Vorlage zur Vorabentscheidung – Steuerrecht – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer – Art. 2 Abs. 1 Buchst. c – Begriff ‚Dienstleistungen gegen Entgelt‘ – Innerhalb desselben Konzerns erbrachte gewerbliche Dienstleistungen – Verrechnungspreis – Art. 168 und 178 – Recht auf Vorsteuerabzug – Belege
Leitsatz
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
die Vergütung für die von einer Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft erbrachten und vertraglich im Einzelnen aufgeführten konzerninternen Dienstleistungen, die nach einer in den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angenommenen Verrechnungspreisleitlinien empfohlenen Methode berechnet wird und dem 2,74 % übersteigenden Teil der von der Tochtergesellschaft erzielten Gewinnspanne entspricht, die Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt.
Die Art. 168 und 178 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass
sie die Steuerverwaltung nicht daran hindern, von einem Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug geltend macht, zum Nachweis des Bestehens der in einer Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und ihrer Verwendung für die Zwecke der steuerbaren Umsätze dieses Steuerpflichtigen die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung zu verlangen, sofern die Vorlage dieser Nachweise für diese Zwecke erforderlich und verhältnismäßig ist.
Gesetze: RL 2006/112/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, RL 2006/112/EG Art. 168, RL 2006/112/EG Art. 178
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c sowie der Art. 168 und 178 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SC Arcomet Towercranes SRL (im Folgenden: Arcomet Rumänien) auf der einen Seite und der Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice București (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Bukarest, Rumänien) sowie der Administrația Fiscală pentru Contribuabili Mijlocii București (Finanzverwaltung für mittelgroße Steuerpflichtige Bukarest, Rumänien) (im Folgenden zusammen: Steuerverwaltung) auf der anderen Seite betreffend eine Klage auf Nichtigerklärung der Steuerverwaltungsakte, mit denen Arcomet Rumänien eine Mehrwertsteuernachzahlung nebst Zinsen und Verwaltungssanktionen auferlegt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„(1) Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.
4 Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:
„Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“
5 In Art. 168 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:
„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden“.
6 Art. 178 Buchst. a und f der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor: „Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
für den Vorsteuerabzug nach Artikel 168 Buchstabe a in Bezug auf die Lieferung von Gegenständen oder das Erbringen von Dienstleistungen muss er eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 ausgestellte Rechnung besitzen;
…
hat er die Steuer in seiner Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger oder Erwerber gemäß den Artikeln 194 bis 197 sowie 199 zu entrichten, muss er die von dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Formalitäten erfüllen.“
7 Nach Art. 199 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der steuerpflichtige Empfänger, an den die in den Buchst. a bis g dieser Bestimmung genannten Umsätze bewirkt werden, die Mehrwertsteuer schuldet.
Rumänisches Recht
Steuergesetzbuch
8 Art. 11 der Legea nr. 571/2003 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch) vom in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Steuergesetzbuch) sieht in Abs. 1 vor:
„Bei der Ermittlung des Betrags einer Steuer, einer Abgabe oder eines Pflichtbeitrags zur Sozialversicherung können die Steuerbehörden eine Transaktion, die keinen wirtschaftlichen Zweck hat, unberücksichtigt lassen, indem sie deren steuerliche Auswirkungen berichtigen, oder die Art einer Transaktion oder Tätigkeit neu einordnen, um den wirtschaftlichen Gehalt der Transaktion oder Tätigkeit widerzuspiegeln.“
9 In Art. 19 Abs. 5 des Steuergesetzbuchs bestimmt:
„Transaktionen zwischen verbundenen Personen werden nach dem Marktpreisprinzip durchgeführt, wonach Transaktionen zwischen verbundenen Personen zu festgelegten oder auferlegten Bedingungen durchgeführt werden, die sich nicht von den Handels- oder Finanzbeziehungen zwischen unabhängigen Unternehmen unterscheiden. Um die Gewinne der verbundenen Personen zu ermitteln, werden die Grundsätze für Verrechnungspreise berücksichtigt.“
10 Art. 126 Abs. 1 Buchst. a des Steuergesetzbuchs lautet:
„Für die Zwecke der Mehrwertsteuer sind steuerbare Umsätze in Rumänien Umsätze, die die folgenden kumulativen Bedingungen erfüllen:
Umsätze, die im Sinne der Art. 128 bis 130 steuerlich eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt darstellen oder ihnen gleichgestellt sind“.
11 Art. 145 Abs. 2 Buchst. a des Steuergesetzbuchs sieht vor:
„Der Steuerpflichtige ist berechtigt, die Vorsteuer für Erwerbe abzuziehen, wenn diese zur Verwendung bei folgenden Umsätzen bestimmt sind:
steuerbare Umsätze“.
