Nichtannahmebeschluss: Erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes bzgl der Veröffentlichung eines Buches - Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gegenüber der Betreibung des fachgerichtlichen Hauptsacheverfahrens
Gesetze: Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 7 W 23/25 Beschlussvorgehend Hanseatisches Az: 7 W 23/25 Beschlussvorgehend Az: 324 O 44/25 Beschlussvorgehend Az: 324 O 44/25 Beschluss
Gründe
I.
1Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wenden sich die Beschwerdeführer gegen die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes.
21. Die Beschwerdeführer sind Eheleute und betreiben in Berlin eine international bekannte Kunstgalerie. Im Oktober 2019 wurde ein anonymes Schreiben mit der Überschrift "Hört zu! Seht hin! Wehrt Euch!" bundesweit an Journalisten, Künstler und Geschäftspartner des Beschwerdeführers zu (1) versandt. Dieser wurde in dem Schreiben beschuldigt, mehrere Frauen sexuell belästigt zu haben. Ferner wurde ihm vorgeworfen, Künstlerinnen seine Unterstützung gegen sexuelle Handlungen angeboten zu haben. Im Herbst 2022 wurde in der Druckausgabe der Wochenzeitung (…) sowie auf deren Internetseite ein Artikel veröffentlicht, der diese Vorwürfe thematisierte. Der Beschwerdeführer zu (1) nahm die Verlegerin der Zeitung im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch. Er obsiegte teilweise.
32. Am erschien im Verlag der Antragsgegnerin das Buch "(…)" des Autors (…). Hierbei handelt es sich um den letzten Teil einer Trilogie, die nach den - insoweit von der Verfassungsbeschwerde nicht angegriffenen - fachgerichtlichen Feststellungen die "(Werksname)" von (Autor) zum Vorbild hat. In dem Buch werden reale weltpolitische Ereignisse - wie etwa der russische Angriff auf die Ukraine -und reale politische Akteure erwähnt. Die vornehmlich in der Berliner Kunstszene spielende Handlung, die wechselnd aus der Perspektive verschiedener Haupt- und Nebenfiguren geschildert wird, befasst sich unter anderem mit der Figur des (…), der mit seiner Ehefrau - der Figur der (…) - eine international bekannte Kunstgalerie in Berlin betreibt und sich dem Vorwurf sexueller Übergriffe ausgesetzt sieht. Das Buch schildert die auf diese Vorwürfe folgenden Reaktionen und Gedankengänge der Haupt- und Nebenfiguren. Parallel hierzu wird das Verhalten der Ehefrau beschrieben, die eine "Affäre" mit der Figur des Künstlers (…) eingeht. Die intime Begegnung zwischen diesen Figuren beschreibt das Buch in expliziter - nach Auffassung der Verfassungsbeschwerde pornographischer - Weise.
4Die Beschwerdeführer gehen davon aus, dass sie durch die Figuren (…) und (…) dargestellt werden sollen. Sie beantragten im Ausgangsverfahren den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin, mit der dieser die Verbreitung und Veröffentlichung des Buches "(…)", hilfsweise einzelner Passagen, untersagt werden sollte. Der Antrag blieb vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht erfolglos.
53. Die Beschwerdeführer rügen mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), eine Verletzung ihres grundrechtsgleichen Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie eine Verletzung ihrer Rechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG) und auf prozessuale Waffengleichheit (Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG).
II.
6Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie hat keine Aussicht auf Erfolg, denn sie ist insgesamt unzulässig.
71. Der Verfassungsbeschwerde fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie sich gegen den richtet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist aus verfassungsrechtlicher Perspektive prozessual überholt (vgl. BVerfGK 7, 312 <316>). Das Oberlandesgericht hat als Beschwerdegericht die Sache in vollem Umfang überprüft und eine eigene Sachentscheidung getroffen. Mit Blick hierauf ist eine isoliert verbleibende Grundrechtsverletzung (vgl.BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 929/23 -, Rn. 12) durch die erstinstanzliche Entscheidung weder vorgetragen noch ersichtlich.
82. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Nichtabhilfebeschluss des richtet, ist sie bereits deshalb unzulässig, weil die Nichtabhilfe als verfahrensinterne Entscheidung keine selbständige Beschwer der Beschwerdeführer begründet (vgl.BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1822/14-, Rn. 41).
93. Auch die Zurückweisung der Anhörungsrüge durch das kann im Streitfall nicht mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden. Die Beschwerdeführer zeigen nicht auf, dass in der Behandlung der Anhörungsrüge eine eigenständige, verfassungsrechtlich erhebliche Beschwer liegt (vgl. BVerfGE 119, 292 <295>).
104. Die gegen den Beschluss vom gerichtete Verfassungsbeschwerde, mit dem das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer zurückgewiesen hat, ist unzulässig. Sie genügt insoweit nicht den Substantiierungsanforderungen (§ 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG).
