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EuGH Urteil v. - C-427/23

Vorlage zur Vorabentscheidung – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem – Richtlinie 2006/112/EG – Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 78 – Steuerbefreiungen bei der Ausfuhr – Art. 146 Abs. 1 Buchst. b – Lieferung eines steuerbefreiten Gegenstands – An nicht in der Europäischen Union ansässige Käufer erbrachte Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung – Einheitliche Leistung – Eigene und selbständige Leistungen – Wesen einer Leistung als Haupt- oder Nebenleistung – Steuerbefreiungen nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und Art. 146 Abs. 1 Buchst. e – Vertrauensschutz – Steuerbemessungsgrundlage

Leitsatz

  1. Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 78 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

    sind dahin auszulegen, dass

    eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Europäischen Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, eine eigenständige, von der entsprechenden steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen unabhängige Dienstleistung darstellt, die als solche mehrwertsteuerpflichtig ist. Eine solche Dienstleistung fällt nicht unter die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung.

  2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112

    ist dahin auszulegen, dass

    eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, nicht unter die in dieser Bestimmung genannten steuerbefreiten Umsätze fällt.

  3. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes

    ist dahin auszulegen, dass

    er es der Steuerverwaltung nicht verwehrt, bestimmte Dienstleistungen nachträglich der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen über mehrere Jahre hinweg geprüft und akzeptiert hat, ohne die Einstufung dieser Leistungen als von der Mehrwertsteuer befreite Leistungen zu beanstanden, und den Steuerpflichtigen nicht über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften, die in ihrer früheren Fassung diese Leistungen ausdrücklich zu den von der Mehrwertsteuer befreiten Tätigkeiten zählten, informiert hat. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Steuerpflichtige auf einen im Rahmen der geltenden nationalen Rechtsvorschriften gestellten Antrag auf Stellungnahme eine nachträgliche und unverbindliche Antwort der Steuerverwaltung erhalten hat, wonach diese Leistungen als Nebenkosten einer von der Mehrwertsteuer befreiten Lieferung von Gegenständen anzusehen seien, die das Schicksal des Hauptumsatzes hinsichtlich der Regelung der Mehrwertsteuerbefreiung teilten.

  4. Die Art. 73 und 78 der Richtlinie 2006/112

    sind dahin auszulegen, dass

    sie der Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die davon ausgeht, dass die als Gegenleistung für eine Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung in Rechnung gestellten Beträge, d.h. die Bearbeitungsgebühren, Nettobeträge sind, in denen die Mehrwertsteuer nicht enthalten ist, wenn der Lieferer seine Leistung als steuerbefreit angesehen hat und es ihm offensichtlich unmöglich ist, den von der Steuerverwaltung geforderten Mehrwertsteuerbetrag von den Käufern der von der Mehrwertsteuer befreiten Gegenstände nachträglich zurückzufordern.

Gesetze: RL 2006/112/EG Art. 1 Abs. 2, RL 2006/112/EG Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, RL 2006/112/EG Art. 73, RL 2006/112/EG Art. 78, RL 2006/112/EG Art. 135 Abs. 1 Buchst. d, RL 2006/112/EG Art. 146 Abs. 1 Buchst. e

Gründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, den Art. 73 und 78, Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) sowie des Grundsatzes des Vertrauensschutzes.

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Határ Diszkont Kft. (im Folgenden: Határ Diszkont) und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Fellebbviteli Igazgatósága (Rechtsbehelfsdirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: Rechtsbehelfsdirektion) wegen deren Weigerung, nicht in der Europäischen Union ansässigen Käufern eine Befreiung von der Mehrwertsteuer für Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3 Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.“

4 In Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie heißt es:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

a)

Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt;

c)

Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt;

…“

5 Art. 73 der Richtlinie sieht vor: „Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

6 In Art. 78 der Richtlinie heißt es:

„In die Steuerbemessungsgrundlage sind folgende Elemente einzubeziehen:

a)

Steuern, Zölle, Abschöpfungen und Abgaben mit Ausnahme der Mehrwertsteuer selbst;

b)

Nebenkosten wie Provisions‑, Verpackungs‑, Beförderungs- und Versicherungskosten, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger fordert.

Die Mitgliedstaaten können als Nebenkosten im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b Kosten ansehen, die Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung sind.“

7 Art. 135 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

d)

Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen;

…“

8 Art. 146 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b)

die Lieferungen von Gegenständen, die durch den nicht in ihrem jeweiligen Gebiet ansässigen Erwerber oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb der [Europäischen] Gemeinschaft versandt oder befördert werden, mit Ausnahme der vom Erwerber selbst beförderten Gegenstände zur Ausrüstung oder Versorgung von Sportbooten und Sportflugzeugen sowie von sonstigen Beförderungsmitteln, die privaten Zwecken dienen;

e)

Dienstleistungen, einschließlich Beförderungsleistungen und Nebentätigkeiten zur Beförderung, ausgenommen die gemäß den Artikeln 132 und 135 von der Steuer befreiten Dienstleistungen, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr oder der Einfuhr von Gegenständen stehen, für die Artikel 61 oder Artikel 157 Absatz 1 Buchstabe a gilt.“

9 In Art. 147 der Richtlinie heißt es:

„(1)  Betrifft die in Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b genannte Lieferung Gegenstände zur Mitführung im persönlichen Gepäck von Reisenden, gilt die Steuerbefreiung nur, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

a)

der Reisende ist nicht in der Gemeinschaft ansässig;

b)

die Gegenstände werden vor Ablauf des dritten auf die Lieferung folgenden Kalendermonats nach Orten außerhalb der Gemeinschaft befördert;

c)

der Gesamtwert der Lieferung einschließlich Mehrwertsteuer übersteigt 175 [Euro] oder den Gegenwert in Landeswährung; der Gegenwert in Landeswährung wird alljährlich anhand des am ersten Arbeitstag im Oktober geltenden Umrechnungskurses mit Wirkung zum 1. Januar des folgenden Jahres festgelegt.

Die Mitgliedstaaten können jedoch eine Lieferung, deren Gesamtwert unter dem in Unterabsatz 1 Buchstabe c vorgesehenen Betrag liegt, von der Steuer befreien.

(2)  Für die Zwecke des Absatzes 1 gilt ein Reisender als ‚nicht in der Gemeinschaft ansässig‘, wenn sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort nicht in der Gemeinschaft liegt. …

Der Nachweis der Ausfuhr wird durch Rechnungen oder entsprechende Belege erbracht, die mit dem Sichtvermerk der Ausgangszollstelle der Gemeinschaft versehen sein müssen.

Jeder Mitgliedstaat übermittelt der [Europäischen] Kommission ein Muster des Stempelabdrucks, den er für die Erteilung des Sichtvermerks im Sinne des Unterabsatzes 2 verwendet. Die Kommission leitet diese Information an die Steuerbehörden der übrigen Mitgliedstaaten weiter.“

Ungarisches Recht

Gesetz über die allgemeine Umsatzsteuer

10 § 70 Abs. 1 des Az általános forgalmi adóról szóló 2007. évi CXXVII. törvény (Gesetz Nr. CXXVII von 2007 über die allgemeine Umsatzsteuer) (Magyar Közlöny 2007/155) in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) sieht vor:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und der Erbringung von Dienstleistungen umfasst die Steuerbemessungsgrundlage

b)

die entstandenen Nebenkosten, die der Lieferer des Gegenstands bzw. der Erbringer der Dienstleistung auf den Erwerber des Gegenstands bzw. den Empfänger der Dienstleistung abwälzt, insbesondere Gebühren und Kosten für die Provision oder sonstige Vermittlung sowie für Verpackung, Beförderung und Versicherung