12 In Art. 146 Abs. 1 Buchst. a des Steuergesetzbuchs heißt es:
„Um das Recht auf Vorsteuerabzug ausüben zu können, muss der Steuerpflichtige folgende Bedingungen erfüllen:
er muss für die geschuldete oder gezahlte Steuer auf Gegenstände, die ihm von einem Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden sollen, oder für Dienstleistungen, die ihm von einem Steuerpflichtigen erbracht wurden oder erbracht werden sollen, im Besitz einer nach Maßgabe der Bestimmungen von Art. 155 ausgestellten Rechnung sowie im Fall von Erwerben Steuerpflichtiger, die das Mehrwertsteuer‑Inkassosystem anwenden, oder Steuerpflichtiger, die während des Zeitraums, in dem sie das Mehrwertsteuer‑Inkassosystem anwenden, Gegenstände oder Dienstleistungen von Steuerpflichtigen erwerben, im Besitz eines Zahlungsnachweises sein.“
13 Art. 150 Abs. 2 des Steuergesetzbuchs bestimmt:
„Die Steuer wird von jedem Steuerpflichtigen – einschließlich einer nicht steuerpflichtigen juristischen Person mit einer Mehrwertsteuer‑Identifikationsnummer nach Art. 153 oder Art. 153a – geschuldet, der Dienstleistungen in Anspruch nimmt, bei denen der Ort der Dienstleistung gemäß Art. 133 Abs. 2 in Rumänien liegt und die von einem Steuerpflichtigen erbracht werden, der nicht in Rumänien ansässig ist oder gemäß Art. 125a Abs. 2 für diese Dienstleistungen nicht als dort ansässig gilt, selbst wenn er gemäß Art. 153 Abs. 4 oder 5 in Rumänien registriert ist.“
14 Art. 155 Abs. 4 und 5 des Steuergesetzbuchs sieht vor:
„(4) Unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 30 bis 34 gelten die folgenden Rechnungsstellungsregeln:
Für die in den Art. 132 und 133 genannten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, deren Ort als in Rumänien liegend gilt, unterliegt die Rechnungsstellung den Bestimmungen dieses Artikels. …
Abweichend von Buchst. a:
…
(5) Der Steuerpflichtige muss in den folgenden Fällen jedem Empfänger eine Rechnung ausstellen:
für gelieferte Gegenstände oder erbrachte Dienstleistungen;
…“
Regierungserlass Nr. 44/2004 zur Genehmigung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch
15 Nr. 2 Abs. 2 der Hotărârea Guvernului nr. 44/2004 pentru aprobarea Normelor metodologice de aplicare a Legii nr. 571/2003 privind Codul fiscal (Regierungserlass Nr. 44/2004 zur Genehmigung der Durchführungsbestimmungen zum Gesetz Nr. 571/2003 über das Steuergesetzbuch) bestimmt in der für den Ausgangsrechtsstreit geltenden Fassung:
„Nach Art. 126 Abs. 1 Buchst. a des Steuergesetzbuchs muss eine Lieferung von Gegenständen und/oder eine Dienstleistung gegen Entgelt erbracht werden. Das Tatbestandsmerkmal ‚gegen Entgelt‘ erfordert das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem Umsatz und dem erhaltenen Entgelt. Ein Umsatz ist steuerbar, wenn er dem Kunden einen Vorteil verschafft und das geleistete Entgelt folgendermaßen mit dem erlangten Vorteil verknüpft ist:
Die Voraussetzung in Form des Bestehens eines Vorteils für den Kunden ist erfüllt, wenn sich der Lieferer von Gegenständen oder der Erbringer von Dienstleistungen verpflichtet, an die zahlende Person Gegenstände zu liefern und/oder Dienstleistungen zu erbringen, die bestimmbar sind, oder wenn in Fällen ohne Zahlung der Umsatz getätigt wurde, um die Übernahme einer solchen Verpflichtung zu ermöglichen. Diese Voraussetzung ist mit dem Umstand vereinbar, dass es sich um kollektive Dienstleistungen handelt, die nicht genau messbar oder die auf eine gesetzliche Verpflichtung zurückzuführen sind.
Die Voraussetzung in Form eines Zusammenhangs zwischen dem Umsatz und dem geleisteten Entgelt ist auch erfüllt, wenn der Preis nicht den üblichen Wert des Umsatzes widerspiegelt, wenn er also die Form von Beiträgen, Gegenständen, Dienstleistungen oder Preisnachlässen annimmt oder nicht unmittelbar vom Empfänger, sondern von einem Dritten gezahlt wird.“
16 Nach Nr. 41 dieses Erlasses müssen die rumänischen Steuerbehörden bei der Anwendung der Vorschriften über die Verrechnungspreise die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angenommenen Verrechnungspreisleitlinien (im Folgenden: OECD-Leitlinien) beachten.
