Instanzenzug: LG Detmold Az: 23 KLs 20/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in drei Fällen (Fälle II. 6. bis 8. der Urteilsgründe), davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (Fall II. 8. der Urteilsgründe), sowie wegen sexueller Belästigung in sechs Fällen (Fälle II. 1. bis 5. und II. 9. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg (§ 349 Abs. 4 StPO) und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Schuldspruch im Fall II. 8. der Urteilsgründe war abzuändern, weil sich die rechtliche Bewertung des Geschehens als sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit versuchtem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern gemäß § 176 Abs. 1, § 176c Abs. 1 Nr. 2 a), §§ 22, 23 Abs. 1, § 176a Abs. 1 Nr. 3, § 52 StGB als unzutreffend erweist.
3a) Nach den hierzu getroffenen Feststelllungen zeigte der alkoholisierte Angeklagte der seinerzeit achtjährigen Nebenklägerin ein Video, das den Oralverkehr einer unbekleideten Frau an einem unbekleideten Mann darstellte. In der Absicht, mit ihr den Oralverkehr zu vollziehen, fragte der Angeklagte die Nebenklägerin sodann, ob sie seinen Penis in den Mund nehmen wolle. Diese lehnte es unmissverständlich ab und wandte sich entschlossen zum Gehen. Der Angeklagte erkannte, dass das Vorzeigen des Videos nicht ausgereicht hatte, um die Nebenklägerin dazu zu bringen, mit ihm den Oralverkehr zu vollziehen. Ihm war zudem bewusst, dass er in dieser Situation keine Möglichkeit mehr hatte, das Kind mit den ihm nach seinem Tatplan zur Verfügung stehenden Mitteln noch zu sexuellen Handlungen zu bewegen. Er ging insbesondere davon aus, das Mädchen nicht dazu überreden zu können, seinen Penis doch noch in den Mund zu nehmen. Sexuelle Handlungen gegen den Willen des Kindes hatte der Angeklagte von Anfang an für sich ausgeschlossen.
4b) Diese Feststellungen tragen die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern gemäß § 176 Abs. 1, § 176c Abs. 1 Nr. 2 a), §§ 22, 23 Abs. 1, § 52 StGB nicht.
5aa) Nach § 22 StGB versucht eine Straftat, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt. Noch nicht tatbestandsmäßige Handlungen erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie nach dem Tatplan der Verwirklichung eines Tatbestandsmerkmals so dicht vorgelagert sind, dass das Geschehen bei ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmündet (st. Rspr.; vgl. Rn. 16; Urteil vom – 4 StR 258/13 Rn. 17; jeweils mwN). Von diesem Maßstab ausgehend, liegt in der von der Strafkammer festgestellten Frage des Angeklagten, ob die Nebenklägerin seinen Penis in den Mund nehmen wolle, kein unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 1, § 176c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB. Denn nach den Feststellungen hatte der Angeklagte Handlungen gegen den Willen der Nebenklägerin von Anfang an für sich ausgeschlossen, weshalb die Durchführung des Oralverkehrs nach seinen Vorstellungen entscheidend von der Bereitschaft des Kindes und damit von einem weiteren, von ihm nicht mehr beeinflussbaren Zwischenschritt abhängig war (vgl. Rn. 17).
6bb) Mit seinem in das Befragen der Nebenklägerin mündenden Vorzeigen eines pornographischen Videos hat der Angeklagte allerdings durch einen Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB) auf die Nebenklägerin eingewirkt, um diese zu sexuellen Handlungen zu bringen, die sie an ihm vornehmen sollte, und sich damit gemäß § 176b Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar gemacht. Die in dieser Vorschrift selbständig unter Strafe gestellte Vorbereitung des sexuellen Missbrauchs von Kindern steht zum sexuellen Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt nach § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB im Verhältnis der Tateinheit, da dem Einwirken auf ein Kind mit einem pornographischen Inhalt einerseits und dem Einwirken auf ein Kind, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, andererseits jeweils ein eigenständiger Unrechtsgehalt zukommt (vgl. Rn. 7 [zum entsprechenden Verhältnis von § 176 Abs. 4 Nr. 3 und Nr. 4 StGB in der ab dem geltenden Fassung]).
7c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
82. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der vom Landgericht im Fall II. 8. der Urteilsgründe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten nach sich, die die Strafkammer dem gemäß den § 23 Abs. 2, §§ 21, 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen des § 176c Abs. 1 Nr. 2 a) StGB entnommen hat. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB auf eine geringere Einzelstrafe erkannt hätte. Danach kann auch die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben. Denn die Einzelstrafe für Fall II. 8. der Urteilsgründe wurde bei der Gesamtstrafenbildung als Einsatzstrafe herangezogen. Danach wird die neue Strafkammer auch über die – hier rechtsfehlerfrei verneinte – Strafaussetzung zur Bewährung neu zu entscheiden haben. Die zugehörigen rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
93. Im verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des Urteils auf die Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
Quentin Maatsch Marks
Tschakert Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:030625B4STR182.25.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-95707