Instanzenzug: SG Schleswig Az: S 10 KR 15/18 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Az: L 5 KR 35/20 Urteil
Tatbestand
1Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der an die Klägerin ausgezahlte Pauschalbetrag für die Pflege und Erziehung ihrer drei Pflegekinder bei der Bemessung der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu berücksichtigen ist.
2Die Klägerin ist bei der Beklagten seit freiwillig krankenversichert und bei der Beigeladenen pflegeversichert. Sie betreut seitdem die Pflegekinder D (geb 2004) und F (geb 2008) sowie seit das dritte Pflegekind M (geb 2013) in Vollzeitpflege. Es handelt sich um Geschwisterkinder, die jeweils an einem fetalen Alkoholsyndrom unterschiedlicher Ausprägung leiden. Die Klägerin erhielt im Rahmen der Jugend- und später Eingliederungshilfe zusätzlich zu den Leistungen für die materiellen Aufwendungen der Pflegekinder ein monatliches "Erziehungsgeld" für ihre erzieherische Tätigkeit in Höhe von 1896 Euro.
3Die Beklagte erhob Beiträge auf das Erziehungsgeld als einziges Einkommen. Auf einen im August 2016 gestellten Überprüfungs- und Erstattungsantrag der Klägerin setzte die Beklagte Mindestbeiträge in Höhe von zuletzt 178 Euro fest (Bescheid vom ). Ab April 2017 berücksichtigte sie das Erziehungsgeld wieder als beitragspflichtige Einnahme und forderte Beiträge zur GKV sowie zur sozialen Pflegeversicherung (sPV) in Höhe von monatlich 340,33 Euro (Bescheid vom ), ab September 2017 wegen einer Erhöhung des Erziehungsgelds in Höhe von monatlich 344,14 Euro. Sie habe das nach § 39 SGB VIII geleistete Erziehungsgeld fehlerhaft nicht als Einkommen berücksichtigt. Aus Gründen des Vertrauensschutzes verbleibe es für die Zwischenzeit bei den Mindestbeiträgen (Widerspruchsbescheid vom ).
4Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung für den (noch) streitigen Zeitraum von April bis August 2017 zurückgewiesen. Das Erziehungsgeld diene nicht dem Ausgleich eines Sachaufwands, sondern sei ein Entgelt für die geleistete Erziehung. Es stehe bei wirtschaftlicher Betrachtung zur freien Verfügung. Der mit dem Erziehungsgeld verbundene Anreiz werde durch die Beitragserhebung nicht vollständig aufgehoben. Aus § 11a Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB II, wonach die Leistungen für den erzieherischen Einsatz nach § 39 SGB VIII erst für das dritte Pflegekind zu 75 vH sowie für das vierte und jedes weitere Pflegekind in voller Höhe als Einkommen angerechnet werde, ergebe sich nichts anderes. Eine einheitliche privilegierende Regelung in der Rechtsordnung existiere nicht. Im "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" sei die Beitragspflicht in hinreichend bestimmter Weise vorgesehen (Urteil vom ).
5Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 240 SGB V iVm § 3 Abs 1 Satz 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler (BeitrVerfGrsSz). Das Erziehungsgeld sei eine zweckgebundene Sozialleistung, die bei wertender Betrachtung entsprechend den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht verbeitragt werden dürfe. Der finanzielle Anreiz zur Aufnahme insbesondere entwicklungsbeeinträchtigter Pflegekinder dürfe nicht geschmälert werden.
8Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
9Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Gründe
10Die zulässige Revision der Klägerin führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und der Verwaltungsentscheidung im beantragten Umfang (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Vergleich über die Beiträge zur sPV und den Antrag auf Erstattung eventuell überzahlter Beiträge geschlossen hatten, war nur noch über die Beitragsfestsetzung in der GKV oberhalb der Mindestbeiträge für die Zeit vom 1.4. bis zum zu entscheiden. Insoweit ist zu Unrecht die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen worden.
11I. Die Klägerin hat ihr Begehren nach Festsetzung der Beiträge ohne Berücksichtigung des Erziehungsgelds zulässig mit einer Teilanfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) verfolgt. Sie hat die Beitragshöhe nur insoweit angefochten, als diese die Mindestbeiträge nach § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V überschritten hat. In diesem Umfang ist der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom rechtswidrig und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Die Verpflichtung, Beiträge nach dem Mindesteinkommen in Höhe von 1/90stel der monatlichen Bezugsgröße zu entrichten, bleibt im Übrigen zu Recht unberührt (vgl entsprechend beim Bezug von Elterngeld trotz Beitragsfreiheit nach § 224 SGB V, s auch - SozR 4-2500 § 224 Nr 1).