Regierungsverordnung Nr. 92 über die Steuerverfahrensordnung
17 Art. 64 der Ordonanța Guvernului nr. 92 privind Codul de procedură fiscală (Regierungsverordnung Nr. 92 über die Steuerverfahrensordnung) vom (neu veröffentlicht im Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 513 vom ) bestimmt:
„Die Belege und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen stellen Nachweise für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage dar. Liegen weitere Belege vor, so werden diese bei der Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt.“
18 Art. 65 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung lautet:
„(1) Der Steuerpflichtige trägt die Beweislast für die Handlungen und Vorgänge, die seinen Erklärungen und jedem der Steuerbehörde vorgelegten Antrag zugrunde liegen.
(2) Die Steuerbehörde ist verpflichtet, den Steuerbescheid anhand von Nachweisen und eigenen Feststellungen zu begründen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
19 Arcomet Rumänien gehört zum Arcomet-Konzern, einem weltweit agierenden, unabhängigen Konzern im Bereich der Kranvermietung. Im Rahmen ihrer Tätigkeit kauft oder vermietet Arcomet Rumänien Kräne, um sie an ihre Kunden in Rumänien weiterzuverkaufen oder zu vermieten. Die Arcomet Service NV Belgien (im Folgenden: Arcomet Belgien) sucht Lieferanten für ihre sämtlichen Tochtergesellschaften, darunter Arcomet Rumänien, und handelt mit diesen Lieferanten die für ihre Tochtergesellschaften geltenden Vertragsbedingungen aus. Die Kauf- und Mietverträge für die in Rumänien ausgeübte Tätigkeit werden indes zwischen Arcomet Rumänien und ihren Lieferanten bzw. Kunden geschlossen.
20 Eine im Dezember 2010 durchgeführte Untersuchung der Verrechnungspreise im Verhältnis zwischen Arcomet Belgien und ihren Tochtergesellschaften ergab, dass die Tochtergesellschaften gemäß den Verrechnungspreisregelungen auf dem Referenzmarkt eine Betriebsergebnismarge zwischen -0,71 % und 2,74 % ausweisen müssten.
21 Am wurde zwischen Arcomet Belgien und Arcomet Rumänien ein Vertrag geschlossen, in dem sich jede Partei verpflichtete, zugunsten der anderen eine Reihe von Leistungen zu erbringen (im Folgenden: Vertrag vom ). Zum einen verpflichtete sich Arcomet Belgien insbesondere zur betriebsbezogenen Erfüllung der meisten unternehmerischen Aufgaben in Form von Strategie und Planung, Aushandlung der (Rahmen‑)Verträge mit Drittlieferanten, Aushandlung der Vertragsbedingungen der Finanzierungsverträge, Technik, Finanzen, zentrale Verwaltung des Fuhrparks sowie Qualitäts- und Sicherheitsmanagement. Außerdem übernahm sie die wirtschaftlichen Hauptrisiken in Zusammenhang mit der Tätigkeit von Arcomet Rumänien. Zum anderen verpflichtete sich Arcomet Rumänien, alle für die Ausübung ihrer Tätigkeit erforderlichen Gegenstände zu erwerben und in Besitz zu nehmen und den Verkauf und die Vermietung dieser Gegenstände sowie die Erbringung von Dienstleistungen zu übernehmen.
22 Nach seinem Wortlaut sah der Vertrag vom eine Vergütung für die von den Parteien ausgeübten Tätigkeiten in Höhe eines den von Arcomet Rumänien ausgeübten Tätigkeiten und den von ihr übernommenen Risiken entsprechenden Betrags vor, wobei dieser Punkt einvernehmlich in einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen den Parteien geregelt werden und auf der in den OECD-Leitlinien vorgesehenen geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode beruhen sollte. So war für den Fall, dass Arcomet Belgien einen Anspruch gegen Arcomet Rumänien auf eine Vergütung für ihre in diesem Vertrag beschriebenen Tätigkeiten hat, vorgesehen, dass Arcomet Belgien jeweils am Jahresende Arcomet Rumänien eine Rechnung ausstellt, wobei Arcomet Rumänien gemäß den rumänischen Steuervorschriften den Mehrwertsteuerbetrag für die Vergütung von Arcomet Belgien übernehmen sollte. Nach den im Anhang des Vertrags aufgeführten Modalitäten zur Ermittlung dieser Vergütung sollte Arcomet Belgien im Fall eines 2,74 % übersteigenden Gewinns von Arcomet Rumänien oder Arcomet Rumänien, wenn der Verlust mehr als 0,71 % betrug, eine jährliche Rechnung über eine Ausgleichszahlung für den übersteigenden Gewinn bzw. Verlust ausstellen. Dagegen war keine Vergütung geschuldet, wenn die in Rede stehende Betriebsergebnismarge zwischen -0,71 % und 2,74 % lag.
