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BVerwG Beschluss v. - 8 B 42.24

Instanzenzug: VG Frankfurt Az: 11 K 3335/23.F Urteil

Gründe

1Mit zwei Rückforderungs- und Leistungsbescheiden vom forderte die Beklagte von der Klägerin Lastenausgleich in Höhe von insgesamt 26 266,81 € zurück. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit Urteil vom abgewiesen. Der Schaden, für den der Klägerin Lastenausgleich gewährt worden sei, sei in voller Höhe ausgeglichen worden. Die von der Beklagten festgesetzten Rückforderungsansprüche seien auch nicht verfristet. Die Revision gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.

2Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete, auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

31. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. nur 8 B 7.24 - juris Rn. 2). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

4Die Frage,

ob Angaben eines zuverlässigen Informanten zu einem bereits vollzogenen Schadensausgleich (Surrogation statt Naturalrestitution) in einem beabsichtigten Bescheid/Bescheid gemäß § 6 VermG unter Heranziehung von § 31 Abs. 5 Satz 3 VermG i. V. m. § 33 Abs. 5 VermG ohne sachliche Bedeutung für die Anzeigepflicht des Empfängers des Schadensausgleichs gemäß § 349 Abs. 5 LAG sind,

könnte in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Sie war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich und geht von Feststellungen aus, die das Verwaltungsgericht nicht getroffen hat. Nach der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts kam es für den Beginn der Frist des § 349 Abs. 5 Satz 4 LAG auf die positive Kenntnis der Beklagten vom tatsächlichen Zufluss der der Klägerin zur Abgeltung ihrer vermögensrechtlichen Ansprüche zugesagten Geldleistung an (UA S. 11). Nach den vorinstanzlichen Feststellungen haben der Beklagten diese Kenntnis weder die bei ihr am eingegangene beabsichtigte Entscheidung vom noch der am eingegangene Bescheid der Thüringer Landesfinanzdirektion - Stelle zur Regelung offener Vermögensfragen - vom , sondern erst die am bei der Beklagten eingegangene Kopie der Einigung vom verschafft (UA S. 12 f.). Aus ihr erfuhr die Beklagte erstmals die vereinbarten Konditionen und Zahlungsmodalitäten; aus der beigefügten, vereinbarungsgemäß erklärten Klagerücknahme konnte die Beklagte erstmals den Vollzug des Schadensausgleichs ersehen.

5Auf eine Anzeigeverpflichtung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht nur abgestellt, um die Grenzen der Amtsermittlungspflicht der Ausgleichsbehörde aufzuzeigen (UA S. 14). Auch insoweit würde die aufgeworfene Frage sich im Revisionsverfahren nicht stellen, weil das Verwaltungsgericht den beabsichtigten Bescheid nicht als Information über den vollzogenen Schadensausgleich eingeordnet hat. Darüber hinaus wäre die Frage auch nicht klärungsbedürftig. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass die Rückforderungsfrist mit positiver Kenntnis vom Schadensausgleich und der Person des Verpflichteten beginnt, gleich worauf diese Kenntnisse beruhen und unabhängig davon, ob oder inwieweit sich die Ausgleichsbehörde um Kenntniserlangung bemüht hat ( 3 C 17.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 15 Rn. 10 ff. und vom - 3 C 6.14 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 30 Rn. 12). Bestehen, Umfang und etwaige Verletzung der Anzeigepflicht sind danach nicht für den Beginn der Rückforderungsfrist von Bedeutung, sondern nur für die Frage, ob diese nach § 349 Abs. 5 Satz 4 Halbs. 1 LAG vier Jahre beträgt oder sich - bei Verletzung der Anzeigepflicht - auf zehn Jahre verlängert (vgl. 3 C 17.07 - Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 15 Rn. 16 und 18). Hier käme es im Revisionsverfahren darauf nicht an, weil die Rückforderungsbescheide nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts vor Ablauf der Vierjahresfrist ergingen.

62. Die Revision ist nicht wegen der von der Klägerin geltend gemachten Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das bloße Aufzeigen einer vermeintlich fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung solcher Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge nicht ( 8 B 39.24 - juris Rn. 12 m. w. N.).

7Diesen Anforderungen wird die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerecht. Die Klägerin bezeichnet keinen Rechtssatz in der Entscheidung des 3 C 17.07 - (NVwZ-RR 2008, 732), dem das Verwaltungsgericht widersprochen haben könnte. Die von ihr zitierte Textpassage in dem genannten Urteil (Rn. 19) enthält lediglich Begründungselemente für den in der Randnummer zuvor aufgestellten Rechtssatz, die Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 349 Abs. 5 Satz 3 LAG führe nur dann zur Verlängerung der Ausschlussfrist, wenn sie die Aufklärung des Sachverhalts erschwere oder verzögere. Die Beschwerde legt nicht dar, dass das angegriffene Urteil sich auf einen gegenteiligen Rechtssatz stützt. Sie wirft dem Verwaltungsgericht der Sache nach lediglich eine fehlerhafte Auslegung des Schreibens vom und des Bescheides vom vor, ohne eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen.

