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BAG Urteil v. - 8 AZR 139/24

Internationale Zuständigkeit - nachvertragliches Wettbewerbsverbot - Berechnung der Karenzentschädigung - virtuelle Aktienoptionen

Instanzenzug: Az: 37 Ca 3555/22 37 Ca 6915/23 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 8 Sa 920/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger für die Dauer eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots zustehenden Karenzentschädigung sowie einen Anspruch des Klägers auf einen Barausgleich aus Programmen mit virtuellen Aktienoptionen.

2Die Parteien begründeten mit einem in deutscher Sprache abgefassten Arbeitsvertrag vom 18./ zum ein Arbeitsverhältnis. Der Kläger erhielt als Chief Commercial Officer nach § 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrags zunächst ein festes Bruttojahresentgelt iHv. 60.000,00 Euro. Kurz nach Beginn des Arbeitsverhältnisses wechselte er auf die Position des Chief Financial Officer und erhielt zuletzt eine jährliche Grundvergütung iHv. 160.000,00 Euro brutto, entsprechend 13.333,33 Euro brutto monatlich. Die Beklagte mit Sitz in Berlin betreibt eine Internetplattform, über die Ferienunterkünfte vermittelt werden. Ihre Muttergesellschaft, die frühere L SE mit Sitz in Luxemburg, firmiert heute als H SE und ist seit September 2021 börsennotiert.

3In § 10 des Arbeitsvertrags vereinbarten die Parteien ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot für die Dauer von zwölf Monaten. Nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags erhält der Kläger von der Beklagten als Karenzentschädigung „für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Mitarbeiter zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen“. Im Übrigen gelten nach § 10 Abs. 9 des Arbeitsvertrags die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs.

4Nach § 7 Abs. 3 des Arbeitsvertrags erhält der Kläger zusätzlich zu dem in § 7 Abs. 1 geregelten festen Bruttojahresentgelt eine virtuelle Beteiligung an der Beklagten. Einzelheiten dazu sind in der in deutscher Sprache verfassten Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung geregelt, die dem Arbeitsvertrag als Anlage I beigefügt ist (im Folgenden Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung). Das Programm über eine virtuelle Beteiligung verschafft den teilnehmenden Arbeitnehmern grundsätzlich kein Recht auf den Erhalt von Aktien, sondern einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines bestimmten Geldbetrags, sofern die Voraussetzungen für die Ausübung der Optionsrechte erfüllt sind. Insbesondere muss vor der Ausübung eine sog. „Vesting Period“ abgelaufen sein, in der Optionsrechte über einen Zeitraum von vier Jahren schrittweise „gevestet“ (erdient) werden. Eine Ausübung der Optionsrechte ist nach dem Ablauf der Vesting Period erst bei Eintritt eines sog. „Exit“ bzw. „Exercise Event“ beispielsweise in Form einer Veräußerung von mehr als 50 vH der Geschäftsanteile oder eines Börsengangs möglich. Bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses können Optionsrechte abhängig davon verfallen, ob diese bereits gevestet sind und aus welchem Grund das Arbeitsverhältnis endet. Unter Nr. 3.3 der Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung ist geregelt, dass die Gewährung der Mitarbeiterbeteiligung keine Auswirkungen auf die Berechnung etwaiger Bonuszahlungen, Tantiemen, Pensionspläne oder sonstiger Vergütungen des Mitarbeiters durch die Gesellschaft hat.

5Die Beklagte gewährte dem Kläger im Juli 2019 in einem weiteren Programm virtuelle Aktienoptionen nach den in englischer Sprache verfassten „Option Terms for the Virtual Option Plan for Key Management of H GmbH“ (im Folgenden Option Terms 2019). Die Option Terms 2019 enthalten ebenfalls Regelungen über eine „Vesting Period“ von vier Jahren, nach deren Ablauf die Optionsrechte bei Eintritt eines „Exercise Event“ ausgeübt werden können, sowie Regelungen über den Verfall der Optionsrechte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weiter ist geregelt, dass die virtuellen Optionsrechte keine Gegenleistung für die vom jeweiligen Optionsinhaber in der Vergangenheit erbrachten Leistungen darstellen sollen.

6Im September 2021 war die Beklagte an einer „Transaktion“ im Zusammenhang mit der früheren L SE (heute: H SE) beteiligt, die ein „Exercise Event“ im Sinne der beiden Programme über virtuelle Aktienoptionen darstellte. Die Beklagte rechnete im Oktober 2021 unter anderem einen Betrag iHv. 6.982.515,90 Euro brutto unter der Bezeichnung „Virtual Shares“ ab. Von dem errechneten Nettolohn iHv. 3.695.272,34 Euro zog sie unter anderem einen „Einbehalt Virtual Shares“ iHv. 3.246.531,86 Euro ab. Neben dem sich aus der Abrechnung ergebenden Auszahlungsbetrag erhielt der Kläger - trotz der grundsätzlichen Konzeption als virtuelle Beteiligung - Aktien der Muttergesellschaft der Beklagten.