12II. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte den Mindestbeiträge festsetzenden Bescheid vom verfahrensrechtlich rechtmäßig nach § 45 SGB X für die Zukunft zurückgenommen hat. Denn sie war nach den Maßstäben für die Beitragserhebung freiwilliger Mitglieder (dazu 1.) schon materiell-rechtlich nicht berechtigt, das Erziehungsgeld im streitigen Zeitraum der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Der jedenfalls hier im Vordergrund stehende Zweck, die Aufnahmebereitschaft von Pflegekindern in Vollzeitpflege zu fördern und anzuerkennen, erfordert es, der Klägerin das Erziehungsgeld ungeschmälert zu belassen (dazu 2.). Dem steht - wie bei dem nach § 240 Abs 2 Satz 4 SGB V (in der Fassung <idF> des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom , BGBl I 1990) nicht als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigenden Pflegegeld nach § 37 SGB XI - nicht entgegen, dass die Klägerin keinen originären eigenen Anspruch auf das Erziehungsgeld hat und den für die Erziehungsleistung bezogenen Pauschalbetrag nicht für einen Bedarf des Kindes verwenden muss (dazu 3.). Ein professionelles Erziehungsverhältnis mit einer "echten" Vergütung liegt hier nicht vor (dazu 4.). Insoweit wird das Erziehungsgeld auch bei der Bewilligung der einkommensabhängigen Sozialleistungen nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) und dem SGB II nicht oder nur eingeschränkt als Einkommen berücksichtigt (dazu 5.). Darüber hinaus ist nicht erforderlich, dass der Erziehungsbeitrag im "gesamten" Sozialrecht privilegiert ist. Der hier gebotenen beitragsrechtlichen Privilegierung steht die Rechtsprechung des BGH zur Berücksichtigung des Erziehungsgelds bei der Verfahrenskostenhilfe nicht entgegen (dazu 6.).
131. Nach § 240 Abs 1 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 sowie Abs 2 Satz 1 SGB V (idF des GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetzes vom , BGBl I 1133) wird die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder der GKV einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (SpVBdKK) geregelt; dabei ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt und bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds herangezogen werden, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind. Diesem Regelungsauftrag ist der SpVBdKK durch Erlass der BeitrVerfGrsSz vom (Die Beiträge 2009, 183 ff; für die hier streitige Zeit ab idF der sechsten Änderung vom ) grundsätzlich im Einklang mit höherrangigem Gesetzes- und Verfassungsrecht ( - SozR 4-2500 § 240 Nr 32 RdNr 15 mwN) nachgekommen.
14Gemäß § 2 Abs 1 Satz 1 und 2 BeitrVerfGrsSz werden die Beiträge nach den beitragspflichtigen Einnahmen des Mitglieds bemessen, wobei die Beitragsbemessung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen hat. Als beitragspflichtige Einnahmen sind das Arbeitsentgelt, das Arbeitseinkommen, der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, der Zahlbetrag der Versorgungsbezüge sowie alle Einnahmen und Geldmittel, die für den Lebensunterhalt verbraucht werden oder verbraucht werden können, ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung zugrunde zu legen (§ 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz). Die Grenzziehung zwischen beitragspflichtigen und ausnahmsweise von der Beitragspflicht ausgenommenen Leistungen erfordert eine wertende Entscheidung dazu, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts zugeordnet werden können oder ob sie stattdessen eine besondere, eigenständige Zweckbestimmung außerhalb des allgemeinen Lebensunterhalts aufweisen (etwa weil sie Leistungen vergleichbar sind, für die dies in der Rechtsprechung des BSG anerkannt worden ist, vgl - SozR 4-2500 § 240 Nr 22 RdNr 22). Der Senat hat nur in seltenen Ausnahmefällen bestimmte Einnahmen, die nicht in erster Linie auf die Befriedigung des allgemeinen Lebensunterhalts ausgerichtet sind, wegen ihres speziellen Zwecks von der Beitragsbemessung ausgenommen. Das sind zum einen (Sozial-)Leistungen, die gerade der Kompensation eines besonderen persönlichen Bedarfs dienen oder als "Hilfe in besonderen Lebenslagen" nicht für den "allgemeinen" Lebensbedarf des Betroffenen bestimmt sind, sondern dem Betroffenen ungekürzt erhalten bleiben sollen. Zum anderen sind nicht zu verbeitragen Geldleistungen des sozialen Entschädigungsrechts, die in Ansehung eines in der Verantwortung der staatlichen Gemeinschaft erlittenen Sonderopfers gewährt werden und in nahezu der gesamten Rechtsordnung nicht als Einkommen gelten (vgl - SozR 4-2500 § 240 Nr 37 RdNr 26 mwN). Solchen Einnahmen ist gemein, dass sie auf einer förmlichen gesetzlichen Grundlage beruhen, aus der sich unmittelbar oder ausnahmsweise mittelbar eine beitragsrechtliche Privilegierung durch eine anerkennenswerte (soziale) Zwecksetzung ableiten lässt. Eine bloße Zweckbestimmung durch den Zuwendenden ist insoweit nicht ausreichend (vgl - SozR 4-2500 § 240 Nr 35 RdNr 23).
