Zur Verfassungsmäßigkeit des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG
Leitsatz
Gegen die Höhe des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 des Einkommensteuergesetzes bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Gesetze: EStG § 6b Abs. 7; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1; GG Art. 14 Abs. 1
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin zu 1.) betreibt in der Rechtsform einer GbR seit dem einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb. Gesellschafter der Klägerin zu 1. waren die Erbengemeinschaft C/D, bestehend aus Herrn . (C) und dessen Tochter . (Klägerin und Revisionsklägerin zu 2. —Klägerin zu 2.—), sowie Herrn . (Ehemann der Klägerin zu 2.). Den Gewinn ermittelt die Klägerin zu 1. für das landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres (§ 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes —EStG—).
2 Die Erbengemeinschaft hatte im Rahmen der Gesellschaftsgründung ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in die Klägerin zu 1. eingebracht. Die lediglich pachtweise überlassenen land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke erfasste sie in ihrem Sonderbetriebsvermögen bei der Klägerin zu 1. Daneben führte sie ebenfalls im Sonderbetriebsvermögen eine Rücklage nach § 6b EStG in Höhe von . € fort, die sie aufgrund des im Wirtschaftsjahr 2018/2019 erzielten Gewinns aus einer Grundstücksveräußerung gebildet hatte.
3 lm Jahresabschluss 2020/2021 löste die Klägerin zu 1. die Rücklage in der Sonderbilanz der Erbengemeinschaft in Höhe von . € gewinnerhöhend auf. Da sie insoweit keinen Abzug von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsobjektes vornahm, erhöhte sie den Sondergewinn der Erbengemeinschaft um einen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG in Höhe von . € (6 % pro anno x zwei Jahre x . €).
4 Im Herbst 2021 verstarb C und wurde von der Klägerin zu 2. beerbt.
5 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt —FA-) erließ erklärungsgemäß unter dem einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2020. Im Sonderbetriebsgewinn der Erbengemeinschaft waren der hälftige Betrag aus der Auflösung der Rücklage und der hälftige Gewinnzuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG enthalten.
6 Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der sich die Kläger nur noch gegen den Ansatz des (außerbilanziellen) Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG (wegen verfassungsrechtlicher Bedenken betreffend die Höhe des Gewinnzuschlags) wenden, wies das Finanzgericht (FG) ab.
7 Während des Klageverfahrens erließ das FA im Hinblick auf die zwischenzeitlich eingetretene Rechtsnachfolge unter dem einen Richtig-stellungsbescheid, in dem anstelle der Erbengemeinschaft die Klägerin zu 2. als Feststellungsbeteiligte (Mitunternehmerin) aufgeführt wird.
8 Mit der Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung materiellen Rechts. Der Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % des aufgelösten Rücklagebetrags für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, sei verfassungswidrig. Denn wegen des im Streitzeitraum herrschenden strukturellen Niedrigzinsniveaus sei er nicht (mehr) realitätsgerecht bemessen.
9 Sie beantragen,
das sowie die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und die Bescheide für 2020 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom und vom dahingehend zu ändern, dass der außerbilanziell angesetzte Gewinnzuschlag unterbleibt.
10 Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II.
11 Die Revision der Klägerinnen ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Gewinn des Wirtschaftsjahres 2020/2021 nach § 6b Abs. 7 EStG für jedes Jahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um einen Gewinnzuschlag in Höhe von 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen ist.
12 1. Nach § 6b Abs. 1 EStG können Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden unter anderem von den Anschaffungskosten für Grund und Boden und Gebäuden, die im Wirtschaftsjahr der Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr angeschafft oder hergestellt worden sind, abgezogen werden. Soweit ein Abzug nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis zur Höhe der Rücklage können sodann die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG bezeichneten Wirtschaftsgüter (Reinvestitionsgüter), die in den folgenden vier Wirtschaftsjahren angeschafft oder in den folgenden vier beziehungsweise sechs Wirtschaftsjahren hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage aufzulösen. Ist eine Rücklage am Schluss des vierten beziehungsweise sechsten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden, ist sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen. Dessen ungeachtet ist der Steuerpflichtige berechtigt, die von ihm wirksam gebildete Rücklage schon während des Laufs der Reinvestitionsfrist ganz oder teilweise gewinnerhöhend aufzulösen, ohne in dieser Höhe die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Reinvestitionsgutes zu kürzen (, BFHE 269, 34, BStBl II 2021, 517, Rz 18, m.w.N.). In beiden Fällen ist der Gewinn des Wirtschaftsjahres, in dem die Rücklage aufgelöst wird, für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags zu erhöhen (§ 6b Abs. 7 EStG).