7Am vereinbarten die Parteien einen Aufhebungsvertrag. Danach endete das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis mit Ablauf des . In § 9 des Aufhebungsvertrags ist geregelt, dass das nachvertragliche Wettbewerbsverbot von der Aufhebung des Arbeitsvertrags unberührt bleibt.

8Der Kläger entwickelte für die Beklagte ein sog. Debt Assumption and Share Purchase Agreement, das er am unterschrieb (im Folgenden DASPA 2022). Parteien des DASPA 2022 sind des Weiteren die Beklagte und deren Muttergesellschaft. Mit dem DASPA 2022 wurden die Bestimmungen der zwischen den Parteien vereinbarten Optionsprogramme geändert und insbesondere erdiente virtuelle Aktienoptionen bis zum für unverfallbar erklärt sowie virtuelle Aktienoptionen, die am noch nicht gevestet waren, in einen „Payment Claim“ umgewandelt. Dieser „Payment Claim“ sollte im Ausgangspunkt durch Gewährung von „class A shares“ der Muttergesellschaft der Beklagten erfüllt werden. Jedoch erhielt der Kläger die Möglichkeit, sich nach seiner Wahl 50 vH des Zahlungsanspruchs durch eine Barzahlung erfüllen zu lassen, statt zu 100 vH „class A shares“ der Muttergesellschaft der Beklagten zu erhalten („Partial Cash Settlement“). Der Kläger wählte diesen teilweisen Barausgleich. In einer Anlage zum DASPA 2022 wird der gegenüber dem Kläger als Barausgleich zu erfüllende Teil des Anspruchs („Cash Payment Amount“) mit einem Betrag von 174.715,84 Euro angegeben. Im Übrigen enthält das DASPA 2022 in Nr. 3.1 Regelungen über eine für die Beklagte befreiende Schuldübernahme in Bezug auf den „Relevant Payment Claim“. Nr. 7.1 DASPA 2022 regelt für bestimmte Ansprüche die Zuständigkeit luxemburgischer Gerichte, während danach im Übrigen Berlin als Gerichtsstand vereinbart ist.

9Nachdem der Kläger der Beklagten im Januar 2022 mitgeteilt hatte, in welcher Höhe er von einem Zahlungsanspruch aus dem DASPA 2022 ausgehe, erklärte der Geschäftsführer der Beklagten Herr S mit E-Mail vom die Anfechtung seiner in Bezug auf das DASPA 2022 abgegebenen Erklärung.

10Die Beklagte zahlte dem Kläger für die Zeit von April 2022 bis Februar 2023 eine monatliche Karenzentschädigung iHv. 6.666,66 Euro brutto. Für März 2023 leistete sie keine Zahlung. Der Kläger erzielte in diesem Monat bei seinem neuen Arbeitgeber ein Entgelt iHv. 19.583,33 Euro brutto.

11Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe einen Anspruch auf Zahlung eines Barausgleichs iHv. 174.715,84 Euro gegen die Beklagte. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte sei gegeben. Der Anspruch sei nicht mit für die Beklagte befreiender Wirkung auf deren Muttergesellschaft übergegangen. Die Beklagte habe das DASPA 2022 nicht wirksam angefochten. Im Übrigen stehe ihm eine höhere Karenzentschädigung als 6.666,66 Euro brutto monatlich zu. In die Berechnung seien neben der Festvergütung von zuletzt jährlich 160.000,00 Euro brutto auch die Einnahmen aus virtuellen Aktienoptionen einzubeziehen. Dazu zähle die Leistung aus Oktober 2021 iHv. 6.982.516,00 Euro sowie ein sich aus dem DASPA 2022 ergebender Betrag iHv. 290.186,00 Euro, in dem der streitige Barausgleich iHv. 174.715,84 Euro enthalten sei. Daraus errechne sich ein Anspruch auf eine monatliche Karenzentschädigung iHv. 107.676,00 Euro. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe es keine Einigung der Parteien dahin gehend gegeben, dass für die gesamte Karenzzeit lediglich eine Entschädigung von insgesamt 80.000,00 Euro geschuldet sei. Für März 2023 lägen die Voraussetzungen einer Anrechnung anderweitigen Erwerbs nach § 74c HGB nicht vor.

12Der Kläger hat beantragt,

13Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe weder einen Anspruch auf den von ihm begehrten Barausgleich noch auf eine höhere als die bereits gezahlte Karenzentschädigung.

