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BGH Beschluss v. - 6 StR 546/24

Instanzenzug: Az: 31 KLs 14/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in sechs Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit Amtsanmaßung, sowie wegen Diebstahls zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten K. hat es wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in zehn Fällen, davon in neun Fällen in Tateinheit mit Amtsanmaßung, sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt. Den Angeklagten J. hat es wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in fünf Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit Amtsanmaßung, wegen unerlaubten Besitzes eines Butterflymessers sowie wegen Handeltreibens mit Cannabis zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Ferner hat es umfangreiche Einziehungsentscheidungen getroffen. Gegen das Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revisionen. Sie haben jeweils mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und sind im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

21. Die Verfahrensrügen haben aus den in den Antragsschriften des Generalbundesanwalts genannten Gründen keinen Erfolg.

32. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende sachlich-rechtliche Nachprüfung der Schuld- und Strafaussprüche führt hinsichtlich des Angeklagten J. in den Fällen II.15 und 16 der Urteilsgründe zu einer Schuldspruchkorrektur. Im Übrigen erweisen sich die Schuld- und Strafaussprüche als rechtsfehlerfrei.

4a) Nach den Feststellungen schlossen sich die Angeklagten einer Tätergruppe an, deren Ziel es war, als „falsche Polizeibeamte“ Betrugstaten zum Nachteil älterer Personen zu begehen. Dabei rief aus dem Ausland ein sogenannter „Keiler“ die Geschädigten an und gab sich als Polizeibeamter aus. Er teilte mit, die Bankdaten der Geschädigten seien bei einer Einbrechergruppierung gefunden worden. Es sei zu befürchten, dass alsbald bei den Geschädigten eingebrochen werde. Die Geschädigten sollten Geld, Wertgegenstände und Bankkarten vor dem Wohnhaus deponieren; Polizeibeamte würden die Sachen zur Eigentumssicherung abholen. Die Geschädigten kamen dieser Aufforderung nach und gaben auch die Bankkarten-PIN preis. Der nicht-revidierende Mitangeklagte Sa. teilte als „Logistiker“ die drei Angeklagten zur Abholung der von den Geschädigten bereitgelegten Wertsachen ein und nahm die Tatbeute entgegen. Die drei Angeklagten wussten von Beginn an, dass die Wertgegenstände täuschungsbedingt herausgegeben würden; ab der für sie jeweils zweiten Tat war ihnen auch der modus operandi bekannt (Fälle II.1 bis 16 der Urteilsgründe).

5b) Soweit die Angeklagten die Tatbeute an den Wohnungen der Geschädigten abgeholt haben, tragen die Feststellungen die Verurteilung der Angeklagten S. (Fälle II.2, 4 bis 6, 9 der Urteilsgründe), K. (Fälle II.6 bis 9, 12 bis 16 der Urteilsgründe) und J. (Fälle II.13 und 14 der Urteilsgründe) wegen mittäterschaftlich begangener Amtsanmaßung (§ 132 StGB).

6aa) Die aus dem Ausland agierenden Hintermänner gaben sich gegenüber den Geschädigten als Polizeibeamte aus und verwirklichten dadurch den Tatbestand der Amtsanmaßung nach § 132 Alternative 1 StGB, was den Angeklagten nach § 25 Abs. 2 StGB zuzurechnen ist, weil es sich hierbei um kein eigenhändiges Delikt handelt (vgl. , BGHSt 64, 314, 316). Ob ein Beteiligter als Täter handelt, ist nach den gesamten Umständen wertend zu beurteilen. Maßgebliche Kriterien für Mittäterschaft sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. nur , NStZ-RR 2019, 73). Für eine Tatbeteiligung als Mittäter reicht ein auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag aus, der sich auch auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränken kann (vgl. , BGHSt 40, 299, 301; Beschluss vom – 2 StR 304/20, NStZ-RR 2021, 10, 11).

7bb) Gemessen hieran ist die Annahme von Mittäterschaft in den genannten Fällen rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Abholung der Beute ein wichtiger Bestandteil des Tatplans war, ohne den die Tat nicht gelingen konnte. Denn die Angeklagten führten die von den Hintermännern gegenüber den Geschädigten angekündigte „polizeiliche Sicherstellung“ aus und erlangten damit die Tatbeute. Zudem hatten sie aufgrund der ihnen versprochenen Beteiligung an der Beute ein erhebliches eigenes Tatinteresse.

8c) Demgegenüber wird die Annahme täterschaftlich begangener Amtsanmaßung (§ 132 Alternative 1 i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB) durch den Angeklagten J. in den Fällen II.15 und 16 der Urteilsgründe von den Feststellungen nicht getragen.

9aa) Im Fall II.15 der Urteilsgründe traf sich der an der Abholung der Wertgegenstände nicht beteiligte Angeklagte mit dem Mitangeklagten K. , der die Abholung der Tatbeute durchgeführt und das Bargeld an den nicht revidierenden Mitangeklagten Sa. ausgehändigt hatte, begab sich gemeinsam mit ihm zu einem Geldautomaten. Dort hob er unter Nutzung von Bankkarte und PIN einen Geldbetrag in Höhe von 2.000 Euro ab; als Entlohnung erhielt er 100 Euro. Im Fall II.16 der Urteilsgründe begab er sich geraume Zeit nach der Abholung der Tatbeute bei den Geschädigten mit dem Mitangeklagten Sa. zu einem Geldautomaten, um erneut Bargeld abzuheben; dies misslang.

