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BSG Beschluss v. - B 12 BA 10/24 B

Gründe

1I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen und Umlagen anlässlich der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. (im Folgenden: Beigeladener) als Finanzbuchhalter für die klagende Steuerberater Partnerschaft in Liquidation.

2Nach einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene in dieser Tätigkeit aufgrund Beschäftigung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung unterlegen habe, und forderte für den Zeitraum von 2014 bis 2017 Gesamtsozialversicherungsbeiträge und Umlagen iHv 46 581,60 Euro nach (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Das SG hat die Bescheide mit der Begründung aufgehoben, die Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit würden die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen (Urteil vom ). Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom ).

3Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG.

4II. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

51. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5, jeweils mwN; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX, RdNr 113 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; - SozR 1500 § 160 Nr 33; - juris RdNr 18 mwN). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

6a) Die Klägerin rügt eine vermeintliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG). Das LSG habe entgegen § 202 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt, obwohl sie frühzeitig eine Terminverlegung beantragt habe und eine solche "aus erheblichen Gründen" geboten gewesen sei. Das LSG habe die Ablehnung des Verlegungsantrags ua damit begründet, dass beim Eintritt eines Verhinderungsgrundes genügend Zeit verbliebe, einen anderen Rechtsanwalt (etwa einen im Großraum C tätigen Fachanwalt für Sozialrecht) zu finden.

7Einen Verfahrensmangel bezeichnet die Klägerin damit nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise. Den behaupteten Gehörsverstoß legt sie nicht dar. Ausweislich der Sitzungsniederschrift waren im Termin zur mündlichen Verhandlung am die vormaligen Partner der Klägerin sowie Frau Rechtsanwältin B anwesend. Soweit die Klägerin geltend macht, sie habe eine Vertretung durch beide Rechtsanwälte der von ihr beauftragten Sozietät gewünscht, legt sie nicht dar, warum eine Vertretung durch zwei Rechtsanwälte erforderlich gewesen wäre. Ein Anspruch darauf, dass der Rechtsanwalt der eigenen Wahl den Gerichtstermin persönlich wahrnimmt, besteht grundsätzlich nicht. Ein erheblicher Grund ist nur anzunehmen, wenn in der konkreten Situation der Verweis auf die Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt die Belange des Beteiligten unverhältnismäßig einschränkt, also der Kläger nicht zumutbar auf eine anderweitige Vertretung verwiesen werden kann (vgl - juris RdNr 14 mwN). Entsprechende Gründe, die eine Vertretung durch zwei Rechtsanwälte derselben Sozietät erforderlich gemacht hätten, legt die Klägerin nicht dar.

8Schließlich kann die Behauptung der Klägerin, das LSG habe die Ablehnung einer Terminverlegung damit begründet, sie könne einen anderen Rechtsanwalt finden, nicht nachvollzogen werden. In der gerichtlichen Verfügung vom wird eine entsprechende Passage aus einem Beschluss des BSG in einer anderen Sache wiedergegeben. Sodann wird ausgeführt: "Bei dieser Ausgangslage begründet der Wunsch eines Beteiligten, durch mehrere Anwälte einer Sozietät <…> vertreten zu werden, <…> keinen Verlegungsanspruch."

9b) Ohne ausdrückliche Rüge behauptet die Klägerin, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Rechts auf ein faires Verfahren liege auch insoweit vor, als das LSG erst mit Beschluss vom die Beigeladenen zu 2., 3., 4. und 5. zu dem Verfahren beigeladen habe, obgleich ein Termin zur mündlichen Verhandlung für den bestimmt worden sei. Ihr sei auch nicht bekannt, inwieweit die Beigeladene zu 2. und die Beigeladene zu 5. überhaupt ordnungsgemäß zum Termin am geladen worden seien.

10Einen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde zu prüfenden Verfahrensmangel bezeichnet die Klägerin dadurch ebenfalls nicht. Sie legt schon nicht dar, inwieweit das angefochtene Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Den notwendigen Bezug des vermeintlichen Verfahrensfehlers zum Inhalt der angefochtenen Entscheidung, insbesondere zur rechtlichen Herleitung und Begründung des Urteils, stellt die Beschwerdebegründung nicht her (vgl hierzu - juris RdNr 20). Dahinstehen kann insoweit, ob der Zulassungsgrund des § 547 Nr 4 ZPO in der Nichtzulassungsbeschwerde - anders als in der Revision - nur von der unzureichend vertretenen Partei geltend gemacht werden kann (vgl - juris RdNr 6).

11c) Die Klägerin rügt zudem eine vermeintliche Verletzung der Vorschriften über die ordnungsgemäße Besetzung des Gerichts (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO). Das LSG habe ihr zunächst mit Schreiben vom mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren vor dem 1. Senat zum Aktenzeichen L 1 BA 84/23 geführt werde. Mit Schreiben vom sei dann ohne Angabe von Gründen mitgeteilt worden, dass das Verfahren auf den 2. Senat übergegangen sei und unter dem Aktenzeichen L 2/1 BA 84/23 geführt werde.

12Einen Besetzungsmangel beim LSG und damit einen Verstoß gegen ihr Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art 101 Abs 1 Satz 2 GG bezeichnet die Klägerin nicht in einer den Darlegungsanforderungen entsprechenden Weise. Ein Beschwerdeführer, der eine Besetzungsrüge erhebt, muss die Tatsachen angeben, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts ergibt. Handelt es sich dabei um gerichtsinterne Vorgänge, die ihm nicht ohne Weiteres bekannt sind, muss er insoweit eine Aufklärung durch zweckentsprechende Ermittlungen anstreben und ggf darlegen, dass er sich vergeblich um die Aufklärung dieser Tatsachen bemüht hat (vgl 9a RV 38/86 - juris RdNr 10; - juris RdNr 18, jeweils mwN). Eine lediglich "auf Verdacht" behauptete nicht vorschriftsmäßige Besetzung genügt nicht (vgl - juris RdNr 14; - juris RdNr 11; - juris, jeweils mwN). Folglich muss der Beschwerdeführer vortragen, dass und ggf welche zweckdienlichen Ermittlungen er durchgeführt hat (vgl - juris RdNr 7 f). Einen diesen Anforderungen genügenden Vortrag enthält die Beschwerde nicht. Sie entnimmt lediglich aus den Vorbemerkungen des Geschäftsverteilungsplans des LSG eine fortdauernde Senatszuständigkeit. Der naheliegenden Frage, inwieweit das Präsidium des LSG anlässlich des Jahreswechsels 2023/2024 eine - nicht unübliche - Umverteilung von Bestandsverfahren vorgenommen hat, geht die Klägerin nicht nach.

132. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

143. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

154. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:280525BB12BA1024B0

Fundstelle(n):
JAAAJ-97292