152. Gemessen daran schließen die bei der Aufnahme von Pflegekindern in Vollzeitpflege ohne Erwerbsabsicht (dazu 4.) im Vordergrund stehende Anreizfunktion des "Erziehungsgelds" (vgl § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 2022) und dessen vorrangiger Zweck der Anerkennung übernommener Erziehungsleistungen die Zuordnung zu den beitragspflichtigen Einnahmen aus. Kinder haben auch bei einer Unterbringung außerhalb des Elternhauses Anspruch auf Gewährleistung ihres Lebensunterhalts. Die staatliche Gemeinschaft muss diesen "Lebensunterhalt ersatzweise jedenfalls in der Art und Weise sicherstellen, daß das Kind in der Lage ist, Personen zu finden, die anstelle der Eltern Erziehungsaufgaben übernehmen" (Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom , BT-Drucks 11/5948 S 76 zu § 38 Abs 3). Mit dieser Erziehungsleistung wird nicht nur dem Interesse des Kindes Rechnung getragen, sondern zugleich eine dem allgemeinen Wohl dienende Aufgabe erfüllt. Die Kinderbetreuung ist grundsätzlich eine Leistung, die auch im Interesse der Gemeinschaft liegt und deren Anerkennung verlangt (vgl ua - BVerfGE 99, 216 - juris RdNr 70 mwN). Dies gilt erst recht für die Übernahme einer gesetzlich nicht geschuldeten Erziehungsleistung durch Aufnahme (zunächst) fremder Kinder in den eigenen Haushalt. Dafür bedarf es eines Anreizes, weil Schwierigkeiten bestehen, genügend Menschen zu finden, die ein Kind in Vollzeitpflege aufnehmen. Dies gilt insbesondere für Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf oder mit Behinderungen (vgl dazu zB Bericht der Landesregierung zur Situation von Pflegefamilien in Schleswig-Holstein vom - LT-Drucks 19/2542 S 35). Anreiz- und Anerkennungsfunktion würden vereitelt, wenn das für übernommene Erziehungsleistungen ausgezahlte Erziehungsgeld durch die Einbeziehung in die Beitragsbemessung der GKV regelmäßig in nicht unerheblichem Ausmaß geschmälert würde.
163. Auch wenn die Pflegeperson keinen originär eigenen Anspruch auf das Erziehungsgeld hat, ist dessen gesetzlicher Zweck bei der weitergeleiteten Leistung - mittelbar - beitragsmindernd zu berücksichtigen (dazu a). Dies setzt nicht voraus, dass die Klägerin den für ihre Erziehungsleistung bezogenen Pauschalbetrag für Aufwendungen der Pflegekinder verwenden muss oder tatsächlich verwendet (dazu b). Insoweit gleicht das Erziehungsgeld dem bei der Beitragsbemessung nicht zu berücksichtigenden Pflegegeld nach § 37 SGB XI (dazu c).
17a) Nach § 27 Abs 1 SGB VIII (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 2022) hat der Personensorgeberechtigte bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Zu den sich am erzieherischen Bedarf auszurichtenden Hilfen zur Erziehung zählt ua die Vollzeitpflege gemäß § 27 Abs 2 Satz 1 und 2 iVm § 33 SGB VIII (idF der Bekanntmachung vom aaO) in einer anderen Familie. Dabei ist als ergänzende Annex-Leistung eine "wirtschaftliche Jugendhilfe" in Gestalt des notwendigen Unterhalts des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen; er umfasst die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen (§ 39 Abs 1 SGB VIII idF der Bekanntmachung vom aaO). Gesetzlich Anspruchsberechtigter auf Leistungen nach § 27 Abs 1 SGB VIII und die wirtschaftliche Annex-Leistung des § 39 SGB VIII ist nicht die Pflegeperson, sondern der Personensorgeberechtigte (vgl zB - juris RdNr 13; - SozR 3-7833 § 1 Nr 23, juris RdNr 21; Wiesner in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl 2022, § 39 RdNr 21). Soweit im streitgegenständlichen Zeitraum wegen der körperlichen und geistigen Behinderung der Pflegekinder die Zuständigkeit von der Jugendhilfe auf die Eingliederungshilfe verlagert wurde, wurde die Vollzeitpflege auf der Grundlage von § 53 Abs 1 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 3022) iVm § 54 Abs 3 Satz 1 SGB XII (idF des Gesetzes zur Regelung des Assistenzpflegebedarfs im Krankenhaus vom , BGBl I 2495) durchgeführt. Bei der Bestimmung von Art und Umfang der eingliederungsrechtlichen Hilfe war § 39 SGB VIII analog anzuwenden (vgl - juris RdNr 42; vgl - juris RdNr 7 f: "Orientierung an § 39 SGB VIII"), wobei die Leistung dem jeweiligen Kind zustand (vgl aaO RdNr 41).
18In der Praxis wird die Geldleistung - wie hier - unmittelbar von dem Sozialleistungsträger an die Pflegeperson gezahlt (Wiesner in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl 2022, § 39 RdNr 22; - juris RdNr 18 ff). Dies entspricht der Ausgestaltung des Dreiecksverhältnisses zwischen dem öffentlichen Träger, dem Anspruchsberechtigten und der Pflegeperson. Die Personensorgeberechtigten verpflichten sich insoweit regelmäßig aufgrund vertraglicher Vereinbarung, den Einrichtungen oder Pflegepersonen die Kosten des notwendigen Unterhalts zu erbringen (Tammen in Münder/Meysen/Trenczek, FK SGB VIII, 9. Aufl 2022, § 39 RdNr 5), indem sie zB das Auszahlungsrecht festgestellter Leistungsansprüche an die Pflegeperson abtreten (vgl dazu OVG Nordrhei-Westfalen Beschluss vom - 12 A 706/23 - juris RdNr 24). Grundlage kann auch ein Vertrag zwischen der Pflegeperson und dem Jugendhilfeträger als Voraussetzung der Leistungserbringung sein (Bohnert in BeckOGK, SGB VIII, § 39 RdNr 32, 38, Stand ; Nellissen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl 2022, § 33 RdNr 84, Stand ). Rechtlich ist jedenfalls zu unterscheiden zwischen dem in § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII geregelten Anspruch der Personensorgeberechtigten (oder des Kindes) auf Deckung der Erziehungskosten und dem nicht gesetzlich, sondern vertraglich geregelten Recht der Pflegeeltern, den dafür vorgesehenen Pauschalbetrag als Ausgleich für die von ihnen erbrachte Erziehungsleistung behalten zu dürfen (insoweit zutreffend - juris RdNr 39).
