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BSG Beschluss v. - B 9 SB 44/24 B

Gründe

1I. Der 1983 geborene Kläger begehrt in der Hauptsache im Rahmen eines Neufeststellungsverfahrens die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens "1. Klasse".

2Widerspruch, Klage und Berufung gegen die ablehnenden Verwaltungsentscheidungen des Beklagten sind ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen des Merkzeichens "1. Klasse" nicht. Insoweit könne nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zum Erhalt eines gleichmäßigen Maßstabs im gesamten Bundesgebiet weiterhin auf die Nr 34 der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) zurückgegriffen werden (Urteil vom ).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und allein eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

51. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 14; - juris RdNr 6).

6Der Kläger misst folgenden Fragen grundsätzliche Bedeutung bei, die inhaltlich zusammenhängen und in der Beschwerdebegründung daher im Singular als "die nachstehende Rechtsfrage" bezeichnet werden:"Ist § 3 Absatz 1 Nummer 6 Schwerbehindertenausweisverordnung insoweit unwirksam, als dass es heißt: 'wenn der schwerbehinderte Mensch die im Verkehr mit Eisenbahnen tariflich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Benutzung der 1. Wagenklasse mit Fahrausweis der 2. Wagenklasse erfüllt'?Folgt hieraus, dass in jedem Schwerbehindertenausweis auf der Rückseite das Merkzeichen '1. Kl." - sozusagen ohne weitere Voraussetzungen zu erfüllen - einzutragen ist?"

7Der Kläger hat aber die grundsätzliche Bedeutung dieses Fragenkomplexes nicht dargelegt.

8Er hat bereits die Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragestellung nicht hinreichend aufgezeigt. Insbesondere prüft er nicht, inwiefern diese Frage durch die Rechtsprechung des BSG zu den Voraussetzungen des Merkzeichens "1. Klasse" bereits geklärt ist. Eine Rechtsfrage gilt bereits dann als geklärt, wenn sich aus der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der Frage ergeben (stRspr; zB - juris RdNr 12 mwN). Im vorliegenden Fall hat sich das LSG ausdrücklich auf den Senatsbeschluss vom - B 9 SB 2/18 BH - gestützt. Warum die damals angeführte und vom LSG aufgegriffene Begründung, für die Voraussetzungen des Merkzeichens "1. Klasse" könne nach wie vor auf Nr 34 der AHP zurückgegriffen werden, die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Frage nicht entbehrlich machen sollte, lässt die Beschwerde nicht erkennen. Der bloße Hinweis, dass sich der Senat seinerzeit "mehrheitlich nur mit (materiellen), u. a. gleichheitsrechtlichen Erwägungen" befasst habe, entbindet nicht von der Obliegenheit, eine höchstrichterliche Rechtsprechung genau zu analysieren, um so begründen zu können, weshalb sich aus ihr keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung einer anderen Rechtsfrage ergeben.

9Unabhängig davon hat der Kläger aber auch die Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage nicht hinreichend dargelegt. Das wird schon daran deutlich, dass mit der zweiten Teilfrage die Entscheidungserheblichkeit der ersten Teilfrage gerade in Frage gestellt wird, anstatt sie zu begründen. Die Beschwerde zeigt aber auch sonst nicht schlüssig auf, dass die vom Kläger behauptete Rechtswidrigkeit des § 3 Abs 1 Nr 6 der Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) dazu führen müsste, dass ihm das begehrte Merkzeichen zuzuerkennen wäre. Denn sie übersieht, dass sich die diesbezügliche Verordnungsermächtigung des § 153 Abs 1 SGB IX (heute) auf "nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeit und das Verwaltungsverfahren" beschränkt. Nahezu wortgleich war bereits die Vorgängervorschrift in § 3 Abs 5 Satz 5 SchwbG (in der bis zum geltenden Fassung vom , danach § 4 Abs 5 Satz 5 SchwbG) formuliert ("nähere Vorschriften über die Gestaltung der Ausweise, ihre Gültigkeitsdauer und das Verwaltungsverfahren"). Damit hat der Gesetzgeber eindeutig keine materiell-rechtlichen Vorschriften über die tatbestandlichen Voraussetzungen einzelner Merkzeichen legitimiert, wie auch der Vergleich mit § 153 Abs 2 SGB IX deutlich macht, der ua die Grundsätze betrifft, die für "die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind". Eine solche Rechtsverordnung ist indes noch nicht ergangen, sodass insoweit gemäß § 241 Abs 5 SGB IX "die Maßstäbe des § 30 Absatz 1 des Bundesversorgungsgesetzes und der auf Grund des § 30 Absatz 16 des Bundesversorgungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend" gelten. Die Versorgungsmedizinverordnung regelt indes das Merkzeichen "1. Klasse" nicht. Vor diesem Hintergrund hätte es näherer Ausführungen zu der Frage bedurft, inwieweit ein Erfolg des Klägers in der Sache möglich erscheint.

10Dasselbe gilt schließlich auch für die übrigen Voraussetzungen des vom LSG verneinten Anspruchs aus § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, auf die der Kläger in der Beschwerdebegründung nicht eingeht. Sein Vorbringen lässt nicht erkennen, inwieweit seit der letzten bestandskräftig gewordenen Verwaltungsentscheidung eine wesentliche Änderung in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist.

11Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

122. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

133. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:230525BB9SB4424B0

Fundstelle(n):
CAAAJ-95268