14In Bezug auf den vom Kläger beanspruchten Barausgleich sei die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nicht gegeben, weil wirksam Luxemburg als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Im Übrigen sei sie insoweit nicht passivlegitimiert, weil die H SE die Schuld im DASPA 2022 mit für die Beklagte befreiender Wirkung übernommen habe. Sie habe das DASPA 2022 darüber hinaus wirksam angefochten. Ihr Geschäftsführer Herr S habe den Kläger angewiesen, das DASPA 2022 so zu gestalten, dass sich die Barzahlung nach dem tatsächlichen Wert der Aktien der H SE zum Stichtag berechne. Entgegen dieser Weisung habe der Kläger das DASPA 2022 so ausgestaltet, dass die Barzahlung 50 vH eines höheren fiktiven Preises von 10,00 Euro je Aktie betrage. In der Folge sei der Geschäftsführer Herr S bei der Unterzeichnung des DASPA 2022 einem Irrtum über dessen Inhalt erlegen. Er sei davon ausgegangen, dass der Kläger seine Vorgaben zutreffend umgesetzt habe.

15Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine höhere als die bereits ausgezahlte Karenzentschädigung. Leistungen aus den Programmen über virtuelle Aktienoptionen seien bei der Berechnung der Karenzentschädigung nicht zu berücksichtigen. Es handele sich dabei nicht um vertragsmäßige Leistungen iSv. § 74b Abs. 2 HGB. Sie seien keine Gegenleistung für die vom Kläger erbrachte Arbeitsleistung. Im Übrigen handele es sich nicht um „zuletzt“ bezogene vertragsmäßige Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB, weil die Programme über virtuelle Aktienoptionen beendet gewesen seien, bevor das Arbeitsverhältnis des Klägers geendet habe. Zudem seien Ansprüche aus den Programmen zu virtuellen Aktienoptionen von den Parteien einvernehmlich auf die H SE übertragen worden. Es handele sich daher nicht um von der Beklagten gewährte Leistungen, sondern um Zuwendungen durch die Konzernmutter der Beklagten, die bei der Berechnung der Karenzentschädigung nicht zu berücksichtigen seien. Im Übrigen könnten allenfalls diejenigen Optionen einbezogen werden, die in den letzten drei Jahren erdient („gevestet“) worden seien. Ein Großteil der virtuellen Optionen des Klägers sei aber vor diesem Zeitraum erdient worden. Einem Anspruch des Klägers auf eine höhere Karenzentschädigung stehe auch entgegen, dass sich die Parteien bereits im Juli/August 2021 auf eine Karenzentschädigung iHv. 80.000,00 Euro für den gesamten Karenzzeitraum geeinigt hätten. Eine Karenzentschädigung für den Monat März 2023 habe sie wegen des vom Kläger anderweitig erzielten Einkommens berechtigterweise nicht ausgezahlt.

16Das Arbeitsgericht hat die Klage und die Widerklage der Beklagten, gerichtet auf Auskunft über die Höhe des vom Kläger während des Wettbewerbsverbots erzielten anderweitigen Erwerbs, abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht ausschließlich für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seine zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

17Die zulässige Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung hätte das Landesarbeitsgericht die zulässige Berufung des Klägers nicht zurückweisen dürfen. Der Kläger hat jedenfalls Anspruch auf eine höhere als die bisher von der Beklagten gezahlte Karenzentschädigung. Der Rechtsstreit ist jedoch nicht entscheidungsreif. Hierfür bedarf es weiterer Feststellungen. Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

18I. Im Ergebnis ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage insgesamt zulässig ist. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben.

191. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist eine in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung. § 545 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen ( - Rn. 15 mwN).

202. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte in Bezug auf den vom Kläger begehrten Barausgleich aus dem DASPA 2022 kann allerdings nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung bejaht werden.

21a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die internationale Zuständigkeit folge nach deutschem Recht grundsätzlich der örtlichen Zuständigkeit. Mangels eines grenzüberschreitenden Bezugs des Rechtsstreits richte sich die Zulässigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung der Parteien zugunsten der Gerichte der Stadt Luxemburg nach den Regelungen der §§ 38 ff. ZPO, die vorliegend nicht durch vorrangiges Unionsrecht verdrängt seien. Die Voraussetzungen für eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung nach §§ 38 ff. ZPO seien nicht gegeben.

22b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts richtet sich die internationale Zuständigkeit nach vorrangigem Unionsrecht. Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ( - Rn. 21 mwN). Die internationale Zuständigkeit richtet sich daher nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012, die gegenüber den nationalen Regelungen vorrangig ist, sofern ein Auslandsbezug gegeben ist (vgl.  - Rn. 12 mwN, BAGE 177, 298). Ein ausreichender Auslandsbezug ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass das DASPA 2022 nicht nur zwischen dem Kläger und der Beklagten mit Sitz in Berlin, sondern auch mit der H SE mit Sitz in Luxemburg geschlossen worden ist. Im Übrigen ergibt sich der Auslandsbezug aus der Gerichtsstandsvereinbarung selbst. Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 ist dahin auszulegen, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung, mit der die in demselben Mitgliedstaat ansässigen Parteien eines Vertrags die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Mitgliedstaats für Rechtsstreitigkeiten aus diesem Vertrag vereinbaren, unter diese Bestimmung fällt, selbst wenn der Vertrag keine weitere Verbindung zu diesem anderen Mitgliedstaat aufweist ( - [Inkreal] Rn. 14 ff.).