19Für die vorliegend gebotene Bewertung des Erziehungsgelds im Rahmen des § 240 SGB V kommt es nicht im Einzelnen auf die konkrete Ausformung der rechtlichen Beziehungen an. Jedenfalls soll durch dessen Weiterleitung - etwa auf Grundlage einer Vereinbarung (vgl - juris RdNr 13) - gerade der gesetzliche Zweck der Leistung erfüllt werden, der Pflegeperson einen angemessenen finanziellen Anreiz und eine Anerkennung für ihre Erziehungsleistung zukommen zu lassen. Insoweit bleibt es mittelbar mit dem Sicherstellungsauftrag zugunsten des Kindes verknüpft.
20b) Für die beitragsrechtliche Bewertung ist nicht ausschlaggebend, ob die Pflegeperson das an sie weitergereichte Erziehungsgeld - wie die Kosten für den Sachaufwand - zweckgebunden zu verwenden hat oder tatsächlich verwendet. Auch wenn die Pflegeperson das Erziehungsgeld nicht (nur) erhält, um entstehende Kosten zu decken, ist eine Ausnahme von der Beitragspflicht deshalb gerechtfertigt, weil es der Anerkennung der erzieherischen Leistung dient. Soweit im (B 7b AS 12/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 3, juris RdNr 19) die Auffassung vertreten wurde, dass mit dem Erziehungsbeitrag nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII (in der damals maßgebenden Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB VIII vom , BGBl I 239) auch Kosten für die Anschaffung der Erziehung dienlicher Sachen wie Spielzeug, Bücher, Musikinstrumente, Sportgeräte usw abzudecken seien, mag dies durch den damaligen Gesetzeswortlaut ("Kosten der Erziehung") und die Begründung zum Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) vom (BGBl I 1163) veranlasst gewesen sein. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum KJHG (BT-Drucks 11/5948 S 75 zu § 38 Abs 1) heißt es, "der Anspruch des Kindes auf Sicherstellung des Lebensunterhalts durch nicht unterhaltspflichtige Personen umfaßt daher auch die Kosten, die diesen Personen durch die Pflege und Erziehung des Kindes entstehen (§ 1606 Abs. 3 Satz 2, § 1610 Abs. 2 BGB)". In diesem Fall wäre der Erziehungsbeitrag gegebenenfalls schon deshalb von der Beitragsbemessung auszunehmen, weil er lediglich einen Ersatz für entstandene Aufwendungen ohne Einnahmecharakter darstellen würde.
21Mit der Neufassung des § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII durch das Kinderförderungsgesetz (vom , BGBl I 2403) ist allerdings die bisherige Formulierung "Kosten der Erziehung" aufgegeben worden. Die Vorschrift differenziert nunmehr zwischen den "Kosten für den Sachaufwand" und den Kosten "für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen". Aus Gründen der Rechtsklarheit erschien es dem Gesetzgeber erforderlich, "bei der Bestimmung des Umfangs der (öffentlich-rechtlichen) Leistungen zum Unterhalt eine eigenständige" vom zivilrechtlichen Unterhaltsrecht abweichende Definition zu verwenden. Mit den Kosten der Pflege und Erziehung sollte "die Vergütung der entsprechenden Leistung der Pflegeperson, des/der Erziehers/Erzieherin im Heim oder von anderem pädagogisch geschulten Personal erfasst" werden (BT-Drucks 16/9299 S 16 zu Nr 11 Buchst a). Die Kosten für erzieherische Aufwendungen wie zB Spielzeug, Bücher, Musikinstrumente oder für Kultur, Bildung und auch für Kindertagesstätten werden demgegenüber als Bestandteil des Sachaufwands eingeordnet (vgl - juris RdNr 18; von Koppenfels-Spies in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl 2022, § 39 RdNr 19; Stähr in Hauck/Noftz SGB VIII, 2. ErgLief 2024, § 39 RdNr 14; Tammen in Münder/Meysen/Trenczek, FK SGB VIII, 9. Aufl 2022, § 39 RdNr 7).
