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BFH Urteil v. - I R 4/24 (I R 80/12)

Klagebefugnis nach Vollbeendigung einer Personengesellschaft - Verstoß gegen Grundordnung des Verfahrens

Leitsatz

1. NV: Nach der Verschmelzung einer Personengesellschaft (hier: KG) auf eine Kapitalgesellschaft (hier: GmbH) erlischt die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung in der bis zum geltenden Fassung für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen. Die Klagebefugnis geht nicht auf den umwandlungsrechtlichen Rechtsnachfolger der vollbeendeten Personengesellschaft über (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. NV: Klagebefugt sind aufgrund der Vollbeendigung die Gesellschafter der ehemaligen Personengesellschaft, soweit sie jeweils hinsichtlich der Feststellungen in ihren eigenen Rechten betroffen sind (Bestätigung der Rechtsprechung). Eine nicht am Gewinn und Verlust einer KG beteiligte ehemalige Komplementärin ist wegen Feststellungen, die ausschließlich die Höhe des festzustellenden Gewinns betreffen, nicht in eigenen Rechten betroffen.

3. NV: Übersieht das Finanzgericht, dass eine weitere Person Klage erhoben hat, liegt darin ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt (Bestätigung der Rechtsprechung).

Gesetze: FGO i.d.F. bis zum 31.12.2023 § 40 Abs. 2; FGO i.d.F. bis zum 31.12.2023 § 48 Abs. 1 Nr. 1, 2

Instanzenzug:

Tatbestand

I.

1 Durch Verschmelzungsvertrag vom übertrug die . GmbH & Co. KG (F1-KG) ihr Vermögen nach § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 des UmwandlungsgesetzesUmwG— (Verschmelzung durch Aufnahme unter Auflösung ohne Abwicklung) mit steuerlicher Rückwirkung zum auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH. Die Klägerin war bis zu der Verschmelzung unter ihrer vormaligen Firma . GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der F1-KG.

2 Vor der Verschmelzung hatte die F1-KG mit Kaufvertrag vom zwei Grundstücke, auf denen ein Fabrik- und ein Verwaltungsgebäude standen, an die . GmbH & Co. KG (F2-KG) zu einem Kaufpreis in Höhe des Buchwerts von . DM veräußert und zugleich die Auflassung erklärt. An der F1-KG und der F2-KG waren dieselben Gesellschafter mit identischen Beteiligungsquoten beteiligt (als Kommanditistinnen zu 74,9 % CK und zu 25,1 % die . AG sowie die Klägerin als persönlich haftende Gesellschafterin ohne Beteiligung an den Gesellschaftsvermögen).

3 In den für die F1-KG für das Jahr 2001 (Streitjahr) abgegebenen Steuererklärungen wurde das im Zeitraum vom 01.01. bis zum erzielte Einkommen nicht erfasst, weil dieses aufgrund der umwandlungssteuerrechtlichen Rückwirkung nach Maßgabe von § 20 Abs. 7 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung bereits der Klägerin zuzurechnen sei. Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) folgte dem nach einer Außenprüfung insoweit nicht, als er die am zu Buchwerten vorgenommene Veräußerung der beiden Grundstücke an die F2-KG als der F1-KG zuzurechnenden und zur Aufdeckung der in den Grundstücken ruhenden stillen Reserven führenden Vorgang behandelte. Eine Buchwertübertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften sehe das Gesetz nicht vor. Es seien daher stille Reserven in Höhe von . DM (Fabrikgebäude) sowie von . DM (Verwaltungsgebäude) aufzulösen und der Besteuerung eines Veräußerungsgewinns zu unterwerfen. Auf dieser Grundlage erließ das FA für die F1-KG am einen geänderten Bescheid für 2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und am einen geänderten Bescheid für 2001 über den Gewerbesteuermessbetrag.

4 Mit ihrer —als Rechtsnachfolgerin der F1-KG erhobenen— Klage beantragte die Klägerin, die angefochtenen Änderungsbescheide aufzuheben, hilfsweise, eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes in Höhe von . DM zu bilden. Die Klage war mit dem Hauptantrag erfolgreich (Finanzgericht —FG— Baden-Württemberg, Urteil vom  - 13 K 1988/09, Betriebs-Berater 2013, 369).

5 Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des FA.

6 Der Senat hat mit Beschluss vom  - I R 80/12 (BFHE 241, 483, BStBl II 2013, 1004) das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) über die Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses der Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften eingeholt. Das (BVerfGE 168, 1) über das Normenkontrollersuchen entschieden. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen I R 4/24 (I R 80/12) fortgesetzt.

7 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am hat das FA auf der Grundlage der den Beteiligten vorab erteilten Hinweise zum Sachstand und des dazu geführten Rechtsgesprächs die Revision im Hinblick auf den Bescheid für 2001 über den Gewerbesteuermessbetrag (Klage der —im angefochtenen Urteil angesprochenen— Klägerin) zurückgenommen. Im Übrigen beantragt es, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8 Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

II.

9 Die —nach der Teilrücknahme (Gewerbesteuermessbescheid 2001) nur noch gegen die den Gewinnfeststellungsbescheid der F1-KG betreffende Entscheidung des FG gerichtete— Revision des FA erweist sich als im Ergebnis begründet und führt insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage der . GmbH (Klägerin) als unzulässig (nachfolgend 1.). Das FG hat des Weiteren verkannt, dass die Klage auch von CK als Kommanditistin der vormaligen F1-KG erhoben worden ist und mit der nur gegenüber der F1-KG ergangenen (vermeintlich das gesamte Klageverfahren abschließenden) Entscheidung gegen die Grundordnung des Verfahrens verstoßen (nachfolgend 2.).

