Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage
Gesetze: § 160a Abs 1 S 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160 Abs 2 Nr 1 SGG
Instanzenzug: SG Marburg Az: S 14 KR 346/19 Gerichtsbescheidvorgehend Hessisches Landessozialgericht Az: L 8 KR 283/21 Urteil
Gründe
1I. Streitig ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
2Die Klägerin ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Dort wurde eine Versicherte der beklagten Krankenkasse vom 16. bis vollstationär behandelt. Die Klägerin rechnete hierfür nach Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) I06C gegenüber der Beklagten 20 714,78 Euro ab. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst vollständig, leitete in der Folge jedoch eine Prüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Fragestellung ein, ob die abgerechneten Prozeduren korrekt seien. Zugleich zeigte sie der Klägerin die Einleitung des Prüfverfahrens unter Anzeige des Prüfgegenstandes an. Der MDK teilte der Klägerin mit Schreiben vom unter der Überschrift "Begehung" mit, einen Prüfauftrag erhalten zu haben, ohne Unterlagen bei der Klägerin anzufordern. Die Klägerin bestreitet den Zugang eines weiteren Schreibens des MDK vom , mit dem Unterlagen bei der Klägerin angefordert worden sein sollen. Der MDK gab den Prüfauftrag am mangels Vorlage von Unterlagen an die Beklagte zurück. Die Beklagte teilte der Klägerin am mit, sie habe gemäß § 7 Abs 2 PrüfvV 2016 die Abrechnung entsprechend der von ihr angemerkten Auffälligkeiten korrigiert. Die Klägerin habe die vom MDK angeforderten Unterlagen nicht fristgemäß vorgelegt. Den aus der Korrektur resultierenden Erstattungsanspruch iH von 15 879,57 Euro rechnete die Beklagte gegen andere unstreitige Vergütungsansprüche der Klägerin auf.
3Die Klägerin hatte mit ihrer auf Zahlung von 15 879,57 Euro gerichteten Klage vor dem SG Erfolg. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen. Der unstreitige Vergütungsanspruch der Klägerin sei nicht durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch der Beklagten aus dem Behandlungsfall des Versicherten erloschen. Einen solchen Erstattungsanspruch habe die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen können. Die Voraussetzungen für eine Kürzung der Vergütung auf den unstrittigen Rechnungsbetrag nach § 7 Abs 2 Satz 6 PrüfvV 2016 hätten nicht vorgelegen, denn eine Anforderung von Unterlagen bei der Klägerin durch den MDK sei nicht nachgewiesen. Mit allen sonstigen Einwendungen gegen die Vergütungsforderung sei die Beklagte gemäß § 8 Satz 4 PrüfvV 2016 ausgeschlossen (Urteil vom ).
4Die Beklagte wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
5II. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.
61. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vglzB - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ffmwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
7a) Eine Rechtsfrage ist regelmäßig nur eine solche des materiellen oder des Verfahrensrechts, die mit Mitteln juristischer Methodik beantwortet werden kann und im Kern auf die Entwicklung abstrakter Rechtssätze durch das BSG abzielt (vgl - jurisRdNr 6 mwN). Die Konkretisierung setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsfrage mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden kann; das schließt nicht aus, dass eine Frage gestellt wird, die je nach den formulierten Voraussetzungen mehrere Antworten zulässt. Unzulässig ist jedoch eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalles abhängt und damit auf die Antwort "kann sein" hinausläuft (stRspr; vglzB - jurisRdNr 6 mwN; - jurisRdNr 10).
8Die Beklagte erachtet die Frage
9Die Frage der Beklagten ist so allgemein gehalten, dass ihre Beantwortung eine kommentar- oder lehrbuchartige Aufbereitung durch den Senat verlangen würde. Sie könnte offensichtlich nicht losgelöst von näher zu differenzierenden Sachverhaltskonstellationen beantwortet werden, worauf die Beklagte nach ihrem Vorbringen in der Beschwerdebegründung auch ausdrücklich abzielt. Eine in dieser Weise unkonkrete Frage kann jedoch gerade nicht Gegenstand eines Revisionsverfahrens sein (vgl hierzu auch - jurisRdNr 8).
10b) Es fehlt im Übrigen auch an Darlegungen zur Klärungsfähigkeit. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl - jurisRdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = jurisRdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl - jurisRdNr 10 mwN).
11Soweit das LSG ausgehend von seiner Rechtsauffassung folgerichtig keine Feststellungen getroffen hat, die eine anschließende Entscheidung des Revisionsgerichts ermöglichen, kann im Falle einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage dem Beschwerdeführer allerdings nicht entgegengehalten werden, dass er keine Beweisanträge gestellt habe (vgl ausführlich dazu - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 8 ff). Erforderlich sind aber Ausführungen des Beschwerdeführers, die im Einklang mit den getroffenen Feststellungen des LSG ergeben, dass über die aufgeworfene Rechtsfrage entscheidungstragend entschieden werden kann, auch wenn nach Zurückverweisung noch Feststellungen zu treffen sind. Die bloße Möglichkeit, dass nach Zurückverweisung an das LSG ein entscheidungserheblicher Sachverhalt ermittelt werden könnte, genügt dagegen nicht (vgl BSG, aaO, RdNr 10; - jurisRdNr 15; AS 325/21 B - jurisRdNr 8). An Ausführungen zur Entscheidungserheblichkeit auf der Grundlage der Feststellungen des LSG fehlt es hier.
12Die Klägerin verweist lediglich darauf, dass das Prüfverfahren ordnungsgemäß eingeleitet worden sei. Bei anderer Auslegung des § 8 Satz 4 PrüfvV 2016 hätte das Gericht medizinisch ermitteln können und müssen bzw der Beklagten die Möglichkeit der ursprünglichen Prüfung geben müssen, um das Bestehen eines Erstattungsanspruches zu überprüfen. Anders formuliert heißt das, dass die Beklagte behauptet, nach Zurückverweisung könnte sich die Möglichkeit der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage ergeben. Dies genügt für die Darlegung der Entscheidungserheblichkeit gerade nicht.
132. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
143. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:220425BB1KR4624B0
Fundstelle(n):
UAAAJ-94290