Instanzenzug: Az: 2 StR 484/24 Beschlussvorgehend LG Gera Az: 3 KLs 801 Js 7224/22nachgehend Az: 2 StR 484/24 Beschluss
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwölf Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Schusswaffen und Munition in zwei Fällen schuldig gesprochen und ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Außerdem hat es gegen ihn und den Mitangeklagten R. als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 640.800 Euro angeordnet. Darüber hinaus hat das Landgericht gegen den Angeklagten die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 8.700 Euro angeordnet.
2Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet.
31. Den Verfahrensrügen bleibt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts ausgeführten Gründen der Erfolg versagt.
42. Der Schuldspruch bedarf in den Fällen II.21, II.24 und II.34 bis II.36 der Urteilsgründe der Abänderung.
5a) In den Fällen II.21 und II.24 der Urteilsgründe, in denen der Angeklagte mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Cannabis handelte, ist der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin zu ändern, dass der Angeklagte des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis in zwei Fällen schuldig ist. Das Landgericht hat den Angeklagten für seinen Umgang mit Cannabis – entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage – nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verurteilt. Allerdings ist am das Konsumcannabisgesetz (KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. I, Nr. 109). Danach unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem hier milderen Konsumcannabisgesetz. Dies hat der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO bei der Revisionsentscheidung zu berücksichtigen.
6b) In den Fällen II.34 bis II.36 der Urteilsgründe bedarf der Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO dahin der Korrektur, dass der Angeklagte der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis, schuldig ist.
7aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen vermittelte der Angeklagte am über seine Bezugsquelle die Lieferung von zwei Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 6,5 % THC) und einem Kilogramm Crystal (Wirkstoffgehalt 70 % S-Methamphetaminbase) an den gesondert Verurteilten W., wobei er diesem zur Klärung der Einzelheiten sein ANOM-Mobiltelefon überließ. Eine tatsächliche Lieferung konnte die Strafkammer nicht feststellten (Fall II.34 der Urteilsgründe). Am vermittelte er wiederum die Lieferung von zwei Kilogramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 6,5 % THC) und einem Kilogramm Crystal (Wirkstoffgehalt 70 % S-Methamphetaminbase) über seine Bezugsquelle an W.; die Lieferung erfolgte am (Fall II.35 der Urteilsgründe). Am vermittelte der Angeklagte in gleicher Art und Weise die Lieferung von einem Kilogramm Crystal (Wirkstoffgehalt 70 % S-Methamphetaminbase) und 200 Gramm Kokain (Wirkstoffgehalt 30 % Kokainhydrochlorid) an W.; diese Drogen wurden am geliefert (Fall II.36 der Urteilsgründe).
8bb) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und täterschaftlichen Handeltreibens mit Cannabis nicht.
9(1) Zwar reicht es für die Tathandlung des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus, wenn der Täter eine auf Umsatz gerichtete Tätigkeit entfaltet (, BGHSt 50, 252, 256; Patzak, in: Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 227). Auch die Vermittlung eines Absatzgeschäftes kann die tatbestandlichen Vorrausetzungen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln erfüllen. Allerdings muss das fremde Geschäft – jedenfalls auch – zu eigennützigen Zwecken gefördert werden (, NStZ 2023, 503, 504). Eigennützigkeit bedeutet, dass der Täter von einem Streben nach Gewinn geleitet wird oder sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil von seiner Tätigkeit verspricht, durch den er materiell oder – objektiv messbar – immateriell bessergestellt wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 16/13, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 81; vom – 5 StR 105/22, Rn. 3; vom – 4 StR 507/22, NStZ-RR 2023, 210, 211, und vom – 2 StR 199/23, Rn. 11; Patzak, aaO, § 29 Rn. 228 i.V.m. Rn. 342). Kein Vorteil mit objektiv messbarem Inhalt ist die Hoffnung auf ideelle Anerkennung bei anderen (vgl. , NStZ-RR 2023, 210, 211). Es ist auch nicht ausreichend, wenn jemand nur den Eigennutz eines anderen mit seinem Tatbeitrag unterstützen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 16/13, BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 81, und vom – 5 StR 105/22, Rn. 3). In den Fällen fehlenden Eigennutzes kommt indes eine Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 489/01, StV 2002, 255; vom – 4 StR 556/03, NStZ 2005, 228, und vom – 2 StR 199/23, Rn. 15).