13 2. Davon ausgehend hat das FA den Sonderbetriebsgewinn der Erbengemeinschaft zu Recht nach § 6b Abs. 7 EStG für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die am Schluss des Wirtschaftsjahres 2020/2021 in Höhe von . € aufgelöste Rücklage bestanden hat, um 6 % des aufgelösten Rücklagenbetrags erhöht und diesen Gewinn gemäß § 4a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG hälftig im streitigen Veranlagungszeitraum 2020 erfasst. Ausgehend vom Gesetzeswortlaut steht die Anwendung des § 6 Abs. 7 EStG zwischen den Beteiligten nicht in Streit, weshalb der Senat insoweit von weiteren Ausführungen absieht.
14 3. Der Ansatz des Gewinnzuschlags nach § 6b Abs. 7 EStG ist aber auch von Verfassungs wegen weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden.
15 a) Der Gewinnzuschlag verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes —GG—).
16 aa) Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dabei ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen aus dem allgemeinen Gleichheitssatz im Sinne eines stufenlosen, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierten Prüfungsmaßstabs unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts —BVerfG— vom - 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerfGE 133, 377, Rz 73 f. und vom - 2 BvL 6/11, BVerfGE 145, 106, Rz 98). Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (, BVerfGE 138, 136, Rz 122 und vom - 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, BVerfGE 148, 147, Rz 94 f., jeweils m.w.N.).
17 bb) Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG eröffnet ist.
18 § 6b Abs. 7 EStG sieht einen Gewinnzuschlag nur dann vor, falls die Rücklage aufgelöst wird, ohne dass sie auf ein Reinvestitionsgut übertragen worden ist. Hingegen wird der Gewinn nicht um einen Gewinnzuschlag erhöht, falls die Rücklage innerhalb der Reinvestitionsfrist auf ein Reinvestitionsgut übertragen wird oder auf die Bildung einer gewinnmindernden Rücklage verzichtet wurde. Zwar ist allen Fallgestaltungen gemein, dass die Veräußerung bestimmter Wirtschaftsgüter zu einer Gewinnrealisierung geführt hat. Ob der Gewinn im Jahr der Veräußerung oder im Anwendungsbereich des § 6b EStG zu einem späteren Zeitpunkt besteuert wird, hängt indes maßgeblich von dem Wahlrecht des Steuerpflichtigen ab, ob und in welcher Höhe er eine Rücklage bildet, ob er diese auf ein Reinvestitionsgut überträgt und zu welchem Zeitpunkt er diese freiwillig auflöst oder zwangsweise auflösen muss. Angesichts der unterschiedlich ausgestalteten Wahlrechte bestehen erhebliche Zweifel an der Vergleichbarkeit dieser Fallgruppen, die den Anwendungsbereich des Art. 3 GG überhaupt eröffnen könnte.
19 cc) Letztlich kann dies aber dahinstehen, da eine etwaige Ungleichbehandlung der vorgenannten Vergleichsgruppen jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist. Denn angesichts der dem Steuerpflichtigen eröffneten Wahlrechte im Zusammenhang mit der Bildung, Übertragung und Auflösung der Rücklage bemisst sich die Rechtfertigung für eine durch den Ansatz eines Gewinnzuschlags zu rechtfertigende Ungleichbehandlung nicht nach einem strengen Verhältnismäßigkeitsmaßstab. Vielmehr genügt bereits das Vorliegen eines sachlichen Rechtfertigungsgrunds.
20 dd) Die Auferlegung des Gewinnzuschlags ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung seiner Zielrichtung durch sachliche Gründe gerechtfertigt.
21 § 6b EStG ist eine Lenkungs- oder Sozialzwecknorm mit Subventionscharakter, die im Subventionsbericht der Bundesregierung ausgewiesen ist (29. Subventionsbericht vom , BTDrucks 20/8300, S. 102, 486). Sie wurde eingeführt, um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nicht mehr benötigt oder infolge einer Standortverlegung oder Strukturveränderung aufgegeben werden, ganz oder teilweise ohne Steuerbelastung veräußern zu können, damit der Veräußerungserlös (steuerlich) ungeschmälert zur Neuinvestition, Rationalisierung oder Modernisierung betrieblicher Produktionsanlagen zur Verfügung steht (BTDrucks 4/2400, S. 46, 63 und BTDrucks 4/2617, S. 3). Zugleich wird durch den Verzicht auf die sofortige Besteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne die Liquidität des Steuerpflichtigen gestärkt.