233. Für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kommt es nicht darauf an, ob die im DASPA 2022 getroffene Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der luxemburgischen Gerichte wirksam ist. Diese erfasst den Streitgegenstand des zu entscheidenden Rechtsstreits nicht. Die Gerichtsstandsvereinbarung in Nr. 7.1 DASPA 2022 zugunsten der Gerichte in Luxemburg betrifft nach dem, von den Parteien in der mündlichen Revisionsverhandlung geäußerten, gemeinsamen Sprachverständnis ausschließlich einen Kauf („purchase“) nach Nr. 5 DASPA 2022. In Nr. 5.1 DASPA 2022 ist der Kauf von „Relevant VSOPs Payment Shares“ geregelt. Dabei handelt es sich nach Nr. 1.2 und Nr. 1.6 DASPA 2022 um Aktien der H SE. Die Streitigkeit der Parteien betrifft dagegen einen auf Geld gerichteten Barausgleich. Für Streitigkeiten, die nicht auf den Kauf von Aktien der H SE gerichtet sind, ist nach Nr. 7.1 DASPA 2022 Berlin als ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart.

24II. Die Klage ist jedenfalls teilweise begründet.

251. Der Senat kann ohne weitere Feststellungen nicht entscheiden, ob der Kläger entsprechend seinem Klageantrag zu 1. einen Anspruch auf einen Barausgleich iHv. 174.715,84 Euro brutto zuzüglich Zinsen aus dem DASPA 2022 hat.

26a) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf den begehrten Barausgleich scheitere bereits an der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten. Zwischen den Parteien und der H SE sei in Nr. 3.1 des englischsprachigen DASPA 2022 eine Schuldübernahme durch die H SE mit für die Beklagte befreiender Wirkung vereinbart worden. Es spricht jedoch viel dafür, dass sich die befreiende Schuldübernahme in Nr. 3.1 DASPA 2022 nicht auf Geldansprüche wie den hier interessierenden Anspruch auf einen Barausgleich bezieht. Die befreiende Schuldübernahme nach Nr. 3.1 DASPA 2022 dürfte sich wohl nur auf den „Relevant Payment Claim“ beziehen. Dieser ist in Nr. 1.6 DASPA 2022 durch einen Klammerzusatz als „portion of the Payment Claim that shall be settled by the delivery of VSOPs Payment Shares to the Purchaser“ definiert. Dies legt nahe, dass sich die befreiende Schuldübernahme in Nr. 3.1 DASPA 2022 auf einen möglichen Anspruch auf Übertragung von Aktien der H SE beschränkt, der jedoch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits ist. Das zu klären wird Aufgabe des Landesarbeitsgerichts sein, ggf. anhand einer Übersetzung, die ein Übersetzer angefertigt hat, der für Sprachübertragungen der betreffenden Art nach den landesrechtlichen Vorschriften ermächtigt oder öffentlich bestellt wurde, § 142 Abs. 3 ZPO.

27b) Ohne weitere Feststellungen vermag der Senat auch nicht zu entscheiden, ob ein Anspruch auf einen Barausgleich iHv. 174.715,84 Euro brutto ausscheidet, weil der Geschäftsführer der Beklagten Herr S seine Zustimmungserklärung zum DASPA 2022 mit E-Mail vom angefochten hat.

28aa) Als Anfechtungsgrund kommt insbesondere ein Inhaltsirrtum iSv. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB in Betracht. Nach § 119 Abs. 1 BGB kann eine Erklärung anfechten, wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Ein Inhaltsirrtum iSv. § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB setzt ein Auseinanderfallen von Wille und Erklärung voraus ( - Rn. 25 mwN). Bisher fehlen Feststellungen zu der Frage, ob der Geschäftsführer der Beklagten Herr S bei der Unterzeichnung des DASPA 2022 irrig davon ausging, dass sich die Barzahlung nach dem tatsächlichen Wert der Aktien der H SE zum Stichtag berechne und nicht nach einem höheren fiktiven Preis von 10,00 Euro je Aktie.

29bb) Ohne weitere Tatsachenfeststellungen kann weiterhin nicht geprüft werden, ob die Anfechtungsfrist des § 121 Abs. 1 BGB eingehalten ist. Die Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt, zu dem der Geschäftsführer der Beklagten vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat, und der Anfechtungserklärung, ergibt sich aus den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht.

30cc) Das Landesarbeitsgericht wird weiterhin in den Blick zu nehmen haben, dass der Geschäftsführer der Beklagten Herr S das DASPA 2022 nicht in dieser Funktion für die Beklagte, sondern neben dem „COO“ Herrn G als „CFO“ für die H SE unterzeichnet hat. Insoweit könnte entscheidend sein, ob es ausgehend von den bei der H SE geltenden Vertretungsregelungen, die ggf. festzustellen wären, für einen wirksamen Abschluss des DASPA 2022 auf die Erklärung des „CFO“ Herrn S ankommt. In diesem Fall wäre anhand des durch Übersetzung festzustellenden Inhalts des DASPA 2022 zu prüfen, ob durch eine wirksame Anfechtung durch die H SE auch die vertraglichen Bindungen hieraus zwischen den Parteien entfallen.

312. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft die Anträge auf Zahlung einer höheren als der bisher von der Beklagten ausgezahlten Karenzentschädung als unbegründet angesehen. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts sind diejenigen Leistungen in die Berechnung der Karenzentschädigung einzubeziehen, die der Kläger aus den Programmen über virtuelle Aktienoptionen erlangt hat. Ausgehend von den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat die genaue Höhe der geschuldeten Karenzentschädigung jedoch nicht bestimmen, weil diese ua. von einem möglichen Anspruch des Klägers auf einen Barausgleich iHv. 174.715,84 Euro brutto aus dem DASPA 2022 abhängt.

32a) Der Kläger hat aus § 10 des Arbeitsvertrags iVm. § 110 GewO, §§ 74 ff. HGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Zahlung einer Karenzentschädigung erlangt. Die Parteien haben in § 10 des Arbeitsvertrags ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot sowie die Zahlung einer Karenzentschädigung vereinbart. Diese Vereinbarung haben die Parteien in § 9 des Aufhebungsvertrags vom ausdrücklich aufrechterhalten. Der Kläger hat sich im Karenzzeitraum auch an das Wettbewerbsverbot gehalten und kann deshalb als Gegenleistung die versprochene Karenzentschädigung beanspruchen.

33b) In die Berechnung der Höhe der Karenzentschädigung sind nach § 74 Abs. 2 HGB als zuletzt bezogene vertragsmäßige Leistungen neben der jährlichen Festvergütung iHv. 160.000,00 Euro auch die vom Kläger bezogenen Leistungen aus den Programmen über virtuelle Aktienoptionen als wechselnde Bezüge iSv. § 74b Abs. 2 HGB einzubeziehen. Darunter fallen der im Oktober 2021 abgerechnete Bruttobetrag iHv. 6.982.515,90 Euro für „Virtual Shares“ sowie ggf. Leistungen der Beklagten an den Kläger aus dem DASPA 2022.

34aa) Die Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Regelungen über ein Wettbewerbsverbot in § 10 des Arbeitsvertrags ergibt, dass die Höhe der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2, § 74b Abs. 2 HGB zu berechnen ist.

35(1) Bei den in § 10 des Arbeitsvertrags erkennbar vorformulierten Vereinbarungen handelt es sich entweder um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB oder jedenfalls um vorformulierte Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Als solche sind sie nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnis-möglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (vgl.  - Rn. 22 mwN, BAGE 178, 362).

36(2) Die Auslegung von § 10 des Arbeitsvertrags nach diesen Grundsätzen ergibt, dass dem Kläger bei Einhaltung des Wettbewerbsverbots eine Karenzentschädigung in der in § 74 Abs. 2, § 74b Abs. 2 HGB bestimmten Mindesthöhe zufließen soll. Nach § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags verpflichtet sich die Beklagte, dem Kläger für die Dauer des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots eine Entschädigung zu zahlen, „die für jedes Jahr des Verbots die Hälfte der von dem Mitarbeiter zuletzt bezogenen vertragsgemäßen Leistungen erreicht“. Damit orientiert sich § 10 Abs. 3 des Arbeitsvertrags hinsichtlich der Höhe der versprochenen Entschädigung ersichtlich am Wortlaut von § 74 Abs. 2 HGB. Nach § 10 Abs. 9 des Arbeitsvertrags gelten im Übrigen die §§ 74 ff. HGB. Vor diesem Hintergrund konnte ein verständiger und redlicher Erklärungsempfänger die vertraglichen Vereinbarungen über das nachvertragliche Wettbewerbsverbot nur so verstehen, dass ihm bei Einhaltung des Verbots eine Karenzentschädigung in der in § 74 Abs. 2 HGB bestimmten Mindesthöhe zufließen soll, bei deren Berechnung die Regelung des § 74b Abs. 2 HGB anzuwenden ist (vgl.  - Rn. 23 mwN, BAGE 178, 362).

