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BGH Beschluss v. - 1 StR 94/25

Instanzenzug: LG Bochum Az: II-13 KLs 2/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.        wegen Steuerhinterziehung in acht Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt; hiervon hat es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung drei Monate für vollstreckt erklärt. Gegen den Angeklagten Ma.                        hat das Landgericht wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt, ebenso gegen den Angeklagten      Me.     wegen Steuerhinterziehung in vier Fällen. Die Vollstreckung dieser beiden Strafen hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Die gegen ihre Verurteilungen gerichteten Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung sachlichen Rechts beanstanden, haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehenden Rechtsmittel der Angeklagten K.        und Ma.                        sind unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts zum Tatkomplex III. 4. der Urteilsgründe entschlossen sich die drei in Deutschland wohnenden Angeklagten im Spätsommer 2017 dazu, den von den Angeklagten K.        und Ma.                      bereits jeweils als Einzelunternehmer betriebenen Tickethandel (Fälle unter III. 2. und 3. der Urteilsgründe) als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fortzuführen; von den Gewinnen sollte jedem Angeklagten ein Drittel zustehen. Der Angeklagte K.      brachte dazu seine langjährigen Erfahrungen, Kontakte, Ticketbestände und Kontenguthaben im sechsstelligen Bereich ein, wobei er sein Einzelunternehmen jedoch daneben fortführte. Der Angeklagte Ma.                       stellte seinen Account auf der von der in der Schweiz ansässigen V.         GmbH als Vermittlerin betriebenen Online-Plattform zur Verfügung. Der Angeklagte    Me.      , vormals Rechtsanwalt und Notar, war Alleingesellschafter und Geschäftsführer der M.                                                   z.o.o., die ihrerseits Komplementärin der M.                                                           S.K. („M.  “) war. Die Gesellschaftsanteile hatte der Angeklagte     Me.      bereits im Jahr 2015 erworben, um mit aus Thailand eingeführter Shisha-Kohle Handel zu treiben. Die M.  , deren alleiniger Kommanditist der Angeklagte Ma.                      war, ließ an ihrem Geschäftssitz in Polen Geschäftsräume mit Personal unterhalten, aufgrund ihrer Geschäftsbücher Jahresabschlüsse erstellen und über ihren Steuerberater Steuererklärungen abgeben. Die in Rede stehenden Umsätze aus den „Ticketzweitverkäufen“ wurden dabei erfasst (UA S. 37; vgl. auch UA S. 54). Die im Wege der Arbeitnehmerüberlassung für die M.    als Bürokraft tätige Zeugin U.              bereitete u.a. Eigenbelege zum Nachweis der Einkaufsaufwendungen vor. Bereits im März 2017 hatte der Angeklagte Ma.                        seine Rechte aus der Geschäftsbeziehung mit der V.              GmbH an die M.    – von der Kammer als „Geldempfangsvollmacht“ gewertet (UA S. 72) – abgetreten, weil er einen Account für die M.   nicht eröffnen konnte. Die V.         GmbH wollte offensichtlich nur mit Privatpersonen kontrahieren, nicht aber mit Unternehmen, um sich nicht dem Vorwurf einer Beteiligung am gewerblichen Ticketzweithandel auszusetzen.

3Die Angeklagten K.      und Ma.                    führten von Deutschland aus das operative Tagesgeschäft der GbR, ohne für die Ticketerwerbe Einkaufsrechnungen zu erhalten. Der Angeklagte    Me.      steuerte den Zahlungsverkehr über die Konten der M.   auf deutsche Konten und ging gegen die Abmahnungen durch Veranstalter vor, die den gewerblichen Ticketzweithandel unterbinden wollten. Die V.          GmbH führte die Geschäftskorrespondenz allein mit dem Angeklagten Ma.                    , überwies die von den Ticketkäufern geleisteten Zahlungseingänge aber auf Bankkonten der M.   bzw. deren Komplementärgesellschaft weiter, und zwar mehr als 74.000 € im Jahr 2017, in Höhe von rund 1.641.000 € im Jahr 2018, in Höhe von rund 1.375.000 € im Jahr 2019 und in Höhe von fast 100.000 € im Jahr 2020. Daneben überwies die V.          GmbH mehr als 6.000 € im Jahr 2018, fast 11.000 € im Jahr 2019 und fast 60.000 € auf Bankkonten der Angeklagten Ma.                       und     Me.     . Keiner der drei Angeklagten gab für die GbR Umsatzsteuererklärungen ab, sodass sie nach der Berechnung des Landgerichts (Aufteilung nach Sport- und Konzertveranstaltungen; Herausnahme von Veranstaltungen außerhalb Deutschlands) 7.912 € für das Jahr 2017, 175.767 € für das Jahr 2018, 148.184 € für das Jahr 2019 und 17.047 € für das Jahr 2020 an Umsatzsteuer gemeinschaftlich verkürzten. Die Angeklagten Ma.                   und      Me.      ließen die gegen sie ergangenen Umsatzsteuerbescheide bestandskräftig werden.