23 In den Jahren 2011, 2012 und 2013 erzielte Arcomet Rumänien eine höhere Gewinnspanne als die im Vertrag vom vorgesehenen 2,74 %. Für jedes dieser Jahre erhielt sie von Arcomet Belgien eine Rechnung ohne Mehrwertsteuer, wobei Arcomet Belgien darin nach Berichtigung Dienstleistungen in Rechnung stellte. Arcomet Rumänien wies die ersten beiden Rechnungen als innergemeinschaftliche Erwerbe von Dienstleistungen aus, für die sie das Reverse-Charge-Verfahren anwandte, vertrat jedoch die Ansicht, dass die dritte Rechnung im Rahmen von Umsätzen außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer ausgestellt worden sei.
24 Arcomet Rumänien wurde einer Steuerprüfung unterzogen, die sich u.a. auf den Zeitraum der Ausstellung dieser drei Rechnungen bezog und nach deren Abschluss ihr wegen versagter Vorsteuerabzüge aufgrund der von Arcomet Belgien ausgestellten Rechnungen eine Mehrwertsteuernachzahlung nebst Zinsen und Verwaltungssanktionen auferlegt wurde. Das Recht auf Vorsteuerabzug wurde mit der Begründung versagt, dass Arcomet Rumänien weder die Erbringung der in Rechnung gestellten Dienstleistungen noch deren Erforderlichkeit für die Zwecke ihrer steuerbaren Umsätze nachgewiesen habe.
25 Arcomet Rumänien erhob beim Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit der ihr Einspruch gegen den Steuerprüfungsbericht sowie den Bescheid über die Festsetzung einer Mehrwertsteuernachzahlung nebst entsprechenden Zinsen und Verwaltungssanktionen zurückgewiesen wurde. Dieses Gericht wies die Klage mit Urteil vom ab.
26 Gegen dieses Urteil legte Arcomet Rumänien ein Rechtsmittel bei der Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, ein.
27 Im Rahmen des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hat das vorlegende Gericht erstens Zweifel, ob der von einer Gesellschaft gegenüber einer verbundenen Gesellschaft abgerechnete Betrag, mit dem die Gewinnspanne der verbundenen Gesellschaft nach der geschäftsvorfallbezogenen Nettomargenmethode im Einklang mit den OECD-Leitlinien angepasst werden kann, die tatsächliche Gegenleistung für eine von der erstgenannten Gesellschaft erbrachte Dienstleistung darstellt und infolgedessen das Vorliegen einer Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie impliziert.
28 Fraglich sei nämlich, ob Rechnungen über Ausgleichszahlungen wie diejenigen, mit denen es befasst sei, ein Mittel seien, um die Gewinnspanne der Gesellschaft, an die sie gerichtet seien, bloß der Form nach anzupassen, ohne dass ein Zusammenhang mit einer Dienstleistung bestehe. Sollte Arcomet Belgien keine eindeutig identifizierbare Dienstleistung für Arcomet Rumänien erbracht haben, würde diese Anpassung der Gewinnspanne von Arcomet Rumänien nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallen.
29 Sollte jedoch davon auszugehen sein, dass Arcomet Belgien eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende Dienstleistung für Arcomet Rumänien erbracht habe, stelle sich zweitens die Frage, ob die im Zusammenhang mit dieser Leistung entrichtete Vorsteuer abzugsfähig sei, da Arcomet Belgien die Dienstleistungen angeblich für die Zwecke der der Steuer unterliegenden Tätigkeit von Arcomet Rumänien erbracht habe. Die Vorschriften des rumänischen Rechts verlangten zwar für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug lediglich das Vorliegen einer Rechnung; fraglich sei aber die Vereinbarkeit der rumänischen Verwaltungspraxis, nach der die Ausübung dieses Rechts davon abhänge, dass der Steuerpflichtige andere Dokumente als Rechnungen vorlege, mit den Art. 168 und 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
30 Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass der von einer Gesellschaft (der Hauptgesellschaft) gegenüber einer verbundenen Gesellschaft (der Betriebsgesellschaft) abgerechnete Betrag, der dem Betrag entspricht, der zur Anpassung des Gewinns der Betriebsgesellschaft an die ausgeübten Tätigkeiten und übernommenen Risiken nach der Margenmethode der OECD-Leitlinien erforderlich ist, eine Zahlung für eine Dienstleistung darstellt, die folglich in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fällt?