…“

11 Nach § 86 Abs. 1 dieses Gesetzes sind von der Steuer befreit:

„…

d)

die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Giro‑, Einlagen- und Kundenkonten, Zahlungen, Überweisungen, Scheckforderungen, sonstigen Geldforderungen und Finanzinstrumenten, einschließlich deren Vermittlung, mit Ausnahme der Einziehung der Forderung (Restschuld) selbst;

e)

die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit ungarischen und ausländischen gesetzlichen Zahlungsmitteln, einschließlich deren Vermittlung, mit Ausnahme von Sammlerstücken, d.h. Münzen aus Gold, Silber oder anderem Metall sowie Banknoten, die normalerweise nicht als gesetzliches Zahlungsmittel verwendet werden oder die von numismatischem Interesse sind;

…“

12 § 98 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:

„Steuerfrei sind die Lieferungen von im Inland als Sendungen versandten oder aus dem Inland nach außerhalb der Gemeinschaft beförderten Gegenständen, vorausgesetzt, ihre Versendung oder Beförderung erfolgt

a)

durch den Lieferer selbst oder für seine Rechnung durch einen Dritten;

b)

unter den zusätzlichen Voraussetzungen der Abs. 3 und 4 bzw. der §§ 99 und 100 durch den Erwerber selbst oder für seine Rechnung durch einen Dritten.“

13 § 99 dieses Gesetzes sieht vor:

„(1)  Handelt es sich bei dem Erwerber um einen ausländischen Reisenden und gehört der gelieferte Gegenstand bzw. gehören die gelieferten Gegenstände … zu seinem persönlichen Gepäck oder Reisegepäck, ist für die Anwendung der in § 98 Abs. 1 vorgesehenen Steuerbefreiung auch erforderlich, dass

a)

der Gesamtgegenwert der Lieferung, einschließlich Steuern, einen Betrag, der 175 Euro entspricht, übersteigt;

b)

der ausländische Reisende seine Rechtsstellung mit gültigen Reisedokumenten oder anderen gültigen amtlichen Unterlagen nachweist, die von Ungarn anerkannt werden und die zur Identifizierung der Person dienen (im Folgenden zusammen: Reisedokumente);

c)

die Behörde, über die die Gegenstände aus dem Gebiet der Gemeinschaft ausgeführt werden, bescheinigt, dass die Gegenstände das Gemeinschaftsgebiet verlassen haben, indem die Behörde bei gleichzeitiger Vorlage der gelieferten Gegenstände und der Originalrechnung, die die Erfüllung der Lieferung von Gegenständen bezeugt, einen Sichtvermerk und einen Stempel auf dem von der Steuerverwaltung des Staates zu diesem Zweck standardisierten Formular oder einem anderen, von der Steuerverwaltung des Staates zugelassenen Formular, das die in Abs. 10 genannten Angaben enthält (im Folgenden zusammen: Antragsformular zur Steuererstattung), anbringt.

(2)  Zur Geltendmachung der Steuerfreiheit muss der Lieferer der Gegenstände neben der Rechnungsausstellung – auf Antrag des ausländischen Reisenden – auch für das Ausfüllen des Antragsformulars zur Steuererstattung sorgen. Die Angaben zur Identifizierung des ausländischen Reisenden auf der Rechnung und auf dem Antragsformular zur Steuererstattung dürfen nicht von den Angaben in den Reisedokumenten abweichen. Der ausländische Reisende ist verpflichtet, dem Lieferer der Gegenstände die Reisedokumente vorzulegen. Das Antragsformular zur Steuererstattung darf nur die Angaben zur Lieferung von Gegenständen aus einer einzigen Rechnung enthalten, und diese Angaben dürfen nicht von denjenigen auf der Rechnung abweichen. Das Antragsformular zur Steuererstattung wird vom Lieferer der Gegenstände in drei Exemplaren ausgestellt, von denen er die ersten beiden Exemplare an den ausländischen Reisenden übergibt und das dritte Exemplar in seinen eigenen Buchhaltungsunterlagen aufbewahrt.

(3)  Bestätigt die Zollbehörde die Ausfuhr nach Abs. 1 Buchst. c, zieht sie vom ausländischen Reisenden das mit einem Sichtvermerk versehene und abgestempelte zweite Exemplar des Antragsformulars zur Steuererstattung ein.

(4)  Die Geltendmachung der Steuerbefreiung setzt voraus, dass

a)

der Lieferer der Gegenstände das gemäß Abs. 1 Buchst. c mit einem Sichtvermerk versehene und abgestempelte erste Exemplar des Antragsformulars zur Steuererstattung besitzt und

b)

– sofern bei der Lieferung der Gegenstände Steuer berechnet wurde – der Lieferer dem ausländischen Reisenden die berechnete Steuer gemäß den Abs. 5 bis 8 erstattet.

(5)  Die Steuerrückerstattung kann vom ausländischen Reisenden persönlich oder von einem in seinem Namen und in seinem Auftrag handelnden Bevollmächtigten beim Lieferer beantragt werden. Wenn der ausländische Reisende

a)

persönlich vorgeht, muss er sein Reisedokument vorlegen;

b)

nicht persönlich vorgeht, muss die in seinem Namen und in seinem Auftrag handelnde Person eine auf ihren Namen lautende schriftliche Vollmacht beilegen.

(6)  Zur Erstattung der Steuer wird vom ausländische Reisenden bzw. seinem Bevollmächtigten dem Lieferer der Gegenstände

a)

das gemäß Abs. 1 Buchst. c mit einem Sichtvermerk versehene und abgestempelte erste Exemplar des Antragsformulars zur Steuererstattung übergeben und

b)

die Originalrechnung, die die Erfüllung der Lieferung von Gegenständen bezeugt, vorgelegt.

(7)  Die erstattete Steuer steht dem ausländischen Reisenden in Forint zu, die ihm in bar auszuzahlen ist. Der Lieferer der Gegenstände und der ausländische Reisende können aber auch eine davon abweichende Währung und Zahlungsweise vereinbaren.

(8)  Der Lieferer der Gegenstände muss gleichzeitig sicherstellen, dass die Rechnung, die die Lieferung von Gegenständen bezeugt, keinen Anspruch auf eine erneute Steuerrückerstattung begründet. Zu diesem Zweck muss das Original der Rechnung vor der Rückgabe [an den Reisenden] zwingend mit dem Vermerk ‚Mehrwertsteuer abgerechnet‘ versehen werden, und der Lieferer der Gegenstände muss eine Fotokopie der so gekennzeichneten Rechnung anfertigen, die er in seinen Unterlagen aufzubewahren hat.

…“

14 Nach § 102 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes ist auch die Erbringung von Dienstleistungen steuerfrei, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit Gegenständen stehen,

„…

b)

die das Gebiet der Gemeinschaft im Rahmen der Ausfuhrregelung verlassen haben und für die eine von der in § 98 Abs. 2 Buchst. a genannten Behörde ausgestellte Bescheinigung über das Verlassen des Gebiets der Gemeinschaft vorliegt;

…“

Gesetz LXXIV von 1992 über die allgemeine Umsatzsteuer

15 Das Az általános forgalmi adóról szóló 1992. évi LXXIV. törvény (Gesetz Nr. LXXIV von 1992 über die allgemeine Umsatzsteuer) (Magyar Közlöny 1992/128), das bis zum in Kraft war, enthielt in der Liste der Lieferungen von Gegenständen und der Leistungen, die nach § 30 Abs. 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit Anhang 2 dieses Gesetzes von der Steuer befreit waren, die „durch den Händler zugunsten des ausländischen Reisenden nach einer gesonderten Rechtsvorschrift durchgeführte Steuerrückerstattung“.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

16 Im Laufe des Jahres 2020 verkaufte Határ Diszkont in ihrem Geschäft in Tompa (Ungarn) nahe der serbisch-ungarischen Grenze verschiedene Waren an nicht in der Union ansässige Käufer.

17 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass diese Käufer die in Ungarn gekauften Waren am selben Tag ausführten und dass die Barzahlungsrechnungen für diese Käufe den Vermerk „Mehrwertsteuer abgerechnet“ trugen. Nach der Ausfuhr erstattete Határ Diszkont diesen Käufern den gesamten auf der Rechnung ausgewiesenen Mehrwertsteuerbetrag und stellte die entsprechende Auszahlungsquittung aus, auf der sich die Unterschriften des Ausstellers und des Empfängers befanden.

