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BGH Beschluss v. - 4 ARs 3/25

Instanzenzug: Az: 5 StR 312/23 Beschlussvorgehend Az: 5 StR 312/23 Beschluss

Gründe

1Der 5. Strafsenat beabsichtigt zu entscheiden:

2„Die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB setzt nicht voraus, dass dieser bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war.“

3Er hat gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Strafsenaten angefragt, ob an gegebenenfalls entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.

4Der beabsichtigten Entscheidung des 5. Strafsenats steht Rechtsprechung des 4. Strafsenats entgegen (BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 486/24 Rn. 6; vom – 4 StR 450/23 Rn. 11; vom – 4 StR 221/22 Rn. 6).

II.

5Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest.

61. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73a, § 73c StGB erfordert, dass das Erlangte, dessen gegenständliche Einziehung im Sinne des § 73c StGB unmöglich ist, bei Begehung der Anlasstat gegenständlich oder wenigstens in Form eines Surrogats (vgl. Rn. 7 mwN) im Vermögen des Angeklagten vorhanden gewesen ist ( Rn. 7; Urteil vom – 3 StR 412/22 Rn. 31; Beschluss vom – 3 StR 132/23 Rn. 13; Beschluss vom – 3 StR 238/21 Rn. 14; Beschluss vom – 6 StR 258/20 Rn. 7; Beschluss vom – 5 StR 447/20 Rn. 8 ff.; Urteil vom – 1 StR 312/21 Rn. 12; jeweils mwN). Das zuvor Verbrauchte wie auch das erst später (deliktisch) Erworbene unterfällt den §§ 73a, 73c StGB nicht ( Rn. 14; ebenso Beschluss vom – 5 StR 238/21 Rn. 4: „noch bzw. schon im Vermögen des Angeklagten vorhanden“).

72. Diese zutreffende Einschränkung, von der auch der 5. Strafsenat in seinem Anfragebeschluss nicht abrückt, hat ebenso für die erweiterte Einziehung des als Tatertrag erlangten Gegenstandes selbst zu gelten. Dass und weshalb beide Konstellationen rechtlich verschieden zu behandeln sein sollten, vermag der Senat nicht zu erkennen.

8a) Kaum einzusehen ist bereits, dass die Notwendigkeit, das Vorhandensein des aus den anderen Taten Erlangten bei Begehung der Anknüpfungstat in dem wegen dieser geführten Strafverfahren zu belegen, bei einer rechtlichen Ungleichbehandlung der Einziehung nach § 73a StGB einerseits und nach § 73a, § 73c StGB andererseits von eher zufälligen Umständen abhinge. So könnte das anlässlich einer bestimmten Anknüpfungstat sichergestellte Bargeld, von dessen Herkunft aus nicht näher konkretisierbaren Taten das Tatgericht überzeugt ist, ohne weiteres eingezogen werden, solange es noch in einem behördlichen Asservatenraum verwahrt wird. Wird es hingegen vor Urteilserlass bei der Justizkasse eingezahlt, so wäre das Gericht an der Einziehung eines der Bargeldsumme entsprechenden Geldwertes gehindert, falls es diesen Nachweis nicht führen könnte; auch die Einziehung eines Auszahlungsanspruchs gegen die Justizkasse wäre dann nicht möglich, weil sie sich auf ein Surrogat richten würde, wofür § 73a StGB keine Rechtsgrundlage bietet (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 555/24 Rn. 7; vom – 5 StR 603/18 Rn. 4). Die Strafverfolgungsbehörden könnten daher durch die Entscheidung, ob sie sichergestelltes Bargeld auf ein Justizkonto einzahlen oder dies – obgleich an sich sachgerecht – unterlassen, über die Reichweite ihrer Abschöpfungsmöglichkeiten (in dem durchgeführten Strafverfahren) disponieren.

