Suchen Barrierefrei
BGH Urteil v. - IV ZR 93/24

Leitsatz

Ein Vermächtnis, das ein Patient dem ihn behandelnden Arzt zuwendet, ist nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 der Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (entspricht § 32 Abs. 1 Satz 1 der Muster-Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte) in Verbindung mit den §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB unwirksam.

Gesetze: § 134 BGB, § 2171 Abs 1 BGB, § 32 Abs 1 S 1 ÄBerufsO WLi

Instanzenzug: Az: I-10 U 14/24 Beschlussvorgehend LG Bielefeld Az: 19 O 124/22

Tatbestand

1    Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Arztes (im Weiteren: Schuldner), nimmt die Beklagte auf Erfüllung eines Vermächtnisses in Anspruch.

2    Der Schuldner war seit dem Frühjahr 2015 Hausarzt des im Januar 2018 ledig und kinderlos verstorbenen Erblassers. Die Beklagte pflegte den Erblasser. Am schlossen der Erblasser (bezeichnet als Erschienener zu 1), der Schuldner (bezeichnet als Erschienener zu 2) sowie die Beklagte und deren Tochter vor einem Notar eine als "Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag" bezeichnete Vereinbarung. Darin heißt es auszugsweise:

"Der Erschienene zu 1.) ist von dem Verhalten seiner Verwandtschaft schwer enttäuscht.

Der Erschienene zu 1.) möchte - wie dieses bereits seit einiger Zeit geschieht - sichergestellt haben, dass seine medizinische und pflegerische sowie sonstige Versorgung gewährleistet ist.

1.

Zu dem Zwecke verpflichtet sich der Erschienene zu 2.) gegenüber dem Erschienenen zu 1.) zur Erbringung der nachfolgend aufgeführten über die reine ärztliche Versorgung hinausgehenden Leistungen:

-    Medizinische Beratung und Behandlung im Erkrankungsfall;

-    Hausbesuche für den Fall, dass kein Praxisbesuch möglich ist;

-    Telefonische Erreichbarkeit auch am Wochenende und in den Abendstunden/Nachts;

-    Beratung zur medikamentösen Behandlung;

-    Gespräche mit den Fachkollegen über Besonderheiten im Krankheitsfall;

-    Betreuung im häuslichen Bereich bei Zunahme von alterstypischen Veränderungen z.B. Gedächtnisstörungen;

-    Patientenverfügung erstellen;

-    Betreuungsmaßnahmen zu Angelegenheiten Post/Finanzen etc. (sofern gewünscht);

-    Beratungen/Behandlung für den Fall einer Pflegebedürftigkeit (Pflegedienst etc.);

-    Beratungen und Betreuung im Umgang mit behördlichen Angelegenheiten (Pflegestufe/Schwerbehinderung).

4.

Der Erschienene zu 1.) seinerseits bestimmt, dass im Falle seines Todes der Erschienene zu 2.) als Gegenleistung das dem Erschienenen zu 1.) gehörende im Grundbuch … verzeichnete Grundstück … erhält.

Den Parteien ist bewusst, dass Leistung und Gegenleistung gegebenenfalls in einem erheblichen Missverhältnis zueinander stehen können z.B. dann, wenn der Erschienene zu 1.) kurzfristig verstirbt.

Alle Beteiligten erklärten sich allerdings bereit, dieses Risiko auf sich nehmen zu wollen.“

3    Am errichtete der Erblasser ein notarielles Testament, in dem er die Beklagte im Hinblick auf sein nicht vom Betreuungs-, Versorgungs- und Erbvertrag erfasstes Vermögen zu seiner Alleinerbin einsetzte.