22c) Dass auch bei einer Sozialleistung, die der Anspruchsberechtigte bestimmungsgemäß an Dritte weiterleitet, der mit ihr verbundene Zweck bei der wertenden Entscheidung darüber, ob sie dem Bestreiten des Lebensunterhalts dient, heranzuziehen ist, wird durch die mit Wirkung vom (durch das Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom , BGBl I 1990) eingefügte Regelung des § 240 Abs 2 Satz 4 SGB V gestützt. Danach ist das an eine Pflegeperson weitergereichte Pflegegeld bis zur Höhe des Pflegegelds nach § 37 Abs 1 SGB XI nicht als beitragspflichtige Einnahme zu berücksichtigen. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt das vom Pflegebedürftigen weitergereichte Pflegegeld kein Entgelt für die von Angehörigen erbrachte Pflege dar. Vielmehr ermögliche es eine Anerkennung der Pflegetätigkeit, die nicht durch Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung geschmälert werden solle (vgl Beschlussempfehlung des BT-Ausschusses für Gesundheit vom , BT-Drucks 16/13428 S 93 f zu Nr 10b - neu - Buchst a). Zwar besteht zwischen dem Erziehungsgeld nach § 39 SGB VIII und dem Pflegegeld nach § 37 SGB XI keine Zweckidentität, sodass für eine Anrechnung des Pflege(versicherungs)gelds gemäß § 37 SGB XI auf das nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII für die Kosten für die Pflege und Erziehung des Pflegekindes zu gewährende Pflegegeld kein Raum ist (vgl dazu - juris RdNr 24). Die Leistungen sind aber insoweit vergleichbar, als es sich jeweils um eine weitergeleitete Sozialleistung handelt, deren Verwendung der Pflegeperson nicht vorgeschrieben ist. Aus der Regelung des § 240 Abs 2 Satz 4 SGB V lässt sich daher die Wertung ableiten, dass jedenfalls dann von der Beitragspflicht abzusehen ist, um der Pflegeperson die Anerkennung ihrer Pflegeleistung ungeschmälert zu erhalten, wenn keine echte "Vergütung" vorliegt (dazu 4.).
234. Die beitragsrechtliche Privilegierung tritt (nur) ein, wenn sich das an die Pflegeperson gezahlte Erziehungsgeld an dem Erziehungsbedarf des Kindes ausrichtet und nicht über eine Anerkennung hinaus geht (dazu a). Dass die Vollzeitpflege nicht zwangsläufig als professionell/gewinnorientierte Erwerbstätigkeit einzuordnen ist, entspricht Wertungen im Steuerrecht (dazu b) und lässt sich im Umkehrschluss aus den Regelungen für die Tagespflege ableiten (dazu c). Eine Abgeltung der Erziehungsleistung im Sinne einer "echten" Vergütung liegt hier nicht vor (dazu d).
24a) Vollzeitpflegeverhältnisse bewegen sich in der Praxis zwischen sozialem Engagement und hochprofessionellen Pflegesituationen (vgl Münder, SGb 2010, 367, 372). Je nach den Umständen und der Ausgestaltung dieser Verhältnisse erhält die Pflegeperson mit dem Erziehungsgeld entweder eine bloße Anerkennung für den erzieherischen Einsatz oder auch ein Entgelt im Rahmen einer Erwerbstätigkeit. Im Fall der Erwerbsarbeit scheidet eine beitragsrechtliche Privilegierung aus, denn Einnahmen aus einer professionell/gewinnorientiert betriebenen Erziehungstätigkeit prägen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und sind - wie Einnahmen eines versicherungspflichtig Beschäftigten (vgl § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V) - bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. Zur Abgrenzung zwischen sozialem Engagement und Erwerbstätigkeit sind grundsätzlich die Kriterien heranzuziehen, die auch zur Unterscheidung einer familienhaften oder ehrenamtlichen Betätigung von einer Tätigkeit mit Erwerbsabsicht dienen. Dabei ist insbesondere der mit der Tätigkeit verbundene Aufwand in Beziehung zur Höhe des Erziehungsgelds zu setzen (zur Abgrenzung von Beschäftigung und Ehrenamt nach der Entgeltlichkeit vgl zB - BSGE 131, 266 = SozR 4-2400 § 7 Nr 54, RdNr 31 ff; zur Einordnung von Bereitschaftsdiensten einer Pflegemutter als Ehrenamt vgl LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom - L 2 BA 6/22 - juris RdNr 27 ff mit zust Anmerkung Stäbler NZS 2023, 159; zur Abgrenzung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses von der familienhaften Mithilfe bei der Pflege nach Art und Umfang der Gegenleistung vgl - SozR 2200 § 165 Nr 90, juris RdNr 15; zur fehlenden Erwerbsmäßigkeit von Pflegepersonen bei Erhalt eines Pflegegelds iS von § 37 SGB XI vgl die Regelung des § 3 Satz 2 SGB VI, dazu - SozR 3-2600 § 44 Nr 16, juris RdNr 36, 38; zur Abgrenzung von Vollzeitpflege gegenüber erwerbsmäßig betriebener erzieherischer Arbeit in einem Heim oder in einer sonstigen betreuten Wohnform vgl - juris RdNr 24).
25b) In diesem Zusammenhang sind auch die Wertungen des Steuerrechts von Bedeutung. Die steuerrechtliche Behandlung von Einnahmen entscheidet zwar nicht über deren Beitragspflicht nach § 240 SGB V (vgl § 3 Abs 1 Satz 1 BeitrVerfGrsSz), sie gibt aber Anhaltspunkte für die Beurteilung einer Erwerbsabsicht (vgl zB - BSGE 132, 97 = SozR 4-2400 § 7 Nr 55, RdNr 33). Das Erziehungsgeld bei Vollzeitpflege (§ 33 SGB VIII) fällt unter die steuerbefreiten "Bezüge aus öffentlichen Mitteln …, … die als Beihilfe zu dem Zweck bewilligt werden, die Erziehung … unmittelbar zu fördern". Dies gilt jedenfalls, soweit die Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Pflegeperson nicht als Erwerbstätigkeit anzusehen ist (vgl - juris RdNr 23, 17). Eine Erwerbstätigkeit wird (erst dann) vermutet, wenn mehr als sechs Kinder gleichzeitig in den Haushalt aufgenommen werden. Bei einer Betreuung von bis zu sechs Kindern wird davon ausgegangen, dass die Pflege nicht erwerbsmäßig betrieben wird (vgl , BStBl I 2011, 487). Dagegen wird die laufende Geldleistung an eine Tagespflegeperson (vgl § 23 SGB VIII idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 2022) seit regelmäßig als steuerpflichtige Einnahme aus freiberuflicher Arbeit erfasst (, BStBl I 2008, 17).