18 Für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung stellte Határ Diszkont diesen nicht in der Union ansässigen Käufern eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 15 % der erstatteten Mehrwertsteuer in Rechnung. Am Tag der Erstattung der Mehrwertsteuer stellte Határ Diszkont somit Rechnungen über Bearbeitungsgebühren aus, deren Bezahlung in bar durch Einzahlungsquittungen belegt wurde. In ihren Mehrwertsteuererklärungen wies Határ Diszkont die Einnahmen aus diesen Bearbeitungsgebühren als Entgelt für steuerbefreite Leistungen aus.

19 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht auch hervor, dass die Informationen über die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung im Geschäft von Határ Diszkont ausgehängt waren und dass die ausländischen Käufer mündlich sowohl über diese Gebühren als auch die Art und Weise ihrer Berechnung informiert wurden.

20 Bei einer Steuerprüfung für das Jahr 2020, die von der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Bács-Kiskun Megyei Adó- és Vámigazgatósága (Steuer- und Zolldirektion des Komitats Bács-Kiskun der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: erstinstanzliche Steuerbehörde) durchgeführt wurde, machte Határ Diszkont geltend, dass die Leistungen der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung von der Steuer befreit seien, wobei sie aber mehrfach ihre Auffassung zum Grund für diese Befreiung änderte.

21 In ihrer Stellungnahme zum Protokoll dieser Prüfung machte Határ Diszkont u.a. geltend, dass die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als Gegenleistung für eine nach § 86 Abs. 1 Buchst. d und e des Umsatzsteuergesetzes steuerbefreite Finanzdienstleistung angesehen werden könnten. Auch die in § 102 Abs. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes vorgesehene Steuerbefreiung für in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr eines Gegenstands stehenden Dienstleistungen könne im vorliegenden Fall auf sie angewandt werden. Határ Diszkont erklärte ferner, dass sie nach Auskünften, die sie von der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Központi Irányítás Ügyfélkapcsolati és Tájékoztatási Főosztálya (Hauptabteilung für Kundenbeziehungen und Auskunftserteilung der Zentraldirektion der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, Ungarn) (im Folgenden: Abteilung für Kundenbeziehungen) in Beantwortung einer Frage, die sie ihr während dieser Prüfung gestellt hätte, erhalten habe, die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung jedoch als Nebenkosten im Sinne von § 70 Abs. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes zu einer nach § 99 dieses Gesetzes von der Mehrwertsteuer befreiten Lieferung von Gegenständen anzusehen seien und als solche das Schicksal des Hauptumsatzes hinsichtlich der Regelung der Mehrwertsteuererhebung teilten.

22 Die erstinstanzliche Steuerbehörde wies alle von Határ Diszkont geltend gemachten Befreiungsgründe zurück und stellte mit Bescheid vom einen Mehrwertsteuerrückstand zulasten von Határ Diszkont fest.

23 In ihrem Bescheid prüfte diese Behörde zunächst, ob die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als Nebenleistung zur Lieferung von Gegenständen angesehen werden könne, und kam zu dem Ergebnis, dass sie eine selbständige Leistung darstelle. Sie hob u.a. hervor, dass die Lieferung der Gegenstände und die Erbringung dieser Dienstleistung zeitlich nicht zusammenfielen, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass diese Dienstleistung die Lieferung dieser Gegenstände erleichtere oder ergänze. Auch könne die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht als für die Durchführung der Lieferung der Gegenstände erforderlich angesehen werden, die mit dem Ausgang dieser Gegenstände aus dem Gebiet der Union abgeschlossen sei. Ferner erleichtere die von Határ Diszkont erbrachte Dienstleistung weder die Verwendung noch den Verbrauch dieser Gegenstände, mit deren Lieferung sie somit nicht verbunden sei. Zudem habe Határ Diszkont selbst die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als selbständige Leistung behandelt, da sie die Gebühren für diese Dienstleistung nicht in die Steuerbemessungsgrundlage für die Lieferung der Gegenstände aufgenommen habe und in den Rechnungen ein anderes Ausführungsdatum als das der Lieferung angegeben habe.

24 Sodann kam die erstinstanzliche Steuerbehörde zum einen in Bezug auf die Steuerbefreiung nach § 86 Abs. 1 Buchst. d und e des Umsatzsteuergesetzes, der Art. 135 Abs. 1 Buchst. d und e der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht, zu dem Schluss, dass die von Határ Diszkont an den ausländischen Reisenden erbrachte Dienstleistung eine administrative Aufgabe sei und nicht als steuerbefreite Finanzdienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden könne. Zum anderen wiederholte die erstinstanzliche Steuerbehörde in Bezug auf die Steuerbefreiung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen nach § 102 Abs. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes, der Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie entspricht, im Wesentlichen, dass die Erstattung der Mehrwertsteuer an den ausländischen Reisenden ein neuer Umsatz sei, der nicht unmittelbar mit der Lieferung von Gegenständen zusammenhänge. Schließlich bestätigte die Steuerbehörde, dass der auf die Bearbeitungsgebühren entfallende Mehrwertsteuerbetrag auf der Grundlage des für diese Gebühren in Rechnung gestellten Betrags zu bestimmen sei, der als Nettosteuerbetrag angesehen werde.

25 In ihrem Einspruch gegen den Bescheid der erstinstanzlichen Steuerbehörde machte Határ Diszkont geltend, dass die Schlussfolgerungen dieser Behörde gegen § 70 Abs. 1 Buchst. b, § 86 Abs. 1 Buchst. d und e sowie § 102 Abs. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes verstießen. Außerdem verstoße die unterschiedliche Beurteilung ihres Falles durch die erstinstanzliche Steuerbehörde und die Abteilung für Kundenbeziehungen gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

26 Mit Bescheid vom bestätigte die Rechtsbehelfsdirektion den Bescheid der erstinstanzlichen Steuerbehörde und stellte fest, dass dieser ordnungsgemäß begründet gewesen sei. In ihrem Bescheid vertrat die Rechtsbehelfsdirektion ferner die Auffassung, dass die Auskünfte, die Határ Diszkont von der Abteilung für Kundenbeziehungen erteilt worden seien, eine sehr allgemein formulierte Frage beträfen, in der der wesentliche Umstand, dass die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen in Form der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung völlig unabhängig voneinander und nicht gleichzeitig erfolgt seien, nicht erwähnt worden sei und dass die von Határ Diszkont erbrachte Dienstleistung keine notwendige Voraussetzung für die Erstattung dieser Steuer sei.

27 Határ Diszkont erhob beim vorlegenden Gericht, dem Szegedi Törvényszék (Stuhlgericht Szeged, Ungarn), Klage auf Nichtigerklärung des Bescheids der Rechtsbehelfsdirektion mit Wirkung auf den Bescheid der erstinstanzlichen Steuerbehörde.

28 Das vorlegende Gericht ist erstens, entgegen der Rechtsbehelfsdirektion, der Ansicht, dass die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als Nebenleistung zu einer steuerbefreiten Lieferung im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie anzusehen und ferner eine Dienstleistung sei, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen stehe, so dass sie auch nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e dieser Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit sei.

29 Zur Begründung seines Standpunkts führt es zunächst aus, dass, da die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und die Fakturierung der entsprechenden Gebühren nicht erfolgen könne, ohne dass die Lieferung von Gegenständen an nicht in der Union ansässige Käufer erfolgt sei, diese Bearbeitungsdienstleistung nach den einschlägigen Rechtsvorschriften eine notwendige Ergänzung aller Lieferungen von Gegenständen an diese Art von Käufern sei. Daher ist das vorlegende Gericht auch unter Verweis auf die vom Gerichtshof im Urteil vom , Baštová (C‑432/15, EU:C:2016:855), entwickelten Grundsätze der Ansicht, dass es wirklichkeitsfremd wäre, die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung von den entsprechenden Lieferungen von Gegenständen zu trennen.