4    Im Dezember 2019 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Er hat die Beklagte auf Übertragung des in der Vereinbarung vom Januar 2016 dem Schuldner zugewandten Grundstücks in Anspruch genommen. Die Beklagte hält die Zuwendung unter anderem wegen Sittenwidrigkeit und Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 der für den Schuldner geltenden Berufsordnung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (im Weiteren: BO-Ä) für unwirksam. Diese Vorschrift lautet:

"Unerlaubte Zuwendung

(1) Es ist nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten oder anderen Geschenke oder andere Vorteile für sich oder Dritte zu fordern oder sich oder Dritten versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. …"

5    In den Vorinstanzen ist die Klage erfolglos geblieben. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter

Gründe

6    Die Revision hat Erfolg.

7    I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe den Erblasser allein beerbt. Die Regelung in Nr. 4 der Vereinbarung vom hat es als Vermächtnisanordnung zugunsten des Schuldners ausgelegt. Der Vermächtnisanspruch sei allerdings nach der maßgeblichen Rechtslage zum Zeitpunkt des Erbfalls gemäß den §§ 134, 2171 BGB unwirksam, da dem Schuldner ein standesrechtlicher Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä vorzuwerfen sei. Diese Vorschrift sei ein Verbotsgesetz, da sie § 30 BO-Ä konkretisiere, der auf die Sicherung der Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung gerichtet sei.

8    Der Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä führe zur Teilnichtigkeit der Vereinbarung vom Januar 2016 hinsichtlich deren den Schuldner betreffenden Bestimmungen. Anders als bei einer testamentarischen Verfügung sei es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar, wenn der Schuldner trotz seines Verstoßes einen Anspruch aus dem Vertrag mit dem Erblasser geltend machen könne. § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä diene dem auf die Ärzteschaft allgemein bezogenen und hier betroffenen abstrakten Vertrauen in die Freiheit und Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen und damit letztlich dem Ansehen und der Integrität der Ärzteschaft. Verfassungsrechtliche Aspekte gäben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung, weil aus der Unwirksamkeit der vertragsmäßig bindenden Vermächtniszuwendung gerade keine ungerechtfertigte Einschränkung der Testierfreiheit des Erblassers zu Lebzeiten folge. Werde der Verstoß des Schuldners gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä nicht gemäß § 134 BGB sanktioniert, sei es dem Erblasser vielmehr nicht möglich, sich von seiner einmal übernommenen, zweifelsfrei bindenden vertragsmäßigen Verfügung zu lösen.

9    II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung kann der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht verneint werden. Das in Nr. 4 der Vereinbarung vom Januar 2016 zugunsten des Schuldners angeordnete Vermächtnis ist nicht wegen Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä gemäß den §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB unwirksam. Zwar können Vorschriften in berufsständischen Satzungen von Selbstverwaltungskörperschaften Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB sein (, NJW-RR 2022, 336 Rn. 17; Urteile vom - I ZR 231/10, GRUR 2012, 1050 Rn. 20 ff.; vom - III ZR 135/02, NJW-RR 2003, 1175 [juris Rn. 8]; jeweils m.w.N.). Ein möglicher Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä hat aber nicht die Unwirksamkeit des Vermächtnisses zugunsten des Schuldners zur Folge.

10    1. Für ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ordnet § 134 BGB nicht ausnahmslos die Nichtigkeit an. Diese Rechtsfolge ist vielmehr davon abhängig, dass sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. § 134 BGB kann daher nicht ohne Rückgriff auf das verletzte Verbot angewendet werden. Fehlt es der Verbotsvorschrift - wie im Fall des § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä - an einer Rechtsfolgenregelung, sind Sinn und Zweck des verletzten Verbots entscheidend. Erforderlich ist eine Abwägung, ob es mit dem Sinn und Zweck des Verbots vereinbar ist, die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen (Senatsurteil vom - IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263, 265 [juris Rn. 14]; , NJW-RR 2016, 892 Rn. 19; Urteil vom - IX ZR 25/14, NJW 2014, 3568 Rn. 14).

11    2. Auf dieser Grundlage erfordern es Sinn und Zweck des § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä indessen nicht, das zugunsten des Schuldners angeordnete Vermächtnis als unwirksam anzusehen.