10(2) Hieran gemessen belegen die Feststellungen in den Fällen II.34 bis II.36 der Urteilsgründe – auch in ihrer Gesamtheit (vgl. , NStZ 2008, 352) – keine Eigennützigkeit des Angeklagten bei der Vermittlung der fremden Geschäfte. Denn sie lassen nicht erkennen, dass er durch seine Vermittlungstätigkeit einen objektiv messbaren Vorteil erlangte. Dass gehandeltes Rauschgift oder Gelder daraus auch für Zwecke der „B.T.“, in der neben W. auch der Angeklagte Mitglied war, bestimmt gewesen oder dort verwendet worden wären, hat das Landgericht nicht hinreichend sicher feststellen können.
11(3) Die Feststellungen belegen auch keine täterschaftliche Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Abgabe von Cannabis, gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, §§ 52, 53 StGB. Eine Abgabe von Betäubungsmitteln liegt vor, wenn der Täter als Besitzer der Drogen die tatsächliche Verfügungsgewalt an diesen auf einen Abnehmer überträgt (Patzak, aaO, § 29 Rn. 830; Weber, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1118; vgl. zur Abgabe von Arzneimitteln , BGHSt 59, 16, 20 Rn. 14). Die danach erforderliche tatsächliche Verfügungsgewalt des Angeklagten ist in keinem der drei Fälle festgestellt.
12cc) Die Feststellungen des Landgerichts, insbesondere die Zurverfügungstellung des ANOM-Mobiltelefons durch den Angeklagten für die Bestellungen durch W., tragen allerdings unter Berücksichtigung von § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO eine rechtliche Bewertung als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen (Fälle II.34 bis II.36 der Urteilsgründe), davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (Fälle II.34 und II.35 der Urteilsgründe) gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG, §§ 27, 52, 53 StGB.
13c) Der Senat ändert den Schuldspruch demgemäß entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 Abs. 1 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
143. Die Schuldspruchänderung zieht die Aufhebung der fünf betroffenen Einzelstrafen nach sich. Dies bedingt die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.
154. Die Einziehungsentscheidung bedarf der Korrektur. Die gesamtschuldnerische Einziehung des Wertes von Taterträgen hat lediglich in Höhe von 41.400 Euro bestand. Hinzu tritt die rechtsfehlerfreie Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von weiteren 8.700 Euro in den Fällen II.37 und II.38 der Urteilsgründe.
16a) Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB knüpft an § 73 Abs. 1 StGB an und setzt voraus, dass der Täter durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt hat. Die bloße Feststellung eines mittäterschaftlichen Zusammenwirkens belegt nicht, dass der jeweilige Mittäter Mitverfügungsmacht erlangt hat; eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Mittäterschaft gemäß § 25 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn sich die Beteiligten darüber einig waren, dass dem jeweiligen Mittäter zumindest Mitverfügungsgewalt über den Taterlös zukommen sollte, und er diese auch tatsächlich hatte (vgl. ‒ 3 StR 579/08, NStZ 2010, 86, 87, und vom ‒ 4 StR 63/18, BGHR StGB § 73c Abs. 1 Erlangtes Rn. 12 mwN; Beschluss vom – 4 StR 188/23, NZWiSt 2024, 328 Rn. 10). Soll der Erlös aus Drogengeschäften abgeschöpft werden, sind daher regelmäßig Feststellungen zur Entgegennahme der Verkaufserlöse oder Provisionen und deren Verbleib erforderlich (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 188/23, NZWiSt 2024, 328 Rn. 11, und vom – 2 StR 458/23, StV 2024, 592, 593). Insbesondere in Fällen, in denen ein Angeklagter gemeinsam mit einem Mitangeklagten größere Drogenmengen bestellt, die aber ‒ wie von vornherein abgesprochen ‒ an jeweils eigene Abnehmer verkauft werden sollen, versteht sich eine Mitverfügungsmacht des einen an den vom anderen erlangten Erlösen nicht von selbst und muss daher festgestellt und im Einzelnen belegt werden (vgl. , NZWiSt 2024, 328 Rn. 12).
17b) Gemessen hieran tragen die Feststellungen die in den Fällen II.21 bis II.26 sowie II.28 und II.29 der Urteilsgründe getroffenen Einziehungsanordnungen nicht und die in Fall II.27 der Urteilsgründe getroffene Einziehungsanordnung nur teilweise.
