. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, der zwar auf den Streitfall nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit herangezogen werden kann (vgl. - Rn. 67, BAGE 158, 266), sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhaltung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewendet werden müssen (vgl. - Rn. 31). Art. 34 EGBGB aF will zwingende Bestimmungen des deutschen Rechts ohne Rücksicht auf ihren Schutznormcharakter und „ohne Rücksicht auf das auf den Vertrag anwendbare Recht“ durchsetzen (vgl. - Rn. 14, BAGE 141, 129).
55(a) Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Bestimmungen sind Eingriffsnormen. Dies folgt für arbeitsrechtliche Vorschriften aus Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF. Danach darf die vereinbarte Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht den Schutz zwingenden deutschen Arbeitsrechts entziehen, sofern dieses ohne Rechtswahl nach den objektiven Anknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF anzuwenden wäre. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn jede vertraglich unabdingbare arbeitsrechtliche Norm über Art. 34 EGBGB aF auf das Arbeitsverhältnis einwirken würde ( - Rn. 78, BAGE 125, 24). Es reicht nicht aus, dass die betreffende Norm als Arbeitnehmerschutznorm einseitig zwingend und günstiger als die nach dem an sich anwendbaren ausländischen Recht einschlägige Vorschrift ist.
56(b) Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen iSd. Art. 34 EGBGB aF, wenn sie entweder ausdrücklich (zB § 2 AEntG; vgl. ErfK/Schlachter 25. Aufl. Rom I-VO Art. 9 Rn. 21) oder nach ihrem Sinn und Zweck ohne Rücksicht auf das nach deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht gelten sollen. Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden ( - Rn. 48; - 10 AZR 200/11 - Rn. 14, BAGE 141, 129).
57(c) Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwingende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungsgrund 37 zur Rom I-VO ergibt, nach dem der Begriff „Eingriffsnormen“ eng ausgelegt werden soll ( - [Nikiforidis] Rn. 43 f.; - Rn. 14, BAGE 141, 129).
58(2) Nach diesem Maßstab ist § 109 Abs. 1 GewO keine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF, da sie nur auf den Schutz von Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, und mit ihr nicht zumindest auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden.
59bb) Der Senat hat aber bereits in seinem Urteil vom (- 2 AZR 692/19 - Rn. 47, 51 aE) darauf hingewiesen, dass die Regelung in Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF betreffend „zwingende Bestimmungen“ gegenüber Art. 34 EGBGB aF eine eigenständige Bedeutung hat und insoweit ein abgesenkter Maßstab anzunehmen ist. „Zwingende Bestimmungen“ iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF sind solche, die vertraglich nicht abbedungen werden können und dem Schutz des Arbeitnehmers dienen ( - Rn. 83, BAGE 158, 266; - 2 AZR 741/13 - Rn. 39; ErfK/Schlachter 25. Aufl. Rom I-VO Art. 9 Rn. 19; vgl. auch Art. 27 Abs. 3 EGBGB aF sowie Erwägungsgrund 35 zur Rom I-VO). Die Frage, ob Vorschriften Bestimmungen darstellen, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf, ist nach dem Recht zu beurteilen, das mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre (vgl. EuArbRK/Krebber 5. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 8 Rn. 18). Dabei hat das Gericht die betreffende nationale Vorschrift selbst auszulegen (vgl. zu Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO , C-218/20 - [SC Gruber Logistics] Rn. 29).
60cc) Bei der Regelung des § 109 Abs. 1 GewO handelt es sich entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts um eine zwingende Bestimmung iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF, jedenfalls soweit die Nichtabdingbarkeit des Zeugnisanspruchs vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses betroffen ist.
61(1) Allerdings hat das Reichsarbeitsgericht in einer frühen Entscheidung - ohne nähere Begründung und entgegen der schon damals herrschenden Lehre im Schrifttum - den Zeugnisanspruch aus § 630 BGB als dispositiv und einen Verzicht hierauf schon bei Abschluss des Arbeitsvertrags als wirksam angesehen (RAG - RAG 243/29 - ARS 8, 45 mit abl. Anm. Hueck). Soweit in diesem Zusammenhang auch im aktuellen Schrifttum zuweilen auf eine weitere Entscheidung des Reichsarbeitsgerichts abgestellt wird (RAG - RAG 440/32 - ARS 17, 465 mit abl. Anm. Hueck), betrifft dieses Urteil nur den nachträglichen Verzicht auf ein Zeugnis in einem Abfindungsvergleich.