Sind bei Bejahung der ersten Frage die Steuerbehörden mit Blick auf die Auslegung der Art. 168 und 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie berechtigt, neben der Rechnung Dokumente (wie etwa Tätigkeitsberichte, Berichte über den Arbeitsfortschritt usw.) anzufordern, die die Verwendung der erworbenen Dienstleistungen für die Zwecke der steuerbaren Umsätze des Steuerpflichtigen belegen, oder darf sich diese Prüfung des Rechts auf Vorsteuerabzug ausschließlich auf den unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Erwerb und der Lieferung/Dienstleistung oder zwischen dem Erwerb und der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen stützen?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
31 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Vergütung für die von einer Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft erbrachten und vertraglich im Einzelnen aufgeführten konzerninternen Dienstleistungen, die nach einer in den OECD-Leitlinien empfohlenen Methode berechnet wird und dem 2,74 % übersteigenden Teil der von der Tochtergesellschaft erzielten Gewinnspanne entspricht, die Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt.
32 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“, der Mehrwertsteuer unterliegen.
33 Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Dienstleistung nur dann im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie „gegen Entgelt“ erbracht und unterliegt somit nur dann der Mehrwertsteuer, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Apple and Pear Development Council, 102/86, EU:C:1988:120, Rn. 12, und vom , Weatherford Atlas Gip, C‑527/23, EU:C:2024:1024, Rn. 23).
34 Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob die Umstände des Ausgangsverfahrens zu einem Umsatz gegen Entgelt führen, doch ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage der ihm vorliegenden Akten sachdienliche Hinweise zum Unionsrecht zu geben.
35 Nach den in den Rn. 21 und 22 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Angaben in der Vorlageentscheidung sind die beiden Parteien im Rahmen des Vertrags vom gegenseitige Verpflichtungen eingegangen. So soll sich nach diesen Angaben zum einen Arcomet Belgien verpflichtet haben, eine Reihe gewerblicher Dienstleistungen zu erbringen und die wirtschaftlichen Hauptrisiken im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Arcomet Rumänien als Betriebsgesellschaft zu übernehmen, und zum anderen soll sich Arcomet Rumänien verpflichtet haben, jeweils am Jahresende einen Betrag in Höhe des 2,74 % übersteigenden Teils der von ihr erzielten Gewinnspanne zu zahlen. Die erste nach der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung bestehende Voraussetzung eines Rechtsverhältnisses zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, ist demnach erfüllt.
36 Aus denselben Angaben ergibt sich, dass die von Arcomet Rumänien gemäß dem Vertrag vom geleisteten Zahlungen die Vergütung für die von Arcomet Belgien ausgeübten Tätigkeiten darstellten. Ferner verschafften die Leistungen, die Arcomet Rumänien als Gegenleistung für diese Zahlungen erhielt, ihr einen konkreten Vorteil, da sich, wie der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die von Arcomet Belgien erbrachten Dienstleistungen, die im Rahmen einer konzerninternen Beziehung üblich sind, auf die Gewinnspanne von Arcomet Rumänien auswirkten, indem sie es ihr ermöglichten, Einsparungen zu erzielen oder den Endkunden einen besseren Service zu bieten.
37 Folglich ist auch die zweite nach der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung bestehende Voraussetzung erfüllt, dass die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet. Mithin besteht unter den Umständen des Ausgangsverfahrens – vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht – ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der erbrachten Dienstleistung und den erhaltenen Beträgen.
38 Das Vorbringen von Arcomet Rumänien vermag diese Erwägung nicht in Frage zu stellen.
39 Erstens kann der vorstehenden Beurteilung nicht entgegengehalten werden, dass die der Muttergesellschaft geschuldete Vergütung lediglich darauf abziele, die Gewinnspanne der Tochtergesellschaft im Einklang mit den OECD-Leitlinien anzupassen, um den in diesen Leitlinien verankerten Fremdvergleichsgrundsatz zu wahren, ohne dass es eine konkrete als Gegenleistung zu erbringende Tätigkeit gebe.