26c) Auch der Gesetzgeber des SGB VIII geht bei der Vollzeitpflege - anders als bei der Tagespflege - offenbar nicht vom Regelfall einer professionellen Erwerbstätigkeit aus. Denn er hat nur für die Kindertagespflege und nicht für die Vollzeitpflege eine leistungsgerechte Vergütung (§ 23 Abs 2a Satz 2 SGB VIII; zB durch Orientierung am Tarifrecht für öffentliche Kindertageseinrichtungen - BVerwGE 177, 134, juris RdNr 18 f) und die hälftige Erstattung von Aufwendungen zu einer angemessenen Kranken- und Pflegeversicherung (§ 23 Abs 2 Nr 4 SGB VIII) vorgeschrieben, um deren Absicherung angestellten Arbeitnehmern anzunähern (vgl Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD des Kinderförderungsgesetzes vom , BT-Drucks 16/9299 S 14 f zu § 23). Demgegenüber umfassen die auf die soziale Absicherung bezogenen laufenden Leistungen im Rahmen der Hilfe in Vollzeitpflege nach § 39 Abs 2 Satz 4, Abs 4 Satz 2 SGB VIII (idF des Kinder- und Jugendhilfeverwaltungsvereinfachungsgesetzes <KJVVG> vom , BGBl I 3464) weiterhin nur die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen für Beiträge zu einer Unfallversicherung sowie die hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Dass eine Regelung zur Beteiligung an den Beiträgen zur Krankenversicherung fehlt, zeigt, dass der Gesetzgeber grundsätzlich nicht von einer Erhöhung der Beiträge aufgrund des Erziehungsgelds ausgeht. Da bei der Vollzeitpflege keine Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts vorliegen (s unter b), führt das Erziehungsgeld regelmäßig nicht zur Überschreitung der Einkommensgrenze für die Familienversicherung (vgl § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V idF des Gesetzes zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom , BGBl I 2474, iVm § 16 SGB IV idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 3710). Daraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass Familienversicherte bevorzugt werden sollen; denn die Bemessung des Erziehungsbeitrags differenziert ebenso wenig wie die Vergütung bei der Tagespflege danach, ob Pflegende die Kinder alleine oder gemeinsam erziehen (vgl B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 24).
27d) Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge ist das Erziehungsgeld hier als eine bloße Anerkennung und nicht als Entgelt im Rahmen einer Erwerbstätigkeit einzuordnen.
28Nach § 39 Abs 2 Satz 4 iVm Abs 4 Satz 3 SGB VIII (idF des KJVVG vom , BGBl I 3464) sollen die laufenden Leistungen in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden. Die Pauschalbeträge werden nach § 39 Abs 5 Satz 1 SGB VIII (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 2022) von den nach Landesrecht zuständigen Behörden festgesetzt; in Schleswig-Holstein ist hierfür das Landesjugendamt zuständig (§ 36 Abs 3 Satz 2 Jugendförderungsgesetz vom , GVOBl 1992, 158). Nach § 1 Abs 2 Lebensunterhalt-Verordnung (vom , GVOBl 2010, 724) setzt es den Pauschalbetrag auf der Grundlage der "Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Fortschreibung der monatlichen Pauschalbeträge in der Vollzeitpflege" (abrufbar unter https://www.deutscher-verein.de/empfehlungen-stellungnahmen/detail/empfehlungen-des-deutschen-vereins-zur-fortschreibung-der-pauschalbetraege-in-der-vollzeitpflege-33-39-sgb-viii-fuer-das-jahr-2017/) fest. Danach betrug im Jahr 2017 der (einfache) monatliche Pauschalbetrag für die Pflege und Erziehung 237 Euro. Abweichungen von dem Pauschalbetrag sind nach der "Besonderheit des Einzelfalls" geboten (§ 39 Abs 4 Satz 3 SGB VIII), dies betrifft zB Entwicklungsbeeinträchtigungen durch Krankheit oder Behinderung, die die Erziehung des Kindes erheblich erschweren und eine besondere Belastbarkeit der Pflegeeltern erfordern. In der Praxis wird in einem solchen Fall der Pauschalbeitrag gegebenenfalls verdoppelt oder verdreifacht (vgl Bericht der Landesregierung zur Situation von Pflegefamilien in Schleswig-Holstein vom , LT-Drucks 19/2542 S 26).
