Ausgleichszulage wegen Dienstherrenwechsel im Zuge der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung; Aufrechterhaltung einer Rechtsprechungsänderung
Gesetze: § 4 Abs 3 S 3 RVOrgRefÜG, § 13 Abs 1 S 1 Nr 1 BBesG vom
Instanzenzug: Hessischer Verwaltungsgerichtshof Az: 1 A 1178/23 Beschlussvorgehend VG Frankfurt Az: 9 K 2026/16.F Urteil
Gründe
1Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Ausgleichszulage.
21. Der im Jahr ... geborene Kläger stand bis zum als Bundesbeamter im Dienst der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), zuletzt als Verwaltungsoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10 BBesO). Im Zuge der Organisationsreform der gesetzlichen Rentenversicherung wechselte der Kläger zum in den Dienst der Deutschen Rentenversicherung Hessen, der Regionalträgerin der gesetzlichen Rentenversicherung und Beklagten des hiesigen Verfahrens. Diese bewilligte dem Kläger wegen des gesetzlichen Dienstherrnwechsels mit Wirkung vom eine monatliche Zulage zum Ausgleich der seit diesem Zeitpunkt bestehenden Unterschiede zwischen der hessischen Beamtenbesoldung und der Bundesbesoldung, wobei er die bundesrechtlichen Bezüge als Rechengröße jeweils um die darin enthaltene anteilige Sonderzahlung kürzte.
3Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat der Kläger gegen die Berechnung der Ausgleichszulage Klage erhoben, der das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben hat. Dem Kläger stehe für die Zeit ab dem eine - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewährende - Ausgleichszulage zu. Zwischen den Beteiligten sei unstreitig, dass auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014 eine Ausgleichszulage zu gewähren sei; streitig sei allein die Berechnung. Die Beklagte müsse die ab dem in das Grundgehalt des Bundes eingerechnete Sonderzahlung bei der Berechnung der Ausgleichszulage berücksichtigen. Andere Gesichtspunkte wie eine mögliche Beförderung des Klägers beim bisherigen Dienstherrn sowie die unterschiedliche Wochenarbeitszeit in Bund und Land seien hingegen nicht in die Berechnung einzustellen.
4Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage vollumfänglich abgewiesen. Die Ausgleichszulage habe dem Kläger bereits dem Grunde nach nicht zugestanden; ihre Berechnung könne ihn daher nicht in seinen Rechten verletzen. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Jahr 2019 in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung entschieden, dass die einschlägigen Vorschriften keine dynamische Rechtsstandswahrung beinhalteten, sondern lediglich betragsmäßig den Besitzstand des Beamten im Zeitpunkt seines Übertritts zum neuen Dienstherrn wahrten. Hieran gemessen komme eine Ausgleichszahlung von vornherein nicht in Betracht, weil die Dienstbezüge für die im Bund und im Land Hessen tätigen Beamten bis zum - und damit auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Übertritts zum - identisch gewesen seien. Auf die Frage, ob die Beklagte die ab dem in das Grundgehalt des Bundes eingerechnete Sonderzahlung zu Unrecht unberücksichtigt lasse, komme es daher nicht an. Bei der Berechnung der Ausgleichszulage seien auch weder der mögliche Funktionsaufstieg des Klägers bei seinem bisherigen Dienstherrn noch die unterschiedlichen Wochenarbeitszeiten für Beamte in Bund und Ländern zu berücksichtigen gewesen.
52. Die auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.
6a) Das Beschwerdevorbringen genügt bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Hieran fehlt es. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich darin, die inhaltliche Unrichtigkeit der Berufungsentscheidung zu rügen, ohne die aufgezählten Kritikpunkte den einzelnen Zulassungsgründen zuzuordnen. Der abschließende Hinweis im Beschwerdeschriftsatz, "die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist somit dargelegt, die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, aufgezeigt, und der Verfahrensmangel bezeichnet worden", genügt hierfür nicht. Der in der Berufungsinstanz vorgesehene Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist bei der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gerade nicht gegeben.
7b) Unabhängig davon sind auch in der Sache keine Zulassungsgründe ersichtlich.
8Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) scheidet schon deshalb aus, weil die maßgeblichen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind. Der Senat hat mit Urteil vom - 2 C 9.18 - (Buchholz 240 § 13 BBesG Nr. 8) entschieden, dass die Regelung über die Ausgleichszulage nach § 4 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes zu Übergangsregelungen zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom (RVOrgRefÜG) i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom (BBesG 2002) nicht als dynamische Rechtsstandswahrung, sondern lediglich dahingehend auszulegen ist, dass sie betragsmäßig den Besitzstand des Beamten im Zeitpunkt seines Übertritts zum neuen Dienstherrn wahrt. Damit hat das Bundesverwaltungsgericht seine frühere Judikatur (Urteile vom - 2 C 27.12 - Buchholz 240 § 13 BBesG Nr. 6 und - 2 C 12.13 - juris) ausdrücklich aufgegeben. Die gegen das Urteil aus dem Jahr 2019 erhobene Verfassungsbeschwerde hat das -) nicht zur Entscheidung angenommen.
9Die gegen die Rechtsprechungsänderung allgemein geäußerten Bedenken des Klägers geben dem Senat keinen Anlass zur erneuten Befassung mit der bereits eingehend diskutierten Rechtsfrage. Insbesondere verleiht der Umstand, dass der Kläger die geänderte Rechtsauffassung unter Berufung auf einen - überholten - Runderlass des Finanzministeriums aus dem Jahr 2001 für falsch hält, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass das Verwaltungsgericht seinerzeit auf der Basis der früheren Senatsrechtsprechung dem Begehren des Klägers dem Grunde nach stattgegeben hatte. Das Berufungsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung im Einklang mit - und gerade nicht in Abweichung von - der neuen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts revidiert, die Klage vollumfänglich abgewiesen und dementsprechend eine neue, einheitliche Kostenentscheidung für den gesamten Rechtsstreit getroffen. Die Ausführungen des Klägers zur Unrichtigkeit der Kostenentscheidung gehen daher fehl.
10Ebenfalls nicht zum Erfolg führt schließlich das Vorbringen des Klägers, neben dem Ziel, eine höhere Ausgleichszulage zu erhalten, werde die rechtswidrige Praxis der Besoldungsbehörde bei der Berechnung der Zulage im tatsächlichen Bezugszeitraum gerügt. Dieses dem Leistungsinteresse innewohnende Feststellungsinteresse habe das Berufungsgericht ignoriert und somit das rechtliche Gehör des Klägers unrechtmäßig verkürzt. Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. nur - BVerfGE 107, 395 <409>). Das Gericht ist aber nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen; erst recht ist es nicht gehalten, der Rechtsansicht einer Partei zu folgen. Ein Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist daher nicht ersichtlich. Ein Anspruch darauf, eine gerichtliche "Zwischenfeststellung" auf der Basis einer als fehlerhaft eingestuften Rechtsauffassung zu erhalten, besteht nicht.
113. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 sowie § 42 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 52 Abs. 2 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:110625B2B54.24.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-96261