40 Das Vorliegen einer Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände festzustellen, die den betreffenden Umsatz konkret kennzeichnen, darunter insbesondere ihre wirtschaftliche und geschäftliche Realität, die ein grundlegendes Kriterium für die Anwendung des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Apcoa Parking Danmark, C‑90/20, EU:C:2022:37, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Liegen solche für das Vorliegen einer Dienstleistung gegen Entgelt sprechende Anhaltspunkte vor, kann auch dann, wenn zwischen zwei demselben Konzern angehörenden Gesellschaften im Einklang mit einer in den OECD-Leitlinien für die Zwecke der direkten Besteuerung empfohlenen Methode zur Wahrung des Fremdvergleichsgrundsatzes ein Verrechnungspreis festgelegt worden sein sollte, dieser Verrechnungspreis den tatsächlichen Gegenwert einer erbrachten Dienstleistung darstellen.
42 Zweitens sind Tätigkeiten wie die von Arcomet Belgien durchgeführten vom Erwerb von Beteiligungen einer Holdinggesellschaft an anderen Gesellschaften, ohne dass die Holdinggesellschaft – unbeschadet ihrer Rechte als Aktionär oder Gesellschafter – unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift, zu unterscheiden. Nach der Rechtsprechung sind nämlich der bloße Erwerb und das bloße Halten von Gesellschaftsanteilen nicht als wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen und bewirken deshalb keine nach ihrem Art. 2 der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätze (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Polysar Investments Netherlands, C‑60/90, EU:C:1991:268, Rn. 16, und vom , Marle Participations, C‑320/17, EU:C:2018:537, Rn. 27 und 28).
43 Der Gerichtshof hat allerdings entschieden, dass etwas anderes gilt, wenn die Beteiligung – unbeschadet der Rechte, die dem Anteilseigner als Aktionär oder Gesellschafter zustehen – mit unmittelbaren oder mittelbaren Eingriffen in die Verwaltung der Gesellschaften einhergeht, an denen die Beteiligungen erworben wurden (Urteil vom , Larentia + Minerva und Marenave Schiffahrt, C‑108/14 und C‑109/14, EU:C:2015:496, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
44 Aus der in den Rn. 21 und 22 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Sachverhaltsdarstellung in der Vorlageentscheidung ergibt sich jedoch, dass Arcomet Belgien – im Unterschied zu einer Holdinggesellschaft, deren Tätigkeiten auf den Erwerb finanzieller Beteiligungen an anderen Gesellschaften beschränkt sind, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Gesellschaften eingreift – im Rahmen von Umsätzen, die wie die Erbringung gewerblicher Dienstleistungen für ihre Tochtergesellschaft nach Art. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Mehrwertsteuer unterliegen, aktiv in die Verwaltung von Arcomet Rumänien eingreift.
45 Drittens ändern die im Vertrag vom vorgesehenen Vergütungsmodalitäten, wonach der Arcomet Belgien geschuldete Betrag in den Jahren 2011, 2012 und 2013 dem 2,74 % übersteigenden Teil der von Arcomet Rumänien erzielten Gewinnspanne entsprach, nichts daran, dass ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen diesen Leistungen und dem erhaltenen Gegenwert besteht.
46 Insoweit geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass die Ungewissheit des Vorliegens einer Vergütung geeignet ist, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der dem Empfänger erbrachten Dienstleistung und der gegebenenfalls erhaltenen Vergütung aufzuheben (Urteile vom , Tolsma, C‑16/93, EU:C:1994:80, Rn. 19, und vom , Finanzamt X [Leistungen des Inhabers eines Stalls], C‑713/21, EU:C:2023:80, Rn. 32).
47 Im vorliegenden Fall ist die im Vertrag vom vereinbarte Vergütung zwar als solche variabel, da sie eine positive Gewinnspanne voraussetzt und daher vom Ergebnis von Arcomet Rumänien in einem bestimmten Jahr abhängt. Die Vergütung wird jedoch weder aus freien Stücken gewährt, noch ist sie vom Zufall abhängig, schwer zu quantifizieren oder ungewiss im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Tolsma, C‑16/93, EU:C:1994:80, Rn. 19, und vom , Baštová, C‑432/15, EU:C:2016:855, Rn. 35 und 37). Wie der Generalanwalt in Nr. 46 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind nämlich die Modalitäten der Vergütung in diesem Vertrag im Voraus und nach genauen Kriterien festgelegt, so dass die Vergütung als solche frei von Unwägbarkeiten ist (vgl. entsprechend Urteil vom , Finanzamt X [Leistungen des Inhabers eines Stalls], C‑713/21, EU:C:2023:80, Rn. 46, 48 und 50).