22 Dieses Subventionsangebot hat der Gesetzgeber in § 6b Abs. 7 EStG mit einem Gewinnzuschlag bewehrt. Damit will er den durch die Bildung der Rücklage im Laufe des Reinvestitionszeitraums entstandenen (Steuerstundungs-)Vorteil des Steuerpflichtigen durch Erhöhung des Gewinns im Jahr der Auflösung der Rücklage rückgängig machen, wenn die begünstigte (volkswirtschaftlich erwünschte) Reinvestition nicht vorgenommen wird. Denn in diesen Fällen besteht aus Sicht des Gesetzgebers keine wirtschaftspolitische Notwendigkeit, dem Steuerpflichtigen den durch die Bildung der Rücklage eingetretenen („Zins-“)Vorteil zu belassen (BTDrucks 9/842, S. 66). Zugleich dient der Gewinnzuschlag der Vermeidung einer „missbräuchlichen Inanspruchnahme“ des Rücklagewahlrechts (, BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rz 37; Marchal in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 6b EStG Rz 3, 149; KKB/Kanzler, § 6b EStG, 10. Aufl., Rz 227; Schmidt/Loschelder, EStG, 44. Aufl., § 6b Rz 88; Heger in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6b Rz H 2; Siewert in Frotscher/Geurts, EStG, § 6b EStG Rz 147; T. Carlé/Strahl in Korn, § 6b EStG Rz 47; Eversloh in Bordewin/Brandt, § 6b EStG Rz 303; Fischer, Betriebs-Berater 2022, 2546; ; ) und sichert damit den subventiven Zweck der Reinvestitionsbegünstigung.
23 Damit ist der Gewinnzuschlag auf den nicht zur Reinvestition genutzten Rücklagenbetrag dem Grunde nach verfassungsrechtlich hinreichend sachlich gerechtfertigt und von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Denn es ist dem Gesetzgeber nicht verwehrt, —jenseits des Vorteilsausgleichs— seinem Subventionsangebot Nachdruck zu verleihen, Mitnahmeeffekte zu vermeiden und Regelungen vorzusehen, die eine Verwirklichung des Normzwecks (Reinvestition) in angemessener Weise sicherstellen sollen.
24 ee) Auch die Höhe des sechsprozentigen Gewinnzuschlags steht mit der Verfassung in Einklang. Dies gilt entgegen der Auffassung der Klägerinnen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau (ebenso bis zum Veranlagungszeitraum 2009: , BFHE 265, 346, BStBl II 2020, 635, Rz 38 f. und vom - XI R 39/18, BFHE 269, 34, BStBl II 2021, 517, Rz 30).
25 (1) Der Gesetzgeber ist im Hinblick auf den dargelegten Lenkungszweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag nicht gehalten, sich bei der Bemessung des Gewinnzuschlags ausschließlich an dem vom Steuerpflichtigen zu erzielenden Stundungsvorteil zu orientieren (vgl. ; ). Er ist deshalb auch nicht verpflichtet, den Gewinnzuschlag der Höhe nach fremdkapitalmarktkonform und insoweit realitätsgerecht auszugestalten. Vielmehr erlaubt ihm der wirtschaftslenkende Zweck von Reinvestitionsbegünstigung und Gewinnzuschlag, den Zuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG unabhängig von der Höhe des (Stundungs-)Vorteils, den der Steuerpflichtige durch die Bildung der Rücklage erzielt, anzusetzen (vgl. , Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 350; Schmidt/Loschelder, EStG, 44. Aufl., § 6b Rz 6, 88, m.w.N.).
26 (2) Daher ist auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber die Höhe des Gewinnzuschlags nicht mit einem Zinssatz auf die Steuer bemisst, die ohne Rücklagenbildung im Veräußerungsjahr beim Steuerpflichtigen angefallen wäre, sondern aus Gründen der Steuervereinfachung in pauschalierter Weise mit 6 % des Rücklagenbetrags für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat. Durch die pauschale Berechnungsmethode wird die im Einzelfall schwierige Ermittlung des (konkreten) wirtschaftlichen Vorteils unter Beachtung von Zins und Zinseszins und dem jeweiligen Steuersatz vermieden. Der Gesetzgeber hat insoweit eine weitreichende Typisierungsbefugnis (vgl. Entscheidungen des , 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, unter C.I.2.b bb und vom - 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, 318, Rz 38).
27 (3) Dem steht nicht entgegen, dass ausweislich der Gesetzesbegründung durch Erhöhung des Gewinns der gewährte „Zinsvorteil“ wieder ausgeglichen werden soll (BTDrucks 9/842, S. 66). Denn der Gesetzgeber hat den Gewinnzuschlag rechtstechnisch nicht als gesetzliche Zinssatztypisierung und damit nicht als steuerliche Nebenleistung im Sinne des § 3 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) ausgestaltet. Vielmehr bemisst er den Stundungsvorteil aus dem zweckwidrig nicht reinvestierten Veräußerungsgewinn pauschal nach dem in der Rücklage gespeicherten (Eigen-)Kapital und erfasst mithin denjenigen Gewinn, der auf die Kapitalnutzung entfällt (vgl. , BFHE 192, 353, BStBl II 2001, 251, unter II.2.).