30 Sodann weist das vorlegende Gericht in Bezug auf den Umstand, dass die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und die Lieferung der Gegenstände nicht gleichzeitig erfolgten, darauf hin, dass Art. 78 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie Nebenkosten betreffe, die die Steuerbemessungsgrundlage erhöhten, obwohl diese Kosten nicht notwendigerweise zum selben Zeitpunkt wie die Lieferung der entsprechenden Gegenstände entstünden. Der Gerichtshof habe bereits im Urteil vom , Everything Everywhere (C‑276/09, EU:C:2010:730), bestätigt, dass „gesonderte Zahlungsbearbeitungsentgelte“, die getrennt von den mit dieser Zahlung vergüteten Dienstleistungen in Rechnung gestellt würden, Nebenkosten darstellen könnten.

31 Was schließlich die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung für Dienstleistungen betrifft, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen stehen, ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass der nach dieser Bestimmung in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom , Cartrans Spedition (C‑495/17, EU:C:2018:887), erforderliche unmittelbare Zusammenhang bestehe, wenn eine Dienstleistung im Sinne von Art. 78 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie eine Nebenleistung zu einer Ausfuhr sei.

32 Zweitens bezweifelt das vorlegende Gericht, dass die Praxis der Steuerverwaltung, die über mehrere Jahre hinweg die Auffassung vertrat, dass die von Határ Diszkont in Rechnung gestellten Dienstleistungen der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung wirksam von der Mehrwertsteuer befreit gewesen seien, bevor sie rückwirkend die Zahlung der Mehrwertsteuer auf diese Dienstleistungen verlangte, ohne Határ Diszkont zuvor über die Änderung ihrer Auffassung zu informieren, mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes vereinbar ist. Es fragt sich insbesondere, ob eine solche Praxis mit der auf das Urteil vom , Elmeka (C‑181/04 bis C‑183/04, EU:C:2006:563), zurückgehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs vereinbar ist.

33 Ferner habe Határ Diszkont den Sachverhalt der Abteilung für Kundenbeziehungen genau beschrieben, indem sie ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung gleichzeitig mit der Mehrwertsteuererstattung und nicht zum Zeitpunkt der Lieferung der Gegenstände geschuldet worden seien; zudem habe diese Behörde Határ Diszkont unverbindliche Auskünfte erteilt, die den Schlussfolgerungen der erstinstanzlichen Steuerbehörde widersprächen. Das vorlegende Gericht weist allerdings darauf hin, dass die während der Steuerprüfung erteilten Auskünfte der Abteilung für Kundenbeziehungen zwar das Verhalten von Határ Diszkont nicht hätten beeinflussen können, doch zeigten, dass die Steuerverwaltung zu der streitigen Frage unterschiedliche Auffassungen vertrete.

34 Drittens hat das vorlegende Gericht angesichts des Umstands, dass Határ Diszkont offensichtlich nicht die Möglichkeit hat, die der Steuerverwaltung geschuldete Mehrwertsteuer in Bezug auf die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nachträglich auf nicht in der Union ansässige Käufer abzuwälzen, auch Zweifel hinsichtlich der Entscheidung der erstinstanzlichen Steuerbehörde, diese Gebühren als Nettosteuerbetrag und nicht als Bruttobetrag einschließlich der Mehrwertsteuer zu betrachten. Das vorlegende Gericht verweist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs (Urteile vom , MyTravel, C‑291/03, EU:C:2005:591, und vom , Almos Agrárkülkereskedelmi, C‑337/13, EU:C:2014:328), nach der die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer die tatsächlich erhaltene Gegenleistung ist und aus der folgt, dass die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen höheren als den dem Steuerpflichtigen gezahlten Betrag erheben darf.

35 Vor diesem Hintergrund hat das Szegedi Törvényszék (Stuhlgericht Szeged) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, die die Mehrwertsteuererstattung an einen ausländischen Reisenden – die die administrativen Schritte von der Ausstellung der standardisierten Formulare für die Rückforderung der Mehrwertsteuer bis zur Erstattung der Mehrwertsteuer umfasst – als von der steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen gesonderte, unabhängige Leistung behandelt, auf die die Mehrwertsteuer nach den allgemeinen Vorschriften zu berechnen und zu entrichten ist, und zwar so, dass die Berechnung und Fakturierung der als Prozentsatz der zu erstattenden Mehrwertsteuer festgesetzten Bearbeitungsgebühr zu einem anderen Zeitpunkt als dem der Lieferung und Fakturierung der Gegenstände, nach der Bezahlung des Gegenwerts der Gegenstände durch den Käufer und deren Ausfuhr in ein Drittland, gleichzeitig mit der Erstattung der Mehrwertsteuer, erfolgt, mit Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 78 und Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar?

2.

Falls die erste Frage bejaht wird: Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, nach der im Anschluss an die Lieferung von Gegenständen an ausländische Reisende die für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung zu zahlende Gebühr nicht als „Umsatz im Zahlungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen“ steuerbefreit ist, mit Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar?

3.

Falls die erste und die zweite Frage bejaht werden: Ist die Praxis eines Mitgliedstaats, nach der der Aussteller der Rechnung verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer auf die Bearbeitungsgebühr auch rückwirkend zu entrichten, obwohl die Steuerverwaltung den Rechnungsaussteller in den Jahren vor der Prüfung mehrfach geprüft hat und seine Praxis, die Bearbeitungsgebühr als mehrwertsteuerfrei zu behandeln, im Rahmen der Prüfungen geprüft, aber nicht beanstandet hat und sie den Rechnungsaussteller nicht darüber informiert hat, dass die bis zum geltende nationale Regelung, nach der zu den mehrwertsteuerfreien Leistungen ausdrücklich die „durch den Händler zugunsten des ausländischen Reisenden nach einer gesonderten Rechtsvorschrift durchgeführte Steuerrückerstattung“ gehörte, geändert wurde, mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes als einem Grundprinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems vereinbar?

4.

Falls die Fragen 1 bis 3 bejaht werden: Ist die Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats, nach der der steuerfreie Gegenwert der über die Bearbeitungsgebühr ausgestellten Rechnungen als Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer betrachtet wird, auf die der Rechnungsaussteller nach den allgemeinen Vorschriften aufgrund des Bescheids der Steuerverwaltung Mehrwertsteuer zu entrichten hat, obwohl der vom ausländischen Reisenden gezahlte Gegenwert diesen Betrag nicht enthielt, mit den Art. 73 und 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

36 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, eine eigenständige, von der entsprechenden steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen unabhängige Dienstleistung darstellt, die als solche mehrwertsteuerpflichtig ist. Falls dies der Fall ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine solche Dienstleistung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie steuerfrei ist.

37 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Mehrwertsteuer jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten ist, wie sich aus Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt (Urteile vom , CPP, C‑349/96, EU:C:1999:93, Rn. 29, vom , Levob Verzekeringen und OV Bank, C‑41/04, EU:C:2005:649, Rn. 20, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 35).

38 Nach ständiger Rechtsprechung sind jedoch unter bestimmten Umständen mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden und damit jede für sich zu einer Besteuerung oder Befreiung führen könnten, als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht voneinander unabhängig sind (Urteile vom , Baštová, C‑432/15, EU:C:2016:855, Rn. 69, vom , Generali Seguros, C‑42/22, EU:C:2023:183, Rn. 40, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39 Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (Urteile vom , Baštová, C‑432/15, EU:C:2016:855, Rn. 70, vom , Generali Seguros, C‑42/22, EU:C:2023:183, Rn. 40, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40 Das ist auch dann der Fall, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen als eine oder mehrere Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (Urteile vom , Baštová, C‑432/15, EU:C:2016:855, Rn. 71, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41 So hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden darf (Urteile vom , BGŻ Leasing, C‑224/11, EU:C:2013:15, Rn. 31, und vom , Finanzamt X [Auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen], C‑516/21, EU:C:2023:372, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42 Im vorliegenden Fall betrifft das Ausgangsverfahren eine Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung, die Határ Diszkont an nicht in der Union ansässige Käufer erbracht hat, die Gegenstände erworben haben, deren Lieferung die Voraussetzungen für die für Ausfuhren vorgesehene Steuerbefreiung erfüllt.