9b) Schwerer als diese wenig plausible praktische Folge wiegt, dass das Erfordernis der zeitlichen Koinzidenz, soweit es für die erweiterte Wertersatzeinziehung anerkannt ist, gerade nicht mit spezifisch und allein die Situation des § 73c StGB betreffenden Argumenten begründet wird. Vielmehr wird es auf ein entsprechend enges Verständnis der allen Formen der erweiterten Einziehung zugrundeliegenden und unmittelbar die erweiterte gegenständliche Einziehung von Taterträgen regelnden Vorschrift des § 73a Abs. 1 StGB gestützt. Angenommen wird, dass aus deren Wortlaut, wonach die (erweiterte) Einziehung von „Gegenständen des Täters oder des Teilnehmers“ angeordnet wird, folgt, dass nur solche Vermögensgegenstände, die bei Begehung der Anknüpfungstat vorhanden waren, erfasst sind. Nur unter dieser Voraussetzung könnten sie auch die Grundlage für die Anordnung der subsidiären (erweiterten) Einziehung des Wertes von Taterträgen nach § 73c StGB bilden – soweit sie im Anordnungszeitpunkt nicht (mehr) gegenständlich eingezogen werden können (so Rn. 10).

10c) Der Senat hält diese Deutung des § 73a StGB für zutreffend. Für sie sprechen außer dem Normwortlaut auch Erwägungen der systematischen, teleologischen sowie der historischen Auslegung.

11aa) Was den Wortlaut betrifft, so legt der Bezug auf Gegenstände „des Täters oder Teilnehmers“ zwar das Erfordernis, dass die Einziehungsgegenstände bei Begehung der Anknüpfungstat schon vorhanden gewesen sein müssen, weniger nah als dasjenige, dass sie nicht bereits vor diesem Zeitpunkt wieder aus dem Tätervermögen ausgeschieden sein dürfen. Indes deutet – unbeschadet § 73a Abs. 2 StGB – der Gesamtwortlaut der Vorschrift („Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, … Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers…“) zumindest auch darauf hin, dass es sich um in dem Moment, in dem die Tätereigenschaft begründet wird (Anknüpfungstat), im Tätervermögen vorhandene bzw. vorhanden gewesene Gegenstände handeln muss.

12bb) Hierfür sprechen auch der Zweck und der Regelungszusammenhang der Norm.

13Diese ermöglicht die erweiterte Einziehung von Taterträgen im wegen einer anderen Straftat geführten subjektiven Verfahren. Damit stellt sie eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass strafrechtliche Sanktionen oder sonstige Rechtsfolgen nur verhängt werden dürfen, wenn eine konkrete Straftat in dem dafür vorgesehenen strafprozessualen Verfahren ordnungsgemäß zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist (vgl. zu § 73d StGB aF , NStZ 2014, 82 f.), und ist aus diesem Grund nur subsidiär gegenüber der Einziehung in möglichen Strafverfahren wegen der Herkunftstaten in Betracht zu ziehen (st. Rspr.; vgl. nur Rn. 12; Urteil vom – 3 StR 163/23 Rn. 19; Beschluss vom – 5 StR 199/21 Rn. 18; Beschluss vom – 2 StR 231/18, NStZ-RR 2018, 380, 381 f.).