48 Viertens ist entgegen dem Vorbringen von Arcomet Rumänien vor dem Gerichtshof der im Vertrag vom vorgesehene Fall, dass Arcomet Belgien bei einer Gewinnspanne unter -0,71 % Arcomet Rumänien eine Vergütung schuldet, jedenfalls nicht geeignet, den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der in Rede stehenden Dienstleistung und der empfangenen Gegenleistung zu beseitigen. Der vom vorlegenden Gericht geschilderte Sachverhalt des Ausgangsverfahrens unterscheidet sich nämlich von diesem Fall und betrifft den ebenfalls im Vertrag vorgesehenen umgekehrten Fall, dass Arcomet Rumänien am Ende des Jahres Arcomet Belgien eine Vergütung zahlt, da Arcomet Rumänien in jedem der drei Jahre, auf die sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rechnungen beziehen, eine höhere als die im Vertrag vorgesehene positive Gewinnspanne erzielte.
49 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Vergütung für die von einer Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft erbrachten und vertraglich im Einzelnen aufgeführten konzerninternen Dienstleistungen, die nach einer in den OECD-Leitlinien empfohlenen Methode berechnet wird und dem 2,74 % übersteigenden Teil der von der Tochtergesellschaft erzielten Gewinnspanne entspricht, die Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt.
Zur zweiten Frage
50 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 168 und 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie die Steuerverwaltung daran hindern, von einem Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug geltend macht, zum Nachweis des Bestehens der in einer Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und ihrer Verwendung für die Zwecke der steuerbaren Umsätze dieses Steuerpflichtigen die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung zu verlangen.
51 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass das in den Art. 167 ff. der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug der Einhaltung sowohl materieller als auch formaler Bedingungen unterliegt.
52 Was erstens die formalen Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug betrifft, sieht Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Buchst. a vor, dass der Steuerpflichtige eine gemäß Titel XI Kapitel 3 Abschnitte 3 bis 6 der Richtlinie ausgestellte Rechnung besitzen muss, und in Buchst. f, dass der Steuerpflichtige, wenn er die Steuer in seiner Eigenschaft als Dienstleistungsempfänger oder Erwerber gemäß den Art. 194 bis 197 sowie 199 der Richtlinie zu entrichten hat, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Formalitäten erfüllen muss.
53 Im Ausgangsverfahren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Rechnungen für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistungen keine Angaben zur Art der von Arcomet Rumänien empfangenen Dienstleistungen, zur Zahl der für den jeweiligen Umsatz geleisteten Stunden, zu den eingesetzten personellen und materiellen Ressourcen und zur Methode für die Berechnung der Vergütungssätze enthielten. Die rumänische Regierung hat hierzu in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof erläutert, dass aus den Rechnungen weder die Menge noch die Art der erbrachten Dienstleistungen ersichtlich gewesen sei. Daher genügten sie – vorbehaltlich einer Prüfung durch das vorlegende Gericht – offenbar nicht den Formvorschriften der rumänischen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie.
54 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die Steuerverwaltung das Recht auf Vorsteuerabzug nicht allein deshalb versagen darf, weil eine Rechnung bestimmte Formerfordernisse der nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht erfüllt, wenn sie über sämtliche Daten verfügt, um zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Bedingungen erfüllt sind (vgl. entsprechend Urteil vom , Barlis 06 – Investimentos Imobiliários e Turísticos, C‑516/14, EU:C:2016:690, Rn. 43). Kommen die Steuerbehörden hingegen zu dem Schluss, dass die vom Steuerpflichtigen vorgelegten Rechnungen nicht den formalen Anforderungen entsprechen, die in den nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehen sind, steht es ihnen, wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, frei, zu prüfen, ob die für dieses Recht geltenden materiellen Bedingungen erfüllt sind, und zu diesem Zweck vom Steuerpflichtigen die Vorlage zusätzlicher Nachweise zu verlangen, ohne dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dem entgegensteht.
55 Was zweitens die materiellen Bedingungen betrifft, geht aus Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie hervor, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn zum einen der Betroffene ein „Steuerpflichtiger“ im Sinne dieser Richtlinie ist und zum anderen die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht werden (Urteil vom , Weatherford Atlas Gip, C‑527/23, EU:C:2024:1024, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
56 Im Ausgangsverfahren hat die Steuerverwaltung nicht in Frage gestellt, dass Arcomet Belgien und Arcomet Rumänien Steuerpflichtige sind. Sie hat Arcomet Rumänien das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt, dass diese Gesellschaft nicht nachgewiesen habe, dass ihr die in den Rechnungen aufgeführten Dienstleistungen tatsächlich erbracht worden und für die Zwecke ihrer der Steuer unterliegenden Tätigkeiten erforderlich gewesen seien.