8Die Klägerin legt auch keine Divergenz zum 3 C 38.10 - (Buchholz 427.3 § 349 LAG Nr. 28) dar. Sie entnimmt dieser Entscheidung den Rechtssatz, es sei ohne Bedeutung, woher die Behörde ihre Kenntnis von dem Schadensausgleich bezieht. Einen hiervon abweichenden Rechtssatz des vorinstanzlichen Urteils zeigt sie hingegen nicht auf. Sie rügt vielmehr, das Verwaltungsgericht habe fehlerhaft keine Kenntniserlangung der Beklagten durch das Schreiben vom und den Bescheid vom angenommen.

93. Das angegriffene Urteil beruht nicht auf einem Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.

10a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht, die entscheidungserheblichen tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. 8 C 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35 S. 109; Beschluss vom - 8 B 44.10 - ZOV 2011, 131 Rn. 17). Dabei muss es nicht auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten eingehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind. Erst wenn es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvorbringens eines Beteiligten zu einer Frage, die nach seiner eigenen Rechtsauffassung für den Prozessausgang von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht eingeht, lässt das darauf schließen, dass es dieses Vorbringen nicht berücksichtigt hat ( 4 C 10.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 267 S. 23; Beschluss vom - 8 B 1.20 - ZOV 2020, 118 Rn. 7).

11Nach diesem Maßstab hat die Klägerin keinen Gehörsverstoß in einer § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat den Hinweis der Klägerin auf den Wortlaut des Tenors der Ziffer 2 des Bescheides vom nicht übergangen. Es zitiert Ziffer 2 des Tenors wörtlich (UA S. 12) und geht bei seiner Auslegung auch von diesem Wortlaut aus (UA S. 12 letzter Absatz). Aus der späteren verkürzten Wiedergabe (UA S. 13) folgt nichts anderes. Denn das Verwaltungsgericht macht durch die Verwendung der Auslassungszeichen "..." deutlich, dass es auch dort nicht von einem anderen Wortlaut ausgeht. Dass es ihn, anders als die Klägerin, nicht als auf die Auszahlung der vereinbarten Abgeltungssumme, sondern als auf den Abschluss einer gütlichen Vereinbarung bezogen versteht, begründet keine Verletzung rechtlichen Gehörs.

12Eines gesonderten gerichtlichen Hinweises auf die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung der Ziffer 2 des Bescheidtenors bedurfte es nicht. Ein Hinweis wäre nur erforderlich gewesen, wenn ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nach dem bisherigen Verfahrensverlauf nicht mit einer solchen Auslegung rechnen musste (vgl. 2 B 12.16 - Buchholz 230 § 127 BRRG Nr. 64 Rn. 12 m. w. N.). Das trifft wegen des streitigen Beteiligtenvorbringens zum Erklärungsgehalt des Bescheides hier nicht zu.

13Das angegriffene Urteil verletzt schließlich den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht, weil das Verwaltungsgericht ihre Anträge auf Protokoll- und Tatbestandsberichtigung vom 23. September bzw. vom nicht bis zur Einreichung der Beschwerdebegründung am , sondern erst am beschieden hat. Mit dieser Rüge werden keine Mängel des angegriffenen, der Klägerin nach eigenen Angaben bereits am zugestellten Urteils geltend gemacht, sondern (vermeintliche) Mängel des anschließenden Verfahrens. Eine frühere Bescheidung des Tatbestandsberichtigungsantrags im Sinne der Klägerin hätte allenfalls dazu führen können, dass Gehörsrügen gegen das Urteil in diesem Umfang gegenstandslos geworden wären.

14b) Ein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ist nicht dargetan. Der Vortrag der Klägerin, ihr Ablehnungsgesuch sei zu Unrecht zurückgewiesen worden, genügt dazu nicht. Zur Begründung des gerügten Verfassungsverstoßes war vielmehr darzulegen, dass die Zurückweisung auf manipulativer oder sonst objektiv willkürlicher Anwendung von Besetzungsvorschriften beruhte (vgl. 4 BN 51.07 - NVwZ 2008, 696 Rn. 8 m. w. N.). Das ist hier nicht geschehen. Die Klägerin wiederholt lediglich die Begründung ihres Ablehnungsgesuchs mit der verzögerten Bescheidung der nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht eingereichten Anträge.

15Das weitere, nach Art einer Berufungsbegründung gehaltene Beschwerdevorbringen genügt den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

16Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i. V. m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:210725B8B42.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-98703