42. Diese Feststellungen tragen nicht die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung durch Nichtabgabe der Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Besteuerungszeiträume 2017 bis 2020 (§ 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1, § 168 Satz 1, § 150 Abs. 1 Satz 3 AO; § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG; § 25 Abs. 2, § 53 StGB).

5a) Denn danach trat die GbR nicht im Außenverhältnis gegenüber den Ticketzweitkäufern als leistendes Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG) auf, nicht einmal gegenüber der als Vermittlerin tätigen V.          GmbH, sondern allenfalls gegenüber dem Angeklagten Ma.                   bzw. der M.  . Die vom Angeklagten Ma.                        bzw. der M.   auf dem Ticketzweitmarkt erzielten Umsatzerlöse sind ihr daher nicht zuzurechnen.

6aa) Regelmäßig ergibt sich aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen, wer bei einem Umsatz als Leistender und damit als Unternehmer sowie Schuldner der Umsatzsteuer anzusehen ist. Dies ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 UStG im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst oder durch einen Beauftragten ausführt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH, Beschlüsse vom – V B 108/01 Rn. 19, BFHE 198, 208 und vom – XI B 81/17 Rn. 18; Urteile vom – V R 25/10 Rn. 16; vom – V R 60/03 Rn. 20 und vom – V R 22/02 Rn. 20; Rn. 19). Schuldner der Umsatzsteuer aus einem Leistungsaustausch ist damit grundsätzlich derjenige, der als leistender Unternehmer nach außen aufgetreten ist. Dies ist derjenige, der aus dem Rechtsgeschäft mit dem Leistungsempfänger berechtigt und verpflichtet ist; ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich ausführt oder durch einen anderen, etwa einen Subunternehmer, ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg des Geschäfts verbleibt ( Rn. 21, BFHE 198, 208; Urteile vom – V R 60/03 Rn. 21 und vom – V R 22/02 Rn. 21; Rn. 39).

7bb) Als Inhaber des Accounts, über welches die Tickets als Inhaberpapiere im Sinne des § 807 BGB veräußert wurden, was als „sonstige Leistungen“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) einzuordnen ist (vgl. dazu Rn. 14 mwN, BFHE 226, 369), war nur der Angeklagte Ma.                      bei der V.            GmbH hinterlegt; damit ergibt die Vertragsauslegung (§§ 133,157 BGB; vgl. auch § 164 Abs. 2 BGB und UA S. 74 zweiter Absatz), dass er der leistende Unternehmer war (vgl. auch BFH, Beschlüsse vom – XI B 45/20 Rn. 37 und vom – XI B 81/17 Rn. 19). Daneben war lediglich die M.   bei der Vertragsabwicklung bekannt. Vom Bestehen der GbR hatten aber die Ticketzweitkäufer keine Kenntnis, nicht einmal die V.           GmbH. Der Angeklagte Ma.                     handelte zwar im Innenverhältnis gemäß der Absprache mit seinen beiden Mitgesellschaftern auf Rechnung der GbR. Dies legte er aber nicht offen und war damit als „Strohmann“ aus den Ticketverkäufen berechtigt und verpflichtet (vgl. zum Ganzen Rn. 17; , BGHSt 58, 218 Rn. 71; jeweils mwN; Beschluss vom – 1 StR 577/13 Rn. 28). Da die Ticketerwerber die GbR nicht einmal auf Nachfrage bei der V.          GmbH als Veräußerin hätten identifizieren können, kommt ein Scheingeschäft (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO) nicht in Betracht. Die Grundsätze der Mitunternehmerschaft sind im Umsatzsteuerrecht nicht anwendbar ( Rn. 17 mN).

8Auch auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu „Second-Hand“-Läden bzw. der Grundsätze des „Geschäfts für den, den es angeht“ ist eine Zurechnung der Ticketzweitumsätze an die GbR nicht möglich. Zwar muss der Verkäufer dem Käufer beim Vertragsabschluss nicht namentlich bekannt sein; er muss aber identifizierbar sein (vgl. Rn. 20 f., BFHE 191, 97; Beschluss vom – XI B 45/20 Rn. 37). Die GbR trat aber außerhalb des Rechtskreises der drei Angeklagten und der Zeugin U.            nicht nach außen auf (vgl. auch Rn. 15, BFHE 191, 458), sodass offenbleibt, warum gerade ihr die Umsätze zuzurechnen sein sollen. Überdies ist die Wertung des Landgerichts, den Ticketzweiterwerbern sei die Person des Leistenden wegen der von der V.         GmbH abgegebenen Garantie gleichgültig gewesen (insbesondere UA S. 74), weder belegt noch mit Blick auf möglicherweise weitergehende Gewährleistungspflichten des Verkäufers plausibel.

9b) Auf die Vorschrift des § 42 AO (Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten) kann die Steuerhinterziehung ebenfalls nicht gestützt werden.