14Die Vorschrift des § 73a Abs. 1 StGB ist im Gegensatz zu dem erweiterten Verfall nach § 73d StGB aF und der selbständigen Einziehung nach § 76a Abs. 4 StGB nicht auf bestimmte Deliktsarten beschränkt, setzt anders als Letztere stattdessen aber voraus, dass eine hinreichend konkrete rechtswidrige Tat des Einziehungsbetroffenen (Anknüpfungstat) festgestellt werden kann. Mit Blick darauf, dass die erweiterte Einziehung namentlich durch den Verzicht auf die sonst bestehenden, aus dem Anklagegrundsatz folgenden Konkretisierungsanforderungen bezüglich der Herkunftstaten die Rechtsstellung, d.h. Verteidigungsmöglichkeiten, des Betroffenen wesentlich verschlechtert (vgl. Eser/Schuster in TK-StGB, 31. Aufl., § 73a Rn. 3; Theile, JA 2020, 81; Trüg, NJW 2017, 1913, 1915; Greeve, ZWH 2017, 277, 280; bereits zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung [RefE] Rönnau/Begemeier, NZWiSt 2016, 260, 263; vgl. unter dem Gesichtspunkt des Übermaßverbots und des Nemo-tenetur-Grundsatzes Joecks/Meißner in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 73a Rn.15), kann dies nicht als eine bloß kontingente Bedingung verstanden werden, dergestalt, dass bereits die Eigenschaft des Betroffenen als Straftäter für sich genommen den erleichterten Zugriff auf sein Vermögen rechtfertigen könnte (vgl. auch Lindemann/Bauerkamp in NK-WSS, 2. Aufl., § 73a StGB Rn. 8; zum erweiterten Verfall Herzog, JR 2004, 494, 498; NK-StGB/Saliger, 5. Aufl., § 73d aF Rn. 3). Vielmehr muss in dem Erfordernis einer – konkret festgestellten – Anknüpfungstat ein rechtsstaatlich sachhaltiger Grund für die Erleichterung der Einziehung von Vermögen aus nicht näher aufklärbarer anderweitiger deliktischer Herkunft gesehen werden. Wollte man auf einen solchen auch materiellen Konnex verzichten (so wohl Korte, wistra 2018, 1, 7, nach dem die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Herkunftstat zwar in der Regel auf den Umständen der Anlasstat beruhe, das Gesetz aber „keine Verbindung“ herstelle), bliebe letztlich unerklärt, warum es – bei prozessordnungsgemäß erlangter gerichtlicher Überzeugung von der deliktischen Herkunft des Einziehungsgegenstandes – überhaupt noch einer Anknüpfungstat bedarf und eine hiervon unabhängige Abschöpfung des deliktisch Erlangten nur bei bestimmten Delikten in Betracht kommen soll (§ 76a Abs. 4 StGB). Als ein solcher Sachgrund kommt die Begehung der Anknüpfungstat unter dem Gesichtspunkt ihrer indiziellen Bedeutung für die bemakelte Herkunft der nicht aus ihr stammenden Abschöpfungsgegenstände in Betracht (vgl. Gebauer, ZRP 2016, 101, 104; Rönnau/Begemeier, NZWiSt 2016, 260, 264, jew. zum RefE; vgl. auch – zum erweiterten Verfall nach § 73d StGB aF – ‒ 2 BvR 564/95, NJW 2004, 2073, 2077, wonach das Tatgericht „gehalten“ ist, die Begehung der Anlasstat in seine Überzeugungsbildung betreffend die Herkunftstaten einzubeziehen). Diese Indizwirkung setzt ihrerseits allerdings eine gewisse Beziehung zwischen der Anknüpfungs- und der Herkunftstat voraus, wie sie prototypisch etwa zwischen den Einzeltaten einer Tatserie besteht (vgl. in diesem Sinne auch den Hinweis der Gesetzesbegründung auf die „in der Praxis wichtigen Fällen des gewerbsmäßigen Diebstahls“, BT-Drucks. 18/9525, S. 57). Dazu, diese Beziehung sicherzustellen und eine grenzenlose Abschöpfung von Vermögen aus zur Anknüpfungstat in keiner solchen stehenden Herkunftstaten zu verhindern, dient die Beschränkung des § 73a StGB auf Gegenstände, die bei Begehung der Anknüpfungstat im Tätervermögen vorhanden waren (vgl. zur Wertersatzeinziehung in diesem Sinne auch Rn. 13; zum erweiterten Verfall bereits Arzt, Anlage I zum Protokoll Nr. 75 zur Anhörung im Rechtsausschuss am , wonach aus rechtsstaatlichen Gründen ein „Verdachtszusammenhang“, wenigstens aber ein zeitlicher Konnex zu fordern sei). Ob neben dieser zeitlichen Verbindung in besonderen Fällen weitere, sachliche Einschränkungen zu einer verfassungskonformen Auslegung der § 73a, § 73c StGB geboten sein können (vgl. das Beispiel einer Beleidigung als Anknüpfungstat bei Bittmann, NZWiSt 2022, 404, 407), braucht zur Beantwortung des vorliegenden Anfragebeschlusses nicht entschieden zu werden. Dasselbe gilt für die Frage, ob und inwieweit die im Anfragebeschluss bei engem Verständnis der durch § 73a StGB eröffneten gegenständlichen Einziehung angenommene „Lücke“ im System der Abschöpfungsmöglichkeiten ihre Bedeutung durch die Neuregelung der Einziehung von Tatobjekten der Geldwäsche (§ 261 Abs. 1 und 10 StGB) jedenfalls verloren haben könnte.