11a) Im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern gerügte Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf, dass sie dem in § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zum Ausdruck kommenden Grundsatz der Subsidiarität gerecht wird.
12Zwar ist nach Zurückweisung der Anhörungsrüge der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eröffnete Rechtsweg erschöpft (vgl. § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO; , BGHZ 154, 102 <103 f.>). Die Beschwerdeführer sind indes auf den Rechtsweg in der Hauptsache zu verweisen.
13aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfordert der Grundsatz der Subsidiarität im materiellen Sinne über die formelle Erschöpfung des Rechtswegs hinaus, dass der Beschwerdeführende die ihm zur Verfügung stehenden weiteren Möglichkeiten ergreift, um eine Korrektur der geltend gemachten Verfassungsverletzung zu erreichen oder diese gar zu verhindern. Daher ist auch die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache geboten, wenn dort nach der Art des gerügten Grundrechtsverstoßes die Gelegenheit besteht, der verfassungsrechtlichen Beschwer abzuhelfen (vgl. BVerfGE 79, 275 <278 f.>; 86, 15 <22 f.>; 104, 65 <71>). Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn - wie vorliegend mit der von den Beschwerdeführern erhobenen Rüge einer Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG - mit der Verfassungsbeschwerde Grundrechtsverletzungen gerügt werden, die sich auf die Hauptsache beziehen (vgl. BVerfGE 86, 15 <22>; 104, 65 <71>).
14Die Notwendigkeit, vorab das Hauptsacheverfahren zu betreiben, fehlt allerdings, wenn dies für den Beschwerdeführenden unzumutbar ist. Das ist der Fall, wenn die Durchführung des Verfahrens im Hinblick auf entgegenstehende Rechtsprechung der Fachgerichte von vornherein aussichtslos erscheinen muss (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 79, 275 <279>;83, 216 <228>; 104, 65 <71>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2290/23 -, Rn. 24), wenn die Verletzung von Grundrechten durch die Eilentscheidung selbst geltend gemacht wird (vgl.BVerfGE 77, 381 <400 f.>; 79, 275 <279>; 104, 65 <70 f.>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 150/24 -, Rn. 31) oder wenn die Entscheidung von keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung abhängt und diejenigen Voraussetzungen gegeben sind, unter denen gemäß § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vom Erfordernis der Rechtswegerschöpfung abgesehen werden kann (vgl. BVerfGE 86, 15 <22 f.>; 93, 1 <12>; 104, 65 <71>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2290/23 -, Rn. 24).
15Diesen Maßstäben liegt der Gedanke zugrunde, dass dem Bundesverfassungsgericht infolge der fachgerichtlichen Vorprüfung der Beschwerdepunkte ein bereits eingehend geprüftes Tatsachenmaterial vorliegen soll und ihm auch die Fallanschauung sowie die Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch die sachnäheren Fachgerichte vermittelt werden sollen (vgl. BVerfGE 79, 1 <20>; 86, 382 <386 f.>; 114, 258 <279>;BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1645/14 -, Rn. 5). Zugleich entspricht es der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben (vgl. BVerfGE 68, 376 <380>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2047/23 -, Rn. 4). Durch eine spätere Entscheidung dürfen dem Beschwerdeführer aber auch keine nicht mehr korrigierbaren, irreparablen Schäden drohen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1719/17 -, Rn. 8; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1071/22 -,Rn. 3).
16bb) Gemessen hieran ist die vorherige Inanspruchnahme fachgerichtlichen Rechtsschutzes in der Hauptsache den Beschwerdeführern nicht unzumutbar. Weder ist eine Klage in der Hauptsache von vornherein aussichtslos noch liegen die Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vor.
17(1) Das Hauptsacheverfahren ist nicht erkennbar aussichtslos. Der Fall hat einen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht komplexen Sachverhalt zur Grundlage. Mit Blick hierauf kann die Aussichtslosigkeit nicht schon daraus hergeleitet werden, dass die Fachgerichte die Frage, ob die Antragsgegnerin zur vollständigen oder teilweisen Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung des beanstandeten Werks verpflichtet ist, im Eilverfahren nicht im Sinne der Beschwerdeführer entschieden haben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1645/14 -, Rn. 8). Insoweit zeigen die Beschwerdeführer schon nicht auf, dass der Möglichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache höchstrichterliche Rechtsprechung der Fachgerichte entgegensteht (vgl. BVerfGE 104, 65 <71>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1645/14 -, Rn. 8). Auch ist nicht mit Substanz dargelegt, dass das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens bereits vorgezeichnet wäre, weil die Fachgerichte unmissverständlich deutlich gemacht hätten, die Rechtsfragen des Streitfalls bereits endgültig - und unabhängig von etwaigen weiteren rechtlichen Ausführungen der Beschwerdeführer - bewertet zu haben (vgl. BVerfGK 4, 339 <343>). Eine endgültige Festlegung auf die im Eilverfahren vertretene Auffassung kann den Ausführungen der Fachgerichte nicht entnommen werden. Diese haben sich vielmehr darauf beschränkt, sich mit der konkreten Argumentation der Beschwerdeführer im Eilverfahren auseinanderzusetzen. Mit Blick hierauf ist es den Beschwerdeführern zuzumuten, ihre - gegebenenfalls vertiefenden - Argumente zunächst im fachgerichtlichen Hauptsacheverfahren vorzutragen.