12    a) Betrifft das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner, so hat dies im Regelfall nicht die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge (Senatsurteil vom - IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263, 265 [juris Rn. 14]; , NJW 2014, 3568 Rn. 15; vom - III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426 Rn. 12). Maßgebend hierfür ist nicht, ob das vom Verbot erfasste Rechtsgeschäft ein- oder zweiseitig ist, sondern, an welchen der am Rechtsgeschäft Beteiligten sich das gesetzliche Verbot richtet. Adressat des Verbots in § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä ist aber allein der Arzt und nicht dessen Patient (OLG Frankfurt ZEV 2024, 171 Rn. 38; Litzenburger ZEV 2024, 174).

13    Schon ihrem Wortlaut nach verbietet die Vorschrift nur ein Verhalten des Arztes, indem sie ihm nicht gestattet, Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen. Dem entspricht es, dass die Rechtsetzungsgewalt der die Berufsordnung erlassenden Landesärztekammer ausschließlich die Regelung eigener Angelegenheiten umfasst (, NJW 1981, 2007 [juris Rn. 14]; Flöck NZFam 2024, 574; MünchKomm-BGB/Armbrüster, 10. Aufl. § 134 Rn. 42), sich die Berufsordnung also nur an den Arzt und nicht an dessen Patienten richtet (Rehborn in Prütting, Medizinrecht 7. Aufl. Einl. MBOÄ Rn. 5).

14    Das Verbot des § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä bezweckt auch keinen Schutz des Erbrechts der Angehörigen des Patienten (Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 270, 272). Die Vorschrift soll vielmehr das Ansehen und die Integrität der Ärzteschaft sichern. Von Patienten Geschenke oder andere Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, ist Ärzten schon nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä nur untersagt, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird. Weil insoweit Zweifel an der Unabhängigkeit aus der Sicht eines objektiven Beobachters genügen, schützt das Verbot nicht nur die konkrete Unabhängigkeit des Arztes, sondern auch das abstrakte Vertrauen der Allgemeinheit in die Freiheit und Unabhängigkeit ärztlicher Entscheidungen (Landesberufsgericht für Heilberufe Münster MedR 2008, 397 [juris Rn. 56]; Plantholz/Rochon, FamRZ 2001, 270, 271; Spickhoff/Scholz Medizinrecht 4. Aufl. § 32 MBO Rn. 1; vgl. VG Berlin medstra 2022, 57 Rn. 48; Ärztegerichtshof des Saarlandes MedR 2011, 752 [juris Rn. 21]). Den Schutz des zuwendenden Patienten bezweckt § 32 Abs.1 Satz 1 BO-Ä dagegen nicht.

15    b) Daran ändert es nichts, dass ein nur einen Vertragspartner betreffendes gesetzliches Verbot ausnahmsweise zur Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts führt, wenn es mit dem Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes nicht vereinbar wäre, die durch das Rechtsgeschäft getroffene rechtliche Regelung hinzunehmen und bestehen zu lassen, und hieraus die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts gefolgert werden muss (Senatsurteil vom - IVa ZR 28/80, BGHZ 78, 263, 265 [juris Rn. 14]; , NJW 2014, 3568 Rn. 15; vom - III ZR 107/10, NJW-RR 2011, 1426 Rn. 12). Das ist hier nicht der Fall. Mit dem Schutz der Unabhängigkeit des Arztes sowie des Ansehens und der Integrität der Ärzteschaft ist es nicht unvereinbar, eine Zuwendung von Todes wegen zugunsten des behandelnden Arztes als wirksam anzusehen. Die Durchsetzung des allein an den Arzt gerichteten Verbots kann vielmehr durch berufsrechtliche Sanktionen ausreichend sichergestellt werden. Kann das Verbot mit Mitteln des Berufsrechts durchgesetzt werden, besteht kein Allgemeininteresse daran, eine berufsordnungswidrige Zuwendung als unwirksam anzusehen (Senatsurteil vom - IVa ZR 28/80 aaO S. 266 f. [juris Rn. 17]; aaO Rn. 18).