37bb) Bei den im Oktober 2021 abgerechneten Leistungen aus Programmen zu virtuellen Aktienoptionen iHv. 6.982.515,90 Euro handelt es sich um zuletzt vom Kläger bezogene vertragsmäßige Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB. Als vertragsmäßig iSv. § 74 Abs. 2 HGB ist eine Leistung anzusehen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsvertrags beruht und als Vergütung für die geleistete Arbeit erbracht wird. Ausgangspunkt für die Bestimmung der „zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen“ iSd. § 74 Abs. 2 HGB ist demnach alles, was der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber in der fraglichen Zeit als Gegenleistung für seine Arbeitsleistung erhalten hat (st. Rspr.,  - Rn. 26, BAGE 178, 362; - 10 AZR 360/08 - Rn. 17 f.; - 3 AZR 666/78 - zu II 3 der Gründe; - 3 AZR 61/73 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 25, 385). Auch Jahresvergütungen, Gratifikationen, zusätzliche Urlaubsgelder, Tantiemen und ähnliche Sonderzuwendungen zählen hierzu, selbst wenn sie der Arbeitgeber unter Ausschluss eines Rechtsanspruchs als freiwillige Leistung gewährt ( - Rn. 17; - 3 AZR 110/88 - BAGE 64, 1; - 3 AZR 300/82 - zu 2 a der Gründe).

38(1) Die Mitarbeiterbeteiligungsprogramme dienen allerdings zunächst dem Zweck, den Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Ein zukunftsgerichteter Zweck wird durch das Vesting bzw. die Wartezeit bis zur Ausübbarkeit der Optionen und die Verfallklauseln bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses deutlich. Die Zuteilung der noch nicht gevesteten Optionen soll den Mitarbeiter danach zu künftiger Betriebszugehörigkeit in einem aktiven Arbeitsverhältnis anhalten (vgl.  - Rn. 37).

39(2) Die Leistungen der Beklagten an den Kläger infolge der Ausübung von virtuellen Aktienoptionsrechten im laufenden Arbeitsverhältnis stellen jedoch auch eine Gegenleistung für die Arbeitsleistung des Klägers dar. Jedenfalls deswegen sind sie als vertragsmäßige Leistung nach § 74 Abs. 2 HGB anzusehen. Dem steht nicht entgegen, dass die virtuellen Optionsrechte nach den Option Terms 2019 keine Gegenleistung für die vom jeweiligen Optionsinhaber in der Vergangenheit erbrachten Leistungen darstellen sollen. Das ergibt die Auslegung der Bestimmungen. Sowohl bei den Option Terms 2019 als auch bei der Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung in Anhang I zum Arbeitsvertrag handelt es sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte einseitig gestellte Vertragsbedingungen über virtuelle Mitarbeiter-Aktienoptionen und somit um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, die nach den hierfür geltenden Maßstäben auszulegen sind.

40(a) Der Vergütungscharakter folgt zunächst aus Nr. 3.4 der Option Terms 2019. Danach wird die Vesting-Periode für Zeiten des Mutterschutzes, der Elternzeit, des unbezahlten Urlaubs oder Bildungsurlaubs von insgesamt mehr als sechs Wochen und Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ohne Entgeltfortzahlung ausgesetzt. Die virtuellen Optionen werden danach grundsätzlich nur in den Zeiten des Arbeitsverhältnisses „erdient“, in denen der Mitarbeiter auch einen Entgeltanspruch hat. Dieser setzt nach dem Grundsatz „kein Lohn ohne Arbeit“ (vgl. dazu zB  - Rn. 25) - abgesehen von gesetzlich oder (tarif-)vertraglich geregelten Ausnahmen - die Erbringung von Arbeitsleistung voraus. Das Vesting knüpft damit an den Austausch von Arbeitsleistung und Vergütung gemäß § 611a BGB an.

41(b) Die Beteiligungsprogramme sollen den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, an der Steigerung des Unternehmenswerts teilzuhaben. So hängt die Werthaltigkeit der ausübbaren virtuellen Optionen im Fall eines „Exercise Event“ vom erzielten Exit-Erlös ab. Auch wenn neben dem Verbleib im aktiven Arbeitsverhältnis keine bestimmte Gegenleistung des Mitarbeiters erforderlich ist, um im Fall eines Ausübungsereignisses an der Wertsteigerung der Unternehmensgruppe zu partizipieren, wird ein Anreiz geschaffen, durch gute Arbeitsleistung zum erfolgreichen Marktauftritt beizutragen und sich für das Unternehmen nachhaltig einzusetzen (vgl.  - Rn. 40 mwN). Auch andere Leistungen, die an den Unternehmenserfolg geknüpft sind (wie zB Tantiemen, Gewinnbeteiligungen), auf den der Arbeitnehmer häufig keinen unmittelbaren Einfluss hat, werden regelmäßig als zusätzliche Vergütung für die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gezahlt (vgl.  - Rn. 64; - 10 AZR 266/14 - Rn. 13; - 1 AZR 807/09 - Rn. 41; - 1 AZR 412/09 - Rn. 25, BAGE 137, 300).