10 1. Die von der Klägerin „als Rechtsnachfolgerin der F1-KG“ gegen den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 2001 der F1-KG erhobene Klage ist wegen fehlender Beschwer unzulässig.

11 a) Die Verschmelzung der F1-KG durch Aufnahme unter Auflösung ohne Abwicklung auf die Klägerin hat gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 UmwG mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister zum Erlöschen der F1-KG und damit zu deren Vollbeendigung geführt. Mit der zivilrechtlichen Vollbeendigung erlischt die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO in der bis zum geltenden —und damit für die Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen des Klageverfahrens maßgebenden— Fassung (FGO a.F.) für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen. Die Klagebefugnis geht nicht auf den umwandlungsrechtlichen Rechtsnachfolger der vollbeendeten Personengesellschaft über, vielmehr erlangen die Feststellungsbeteiligten ihre vormals überlagerte Klagebefugnis wieder (s. allgemein zur Situation der Vollbeendigung der Gesellschaft z.B. , BFHE 241, 132, BStBl II 2013, 705; vom  - IV R 21/19, BFHE 279, 111, BStBl II 2023, 474; s. zur Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft z.B. , BFH/NV 2019, 1234; aus der Literatur —je m.w.N.— z.B. Gräber/Levedag, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 48 Rz 48; Brandis in Tipke/Kruse, § 48 FGO Rz 15; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 101).

12 Klagebefugt sind aufgrund der Vollbeendigung die Gesellschafter der ehemaligen Personengesellschaft im Rahmen des § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO a.F., soweit sie jeweils hinsichtlich der Feststellungen in ihren eigenen Rechten betroffen sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom  - I R 8/19, BFH/NV 2024, 759; s.a. , BFHE 214, 40, BStBl II 2006, 847 und BFH-Beschlüsse vom  - VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426 und vom  - IV R 25/10, BFH/NV 2014, 170; aus der Literatur z.B. Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 103; weitergehend [Einbezug einer gesellschaftsbezogenen Beschwer] Brandis in Tipke/Kruse, § 48 FGO Rz 24).

13 b) Zwar war die Klägerin bis zur Verschmelzung persönlich haftende Gesellschafterin der F1-KG. Als nicht am Vermögen —und ebenfalls nicht an Gewinn oder Verlust— der F1-KG beteiligte Komplementärin ist sie jedoch durch die angefochtene, auf der Auflösung der stillen Reserven der Grundstücke beruhende Gewinnfeststellung der F1-KG nicht in ihren eigenen Rechten betroffen (s. allgemein , BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 48 FGO Rz 104), so dass es ihr in Bezug auf die angefochtene Feststellung an der erforderlichen Klagebefugnis fehlt.

14 2. Das Urteil der Vorinstanz kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das FG nur die Klägerin, nicht aber auch CK als Kommanditistin der vormaligen F1-KG als (weitere) Klägerin angesehen hat. Darin liegt ein von Amts wegen zu beachtender Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der unmittelbar zur Aufhebung des Urteils führen muss (s. , BFH/NV 2023, 120).

15 a) Das FG hat allein die Klägerin als Aktivbeteiligte angesehen, wie sich aus dem Tenor in Verbindung mit dem Urteilsrubrum und der durchgängig im Urteilstext verwendeten Bezeichnung als „die Klägerin“ ergibt.

16 b) Aus der Klageschrift vom und den nachfolgenden erstinstanzlichen Schriftsätzen der Prozessbevollmächtigten ergibt sich jedoch, dass die Klage nicht nur von der Klägerin (vertreten durch CK als Geschäftsführerin), sondern zusätzlich auch von CK selbst in ihrer Stellung als Kommanditistin der vormaligen F1-KG —an die der angefochtene Feststellungsbescheid auch adressiert ist— erhoben worden ist.

17 Das Rubrum der Klageschrift lautet:

„In dem Rechtsstreit

. GmbH [Klägerin]

.

als Rechtsnachfolgerin der Firma . GmbH & Co. KG [F1-KG]

vertreten durch deren Geschäftsführerin,

Frau CK

und

Frau CK

als Kommanditistin der . GmbH & Co. KG [F1-KG]

- Kläger -“

18 Darüber hinaus haben die Prozessbevollmächtigten in der Klagebegründung den „Rechtsstreit . [Klägerin] u.a. ./. Finanzamt . [FA]“ bezeichnet und zwei verschiedene Prozessvollmachten eingereicht (FG-Akte, Bl. 23 ff.), sodass am Vorliegen einer subjektiven Klagehäufung (als aktive Streitgenossenschaft im Sinne des § 59 FGO) kein Zweifel bestehen kann.

19 Das FG hat die Klageerhebung durch CK übersehen oder missverstanden und die Erwähnung von CK im Aktivrubrum der Klageschrift offenbar ausschließlich auf deren Funktion als Geschäftsführerin der Klägerin bezogen, was sich aus der Formulierung im Urteilsrubrum („vertreten durch [CK] als Kommanditistin der [F1-KG]“) ergibt. Soweit der Vertreter der Klägerin eine Interpretation des Urteilsrubrums für möglich hält, die CK als weitere Klägerin einschließt, vermag der Senat dem —insbesondere aufgrund der durchgängigen Verwendung des Singulars „Klägerin“ durch das FG— nicht zu folgen. Somit ist festzustellen, dass das FG lediglich über die Klage der Klägerin, nicht aber über diejenige von CK als Gesellschafterin der vormaligen F1-KG mündlich verhandelt und entschieden hat, was nachzuholen ist.

20 3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.260325.IR4.24.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-96063