28 (4) Schließlich verstößt die Höhe des Gewinnzuschlags auch nicht gegen das —jedes staatliche Handeln bindende— Übermaßverbot. Insbesondere ist eine übermäßige steuerliche Belastung des Steuerpflichtigen durch den Ansatz des sechsprozentigen Gewinnzuschlags nicht ersichtlich.
29 Der Gesetzgeber ist —ausweislich der dahingehenden Feststellungen des FG betreffend die Renditeerwartungen der Unternehmen in den Jahren 2019 bis 2021— vielmehr bei der Quantifizierung des Gewinnzuschlags nicht evident von dem mit der Bildung der Rücklage für den Steuerpflichtigen tatsächlich einhergehenden Vorteil abgewichen. Überdies ist zu berücksichtigen, dass der sechsprozentige Zuschlag —anders als Zinsen auf die Steuerschuld— den Steuerpflichtigen nicht in tatsächlicher Höhe, sondern nur nach Maßgabe des individuellen (Grenz-)Steuersatzes belastet. Schließlich „relativiert“ sich die tatsächliche (steuerliche) Belastung des Zuschlags auch dadurch, dass der Stundungsvorteil dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich deutlich länger zur Verfügung steht als der Zeitraum, nach dem der Gewinnzuschlag bemessen wird (jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat). Denn die Steuer für den Veranlagungszeitraum, in dem der Gewinnzuschlag anzusetzen ist, wird regelmäßig erst deutlich nach Ablauf des Veranlagungszeitraums festgesetzt. Zudem wird das Jahr, in dem die Rücklage gebildet wurde, nicht mitgerechnet.
30 (5) Im Übrigen eröffnet § 6b EStG eine Vielzahl von Wahlrechten, deren Inanspruchnahme —neben dem Stundungseffekt der Reinvestitionsregelung— zu einer niedrigeren Steuer oder sogar völligen Steuerbefreiung des von der Sofortbesteuerung ausgenommenen Veräußerungsgewinns (einschließlich des Gewinnzuschlags) führen kann. So kann die Rücklage wahlweise in einem Jahr mit einem niedrigeren (Grenz-)Steuersatz aufgelöst werden. Auch lässt sich ein Veräußerungsgewinn (einschließlich des Zuschlags) über die Bildung einer Rücklage in einen tarifbegünstigten oder steuerfreien Gewinn umwandeln, wenn die Rücklage im Rahmen einer Betriebsaufgabe oder Betriebsveräußerung (zwangs-)aufgelöst wird (vgl. Kanzler, NWB Steuer- und Wirtschaftsrecht 2024, 2765).
31 (6) Aus dem , 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282) zur Vollverzinsung, in dem § 233a i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO insoweit für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG erklärt wird, als der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird, folgt nichts anderes.
32 Danach ist der Gesetzgeber gehalten, bei einer gesetzlichen, für den Steuerpflichtigen nicht verfügbaren Zinssatztypisierung den abzuschöpfenden Vorteil realitätsgerecht zu bemessen. Die in diesem Beschluss genannten Grundsätze lassen sich jedoch nicht auf den Gewinnzuschlag übertragen. Denn Gewinnzuschlag und Nachzahlungszinsen sind insoweit nicht miteinander vergleichbar (z.B. HHR/Marchal, § 6b EStG Rz 3, 149; KKB/Kanzler, § 6b EStG, 10. Aufl., Rz 227; Eversloh in Bordewin/Brandt, § 6b EStG Abs. 7 Rz 303). Bei dem Gewinnzuschlag handelt es sich —wie oben dargelegt— nicht um eine gesetzliche (für Steuerpflichtige unausweichliche) Zinssatztypisierung. Vielmehr hat der Steuerpflichtige nach § 6b EStG zunächst die Wahl, ob er eine Gewinnrücklage bildet, den damit einhergehenden Stundungsvorteil in Anspruch nimmt und später in ein Ersatzwirtschaftsgut investiert oder nach Bildung der Rücklage von einer Reinvestition gewinnzuschlagbewehrt Abstand nimmt. Das Entstehen des Gewinnzuschlags gründet damit allein im Verhalten des Steuerpflichtigen.
33 b) Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 GG scheidet mangels Erdrosselungswirkung aus. Im Rahmen des Art. 2 Abs. 1 GG gelten die Ausführungen zu Art. 3 Abs. 1 GG entsprechend.
34 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:U.200325.VIR20.23.0- 2 -
Fundstelle(n):
KAAAJ-94558