16    3. Außerdem verbietet die grundgesetzlich geschützte Testierfreiheit des Patienten, die Unwirksamkeit eines zugunsten des ihn behandelnden Arztes angeordneten Vermächtnisses aus dem berufsrechtlichen Verbot des § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä herzuleiten.

17    a) Die Testierfreiheit ist ein bestimmendes Element der Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dient der Selbstbestimmung des Einzelnen im Rechtsleben (Senatsurteil vom - IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368 unter II [juris Rn. 8]; , BGHZ 118, 361 unter III 1 c [juris Rn. 13]; BVerfGE 112, 332 Rn. 62; 99, 341, 350 [juris Rn. 41]). Kraft seiner Testierfreiheit darf der Erblasser zu Lebzeiten einen von der gesetzlichen Erbfolge abweichenden Übergang seines Vermögens nach seinem Tod an einen oder mehrere Rechtsnachfolger anordnen. Dadurch wird ihm die Möglichkeit eingeräumt, die Erbfolge selbst durch Verfügung von Todes wegen weitgehend nach seinen persönlichen Wünschen und Vorstellungen zu regeln (Senatsbeschluss vom - IV ZB 19/97, BGHZ 140, 118, 128 [juris Rn. 36]; BVerfGE 112, 332 Rn. 62; BVerfGE 99, 341, 350 [juris Rn. 41]).

18    b) Dieses Recht des Erblassers wäre verletzt, wenn ein Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä eine letztwillige Verfügung unwirksam werden ließe. Zwar bilden gesetzliche Verbote im Sinne der §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB eine Schranke der Testierfreiheit (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZB 19/97, BGHZ 140, 118, 128 [juris Rn. 37]; , ErbR 2020, 247 Rn. 14). Dessen ungeachtet darf in die Testierfreiheit aber nur in Verfolgung eines verfassungsrechtlich legitimen Zwecks und nur unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eingegriffen werden (BVerfG ZEV 1998, 312 [juris Rn. 6]). Das ist hier nicht der Fall.

19    aa) Für eine Beschränkung der Testierfreiheit durch § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä fehlt schon eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Entscheidungen, die für die Grundrechtsausübung wesentlich sind, müssen durch den Gesetzgeber getroffen werden und dürfen nicht anderen Normgebern überlassen bleiben (BVerfG NJW 2023, 831 Rn. 182). Eine Einschränkung der Testierfreiheit bedarf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage in einem Gesetz (vgl. BVerfGE 161, 299 Rn. 126), die den Umfang der Ermächtigung für den Adressaten erkennbar und vorhersehbar festlegt (BVerfG NVwZ 2022, 1129 Rn. 40). Daran fehlt es für § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä, wenn er als eine Verbotsnorm verstanden wird, die den durch letztwillige Verfügung zuwendenden Patienten schützen soll. Die Ermächtigung der Ärztekammer Westfalen-Lippe zum Erlass ihrer Berufsordnung findet sich in § 31 Abs. 3 Satz 1 des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen (HeilBerG NRW) vom (GVBl. NRW 2000, 403), der nur bestimmt, dass die Berufsordnung von der zuständigen Kammer erlassen wird. Zwar folgt aus § 31 Abs. 1 HeilBerG NRW, dass die Berufsordnung der näheren Regelung der in § 30 HeilBerG NRW aufgeführten Berufspflichten dient. Diese umfassen aber ebenso wenig Beschränkungen von Zuwendungen auf den Todesfall durch Patienten wie die in § 32 HeilBerG NRW enthaltenen Vorgaben für Regelungsinhalte der Berufsordnungen. Danach fehlt es schon an einer Ermächtigung der Ärztekammer, um in ihrer Berufsordnung die Testierfreiheit der Patienten beschränkende Regelungen zu treffen. Jedenfalls können Patienten den Regelungen des Heilberufsgesetzes Nordrhein-Westfalen weder den Zweck noch die Reichweite einer Ermächtigung für einen Eingriff in ihre Testierfreiheit entnehmen. Insoweit fehlt es an der verfassungsrechtlich erforderlichen Vorhersehbarkeit der Folgen der Ermächtigung (vgl. Litzenburger, ZEV 2024, 174, 175 zu § 17 HessHeilberufsG).