42(c) Dem steht nicht entgegen, dass die mit den Option Terms 2019 gewährten virtuellen Optionen nicht im Arbeitsvertrag vereinbart wurden. Die Gewährung von Aktienoptionen ist unabhängig davon, ob das Bezugsrecht im Anstellungsvertrag oder später vereinbart wird, regelmäßig als Bestandteil der arbeitsvertraglichen Vergütungsregelung zu qualifizieren (vgl.  - Rn. 30, BAGE 127, 1; ErfK/Preis 25. Aufl. BGB § 611a Rn. 541; Pulz Personalbindung durch aktienkursorientierte Vergütung S. 38 ff.; Seidensticker Mitarbeiteraktienoptionsprogramme: Einführung in das Arbeitsverhältnis und Behandlung in der Unternehmensumstrukturierung S. 59; Temming FS Preis 2021 S. 1313, 1329 ff.). Dies gilt auch für die vorliegenden Mitarbeiterbeteiligungsprogramme. Sie unterscheiden sich von einem echten Aktienoptionsprogramm zwar dadurch, dass grundsätzlich keine Beteiligung am Unternehmen durch die Einräumung von Aktienbezugsrechten erworben wird. Nach Ablauf des Vesting-Zeitraums hält der Arbeitnehmer aber ausübbare virtuelle Optionen, die im Fall eines Ausübungsereignisses einen schuldrechtlichen Anspruch auf eine Beteiligung an der Wertsteigerung des Unternehmens verkörpern.

43(d) Gegen eine Berücksichtigung der Leistungen aus dem mit dem Arbeitsvertrag vereinbarten Programm über virtuelle Aktienoptionen spricht - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht die Regelung unter Nr. 3.3 der Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung in Anhang I zum Arbeitsvertrag. Danach hat die Gewährung der Mitarbeiterbeteiligung keine Auswirkungen auf die Berechnung etwaiger Bonuszahlungen, Tantiemen, Pensionspläne oder sonstiger Vergütungen des Mitarbeiters durch die Gesellschaft. Nach dem Wortlaut bezieht sich Nr. 3.3 der Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung auf verschiedene Arten von Vergütungen im bestehenden Arbeitsverhältnis. Aus der Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ist daher nicht anzunehmen, dass die Mitarbeiterbeteiligung nach dieser Regelung auch keine Auswirkungen auf die Höhe der Karenzentschädigung haben soll. Wettbewerbsverbote sind gegenseitige Verträge. Im Synallagma stehen die vom Arbeitnehmer geschuldete Unterlassung des Wettbewerbs und die vom Arbeitgeber geschuldete Zahlung der Karenzentschädigung ( - Rn. 11, BAGE 134, 147; vgl. - 9 AZR 595/03 - zu A I 2 der Gründe, BAGE 112, 376). Es handelt sich bei der Karenzentschädigung somit im Unterschied zu den anderen in Nr. 3.3 der Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung genannten arbeitsleistungsbezogenen Vergütungen gerade nicht um eine solche im bestehenden Arbeitsverhältnis.

44cc) Einer Einbeziehung der Leistungen aus den Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen der Beklagten im laufenden Arbeitsverhältnis in die Berechnung der Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2, § 74b Abs. 2 HGB steht nicht entgegen, dass die Programme nach Auffassung der Beklagten bereits beendet waren, bevor das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien geendet hatte.

45(1) Für die Berechnung der Karenzentschädigung ist es ohne Bedeutung, mit welchen Zahlungen der Arbeitnehmer in Zukunft sicher hätte rechnen können. Wie sich der Verdienst weiterentwickelt hätte, ist nicht maßgeblich; es kommt allein darauf an, wie hoch der Verdienst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses war ( - Rn. 18; - 3 AZR 61/73 - zu I 3 a der Gründe, BAGE 25, 385). Bereits aus diesem Grund kommt es nicht darauf an, ob der Kläger im Fall einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses weiter an Programmen zu virtuellen Aktienoptionen teilgenommen hätte (aA  - zu 2.1. der Gründe).

46(2) Für dieses Verständnis streitet auch der Zweck der Karenzentschädigung. Diese soll dem Arbeitnehmer den Lebensstandard sichern, den er sich aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit erarbeitet hat (vgl.  - Rn. 40 mwN, BAGE 178, 362). Der Lebensstandard, der mit dem Anspruch auf eine Karenzentschädigung während des Wettbewerbsverbots gesichert werden soll, wird durch Erlöse aus einer Mitarbeiterbeteiligung auch dann geprägt, wenn dieses Programm in dem Zeitraum des § 74b Abs. 2 HGB vor dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis endet.