43 Nach den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen besteht diese Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung zum einen darin, die Gültigkeit des Reisedokuments des nicht ansässigen Käufers beim Verkauf zu überprüfen, ein Antragsformular zur Steuererstattung und eine Verkaufsrechnung zu übergeben, das von diesem Käufer zurückgebrachte Antragsformular zur Steuerrückerstattung zum Zweck der Mehrwertsteuererstattung zu überprüfen sowie sicherzustellen, dass die Zollbehörden die erforderlichen Formalitäten an der Grenze erfüllt haben, und sodann die Verkaufsrechnung zu ändern, zu kopieren und zu archivieren. Zum anderen besteht diese Dienstleistung darin, an der Kasse den Betrag zu erstatten, den der nicht ansässige Käufer als Vorauszahlung auf die Mehrwertsteuer gezahlt hatte, eine vom Käufer unterzeichnete Auszahlungsquittung, eine Rechnung für die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und eine vom nicht in der Union ansässigen Käufer unterzeichnete Einzahlungsquittung auszustellen sowie schließlich die Zahlung der Bearbeitungsgebühr an der Kasse entgegenzunehmen.

44 Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts stellt diese Dienstleistung grundsätzlich eine Nebenleistung zur Lieferung von Gegenständen dar. Es scheint jedoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Beurteilung zu haben, weil die Berechnung und Fakturierung der Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht gleichzeitig mit der Lieferung und der Fakturierung der Gegenstände erfolgten, sondern zum Zeitpunkt der Erstattung der Mehrwertsteuer nach Zahlung des Preises dieser Gegenstände durch den Käufer und ihrer Ausfuhr in ein Drittland.

45 Im Rahmen der mit Art. 267 AEUV errichteten Zusammenarbeit haben indes die nationalen Gerichte festzustellen, ob der Steuerpflichtige in einem konkreten Fall eine einheitliche Leistung erbringt, und dazu alle endgültigen Tatsachenbeurteilungen vorzunehmen. Der Gerichtshof hat diesen Gerichten jedoch alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung der bei ihnen anhängigen Rechtssache von Nutzen sein können (Urteile vom , Levob Verzekeringen und OV Bank, C‑41/04, EU:C:2005:649, Rn. 23, vom , BGŻ Leasing, C‑224/11, EU:C:2013:15, Rn. 33, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

46 Hierzu ist erstens festzustellen, dass zwar ein gewisser Zusammenhang zwischen der Erbringung der Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und der entsprechenden steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen besteht, da die Erbringung dieser Dienstleistung diese Lieferung voraussetzt, der Gerichtshof jedoch bereits festgestellt hat, dass ein solcher Zusammenhang für sich genommen nicht zur Klärung der Frage ausreichen kann, ob mehrwertsteuerlich eine einheitliche zusammengesetzte Leistung vorliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Generali Seguros, C‑42/22, EU:C:2023:183, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47 Damit mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen als eine einheitliche Leistung im Sinne der oben in Rn. 39 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs angesehen werden können, muss die untrennbare Verbindung zwischen diesen Einzelleistungen oder Handlungen nämlich notwendigerweise wechselseitig sein, so dass eine Einzelleistung oder eine Handlung von der anderen abhängt und umgekehrt. Im vorliegenden Fall hängt die Lieferung von Gegenständen, die erfolgt, bevor die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung abgeschlossen ist, aber in keiner Weise von dieser Dienstleistung ab.

48 Darüber hinaus lassen sich die Erbringung der Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und die entsprechende Lieferung von Gegenständen auch voneinander trennen.

49 Zum einen geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Erbringung der Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht den notwendigen Abschluss der Lieferung von Gegenständen darstellt. Befördert nämlich der nicht in der Union ansässige Käufer die in einem Drittland erworbenen Gegenstände letztlich nicht, ist die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie auf ihn nicht anwendbar und er hat keinen Anspruch auf Erstattung der Mehrwertsteuer; dennoch ist die Lieferung aber als erfolgt anzusehen, da die Befähigung, wie ein Eigentümer über die Gegenstände zu verfügen, auf diesen Käufer übertragen wurde. Das Gleiche gilt, wenn der nicht in der Union ansässige Käufer die Waren aus dem Gebiet der Union ausführt, sie aber an der Grenze nicht der Zollstelle gestellt, um ihren Ausgang aus diesem Gebiet nachzuweisen. Selbst wenn somit die Mehrwertsteuer nicht erstattet wird, weil die formellen Voraussetzungen für die Steuererstattung nicht erfüllt sind, falls etwa ein überzeugender Nachweis des Ausgangs der Gegenstände aus dem Gebiet der Union fehlt oder der Käufer keinen Erstattungsantrag gestellt hat, fand die Lieferung dennoch statt, und die erworbenen Gegenstände stehen dem Käufer frei zur Verfügung.

50 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und die Lieferung von Gegenständen nicht als so eng miteinander verbunden angesehen werden können, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd im Sinne der oben in Rn. 39 angeführten Rechtsprechung wäre.

51 Zweitens kann, selbst wenn die Mehrwertsteuerbefreiung, die Käufer von Gegenständen in Anspruch nehmen können, die die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nutzen, sofern die gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen für diese Befreiung erfüllt sind, von ihnen als ein Abschlag auf den Kaufpreis dieser Gegenstände wahrgenommen wird, dieser Umstand nicht dazu führen, eine solche Dienstleistung als Nebenleistung zur Lieferung dieser Gegenstände anzusehen.

52 Die Tätigkeit der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung verfolgt nämlich einen gegenüber der Lieferung von Gegenständen eigenständigen Zweck.

53 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht zum einen hervor, dass die Lieferung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gegenstände abgeschlossen war und die nicht in der Union ansässigen Käufer das Recht erwarben, über die bei Határ Diszkont erworbenen Gegenstände uneingeschränkt zu verfügen und sie nach Orten außerhalb der Union zu befördern, sobald diese Gegenstände bezahlt wurden, und zwar ohne dass insoweit eine Nebenleistung erforderlich wäre. Zum anderen obliegt es dem Käufer, der bereits über seinen Gegenstand verfügt, einen zusätzlichen Schritt zu unternehmen, um die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nach der Lieferung nutzen zu können, indem er sich erneut in das Geschäft von Határ Diszkont begibt und ihr dort die gesetzlich vorgeschriebenen Unterlagen vorlegt, um die für Ausfuhren vorgesehene Steuerbefreiung in Anspruch zu nehmen. Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass ein Käufer, nachdem er einen Gegenstand erworben hat, beschließt, diese Dienstleistung nicht zu nutzen, und damit auf die Erstattung der Mehrwertsteuer verzichtet, die er beim Kauf dieses Gegenstands gezahlt hat.

54 Somit kann nach der oben in Rn. 40 angeführten Rechtsprechung die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht als Nebenleistung zur Lieferung von Gegenständen angesehen werden, da sie kein bloßes Mittel, um diese Lieferung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, sondern einen eigenen Zweck darstellt.

55 Schließlich ist, um dem vorlegenden Gericht eine vollständige Antwort zu geben, darauf hinzuweisen, dass für die Zwecke der Auslegung von Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung und die dort in Rede stehende Lieferung von Gegenständen nicht unter dieselbe Steuerbemessungsgrundlage fallen, da sie voneinander unabhängige Umsätze sind. Somit kann es sich bei den Gebühren im Zusammenhang mit einer solchen Dienstleistung, die eine selbständige Leistung ist und für den Dienstleistungsempfänger einen eigenen Zweck darstellt, nicht um Nebenkosten einer Lieferung von Gegenständen im Sinne von Art. 78 handeln (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , BGŻ Leasing, C‑224/11, EU:C:2013:15, Rn. 49).