20    bb) Darüber hinaus greift eine auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä gestützte Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen zugunsten des behandelnden Arztes unverhältnismäßig in die Testierfreiheit des Patienten ein. Der Eingriff kann nicht mit Blick auf das Interesse des Patienten gerechtfertigt werden, eine Verfügung von Todes wegen frei von offenem oder verstecktem Druck des ihn behandelnden Arztes errichten zu können (vgl. BVerfG ZEV 1998, 312 [juris Rn. 8]; OLG Frankfurt NJW 2015, 2351 [juris Rn. 13] jeweils zu § 14 HeimG a.F.). § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä, der sich allein an den behandelnden Arzt richtet, bezweckt keinen Schutz des Patienten vor unlauterer Einflussnahme durch den Arzt bei der Errichtung letztwilliger Verfügungen.

21    Stattdessen missachtet die Annahme einer auf § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä gestützten Unwirksamkeit letztwilliger Verfügungen eines Patienten zugunsten seines Arztes, dass nach den Umständen des Einzelfalls ein berechtigtes Interesse des Patienten an einer solchen letztwilligen Verfügung bestehen kann (Krätzschel NJW 2024, 1049; ebenso BVerfG ZEV 1998, 312 [juris Rn. 11] zu § 14 HeimG a.F.). Diese Beschränkung der Entscheidungsfreiheit des Patienten ist nicht durch den von § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä bezweckten Schutz des Ansehens und der Integrität der Ärzteschaft gerechtfertigt. Es fehlt schon an einer Möglichkeit, dem Interesse des Patienten an einer Zuwendung zugunsten des Arztes im Einzelfall Rechnung zu tragen. Ein Erlaubnisvorbehalt, der die Prüfung dieses Interesses im Einzelfall ermöglichen könnte (dazu OLG Frankfurt ZEV 2024, 174 Rn. 40; vgl. Kroiß in Kroiß/Horn/Salomon, NachfolgeR 3. Aufl. § 14 HeimG Rn. 7; Keim notar 2017, 119, 121; jeweils zu § 14 HeimG), ist in der Berufsordnung für Ärzte nicht vorgesehen. Ebenso wenig kann der Patient eine letztwillige Verfügung zugunsten des Arztes dadurch wirksam errichten, dass er die Verfügung ohne Wissen des Arztes errichtet (dazu BVerfG ZEV 1998, 312 aaO). § 32 Abs. 1 Satz 1 BO-Ä unterscheidet seinem Wortlaut nach nicht zwischen dem Arzt bekannten Zuwendungen und solchen, die ohne sein Wissen veranlasst und ihm bis zum Tod des Patienten nicht bekannt gemacht werden.

22    III. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung stellt sich das angefochtene Urteil auch nicht aus anderen Gründen im Sinne von § 561 ZPO als richtig dar.

23    1. Das Vermächtnis zugunsten des Schuldners ist nicht gemäß den §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen Vorschriften über Straftaten gegen den Wettbewerb unwirksam. Ein Verstoß gegen § 299 Abs. 1 oder 2 StGB setzt ein Handeln im geschäftlichen Verkehr als Angestellter oder Beauftragter eines Unternehmens voraus. Dazu ist nichts vorgetragen. Der Unternehmensinhaber, der innerhalb seiner Vertragsfreiheit Verträge nach Belieben schließen darf, ist vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst (, NStZ 2022, 413 Rn. 14 ff.).

