Instanzenzug: Az: 21 U 1854/21vorgehend LG Ingolstadt Az: 52 O 2156/18
Tatbestand
1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Sie erwarb im September 2013 von einem Dritten einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Audi SQ5 3.0 TDI, der mit einem 3.0-Liter-Sechszylinder-Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5plus) ausgerüstet ist. Die Klägerin hat das Fahrzeug nach Klageerhebung weiterveräußert.
2Die Klägerin verlangt im Wesentlichen, sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung, mit welcher die Klägerin die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils beantragt und die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung und des Weiterveräußerungserlöses zuzüglich Zinsen (Berufungsantrag zu 1), die Zahlung von Deliktszinsen (Berufungsantrag zu 2) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag zu 3) begehrt hat, ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat im tenorierten Umfang zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge im Umfang der Zulassung weiter.
Gründe
3Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I.
4Das Berufungsgericht, das sich zu einer Haftung aus § 823 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht verhält, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:
5Ansprüche der Klägerin aus § 826 BGB bestünden nicht. Es könne zugunsten der Klägerin in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass es sich bei dem unstreitig verbauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele. Dies begründe vorliegend noch keinen Schadensersatzanspruch wegen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung. Weitere Abschalteinrichtungen seien nicht prozessual erheblich vorgetragen worden.
II.
6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.
71. Es begegnet allerdings keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine konkreten Einwände.
82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Zurückweisungsbeschlusses entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahr-zeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).
9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass der Klägerin nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20).
III.
10Die angefochtene Entscheidung ist demnach im Umfang des Urteilsausspruchs aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil sie sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird die Klägerin Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der bislang unterstellten Verwendung von unzulässigen Abschalteinrichtungen sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.
Möhring Katzenstein Ostwaldt
Tausch Pastohr
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:090725UVIAZR167.22.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-96246