18Das Klageverfahren kann aber selbst dann nicht als aussichtslos bewertet werden, wenn man mit den Beschwerdeführern von einer endgültigen Festlegung der Fachgerichte auf die im Eilverfahren vertretene Auffassung ausgehen wollte. Sollten die Beschwerdeführer im Hauptsacheverfahren in erster und zweiter Instanz unterliegen und das Oberlandesgericht die Revision nicht zulassen (vgl. § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), stünde ihnen - angesichts einer Wertfestsetzung von über 100.000 € bereits im einstweiligen Verfügungsverfahren - der Weg über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO) offen. Zwar ist ein Obsiegen der Beschwerdeführer keineswegs gewiss. Als von vornherein aussichtslos lässt sich das Hauptsacheverfahren deshalb aber nicht betrachten (vgl. BVerfGE 70, 180 <186>; 104, 65 <71>).
19(2) Ob der Sachverhalt im fachgerichtlichen Verfahren für eine verfassungsrechtliche Beurteilung ausreichend geklärt ist, kann dahinstehen. Jedenfalls haben die Beschwerdeführer die Voraussetzungen für eine Vorabentscheidung nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG entgegen § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG nicht substantiiert vorgetragen (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfGE 76, 248 <251>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2164/21 -, Rn. 20).
20(a) Die Beschwerdeführer zeigen nicht auf, dass der Verfassungsbeschwerde allgemeine Bedeutung zukommt. Das Bundesverfassungsgericht hat die wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragen zu den Voraussetzungen und der Reichweite der kunstspezifischen Betrachtung eines literarischen Werks und zu den für die Abwägung zwischen Kunstfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht maßgeblichen Kriterien geklärt (vgl. BVerfGE 30, 173 - "Mephisto"; BVerfGE 119, 1 - "Esra"; siehe auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 350/02 - "Pestalozzis Erben"; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1533/07 - "Ehrensache"; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1738/16- "Märchenbilder"). Inwiefern die Anwendung dieser Rechtsprechung auf den Streitfall bislang ungeklärte verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen würde, legen die Beschwerdeführer nicht hinreichend dar.
21(b) Die Verfassungsbeschwerde zeigt auch nicht hinreichend auf, dass den Beschwerdeführern bei Verweisung auf das Klageverfahren in der Hauptsache ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im Sinne des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG droht.
22(aa) Die Anwendung von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG führt regelmäßig zu einer zeitlichen Bevorzugung des Beschwerdeführenden. Angesichts der Fülle der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden, die vielfach wichtige verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen, ist eine solche Bevorzugung nur gerechtfertigt, wenn sie unter Berücksichtigung der Dringlichkeit der übrigen Verfahren offensichtlich geboten ist. Mit Blick auf den Ausnahmecharakter einer Vorabentscheidung bedarf es demgemäß einer engen Auslegung der Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG (vgl. bereits BVerfGE 8, 38 <40>).
23Die allgemeine Belastung durch die Verfolgung eines Anspruchs vor den Fachgerichten rechtfertigt eine vorzeitige Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht nicht (vgl. BVerfGE 8, 222 <226>;BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 37/15 -, Rn. 5). Insoweit reicht es zur Darlegung, dass bei Abwarten der Entscheidung des Hauptsacheverfahrens ein schwerer und unabwendbarer Nachteil im verfassungsprozessrechtlichen Sinn droht, insbesondere nicht aus, allgemein auf die voraussichtliche Dauer eines Hauptsacheverfahrens zu verweisen (vgl. BVerfGE 1, 69 <69 f.>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1106/20 -, Rn. 14; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1071/22 -, Rn. 8). Die mit der Verfahrensdauer verbundenen Nachteile treffen jeden Beschwerdeführenden, dem der Rechtsweg offensteht (vgl. BVerfGE 1, 69; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 329/90 -, Rn. 2). Erst recht dient § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG nicht dazu, dem Beschwerdeführenden einen im Vergleich zum Hauptsacheverfahren kostengünstigeren Weg der Rechtsverfolgung zu ermöglichen. Vielmehr obliegt dem Beschwerdeführenden die Darlegung, dass ihm durch eine Verweisung auf die Hauptsache unabwendbare und irreparable Schäden drohen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1719/17 -, Rn. 8; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1106/20 -, Rn. 14; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1071/22 -, Rn. 8).