24    Die Strafbarkeit gemäß den §§ 299a, 299b StGB erfordert jeweils eine Bevorzugung eines anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb, also eine sachfremde Entscheidung zwischen zumindest zwei Bewerbern, die Wettbewerb und Benachteiligung eines Konkurrenten voraussetzt (, NStZ-RR 2015, 278 [juris Rn. 55]). Dazu haben die Parteien ebenfalls nicht vorgetragen. Erfasst wird allein der Wettbewerb zwischen Unternehmen, nicht dagegen das Streben der Patienten nach bestmöglicher Behandlung (BT­Drucks. 18/6446 S. 18; LG Nürnberg-Fürth MedR 2022, 688 Rn. 48 ff.). Dementsprechend genügt ein etwaiger Wille des Patienten, durch seinen Arzt bestmöglich versorgt zu werden, für eine Strafbarkeit des Arztes nicht.

25    2. Ein zur Unwirksamkeit des Vermächtnisses führender Verstoß gegen § 138 Abs. 1 oder 2 BGB lässt sich auf der Grundlage des bisherigen Parteivortrags nicht feststellen. Ohnehin kommt eine Einschränkung der Testierfreiheit eines Erblassers durch Anwendung der Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn sich die Sittenwidrigkeit auf eine klare, deutlich umrissene Wertung des Gesetzgebers oder allgemeine Rechtsauffassung stützen kann (Senatsurteil vom - IV ZR 231/92, BGHZ 123, 368 unter III 2 c [juris Rn. 27]; , ErbR 2020, 247 Rn. 15), wobei in diesen Fällen stets die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts und nicht dessen Rechtfertigung konkret begründet werden muss ( aaO Rn. 14). Verstößt ein Rechtsgeschäft nicht bereits seinem Inhalt nach gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- oder Sittenordnung, muss zudem ein persönliches und vorwerfbares Verhalten hinzukommen (, NJW 2019, 3635 Rn. 24), für das die Motive des Begünstigten, die von ihm verfolgten Zwecke und die Art und Weise seines Vorgehens von Bedeutung sind (Senatsurteil vom - IV ZR 121/89, FamRZ 1990, 1343 [juris Rn. 14]; vgl. auch , ZEV 2023, 239 Rn. 18). Ein solcher Vorwurf lässt sich auf die bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zu den Umständen des Zustandekommens der Vereinbarung vom Januar 2016 und zum Verhältnis zwischen dem Wert des vermachten Grundstücks und der vom Schuldner im Gegenzug zu erbringenden Leistungen nicht stützen.

26    3. Dem Kläger ist es schließlich nicht nach Treu und Glauben verwehrt, den Vermächtnisanspruch geltend zu machen. Das Berufen auf eine letztwillige Verfügung kann sich dann als unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn sie zwar nach den Verhältnissen zur Zeit ihrer Errichtung nicht gegen die guten Sitten verstößt, infolge später eingetretener Umstände aber nach dem Erbfall zu gegen die guten Sitten verstoßenden Auswirkungen führte (Senatsurteil vom - IV ZR 294/55, BGHZ 20, 71, 75 [juris Rn. 11]). Das ist weder durch das Berufungsgericht festgestellt noch dem Vortrag der Parteien zu entnehmen.

27    IV. Das angefochtene Urteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist, da sie nicht entscheidungsreif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Entscheidungsreife steht es entgegen, wenn in der Revisionsinstanz ein Gesichtspunkt Bedeutung erlangt, den die Vorinstanzen für unmaßgeblich gehalten haben und hierzu neuer Sachvortrag auch nur möglich erscheint oder ein gerichtlicher Hinweis zu erteilen ist (, NJW 2017, 806 Rn. 56). So liegt es hier. Die Feststellungen zu einer etwaigen Sittenwidrigkeit der Vermächtnisanordnung sind - aus der Sicht des Berufungsgerichts folgerichtig - erkennbar nicht abschließend. Nachdem sich die Vorinstanzen auf eine Unwirksamkeit wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot konzentriert haben, ist insoweit außerdem den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

Prof. Dr. Karczewski          Dr. Brockmöller          Dr. Bußmann

                             Dr. Götz                       Rust

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:020725UIVZR93.24.0

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2025 S. 1900
NWB-Eilnachricht Nr. 28/2025 S. 1900
QAAAJ-96030