10aa) Das Einschalten einer ausländischen Gesellschaft ist steuerrechtlich nicht ohne Weiteres rechtsmissbräuchlich. § 42 AO setzt eine unangemessene rechtliche Gestaltung voraus, die zum Umgehen der Steuergesetze gewählt wird und die einen sich daraus ergebenden steuergesetzlichen Vorteil nach sich zieht. Das Zwischenschalten einer „Basisgesellschaft“ im niedrig besteuernden Ausland erfüllt den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Einschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche „außersteuerliche“ Gründe fehlen und wenn sie nicht selbst wirtschaftlich tätig ist. In diesen Fällen ist die Gestaltung vor allem dann steuerlich nicht anzuerkennen, wenn die Wahl des Sitzes nur mit der Absicht der Steuerersparnis zu erklären ist. Dabei muss sich die Steuerersparnis unmittelbar aus der Verlagerung von Wirtschaftsinteressen auf die ausländische Gesellschaft und die dadurch bewirkte Ausgliederung der insoweit bezogenen Einkünfte aus der unbeschränkten Steuerpflicht des Inländers ergeben (vgl. Rn. 9 mwN, BGHR AO § 42 Basisgesellschaft 1).

11bb) Das Landgericht hat trotz der Einordnung der M.   als bloßer Geldempfängerin bereits nicht bedacht, dass der Angeklagte Ma.                      unverändert leistender Einzelunternehmer war. Die Angeklagten Ma.                      und K.         übertrugen ihre Unternehmerstellung gegenüber den Ticketzweitkäufern auf die schon vorher bestehende M.    nicht (insbesondere UA S. 35, 72), sodass schon kein Gestaltungsfall anzunehmen ist.

12c) Auf das Einzelunternehmen des Angeklagten Ma.                      können die Tatvorwürfe in diesem Verfahren nicht umgestellt werden. Dies wären andere prozessuale Taten. Denn Gegenstand der unverändert zugelassenen Anklage vom ist die Nichtabgabe von Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Besteuerungszeiträume 2017 bis 2020 zugunsten der GbR (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG), die im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen als „Me.                   GbR“ bezeichnet wird. Hinsichtlich des Delikts der Steuerhinterziehung ist die Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO regelmäßig durch die unrichtige oder unvollständige (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO; Rn. 5; Urteil vom – 1 StR 209/22 Rn. 10) oder pflichtwidrig unterlassene (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO; Rn. 15; Beschluss vom – 1 StR 125/23 Rn. 5) Steuererklärung eines bestimmten Steuerpflichtigen für eine bestimmte Steuerart und einen bestimmten Besteuerungszeitraum abgegrenzt, nicht allein durch die inmitten stehenden Besteuerungsgrundlagen als solche (vgl. Rn. 21; Beschluss vom – 1 StR 501/24 Rn. 4). Es genügt also nicht, dass die Staatsanwaltschaft die nämlichen verschwiegenen Ausgangsumsätze als solche mit ihrer Anklage verfolgt wissen will. Maßgeblich ist die Zuordnung der Ausgangsumsätze zu einem bestimmten Unternehmen als Umsatzsteuerschuldner (vgl. § 2 Abs. 1 UStG). Dieser war im Tatkomplex III. 4. der Urteilsgründe allein der Angeklagte Ma.                       . Anders verhält es sich im Tatkomplex unter III. 2. der Urteilsgründe: Das als solches identifizierbare Einzelunternehmen, für welches der Angeklagte K.        jedenfalls nach § 35 AO verantwortlich war, auch wenn der Nichtrevident      H.          als Nutzer des Accounts eingetragen war (UA S. 21), ist in der Anklageschrift vom bezeichnet.

13d) Die im Tatkomplex III. 2. der Urteilsgründe gegen den Angeklagten K.         verhängten vier Einzelstrafen, darunter die Einsatzfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten, bleiben von der Aufhebung der genannten Fälle mitsamt den zugehörigen Feststellungen (vgl. § 353 Abs. 2 StPO) unberührt. Hingegen ist die gegen den Angeklagten Ma.                      im Fall III. 3. der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von vier Monaten aufzuheben. Denn das Landgericht hat diese kurze Freiheitsstrafe (§ 47 Abs. 1 StGB) mit der Einbettung der zugunsten des Einzelunternehmens für den Besteuerungszeitraum 2016 begangenen Umsatzsteuerverkürzung in die anschließende Tatserie begründet (UA S. 83).

143. Das nunmehr zur Entscheidung berufene Tatgericht wird die Vertrags- und Leistungsbeziehung der GbR zum Angeklagten Ma.                        aufzuklären und zu würdigen haben, ob die GbR steuerbare Umsätze in einem Außenverhältnis zwischen zwei verschiedenen Rechtssubjekten erbrachte (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) oder ob es sich dabei um nicht steuerbare Innenumsätze innerhalb einer Unternehmenseinheit handelte (vgl. dazu Rn. 33, BFHE 272, 185; Rn. 5 f.; jeweils mwN). Ebenso wird es das Vertrags- und Leistungsverhältnis der GbR zur M.    einschließlich des genauen Umfangs der weitergeleiteten Gelder zu beurteilen haben.

Jäger                               Wimmer                               Leplow

                 Allgayer                         Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:260625B1STR94.25.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-97133