56 Daher ist vorbehaltlich der endgültigen Beurteilungen, die nach der oben in Rn. 45 angeführten Rechtsprechung vom vorlegenden Gericht vorzunehmen sind, die von Határ Diszkont erbrachte Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung offenbar eine von der entsprechenden Lieferung von Gegenständen eigenständige und unabhängige Leistung, so dass sie hinsichtlich der Mehrwertsteuer deren steuerliches Schicksal nicht teilt.

57 Was die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung anbelangt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie vorgesehene ergänzt und wie diese die Besteuerung der betreffenden Dienstleistungen an deren Bestimmungsort sicherstellen soll, d.h. an dem Ort, an dem die ausgeführten Erzeugnisse verbraucht werden (Urteil vom , L.Č., C‑288/16, EU:C:2017:502, Rn. 19).

58 Insoweit ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie, dass Dienstleistungen, einschließlich Beförderungsleistungen und Nebentätigkeiten zur Beförderung, ausgenommen die gemäß den Art. 132 und 135 von der Steuer befreiten Dienstleistungen, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr oder der Einfuhr von Gegenständen stehen, für die Art. 61 oder Art. 157 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie gilt, von der Mehrwertsteuer befreit sind.

59 Wie die Generalanwältin in den Nrn. 61 und 62 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, enthalten die dem Gerichtshof vorliegenden Akten jedoch keinen Hinweis darauf, dass die Gegenstände, die im Ausgangsverfahren Gegenstand der Ausfuhr waren, unter eine der von Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie erfassten Situationen fallen würden.

60 Zum einen geht nämlich aus diesen Akten nicht hervor, dass sich die in Rede stehenden Ausfuhren auf Gegenstände beziehen würden, die sich gemäß Art. 61 der Mehrwertsteuerrichtlinie entweder nicht im freien Verkehr in der Union befinden, aber in einer Freizone gelagert oder der Zolllagerregelung unterliegen sollen oder der Regelung der vorübergehenden Verwendung bei vollständiger Befreiung von Einfuhrabgaben oder dem externen Versandverfahren unterliegen, oder die sich im freien Verkehr befinden, aber der Regelung der innergemeinschaftlichen Durchfuhr unterliegen. Zum anderen geht aus den Akten nicht hervor, dass Art. 157 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, der die Möglichkeit der Mitgliedstaaten betrifft, die Einfuhr von Gegenständen, die einer Regelung für andere Lager als Zolllager unterliegen sollen, von der Steuer zu befreien, für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits relevant wäre.

61 Selbst wenn das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass zumindest einige der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsätze in den Anwendungsbereich der in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Situationen fallen, ist jedenfalls darauf hinzuweisen, dass das in dieser Bestimmung aufgestellte Erfordernis eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen den Dienstleistungen und den betreffenden Ausfuhren von Gegenständen u.a. voraussetzt, dass diese Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr beitragen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Cartrans Spedition, C‑495/17, EU:C:2018:887, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62 Im vorliegenden Fall kann jedoch angesichts der Merkmale der von Határ Diszkont ausgeübten Tätigkeit der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Tätigkeit zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr beiträgt. Die Ausfuhr wird nämlich vollständig vom ausländischen Käufer durchgeführt, unabhängig von der Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung, die keinen Einfluss auf den Ablauf der Ausfuhr hat und im Übrigen später erfolgt, wenn die Ausfuhr bereits abgeschlossen ist.

63 Aus diesen Gründen fällt die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung nicht unter die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung.

64 Diese Schlussfolgerung steht im Einklang mit dem Erfordernis, die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen umschrieben sind, eng auszulegen, da diese Befreiungen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt (vgl. entsprechend Urteile vom , I [Mehrwertsteuerbefreiung von Krankenhausleistungen], C‑228/20, EU:C:2022:275, Rn. 34, und vom , Companhia União de Crédito Popular, C‑89/23, EU:C:2024:333, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

65 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, eine eigenständige, von der entsprechenden steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen unabhängige Dienstleistung darstellt, die als solche mehrwertsteuerpflichtig ist. Eine solche Dienstleistung fällt nicht unter die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung.

Zur zweiten Frage

66 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, unter die in dieser Bestimmung genannten steuerbefreiten Umsätze fällt.

67 Zu Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach dem Wortlaut dieser Bestimmung Umsätze „im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren“ von der Steuer befreien.

68 Wie der Gerichtshof entschieden hat, fallen diese Umsätze, einschließlich jener „im Zahlungsverkehr“ oder „im Überweisungsverkehr“ in den Bereich der Finanzgeschäfte und betreffen u.a. Zahlungsinstrumente, deren Funktionsweise einen Geldtransfer beinhaltet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Franck, C‑801/19, EU:C:2020:1049, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

69 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht somit hervor, dass eine Erbringung von Dienstleistungen nur dann als „Umsatz im Zahlungsverkehr“ oder „Umsatz im Überweisungsverkehr“ im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie eingestuft werden kann, wenn sie die rechtlichen und finanziellen Änderungen bewirkt, die die Übertragung einer Geldsumme auszeichnen.

70 Hingegen fällt die Erbringung einer rein materiellen, technischen oder administrativen Leistung, die keine solchen Änderungen bewirkt, nicht unter diese Bestimmung (Urteil vom , DPAS, C‑5/17, EU:C:2018:592, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71 Nach ständiger Rechtsprechung besteht das Kriterium für die Unterscheidung eines Umsatzes, der bewirkt, dass Gelder übertragen sowie rechtliche und finanzielle Änderungen herbeigeführt werden, und damit unter die Steuerbefreiung aufgrund dieser Bestimmung fällt, von einem Umsatz, der keine solchen Wirkungen hat und daher nicht unter die Befreiung fällt, somit darin, ob durch den betreffenden Umsatz tatsächlich oder potenziell das Eigentum an den in Rede stehenden Geldern übertragen wird oder ob er die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer solchen Übertragung erfüllt (Urteil vom , Cardpoint, C‑42/18, EU:C:2019:822, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72 Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass Határ Diszkont weder tatsächlich noch potenziell Eigentum an Geldern auf nicht in der Union ansässige Käufer übertragen hat. Sie hat die Mehrwertsteuerbeträge auf die in Rede stehenden Käufe der Gegenstände lediglich in der Erwartung einbehalten, dass die Käufer die Unterlagen vorlegen würden, mit denen sie nachweisen konnten, dass die Voraussetzungen für die vorgesehene Steuerbefreiung der Ausfuhren tatsächlich erfüllt waren. Sobald ihr die einschlägigen Unterlagen zum Beleg, dass für diese Käufe keine Mehrwertsteuer geschuldet wurde, vorgelegt worden waren, erstattete Határ Diszkont die entsprechenden Beträge.

73 Somit ist die von Határ Diszkont erbrachte Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung, obwohl sie grundsätzlich mit der Herausgabe von Barbeträgen verbunden war, nicht als eine Finanzdienstleistung im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs, sondern als eine administrative Leistung anzusehen.

74 Daher ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, nicht unter die in dieser Bestimmung genannten steuerbefreiten Umsätze fällt.

Zur dritten Frage

75 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass er es der Steuerverwaltung verwehrt, bestimmte Dienstleistungen nachträglich der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen über mehrere Jahre hinweg geprüft und akzeptiert hat, ohne die Einstufung dieser Leistungen als von der Mehrwertsteuer befreite Leistungen zu beanstanden, und den Steuerpflichtigen nicht über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften, die in ihrer früheren Fassung diese Leistungen ausdrücklich zu den von der Mehrwertsteuer befreiten Tätigkeiten zählten, informiert hat, obwohl der Steuerpflichtige auf einen im Rahmen der geltenden nationalen Rechtsvorschriften gestellten Antrag auf Stellungnahme eine Antwort der Steuerverwaltung erhalten hat, wonach diese Leistungen als Nebenkosten einer von der Mehrwertsteuer befreiten Lieferung von Gegenständen anzusehen seien, die das Schicksal des Hauptumsatzes hinsichtlich der Regelung der Mehrwertsteuerbefreiung teilten.