18aa) Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen organisierte der Angeklagte gemeinsam mit dem Mitangeklagten R. seit Januar 2021 unter Einbindung von Kurieren einen Drogenhandel, wobei der Tatplan die gemeinschaftliche Beschaffung der Betäubungsmittel durch den Angeklagten und R. sowie den nachfolgenden gewinnbringenden Absatz der Drogen gemäß einer von dem Angeklagten und R. vorgenommenen Städte- bzw. Gebietsaufteilung vorsah.
19bb) Diese Feststellungen ergeben auch unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe mit Ausnahme des Falles II.27 der Urteilsgründe nicht, welche Anteile der Beschaffungsmengen der Angeklagte in eigener Person bezog und weiterveräußerte. Die Urteilsgründe verhalten sich auch nicht dazu, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe der Angeklagte Mitverfügungsmacht an den Drogenverkaufserlösen des R. erlangte. Vielmehr sprechen die Feststellungen, wonach die Beschaffung der Drogen gemeinschaftlich, der anschließende Absatz allerdings gemäß einer Gebietsaufteilung getrennt vorzunehmen war, gegen eine Mitverfügungsgewalt des jeweils anderen. Ein gemeinsames Interesse des Angeklagten und des Mitangeklagten R. in Gestalt der Finanzierung ihres Engagements in der „B.T.“, woraus sich eventuell Anhaltpunkte für eine Mitverfügungsmacht des Angeklagten und des R. an den Erlösen des jeweils anderen hätten ergeben können, hat das Landgericht nicht hinreichend sicher feststellen können.
20cc) Lediglich im Fall II.27 der Urteilsgründe kann die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 41.400 Euro bestehen bleiben. Hierzu hat das Landgericht festgestellt, dass aus den beschafften vier Kilogramm Crystal (Wirkstoffgehalt 70 % S-Methamphetaminbase) zwei Kilogramm für den Angeklagten bestimmt waren, die dieser für mindestens 41.400 Euro weiterveräußerte. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass das Landgericht für die Erlöse aus den Crystal-Verkäufen aufgrund der Aussagen zweier Zeugen von Verkaufspreisen von 23.000 Euro pro Kilogramm Crystal ausgegangen ist und davon zu Gunsten des Angeklagten einen Abzug von zehn Prozent vorgenommen hat, was im Ergebnis zu 20.700 Euro pro Kilogramm Crystal führt.
21dd) Daneben tritt die rechtsfehlerfreie Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe der Veräußerungserlöse für die in den Fällen II.37 und II.38 der Urteilsgründe vom Angeklagten gehandelten Waffen in Höhe von 4.700 Euro und 4.000 Euro. Dies führt zur Einziehung von Taterträgen gegen den Angeklagten in Höhe von 50.100 Euro, davon in Höhe von 41.400 Euro als Gesamtschuldner haftend. Dabei war die gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten im Hinblick auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen, soweit sie Fall II.27 der Urteilsgründe betrifft, aufrechtzuerhalten, weil sie den Angeklagten nicht beschwert.
22ee) Soweit die Feststellungen die Einziehungsentscheidung nicht rechtfertigen, schließt der Senat aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen möglich sind, die die Einziehung in weitergehender Höhe tragen, und lässt daher die über einen Gesamtbetrag von 50.100 Euro hinausgehende Einziehungsentscheidung entfallen.
235. Im Umfang der Aufhebung des Strafausspruchs bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können – wie stets – um solche ergänzt werden, die zu den bisher getroffenen nicht in Widerspruch stehen. Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, bei der Strafzumessung deutlicher als bisher in den Blick zu nehmen, dass die Wirkstoffmenge ein wesentlicher Umstand zur Beurteilung der Schwere der Tat und zur Bestimmung des Schuldumfangs ist (st. Rspr.; vgl. nur , Rn. 18, und vom – 2 StR 227/23, Rn. 10). Zudem wird es im Fall II.21 der Urteilsgründe unter Zugrundelegung des Zweifelssatzes eine Verteilung der „jeweils mindestens [im] Kilogrammbereich“ gehandelten Mengen von Marihuana und Crystal vorzunehmen haben. Denn erst wenn feststeht, welche Drogen in welcher Menge gehandelt wurden, kann ein konkretes Strafmaß ermittelt werden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:220525B2STR484.24.1
Fundstelle(n):
OAAAJ-97127