62(2) Soweit sich die neuere Rechtsprechung mit der Frage befasst hat, besteht Einigkeit darüber, dass auf das Zeugnis jedenfalls nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die Zukunft wirksam verzichtet werden kann (vgl. - zu I 3 der Gründe; - zu B II 4 b aa der Gründe; - zu I 1 der Gründe; - zu B I 2 c der Gründe; soweit im aktuellen Schrifttum auch die Entscheidung - zu 1 der Gründe zitiert wird, betraf der Fall allein einen nachträglichen Verzicht, wobei die Rechtsfrage vom Fünften Senat außerdem offengelassen wurde). Auch das aktuelle Schrifttum vertritt diese Auffassung (vgl. Staudinger/Temming [2022] BGB § 630 Rn. 7; ErfK/Müller-Glöge 25. Aufl. GewO § 109 Rn. 52; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 147 Rn. 14; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 630 Rn. 63; Gäntgen in Henssler/Willemsen/Kalb Arbeitsrecht Kommentar 11. Aufl. § 109 GewO Rn. 18; AR/Kolbe 10. Aufl. § 109 GewO Rn. 17; MHdB ArbR/Francke 6. Aufl. § 138 Rn. 16; BeckOGK/Novak Stand GewO § 109 Rn. 58; Grüneberg/Weidenkaff BGB 84. Aufl. Anh. zu § 630 Rn. 2). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Das Arbeitszeugnis ist, allen evidenten Mängeln zum Trotz, für den Stellenwechsel des Arbeitnehmers in der Praxis von größter Bedeutung und erleichtert sein Fortkommen im Berufsleben. Angesichts dieser den Arbeitnehmer letztlich schützenden Norm kann nicht eine Dispositivität zu einem Zeitpunkt angenommen werden, zu dem der Arbeitgeber hinsichtlich des vom Arbeitnehmer gewünschten Abschlusses oder der Beibehaltung des Arbeitsverhältnisses in der Lage ist, Druck auf ihn auszuüben. Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegebene Verzichtserklärungen, Erlassverträge gemäß § 397 BGB oder den Zeugnisanspruch ausschließende Vereinbarungen sind nichtig (§ 134 BGB).
63dd) Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben, soweit das Landesarbeitsgericht auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil abgeändert und den Antrag des Klägers auf Erteilung eines qualifizierten Arbeitszeugnisses abgewiesen hat. Der Senat kann über diesen Antrag selbst entscheiden und das Zeugnis zusprechen. Dem Kläger steht nach § 109 Abs. 1 GewO ein Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis zu. Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist beendet. Der Kläger hat von der Beklagten die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses verlangt.
646. Die Rüge einer Verletzung des Antragsgrundsatzes durch den Kläger ist berechtigt, aber im Ergebnis ohne Bedeutung. Er rügt zutreffend, dass das Landesarbeitsgericht zu Unrecht über den von ihm hilfsweise geltend gemachten Wiedereinstellungsantrag entschieden hat.
65a) Dieser war nur für den Fall des „vollständigen Unterliegens“ mit den ursprünglichen Klageanträgen gestellt worden. Insoweit hat der Kläger aber teilweise obsiegt, da schon das Arbeitsgericht wie auch das Landesarbeitsgericht festgestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis über den hinaus bis zum bestanden hat.
66b) Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei ohne ihren Antrag etwas zugesprochen wird, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat. Ein Verstoß der Vorinstanzen gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten (vgl. - Rn. 42).
67c) Das Berufungsurteil ist daher - ohne dass es eines förmlichen Entscheidungsausspruchs bedarf - zu berichtigen. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist damit insoweit gegenstandslos, als die Klage wegen des Wiedereinstellungsanspruchs abgewiesen wurde. Der Tenor der Entscheidung erweist sich dabei im Ergebnis als zutreffend und bedarf keiner Berichtigung (vgl. - Rn. 47).
687. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens zum sind die (Hilfs-)Anträge zu 2. b), 3. und 4. nicht zur Entscheidung angefallen. Die Anträge auf Zahlung von Annahmeverzug für den Zeitraum Oktober 2020 bis Mai 2021 zu 5. a) bis h) sind nicht Gegenstand dieses Teilurteils. Insoweit wird auf den Anfragebeschluss an den Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts vom heutigen Tag Bezug genommen.
69II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend § 622 Abs. 2 BGB als zwingende Norm iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF angesehen und eine Wirksamkeit der Kündigung erst zum mit der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB angenommen.
701. Die Revision der Beklagten ist nicht deshalb begründet, weil die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen oben zu Rn. 9 verwiesen.
712. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, neben dem von den Parteien gewählten Recht sei im Rahmen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF zu berücksichtigen, dass das objektive Vertragsstatut deutsches Recht sei. Auf die Ausführungen oben zu Rn. 14 wird Bezug genommen. Gegenteiliges wird von der Beklagten in der Revisionsinstanz auch nicht geltend gemacht.
723. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt § 622 Abs. 2 BGB eine zwingende Bestimmung des Rechts iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dar, die bei fehlender Rechtswahl anzuwenden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Da die Beklagte, die bereits im Verfahren - 2 AZR 251/23 - beteiligt war, im vorliegenden Verfahren der Sache nach denselben Vortrag gehalten und keine weiteren Rügen oder Argumente vorgetragen hat, nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf seine Ausführungen im Urteil vom (- 2 AZR 251/23 - Rn. 76 bis 87) Bezug. Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend § 622 Abs. 2 BGB zu Recht als eine zwingende Regelung angesehen und ist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien von einer Wirksamkeit der Kündigung erst zum ausgegangen.
73III. Ein Ausspruch zu den Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:180625.U.2AZR97.24B.0
Fundstelle(n):
LAAAJ-99137