15cc) Für die so begründete rechtliche Gleichbehandlung der erweiterten gegenständlichen Einziehung und der erweiterten Wertersatzeinziehung spricht schließlich auch die Gesetzeshistorie (aA Rn. 14).

16(1) Richtig ist zwar, dass in der Gesetzesbegründung zu den Vorgängerregelungen über den erweiterten Verfall der Zeitpunkt des Vorhandenseins im Tätervermögen nur für den Wertersatzverfall angesprochen ist (vgl. BT-Drucks. 11/6623, S. 8; in Bezug genommen von BT-Drucks. 12/989, S. 24; so auch die dazu ergangene Rechtsprechung, vgl. die Nachweise im Anfragebeschluss, Rn. 26). Hieraus lässt sich aber schon deshalb nichts für die hier aufgeworfene Rechtsfrage Maßgebliches herleiten, weil dort allein das Erfordernis, dass die Gegenstände bei Begehung der Anknüpfungstat noch vorhanden waren, in Rede steht; zu der durch die Rechtsprechung aller Senate des Bundesgerichtshofs zusätzlich angenommenen Bedingung der erweiterten Wertersatzeinziehung, dass sie auch schon vorhanden gewesen sein müssen, verhält sich die Gesetzesbegründung ebenso wenig wie die zu § 73d Abs. 2 StGB aF ergangene Rechtsprechung.

17Dass das Noch-Vorhandensein allein für die Wertersatzeinziehung angesprochen wird, dürfte indes damit zu erklären sein, dass es bei einer gegenständlichen Einziehung de facto kaum problematisch werden kann und daher nicht als regelungsbedürftig angesehen wurde, weil sie (wenigstens in aller Regel) ohnehin nur in Bezug auf im Strafverfahren sichergestellte, mithin nicht bereits vor Begehung der Anknüpfungstat aus dem Vermögen des Beschuldigten ausgeschiedene Gegenstände in Frage kommt.

18(2) Umgekehrt deutet die zitierte Gesetzesbegründung allerdings darauf hin, dass es dem Gesetzgeber bereits mit dem Institut des erweiterten Verfalls nicht um eine unbegrenzte Abschöpfung von deliktisch erlangten Vermögensgegenständen eines Straftäters ging, sondern allein um die Schließung einer angenommenen Regelungslücke hinsichtlich des Zugriffs auf Vermögen, das im Zeitpunkt der Anknüpfungstat bei ihm vorgefunden wird (vgl. BT-Drucks. 11/6623, S. 4: Beispiel des Drogenhändlers, den man im Besitz kleinerer Betäubungsmittelmengen antrifft und bei dem man „daneben“ Geldbeträge von naheliegend deliktischer Herkunft findet).

Quentin                         Sturm                         Maatsch

               Scheuß                         Marks

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:190525B4ARS3.25.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-95547