Instanzenzug: Az: I-8 U 13/20vorgehend Az: 7 O 24/19
Tatbestand
1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb mit Rechnung von von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten neuen Audi Q5 quattro TDI, der mit einem 3.0-Liter-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet ist.
2Der Kläger verlangt im Wesentlichen, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher der Kläger die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer nach einer Formel zu berechnenden Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und die Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Prozesszinsen begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.
Gründe
3Die Revision des Klägers hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Ein Anspruch aus § 826 BGB bestehe nicht. Soweit der Motor des klägerischen Fahrzeugs unstreitig über ein sogenanntes Thermofenster verfüge, begründe ein solches vorliegend nicht den Vorwurf der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung. Deswegen komme es auf die Frage, ob es sich bei einem solchen Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele, nicht an. Der Vortrag zu weiteren, von der Beklagten bestrittenen Funktionen sei prozessual unbeachtlich, weil ins Blaue hinein gehalten. Ebenso wenig bestehe ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV. Die Regelungen der EG-FGV stellten keine Schutzgesetze dar, da das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, nicht im Aufgabenbereich der genannten Vorschriften liege.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
III.
10Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der bislang nicht geprüften Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
Möhring Katzenstein Ostwaldt
Tausch Pastohr
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090725UVIAZR247.22.0
Fundstelle(n):
RAAAJ-96248