29Die Klägerin erhielt als "Erziehungsgeld" für ihre drei Pflegekinder monatlich 1896 Euro. Dabei wurde der zugrunde gelegte Pauschalbetrag von 237 Euro monatlich wegen des zusätzlichen erzieherischen Aufwands aufgrund des fetalen Alkoholsyndroms bei zwei Pflegekindern jeweils mit dem Faktor 3 und bei dem dritten Pflegekind mit dem Faktor 2 vervielfältigt <(3+3+2) x 237 Euro>. Angesichts dieser Herleitung ist evident, dass damit der erzieherische Aufwand der drei entwicklungsbeeinträchtigten Kinder in Vollzeitpflege nicht im Sinne einer äquivalenten Vergütung abgegolten wurde, sondern die gesetzliche Anerkennungs- und Anreizfunktion im Vordergrund stand. Anhaltspunkte für eine Erwerbsabsicht sind hier bei der langjährigen Erziehung von drei Geschwisterkindern in Vollzeitpflege nicht ersichtlich.
305. Die Wertung, das weitergeleitete Erziehungsgeld zur Förderung und zum Erhalt der Aufnahmebereitschaft von Pflegeeltern erst ab einer bestimmten Größe insbesondere der Pflegefamilie als Einkommen der Pflegeperson zu berücksichtigen, geht auch aus anderen Sozialgesetzen deutlich hervor.
31a) Bei dem einkommensabhängigen Wohngeld (vgl § 4 Nr 3 iVm § 13 ff WoGG) werden die Unterhaltsleistungen nach § 39 SGB VIII nicht in vollem Umfang angerechnet. Sind Pflegekinder als Haushaltsmitglieder (§ 5 Abs 1 Satz 2 Nr 5 WoGG) einzubeziehen, gehört jeweils nur die Hälfte der Pauschale für den notwendigen (Sach-)Unterhalt als Einkommen des Kindes und für das Erziehungsgeld als Einkommen der Pflegeperson zum Gesamteinkommen (§ 14 Abs 2 Nr 24 und Nr 25 WoGG idF des Gesetzes zur Neuregelung des Wohngeldrechts und zur Änderung des Sozialgesetzbuches vom , BGBl I 1856). Die eingeschränkte Anrechnung des Erziehungsanteils soll dazu beizutragen, "dass die Aufnahmebereitschaft für Pflegekinder in Familien erhalten bleibt" (BT-Drucks 14/1523 S 183 zu § 10 Abs 2 Nr 10 und 11).
32b) Nach § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II (idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 850) sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Leistungen nach diesem Buch im Einzelfall demselben Zweck dienen. Abweichend davon sind die Leistungen nach § 39 SGB VIII, die für den erzieherischen Einsatz erbracht werden, zwar als Einkommen zu berücksichtigen, allerdings erst für das dritte Pflegekind zu 75 Prozent sowie für das vierte und jedes weitere Pflegekind vollständig (§ 11a Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB II idF vom aaO; ähnlich die Vorgängerregelung des § 11 Abs 4 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom , BGBl I 1706). Stets als Einkommen berücksichtigt werden die Leistungen wegen Kindertagespflege nach § 23 SGB VIII (§ 11a Abs 3 Satz 2 Nr 2 SGB II idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom , BGBl I 1824).
33Auch diese Regelungen stehen im Zusammenhang mit der jeweiligen Einordnung der erzieherischen Tätigkeit als Erwerbstätigkeit (vgl dazu oben 4.). Denn während Leistungen für den erzieherischen Einsatz nach dem SGB VIII im Fall der Vollzeitpflege (nur) für die ersten beiden Pflegekinder nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, werden Leistungen aufgrund einer Kindertagespflege als Einkommen herangezogen, "da sie regelmäßig in Ausübung der Erwerbstätigkeit zufließen" (BT-Drucks 17/3404 S 94 zu Nr 15 zu § 11a). Bereits bei der Prüfung der "Gerechtfertigkeit" nach § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 2954) ging das BSG bei der Aufnahme von nur zwei Pflegekindern in Vollzeitpflege von der fehlenden Professionalität der Pflegeleistungen aus, sodass der Ertrag hieraus nicht als Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu werten sei (vgl B 7b AS 12/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 3 - juris RdNr 20 f; - juris RdNr 26 f). Die nach allgemeiner Ansicht im Erziehungsbeitrag enthaltene "Anreizfunktion" solle die Bereitschaft in der Bevölkerung zur Aufnahme von Pflegekindern stärken. Dieser Anreiz sei auch bei Personen gerechtfertigt, die im SGB II-Leistungsbezug stünden oder allein erziehend seien (so auch B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-2400 § 21 Nr 4 - juris RdNr 24). Erst bei der Pflege von mehr als zwei Kindern könne davon ausgegangen werden, dass die Grenzen zur "Erwerbsmäßigkeit" überschritten würden. Dann werde die "Pflegearbeit" zur Erwerbsquelle und sei als Einkommen der Pflegeperson im SGB II zu berücksichtigen (vgl - juris RdNr 28).
34Es kann hier dahinstehen, ob die in § 11a Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB II angeordnete pauschale Einkommensanrechnung ab dem dritten Pflegekind auf § 240 SGB V zu übertragen ist. Auch wenn 75 Prozent des Erziehungsgelds für das dritte Kind (zur Rangfolge vgl - SozR 4-4200 § 11a Nr 1) zu berücksichtigen wäre, hätte die Klägerin die Mindestbemessungsgrundlage im Jahr 2017 von monatlich 991,67 Euro (vgl § 240 Abs 4 Satz 1 SGB V iVm § 18 Abs 1 SGB IV idF der Bekanntmachung vom , BGBl I 3710, und § 2 Abs 1 Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2017 vom , BGBl I 2665) dadurch nicht überschritten.