76 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz des Vertrauensschutzes zu den tragenden Grundsätzen der Union gehört und für jede nationale Behörde gilt, die mit der Anwendung des Unionsrechts betraut ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Marks & Spencer, C‑62/00, EU:C:2002:435, Rn. 44, und vom , BALTIC CONTAINER TERMINAL, C‑376/23, EU:C:2025:20, Rn. 64 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

77 Bei der Anwendung der Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie haben die nationalen Behörden diesen Grundsatz demnach zu beachten.

78 Auf diesen Grundsatz kann sich jeder berufen, bei dem eine Verwaltungsbehörde aufgrund bestimmter Zusicherungen, die sie ihm gegeben hat, begründete Erwartungen geweckt hat (Urteile vom , Cabinet Medical Veterinar Dr. Tomoiagă Andrei, C‑144/14, EU:C:2015:452, Rn. 43, vom , Salomie und Oltean, C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 44, sowie vom , Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C‑846/19, EU:C:2021:277, Rn. 90 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79 Insoweit ist zu prüfen, ob die Handlungen einer Verwaltungsbehörde in der Vorstellung eines umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers vernünftige Erwartungen begründet haben und, wenn dies der Fall ist, ob diese Erwartungen berechtigt sind (Urteile vom , Cabinet Medical Veterinar Dr. Tomoiagă Andrei, C‑144/14, EU:C:2015:452, Rn. 44, und vom , Salomie und Oltean, C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80 Die Verwaltungspraxis der nationalen Steuerbehörden, wie sie in der Vorlageentscheidung beschrieben ist, scheint keine Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass diese Voraussetzungen im Ausgangsverfahren erfüllt sind.

81 Was erstens den Aspekt betrifft, dass bei mehreren Steuerprüfungen die Einstufung der Tätigkeiten der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze nicht beanstandet wurde, geht aus der Rechtsprechung hervor, dass der bloße Umstand, dass die nationale Steuerverwaltung Mehrwertsteuererklärungen, die die auf bestimmte Umsätze des Steuerpflichtigen entfallenden Beträge nicht enthielten, akzeptierte – selbst wenn dies über mehrere Jahre hinweg geschah –, nicht genügt, um eine bestimmte Zusicherung der Steuerverwaltung dahin zu begründen, dass auf diese Umsätze keine Mehrwertsteuer anfalle, und daher insoweit kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen lassen konnte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Administration de l’Enregistrement, des Domaines et de la TVA, C‑846/19, EU:C:2021:277, Rn. 92).

82 Ebenso kann, wie die Generalanwältin in Nr. 73 ihrer Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, der Umstand, dass die nationalen Steuerbehörden die Mehrwertsteuererklärungen von Határ Diszkont über mehrere Jahre hinweg, ohne bei Steuerprüfungen die Einstufung der Umsätze im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung als von der Mehrwertsteuer befreite Umsätze zu hinterfragen, nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen von vornherein genügen, um in der Vorstellung eines durchschnittlich umsichtigen und besonnenen Wirtschaftsteilnehmers berechtigte Erwartungen zu begründen, dass diese Steuer auf solche Umsätze nicht angewandt wird (vgl. entsprechend Urteile vom , Cabinet Medical Veterinar Dr. Tomoiagă Andrei, C‑144/14, EU:C:2015:452, Rn. 46, sowie vom , Salomie und Oltean, C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 47 und 48).

83 Insoweit geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Protokolle der Steuerprüfungen „eindeutig bezeugen“, dass die Steuerverwaltung jahrelang davon ausging, dass Határ Diszkont rechtmäßig mehrwertsteuerfreie Rechnungen für die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung ausgestellt habe. Das vorlegende Gericht macht jedoch keine weiteren Angaben, anhand deren sich beurteilen ließe, ob diese Protokolle geeignet waren, berechtigte Erwartungen zu begründen, dass die Mehrwertsteuer auf diese Dienstleistung nicht angewandt wird.

84 Daher ist darauf hinzuweisen, dass präzise, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite unabhängig von der Form ihrer Mitteilung bestimmte Zusicherungen im Sinne der oben in Rn. 78 angeführten Rechtsprechung darstellen, die bei einem Einzelnen begründete Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes geltend machen, dem die Verwaltung keine bestimmten Zusicherungen gegeben hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Agrargenossenschaft Neuzelle, C‑545/11, EU:C:2013:169, Rn. 25, und vom , BALTIC CONTAINER TERMINAL, C‑376/23, EU:C:2025:20, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

85 Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob die Prüfungsprotokolle „bestimmte Zusicherungen“ im Sinne der oben in Rn. 84 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs in Bezug auf die steuerliche Behandlung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung enthielten.

86 Was zweitens das Fehlen von Informationen über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften anbelangt, genügt zum einen die Feststellung, dass ein solches Unterlassen keinesfalls eine „bestimmte Zusicherung“ im Sinne der oben in Rn. 81 angeführten Rechtsprechung darstellen kann. Zum anderen verpflichtet der Grundsatz des Vertrauensschutzes die Steuerverwaltung nicht, die Steuerpflichtigen über in Kraft tretende Änderungen des Steuerrechts zu informieren, von denen durchschnittlich umsichtige und besonnene Wirtschaftsteilnehmer Kenntnis haben sollten.

87 Was drittens die Auskünfte betrifft, die von der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerverwaltung auf den von Határ Diszkont gestellten Antrag auf Stellungnahme während der bereits laufenden Steuerprüfung erteilt wurden, genügt die Feststellung, dass, wie die Generalanwältin in Nr. 76 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat und wie auch das vorlegende Gericht ausführt, solche unverbindlichen Ex‑post-Auskünfte keine Auswirkungen auf die von Határ Diszkont vor Erteilung dieser Auskünfte ausgeführten Umsätze, die Gegenstand dieser Prüfung waren, haben konnten.

88 Solcherart Auskünfte der Steuerbehörde sind daher in diesem Zusammenhang unerheblich.

89 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass der Grundsatz des Vertrauensschutzes dahin auszulegen ist, dass er es der Steuerverwaltung nicht verwehrt, bestimmte Dienstleistungen nachträglich der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen über mehrere Jahre hinweg geprüft und akzeptiert hat, ohne die Einstufung dieser Leistungen als von der Mehrwertsteuer befreite Leistungen zu beanstanden, und den Steuerpflichtigen nicht über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften, die in ihrer früheren Fassung diese Leistungen ausdrücklich zu den von der Mehrwertsteuer befreiten Tätigkeiten zählten, informiert hat. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Steuerpflichtige auf einen im Rahmen der geltenden nationalen Rechtsvorschriften gestellten Antrag auf Stellungnahme eine nachträgliche und unverbindliche Antwort der Steuerverwaltung erhalten hat, wonach diese Leistungen als Nebenkosten einer von der Mehrwertsteuer befreiten Lieferung von Gegenständen anzusehen seien, die das Schicksal des Hauptumsatzes hinsichtlich der Regelung der Mehrwertsteuerbefreiung teilten.

Zur vierten Frage

90 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Art. 73 und 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die davon ausgeht, dass die als Gegenleistung für eine Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung in Rechnung gestellten Beträge, d.h. die Bearbeitungsgebühren, Nettobeträge sind, in denen die Mehrwertsteuer nicht enthalten ist und auf deren Grundlage die vom Aussteller dieser Rechnungen zu entrichtende Steuer zu berechnen ist.

91 Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 1 Abs. 2 und Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie ergibt, dass der Grundsatz des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems darin besteht, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen eine allgemeine, zu deren Preis genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist und dass die Steuerbemessungsgrundlage alles umfasst, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer des Gegenstands oder der Erbringer der Dienstleistung für die betreffenden Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll. Art. 78 der Richtlinie führt bestimmte Elemente auf, die in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Nach Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie ist die Mehrwertsteuer in diese Bemessungsgrundlage nicht einzubeziehen (Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 32).