10bb) Diese Feststellungen ergeben nicht, dass der Angeklagte sich als Mittäter (§ 25 Abs. 2 StGB) an der Amtsanmaßung beteiligte. Sein Tatbeitrag erschöpfte sich in der Förderung des tateinheitlich verwirklichten Betrugs (§ 263 StGB).

11d) Der Senat schließt aus, dass insoweit noch weitere Feststellungen getroffen werden können und ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO.

12e) Der Strafausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Angesichts der Vielzahl der Taten und des Umstands, dass die Jugendkammer die Strafhöhe ‒ wie geboten ‒ vorrangig am Erziehungsgedanken orientiert hat (vgl. dazu , Rn. 32), schließt der Senat aus (§ 337 Abs. 1 StPO), dass die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte.

II.

13Die Einziehungsentscheidungen halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.

141. In den Fällen II.1, 2, 4, 6, 7, 8, 12, 15 und 16 der Urteilgründe ergeben die Feststellungen nicht, dass der jeweils tatbeteiligte Angeklagte aus den genannten Taten etwas im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangt hat.

15a) Ein Vermögensgegenstand ist im Sinne von § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB „durch“ eine rechtswidrige Tat als Tatertrag erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an. Eine solche Verfügungsgewalt ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann. Bei mehreren Beteiligten genügt zumindest eine tatsächliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand dergestalt, dass die Möglichkeit eines ungehinderten Zugriffs auf diesen besteht. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB kommt es allein auf eine tatsächliche Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beteiligte eine zunächst gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat (st. Rspr.; vgl. nur , Rn. 5 mwN). Allerdings begründet der nur ganz kurzzeitige Besitz zum Zwecke der Weitergabe ohne faktische Verfügungsmacht (transitorischer Besitz) noch keinen rechtserheblichen Vermögenszufluss beim Tatbeteiligten (vgl. , Rn. 19; vom – 1 StR 421/21, Rn. 31; Beschluss vom – 3 StR 343/22, Rn. 6 f.). Für die Annahme tatsächlicher Verfügungsgewalt genügt es ferner nicht, dass die Tatbeteiligten mittäterschaftlich handelten (st. Rspr.; , Rn. 4 mwN).

16b) Hieran gemessen erlangten der Angeklagte S. in den Fällen II.1, 2, 4, 6 der Urteilsgründe und der Angeklagte K. in den Fällen II.2, 6, 7, 8 der Urteilsgründe keine faktische (Mit-)Verfügungsgewalt an der Tatbeute in Höhe von insgesamt 10.969,91 Euro (S. ) beziehungsweise 7.104,91 Euro (K. ). In diesen Fällen begleitete der revidierende Mitangeklagte Sa. die beiden Angeklagten jeweils zur Abholung der Beute beziehungsweise zum Geldautomaten, Sa. war als „Logistiker“ den Abholern hierarchisch übergeordnet, koordinierte die Abholer und nahm die Tatbeute vor Ort zur Weiterleitung an die Hintermänner von den Angeklagten entgegen. Erlangt hatten die Angeklagten S. und K. nur den Tatlohn von jeweils 100 Euro je Fall.

17c) Im Fall II.15 hat das Landgericht bei dem Angeklagten J. auch die Einziehung des Wertes der bei der Geschädigten allein von dem Angeklagten K. abgeholten 200 Euro Bargeld angeordnet. Der Angeklagte K. traf sich indessen erst nach der Abholung mit dem Angeklagten J. zur Nutzung der ebenfalls ertrogenen Bankkarte. Die 200 Euro Bargeld übergab K. später dem nicht revidierenden Sa. .

18d) In den Fällen II.12 und 16 der Urteilsgründe hat das Landgericht den vom Geldautomaten abgehobenen Geldbetrag als Wert der Tatbeute von jeweils 2.000 Euro beim Angeklagten K. eingezogen. Dieser holte jedoch lediglich die Bankkarte bei den Geschädigten ab und übergab sie anschließend Sa. , der seinerseits ohne Beteiligung K. s das Geld abhob. Erlangt hatte der Angeklagte K. aus der Tat lediglich den ihm gezahlten Tatlohn von jeweils 100 Euro.

192. Bei der den Angeklagten J. betreffenden Einziehungsentscheidung hat die Strafkammer nicht erkennbar in den Blick genommen, dass der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung mit der außergerichtlichen Einziehung des bei ihm sichergestellten Bargeldbetrags von 800 Euro, der nicht aus den verfahrensgegenständlichen Taten stammte, einverstanden erklärt hat, so dass dieser Betrag von dem errechneten Wertersatzbetrag abzuziehen ist (vgl. , Rn. 4).

203. Der Senat schließt auch insoweit aus, dass noch weitere Feststellungen getroffen werden können. Er korrigiert wegen eines Additionsversehens und ändert die Einziehungsentscheidungen in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich.

III.

21Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 JGG.

Bartel                             Wenske                             Fritsche

            von Schmettau                        Arnoldi

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150525B6STR546.24.0

Fundstelle(n):
FAAAJ-97036