47dd) Der Annahme, dass die Leistungen aus den Programmen über virtuelle Aktienoptionen zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB gehören, steht ebenfalls nicht entgegen, dass die H SE die Verpflichtung zur Übertragung von Aktien von der Beklagten mit schuldbefreiender Wirkung übernommen hat. Zwar fließen Aktienerwerbsrechte regelmäßig nicht in die Bemessung der Karenzentschädigung ein, wenn der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von (beschränkten) Aktienerwerbsrechten nicht mit seinem Vertragsarbeitgeber, sondern mit der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe bzw. eines Konzerns abschließt, der bzw. dem sein Vertragsarbeitgeber angehört ( - Rn. 36, BAGE 178, 362). Darauf kommt es jedoch hier nicht an. Vielmehr ist die Beklagte hier eine eigene vertragliche Verpflichtung eingegangen, dem Kläger virtuelle Aktienoptionsrechte einzuräumen und erdiente Optionsrechte bei Eintritt eines „Exercise Event“ auszuzahlen. Geht jedoch der Vertragsarbeitgeber mit der Mitarbeiterbeteiligung eine eigene vertragliche Verpflichtung ein, zählt die Übertragung der Aktien zu den zuletzt bezogenen vertragsmäßigen Leistungen iSv. § 74 Abs. 2 HGB (vgl.  - Rn. 27, 37, 53, aaO;  - zu II 2 der Gründe). Daran ändert sich nichts, wenn die Erfüllung der Pflicht zur Übertragung von Aktien später mit für die Arbeitgeberin befreiender Wirkung von der Muttergesellschaft der Arbeitgeberin übernommen wird.

48ee) Nach § 74b Abs. 2 HGB sind wechselnde Bezüge bei der Berechnung der Karenzentschädigung nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre in Ansatz zu bringen. Daraus folgt, dass der Wert der vom Kläger aus virtuellen Aktienoptionen bezogenen Leistungen in der von der Beklagten im Oktober 2021 mit 6.982.515,90 Euro brutto abgerechneten Höhe anzusetzen und daraus der Durchschnitt von drei Jahren zu bilden ist. In die Berechnung der Karenzentschädigung nach § 74b Abs. 2 HGB fließen dagegen nicht nur die Optionsrechte ein, die in den letzten drei Jahren „verdient“ (Nr. 2.1 Vereinbarung über eine virtuelle Beteiligung) worden sind, bzw. Optionen bei denen in diesem Zeitraum das „Vesting“ (Nr. 3 Option Terms 2019) eingetreten ist. Für die Frage, wann Leistungen vorliegend „bezogen“ worden sind iSv. § 74 Abs. 2 HGB, kommt es vielmehr darauf an, wann die Optionsrechte ausgeübt worden sind. Dies folgt aus dem Zweck der Karenzentschädigung, den Lebensstandard zu sichern, den sich ein Arbeitnehmer aufgrund seiner vorausgegangenen Tätigkeit erarbeitet hat (vgl.  - Rn. 40 mwN, BAGE 178, 362). Solange Aktienoptionen lediglich gevestet aber noch nicht ausgeübt sind, wirken sie sich noch nicht unmittelbar auf den Lebensstandard im Arbeitsverhältnis aus. Typischerweise hängt von nicht vorhersehbaren Faktoren ab, ob sich für den Arbeitnehmer ein Gewinn realisieren wird. Die Ausübbarkeit kann beispielsweise von einer bestimmten positiven Entwicklung des Aktienkurses oder dem Eintritt eines „Exercise Event“ abhängen. Tritt eine dieser Voraussetzungen nicht ein, erlangt der Arbeitnehmer regelmäßig keinen realen Wert, der sich auf seinen Lebensstandard auswirkt (vgl.  - Rn. 48 f.).

49c) Der Kläger muss sich auf die Karenzentschädigung für den Monat März 2023 nicht sein Entgelt iHv. 19.583,33 Euro brutto bei einem anderen Arbeitgeber anrechnen lassen. Das gilt unabhängig von der genauen Höhe der dem Kläger zustehenden Karenzentschädigung, die auch von möglichen Ansprüchen aus dem DASPA 2022 abhängt. Die Karenzentschädigung überschreitet unter Hinzurechnung des beim neuen Arbeitgeber erzielten Entgelts den Betrag der zuletzt vom Kläger bei der Beklagten bezogenen vertragsmäßigen Leistungen nicht nach § 74c Abs. 1 HGB um mehr als ein Zehntel. Allein die vom Kläger bei der Beklagten nach dem Durchschnitt der letzten drei Jahre aus virtuellen Aktienoptionen im Oktober 2021 bezogenen Leistungen übersteigen die dem Kläger höchstens zustehende Karenzentschädigung zuzüglich des Entgelts beim neuen Arbeitgeber deutlich.

50d) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht einem Anspruch des Klägers auf eine höhere Karenzentschädigung auch nicht entgegen, dass sich die Parteien bereits im Juli/August 2021 auf eine Karenzentschädigung iHv. 80.000,00 Euro für den gesamten Karenzzeitraum geeinigt hätten. Der Inhalt der E-Mails des Klägers vom und , den das Landesarbeitsgericht durch Bezugnahme auf die Anlagen festgestellt hat, lässt eine abschließende Einigung der Parteien auf eine Karenzentschädigung von insgesamt 80.000,00 Euro nicht erkennen.

51e) Das Landesarbeitsgericht wird im Übrigen den Anspruch auf Verzugszinsen aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 BGB zu prüfen haben, der mit dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit beginnt, § 187 Abs. 1 BGB.

52III. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Landesarbeitsgericht vorbehalten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:270325.U.8AZR139.24.0

Fundstelle(n):
RAAAJ-95532