92 Nach der in Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie aufgestellten allgemeinen Regel ist die Besteuerungsgrundlage für die Lieferung eines Gegenstands oder die Erbringung einer Dienstleistung gegen Entgelt die vom Steuerpflichtigen tatsächlich dafür erhaltene Gegenleistung. Diese Gegenleistung stellt den subjektiven, nämlich tatsächlich erhaltenen Wert und nicht einen nach objektiven Kriterien geschätzten Wert dar (Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 33).

93 Diese Regel ist in Übereinstimmung mit dem Grundprinzip der Mehrwertsteuerrichtlinie anzuwenden, nach dem nur der Endverbraucher durch das Mehrwertsteuersystem belastet werden soll (Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 34).

94 Zudem hat der Gerichtshof, wie die Generalanwältin in Nr. 81 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ausdrücklich festgestellt, dass es eine Folge von Art. 78 Abs. 1 Buchst. a der Mehrwertsteuerrichtlinie ist, dass die Mehrwertsteuer auch im Fall eines Irrtums des Steuerpflichtigen bei der Bestimmung des anwendbaren Steuersatzes von Rechts wegen immer im vereinbarten Preis enthalten ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy [Berichtigungsmöglichkeit bei unrichtigem Steuersatz], C‑606/22, EU:C:2024:255, Rn. 27).

95 Da in Anwendung des oben in Rn. 93 angeführten Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer nur der Endverbraucher durch das Mehrwertsteuersystem belastet werden soll, ist davon auszugehen, dass der zwischen diesem und dem Lieferer von Gegenständen oder dem Dienstleistungserbringer vereinbarte Preis die auf die betreffenden Umsätze entfallende Mehrwertsteuer enthält, unabhängig davon, ob über diese Umsätze eine Rechnung ausgestellt wurde oder nicht (Urteil vom , Dyrektor Izby Administracji Skarbowej w Bydgoszczy [Berichtigungsmöglichkeit bei unrichtigem Steuersatz], C‑606/22, EU:C:2024:255, Rn. 26).

96 Folglich ist der im Ausgangsverfahren vereinbarte Preis für die Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung, nämlich 15 % der erstatteten Mehrwertsteuer, als Bruttopreis anzusehen, der bereits die Steuer enthält. Die Steuerbemessungsgrundlage, auf die dann der Mehrwertsteuersatz anzuwenden wäre, müsste entsprechend berechnet werden.

97 Wie die Generalanwältin in Nr. 82 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat und im Einklang mit der oben in den Rn. 94 und 95 angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Umstand, dass der Steuerpflichtige die betreffenden Umsätze möglicherweise fälschlich als steuerbefreit betrachtet hat und der auf diese Umsätze anwendbare Mehrwertsteuersatz daher seiner Meinung nach null hätte betragen müssen, in diesem Zusammenhang nicht relevant.

98 Nach ständiger Rechtsprechung hätte, wenn ein Kaufvertrag ohne Hinweis auf die Mehrwertsteuer abgeschlossen wurde und der Lieferer die später von der Steuerbehörde verlangte Mehrwertsteuer vom Erwerber nicht wiedererlangen kann, die Berücksichtigung des Gesamtpreises ohne Abzug der Mehrwertsteuer als Grundlage für die Erhebung der Mehrwertsteuer zur Folge, dass die Mehrwertsteuer diesen Lieferer belasten würde, und verstieße somit gegen den Grundsatz, dass es sich bei der Mehrwertsteuer um eine Verbrauchsteuer handelt, die vom Endverbraucher zu tragen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 35).

99 Eine solche Berücksichtigung verstieße außerdem gegen die Regel, wonach die Steuerverwaltung als Mehrwertsteuer keinen Betrag erheben darf, der den dem Steuerpflichtigen gezahlten übersteigt (Urteil vom , Tulică und Plavoşin, C‑249/12 und C‑250/12, EU:C:2013:722, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

100 Anders verhielte es sich dagegen, wenn der Lieferer nach nationalem Recht die Möglichkeit hätte, die später von der Steuerverwaltung verlangte Mehrwertsteuer von den Erwerbern wiederzuerlangen.

101 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten jedoch hervor, dass Határ Diszkont offensichtlich nicht die Möglichkeit hat, die Mehrwertsteuer auf die Gebühren für die Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung, deren Entrichtung die Steuerverwaltung ihr auferlegt hat, nachträglich auf ihre Kunden abzuwälzen, bei denen es sich um Privatpersonen handelt, die nicht im Unionsgebiet ansässig sind.

102 Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass die Art. 73 und 78 der Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen sind, dass sie der Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die davon ausgeht, dass die als Gegenleistung für eine Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung in Rechnung gestellten Beträge, d.h. die Bearbeitungsgebühren, Nettobeträge sind, in denen die Mehrwertsteuer nicht enthalten ist, wenn der Lieferer seine Leistung als steuerbefreit angesehen hat und es ihm offensichtlich unmöglich ist, den von der Steuerverwaltung geforderten Mehrwertsteuerbetrag von den Käufern der von der Mehrwertsteuer befreiten Gegenstände nachträglich zurückzufordern.

Kosten

103 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.

Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Buchst. c und Art. 78 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

sind dahin auszulegen, dass

eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Europäischen Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, eine eigenständige, von der entsprechenden steuerbefreiten Lieferung von Gegenständen unabhängige Dienstleistung darstellt, die als solche mehrwertsteuerpflichtig ist. Eine solche Dienstleistung fällt nicht unter die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehene Steuerbefreiung.

2.

Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112

ist dahin auszulegen, dass

eine Tätigkeit der Bearbeitung der Erstattung der Mehrwertsteuer, die nicht in der Union ansässige Käufer beim Erwerb von Gegenständen gezahlt haben, die sie anschließend nach Orten außerhalb der Union befördert haben, nicht unter die in dieser Bestimmung genannten steuerbefreiten Umsätze fällt.

3.

Der Grundsatz des Vertrauensschutzes

ist dahin auszulegen, dass

er es der Steuerverwaltung nicht verwehrt, bestimmte Dienstleistungen nachträglich der Mehrwertsteuer zu unterwerfen, wenn sie die Mehrwertsteuererklärungen des Steuerpflichtigen über mehrere Jahre hinweg geprüft und akzeptiert hat, ohne die Einstufung dieser Leistungen als von der Mehrwertsteuer befreite Leistungen zu beanstanden, und den Steuerpflichtigen nicht über die Änderung der geltenden nationalen Rechtsvorschriften, die in ihrer früheren Fassung diese Leistungen ausdrücklich zu den von der Mehrwertsteuer befreiten Tätigkeiten zählten, informiert hat. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, dass der Steuerpflichtige auf einen im Rahmen der geltenden nationalen Rechtsvorschriften gestellten Antrag auf Stellungnahme eine nachträgliche und unverbindliche Antwort der Steuerverwaltung erhalten hat, wonach diese Leistungen als Nebenkosten einer von der Mehrwertsteuer befreiten Lieferung von Gegenständen anzusehen seien, die das Schicksal des Hauptumsatzes hinsichtlich der Regelung der Mehrwertsteuerbefreiung teilten.

4.

Die Art. 73 und 78 der Richtlinie 2006/112

sind dahin auszulegen, dass

sie der Praxis der Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die davon ausgeht, dass die als Gegenleistung für eine Dienstleistung der Bearbeitung der Mehrwertsteuererstattung in Rechnung gestellten Beträge, d.h. die Bearbeitungsgebühren, Nettobeträge sind, in denen die Mehrwertsteuer nicht enthalten ist, wenn der Lieferer seine Leistung als steuerbefreit angesehen hat und es ihm offensichtlich unmöglich ist, den von der Steuerverwaltung geforderten Mehrwertsteuerbetrag von den Käufern der von der Mehrwertsteuer befreiten Gegenstände nachträglich zurückzufordern.

ECLI Nummer:
ECLI:EU:C:2025:596

Fundstelle(n):
YAAAJ-97180