24Ob ein Nachteil die verfassungsprozessrechtlich gebotene Schwere erreicht, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab (vgl. bereits BVerfGE 9, 120 <121>). Erforderlich ist eine nachhaltige Beeinträchtigung durch einen besonders intensiven Eingriff in die grundrechtlich geschützte Sphäre (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1690/01 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 174/18 -, Rn. 16; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2164/21 -, Rn. 17). Die - neben der Schwere erforderliche - Unabwendbarkeit des Nachteils setzt voraus, dass bei Verweisung auf das Klageverfahren in der Hauptsache ein Schaden droht, der sich auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr adäquat ausgleichen ließe (vgl. BVerfGE 53, 30 <54>; 59, 63 <84>; 69, 233 <241>;BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1054/06 -, Rn. 4; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 280/19 -, Rn. 5; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 2164/21 -, Rn. 17). Mit dem Verfahren in der Hauptsache muss der Beschwerdeführende mithin - auch im praktischen Ergebnis - nicht dasselbe erreichen können wie durch eine Vorabentscheidung (vgl. BVerfGE 59, 63 <84>). Zudem muss gerade die Erschöpfung des Rechtswegs in der Hauptsache kausal für den drohenden Nachteil sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2047/23-, Rn. 11). Würde der Nachteil trotz einer Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts eintreten, findet § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG keine Anwendung (vgl. BVerfGE 14, 192 <194>).
25(bb) Gemessen hieran genügt die Verfassungsbeschwerde nicht den Begründungsanforderungen.
26Ohne Erfolg verweisen die Beschwerdeführer auf die zu erwartende Dauer und die voraussichtliche Kostenbelastung bei Durchführung des Hauptsacheverfahrens. Diese Aspekte sind im Rahmen von § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG grundsätzlich unbeachtlich.
27Wirtschaftliche Nachteile zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht mit Substanz auf. Vorgetragen ist hierzu lediglich, dass die Kunstgalerie der Beschwerdeführer unter einem "Exodus" von Künstlern leide und der Beschwerdeführer zu (1) vom Kunstmarkt "geschnitten" werde. Abgesehen davon, dass weder konkrete Umsatzeinbußen noch deren existentielles Gewicht (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfGE 8, 222 <226>; 9, 120 <122>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1690/01 -, Rn. 16) aufgezeigt werden, handelt es sich bei den genannten Folgen nach Darstellung der Verfassungsbeschwerde um solche, die durch die im Herbst 2022 erfolgte Berichterstattung der Wochenzeitung (…) verursacht worden sind. Wirtschaftliche Nachteile, die kausal auf die Veröffentlichung des beanstandeten Werks zurückgeführt werden können, zeigt die Verfassungsbeschwerde hingegen nicht auf. Zur Entwicklung der von den Beschwerdeführern betriebenen Kunstgalerie seit der Buchveröffentlichung im September 2024 fehlt jeglicher Vortrag.
28Allein der Umstand, dass sich die Beschwerdeführer durch die Darstellung der Figuren (…) und (…) in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sehen, rechtfertigt mit Blick auf Form und Reichweite der beanstandeten Verletzungshandlung noch keine Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Im Streitfall muss der Inhalt des Werks zunächst vom Leser zur Kenntnis genommen und in einem zweiten Schritt auf die Beschwerdeführer übertragen werden. Damit hat eine etwaige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine deutlich mildere Qualität als es etwa bei Verbreitung von intimen Bildnissen oder bei identifizierenden, über das Internet verbreiteten (Presse-)Äußerungen der Fall sein kann. Hier deutet schon der vergleichsweise lange Zeitraum zwischen der Veröffentlichung des Werks im September 2024 und der Kenntnisnahme durch die Beschwerdeführer Ende Dezember 2024 auf eine beschränkte Breitenwirkung der beanstandeten Textpassagen hin. Jedenfalls zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf, ob und gegebenenfalls welchen konkreten negativen (sozialen und beruflichen) Auswirkungen die Beschwerdeführer aufgrund der Veröffentlichung des beanstandeten Werks ausgesetzt waren und sind. Dass die Beschwerdeführer - wie die Verfassungsbeschwerde geltend macht - vereinzelt auf das Werk angesprochen wurden, erreicht die Schwelle eines schweren Nachteils nicht.
29b) Hinsichtlich der weiteren Rügen ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig, weil ihre Begründung eine Verletzung von Rechten im Sinne des § 90 Abs. 1 BVerfGG inhaltlich nachvollziehbar nicht erkennen lässt und sie daher offensichtlich nicht den Anforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG genügt.
30Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
31Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250624.1bvr077325
Fundstelle(n):
CAAAJ-95349