57 Nach der Rechtsprechung kann ohne tatsächliche Bewirkung der Dienstleistungen auf einer vorausgehenden Umsatzstufe durch einen anderen Steuerpflichtigen kein Recht auf Vorsteuerabzug entstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Warszawie [Mehrwertsteuer – Fiktiver Erwerb], C‑114/22, EU:C:2023:430, Rn. 31 und 37). Daher ist die Frage, ob die zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführte Dienstleistung tatsächlich erbracht und vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner steuerbaren Umsätze verwendet wurde, für die Beurteilung relevant, ob die zweite in Rn. 55 des vorliegenden Urteils genannte materielle Bedingung dieses Rechts erfüllt ist. Anders verhält es sich dagegen bei der Frage, ob die erbrachten Dienstleistungen für die Zwecke der steuerbaren Umsätze des Steuerpflichtigen erforderlich oder zweckmäßig waren. Der Gerichtshof hat nämlich bereits klargestellt, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht von einem Kriterium der wirtschaftlichen Rentabilität des Eingangsumsatzes abhängig macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Weatherford Atlas Gip, C‑527/23, EU:C:2024:1024, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
58 Folglich durfte die Steuerverwaltung im Ausgangsverfahren von Arcomet Rumänien den Nachweis verlangen, dass die betreffenden Eingangsleistungen tatsächlich von Arcomet Belgien erbracht worden waren und dass Arcomet Rumänien sie tatsächlich für ihre eigenen steuerbaren Umsätze verwendet hatte, doch durfte von Letzterer nicht verlangt werden, dass sie die Erforderlichkeit oder Zweckmäßigkeit dieser Dienstleistungen für ihre steuerbaren Umsätze nachweist.
59 Was als Zweites die dem Steuerpflichtigen obliegende Beweislast betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein Steuerpflichtiger, der einen Vorsteuerabzug vornehmen möchte, nachweisen muss, dass er die hierfür vorgesehenen Bedingungen erfüllt (Urteil vom , Weatherford Atlas Gip, C‑527/23, EU:C:2024:1024, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).
60 Die Steuerbehörden dürfen daher verlangen, dass der Steuerpflichtige die erforderlichen Nachweise vorlegt, damit sie beurteilen können, ob der begehrte Vorsteuerabzug gewährt werden kann, und insbesondere feststellen können, ob die zur Begründung des Rechts auf Vorsteuerabzug angeführten Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für Zwecke seiner steuerbaren Umsätze verwendet wurden. Bei dieser Beurteilung sind sie nicht auf eine Prüfung der Rechnung selbst beschränkt. Zu den betreffenden Nachweisen können u.a. Unterlagen gehören, die sich im Besitz des Dienstleistungserbringers befinden, von dem der Steuerpflichtige die Dienstleistungen, für die er Mehrwertsteuer entrichtet hat, bezogen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Ferimet, C‑281/20, EU:C:2021:910, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die verlangten Nachweise müssen jedoch für die Beurteilung der Frage, ob die materiellen Bedingungen des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind, erforderlich und verhältnismäßig sein, was unter den Umständen des Ausgangsverfahrens das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
61 Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 168 und 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie die Steuerverwaltung nicht daran hindern, von einem Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug geltend macht, zum Nachweis des Bestehens der in einer Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und ihrer Verwendung für die Zwecke der steuerbaren Umsätze dieses Steuerpflichtigen die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung zu verlangen, sofern die Vorlage dieser Nachweise für diese Zwecke erforderlich und verhältnismäßig ist.
Kosten
62 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom geänderten Fassung
ist dahin auszulegen, dass
die Vergütung für die von einer Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft erbrachten und vertraglich im Einzelnen aufgeführten konzerninternen Dienstleistungen, die nach einer in den von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angenommenen Verrechnungspreisleitlinien empfohlenen Methode berechnet wird und dem 2,74 % übersteigenden Teil der von der Tochtergesellschaft erzielten Gewinnspanne entspricht, die Gegenleistung für eine in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fallende, gegen Entgelt erbrachte Dienstleistung darstellt.
Die Art. 168 und 178 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass
sie die Steuerverwaltung nicht daran hindern, von einem Steuerpflichtigen, der den Vorsteuerabzug geltend macht, zum Nachweis des Bestehens der in einer Rechnung aufgeführten Dienstleistungen und ihrer Verwendung für die Zwecke der steuerbaren Umsätze dieses Steuerpflichtigen die Vorlage anderer Dokumente als der Rechnung zu verlangen, sofern die Vorlage dieser Nachweise für diese Zwecke erforderlich und verhältnismäßig ist.
ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:646
Fundstelle(n):
MAAAJ-99128