356. Aus § 3 Abs 1 Satz 3 Halbsatz 2 BeitrVerfGrsSz ergibt sich keine andere Beurteilung. Zwar wird danach eine die beitragspflichtigen Einnahmen mindernde Berücksichtigung von Zwecksetzungen einzelner Einnahmen ausgeschlossen, es sei denn die Einnahmen würden wegen ihrer Zwecksetzung kraft einer gesetzlichen Regelung bei Bewilligung von einkommensabhängigen Sozialleistungen "im gesamten Sozialrecht" nicht als Einkommen berücksichtigt. Darauf kommt es aber hier nicht an, weil sich das Erfordernis einer Ausnahme bereits aus den - den BeitrVerfGrsSz übergeordneten - gesetzgeberischen Wertungen in der Zusammenschau ergibt. Es genügt, dass die Anreiz- und Anerkennungsfunktion des Erziehungsgelds im Sozialrecht anerkannt ist und diese auch in Bereichen außerhalb des SGB V gesetzlich zu einer eingeschränkten (nicht notwendigerweise vollständig ausgeschlossenen) Anrechnung führen kann. Eine Bindung an den "Katalog von Einnahmen und deren beitragsrechtliche Bewertung nach § 240 SGB V" des SpVBdKK (vgl § 3 Abs 5 BeitrVerfGrsSz) besteht ohnehin nicht.
36Ob und inwieweit das Erziehungsgeld auch bei Leistungen nach dem SGB XII unberücksichtigt bleibt, muss daher nicht entschieden werden. Da das SGB XII keine spezielle Vorschrift zur Einkommensanrechnung von Leistungen nach § 39 SGB VIII enthält, sind die allgemeinen Vorschriften anzuwenden. Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur so weit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient (§ 83 Abs 1 SGB XII). Die Regelung gleicht somit § 11a Abs 3 Satz 1 SGB II. Wie bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende wird auch im Sozialhilferecht darauf abgestellt, dass der Erziehungsbeitrag zur Honorierung der für das Kind notwendigen Erziehung und Pflege diene und deshalb mangels Zweckidentität mit der Sozialhilfeleistung nicht zu berücksichtigen sei (vgl Wiesner in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl 2022, § 39 RdNr 70; von Koppenfels-Spies in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl 2022, § 39 RdNr 51, Stand ; Tammen in Münder/Meysen/Trenczek, FK SGB VIII, 9. Aufl 2022, § 39 RdNr 8; Stähr in Hauck/Noftz SGB VIII, 2. ErgLief 2024, § 39 RdNr 15b; für die Übertragung der Wertungen des SGB II Geiger in Bieritz-Harder/Conradis/Palsherm, SGB XII, 13. Aufl 2024, § 83 RdNr 43; zu § 77 BSHG s auch - juris).
37Soweit nach anderer Ansicht als maßgeblich angesehen wird, dass die Leistung gerade in ihrer Verwendung beim Empfänger (final) zweckbestimmt sein müsse (vgl zB Lange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024 § 83 RdNr 10, 16, Stand ) und dies für den weitergeleiteten Erziehungsbeitrag nicht zutreffe, stehen diese Gesichtspunkte einer Ausnahme von der Beitragspflicht nach § 240 SGB V jedenfalls nicht entgegen (s zu 3.). Dies gilt auch für die Rechtsprechung des BGH zur Verfahrenskostenhilfe/Prozesskostenhilfe als besonderer Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Danach handele es sich bei dem von Pflegepersonen bezogenen Erziehungsbeitrag nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB VIII um Einkommen iS von § 115 Abs 1 Satz 1 und 2 ZPO ( - juris; entgegen - juris und - juris). Die entsprechende Anwendung des § 83 SGB XII stehe einer Anrechnung nicht entgegen, da die beiden zu vergleichenden Leistungen schon nicht an dieselbe Person als Anspruchsberechtigte gerichtet seien (BGH aaO RdNr 16). Der gesetzliche Zweck des Erziehungsbeitrags könne durch die unmittelbare Zahlung an die Pflegeeltern auch nicht gefährdet werden, vielmehr werde er dadurch gerade verwirklicht. Dabei sieht der BGH den Erziehungsbeitrag - ungeachtet der konkreten Bemessung - als Äquivalent der Erziehungsleistung an (BGH aaO RdNr 17). Die Frage, ob die Anreiz- und Anerkennungsfunktion des Erziehungsbeitrags zur Sicherstellung des Kindesunterhalts erfordert, den weitergeleiteten Betrag ungeschmälert beim Empfänger zu belassen, wirft er nicht auf. Sie mag für die bereichsspezifische Leistungsgewährung im Rahmen der Prozesskostenhilfe auch anders beantwortet werden als für die Beitragspflicht in der freiwilligen Krankenversicherung, die zu einer regelmäßigen "Entwertung" der Pflege- und Erziehungsleistung führen würde, deren besondere Anerkennung (vgl § 240 Abs 2 Satz 4, vgl auch § 224 SGB V) systemimmanent ist.
387. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:250325UB12KR223R0
Fundstelle(n):
SAAAJ-95883