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BVerwG Beschluss v. - 8 BN 2.25

Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 9 KN 249/20 Urteil

Gründe

1Der Antragsteller ist Eigentümer eines Grundstücks im Gebiet der Abwasserbeseitigungssatzung (ABS) der Antragsgegnerin. Mit seinem Normenkontrollantrag wendet er sich - neben anderen Vorschriften - gegen § 2 Abs. 4 Satz 2 Spiegelstrich 2 ABS, der einen Übergabeschacht als Einsteigschacht unmittelbar an der Grundstücksgrenze definiert. § 10 Abs. 1 Satz 2 ABS ordnet unter anderem die Beachtung der DIN 1986 an. Das Oberverwaltungsgericht hat den Antrag insoweit zurückgewiesen. Es sei nicht zu beanstanden, dass § 10 Abs. 1 Satz 2 ABS auf diese DIN-Vorschrift verweise. Letztere liege bei der Antragsgegnerin zur Einsicht aus. Zur ordnungsgemäßen Verkündung sei kein Hinweis auf diese Möglichkeit der Kenntnisnahme in der Abwasserbeseitigungssatzung erforderlich. Es stehe im Einklang mit der DIN 1986-100, dass der Übergabeschacht ein Einsteigschacht sein müsse. Inspektionsöffnungen, die nicht begehbar seien, müssten nicht in die Definition des Übergabeschachts einbezogen werden. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass der Übergabeschacht an der Grundstücksgrenze liegen müsse. Dieser sei keine Reinigungsöffnung, die gemäß Nr. 6.6 der DIN 1986-100 nahe der Grundstücksgrenze anzuordnen sei, sondern ein Schacht im Sinne der Nr. 6.7 DIN 1986-100. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.

31. Der Antragsteller zeigt keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auf, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Seine Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die in Bezug genommene DIN 1986-100 im Original beiziehen müssen und sich nicht mit deren Kommentierung begnügen dürfen, begründet keine Verletzung der Aufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dafür kann dahinstehen, inwieweit aus § 86 Abs. 1 VwGO die vom Antragsteller behauptete Verpflichtung zur Beiziehung des sachnächsten Beweismittels folgt. Denn jedenfalls erfordert die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht die substantiierte Darlegung, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der vermissten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom - 9 B 1.07 - juris Rn. 2 m. w. N.).

4Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der vor dem Oberverwaltungsgericht anwaltlich vertretene Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen Antrag auf Beiziehung der DIN 1986-100 gestellt. Die Beiziehung musste sich dem Oberverwaltungsgericht auch nicht aufdrängen. Denn der Kommentar von Heinrichs/​Rickmann/​Sondergeld/​Störlein, Gebäude- und Grundstücksentwässerung, Planung und Ausführung DIN 1986-100 und DIN 12056-4, 6. Aufl. 2016 enthält farblich von den Erläuterungen abgesetzt den Wortlaut der DIN-Bestimmungen. Dass er diese teils anders auslegt als der vom Antragsteller zitierte Kommentar, begründete keine Verpflichtung des Oberverwaltungsgerichts, die DIN 1986-100 im Original beizuziehen. Dass der Originaltext der DIN 1986-100 in dem Kommentar von Heinrichs an für die vorinstanzliche Entscheidung erheblichen Stellen fehlerhaft oder verzerrend wiedergegeben worden wäre, legt die Beschwerdebegründung nicht dar. Die von ihr behauptete Abweichung der Untertitelung von Bild 16 ist nicht gegeben. Diese lautet in der Kommentierung von Heinrichs u. a. auf Seite 156 ebenso wie die Untertitelung auf Seite 41 der DIN "Beispiele für die Abstände von Reinigungsöffnungen in Grundleitungen". Bei der vom Antragsteller als abweichend bemängelten Bilduntertitelung "Anordnung von Einsteigschächten und Inspektionsöffnungen" handelt es sich demgegenüber um jene unter Bild 6-95 auf Seite 159 der Kommentierung. Mit seinen weiteren Ausführungen greift der Antragsteller die Würdigung der DIN-Vorschriften durch das Oberverwaltungsgericht an, ohne einen Verfahrensfehler aufzuzeigen.

5Die weitere Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe die Ausführungen des Leiters des Eigenbetriebs Stadtentwässerung wie eine sachverständige Äußerung zur Auslegung der DIN 1986-100 gutachtlich verwertet, trifft nicht zu. Das Oberverwaltungsgericht hat den Leiter des Eigenbetriebs informatorisch angehört und seine Äußerungen im Urteil wiedergegeben. Es hat diesen Äußerungen jedoch ausweislich der Urteilsgründe nicht das Gewicht eines Sachverständigengutachtens zugesprochen, sondern ist in dem nachfolgenden Absatz aufgrund eigener Auslegung der DIN 1986-100 nach Wortlaut und der Systematik zum selben Ergebnis gelangt. Dass der Antragsteller dieses Ergebnis nicht teilt, begründet keinen Verfahrensfehler. Er hat weder einen Beweisantrag gestellt noch dargelegt, inwieweit sich dem Oberverwaltungsgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens auch ohne einen solchen Antrag hätte aufdrängen müssen.

62. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur 8 B 37.18 - ZfWG 2019, 262 Rn. 4). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

7Die von dem Antragsteller formulierte Frage,

ob die Abwasserbeseitigungssatzung in ihrer Ursprungsfassung, die der an ihn gerichteten und vor dem Verwaltungsgericht Hannover mit der Klage angefochtenen Entwässerungsgenehmigung vom und deren belastenden Nebenbestimmungen zugrundeliegt, den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Veröffentlichung beziehungsweise den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips genügt hat,

zielt schon nicht auf eine entscheidungserhebliche Frage des revisiblen Rechts. Sie hat nach ihrem Wortlaut nur die Frage der Wirksamkeit einer - insoweit zwischenzeitlich überholten - kommunalen Satzung als Teil des nicht revisiblen Landesrechts zum Gegenstand. Wenn die Frage dahin zu verstehen sein sollte, welche Anforderungen aus dem bundesstaatlichen Rechtsstaatsprinzip an die Publizität von technischen Normen zu stellen sind, ist sie in dieser Allgemeinheit in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach müssen im Verweisungswege inkorporierte Regelungen für den Betroffenen verlässlich und ohne unzumutbare Erschwernis zugänglich sein (vgl. 3 C 21.12 - BVerwGE 147, 100 Rn. 16 und 20 ff.). Darüber hinausgehenden abstrakten Klärungsbedarf zeigt der Antragsteller nicht auf. Soweit er darauf abhebt, eine unzumutbare Erschwerung in diesem Sinne könne auch darin liegen, dass bei dem Normadressaten die irrige Vorstellung einer einzigen Kenntnisnahmemöglichkeit geschaffen werde, geht er von einer Sachverhaltswürdigung aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht getroffen hat. Dieses hat ausgeführt, der Hinweis in der Abwasserbeseitigungssatzung, die DIN-Normen könnten über den Verlag bezogen werden, sei nicht irreführend, weil er die Betroffenen nicht hindere, bei der Antragsgegnerin die Einsichtnahme zu erbitten. Diese Würdigung des Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht ist für das Bundesverwaltungsgericht mangels durchgreifender Rügen des Antragstellers bindend.

8Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:040825B8BN2.25.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-98958