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BSG Urteil v. - B 2 U 3/23 R

(Gesetzliche Unfallversicherung - Unfallversicherungsschutz gem § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7 - ehrenamtliche Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege - allgemeine Jugendhilfe - keine Begrenzung auf die ehrenamtliche Betreuung spezifisch gefährdeter oder besonders schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher - Vorsitzender eines eingetragenen gemeinnützigen Pfadfindervereins - Arbeitsunfall - Ursachenzusammenhang - Abladen des Zeltmaterials aus dem Pfadfinderbus)

Gesetze: § 2 Abs 1 Nr 9 SGB 7, § 8 Abs 1 S 1 SGB 7, § 8 Abs 1 S 2 SGB 7, § 1 SGB 8, § 11 SGB 8, § 43 SGB 8, § 75 SGB 8, § 66 Abs 2 AO 1977, § 163 SGG

Instanzenzug: Az: S 15 U 259/19 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 3 U 112/21 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger einen Arbeitsunfall als Tätiger in der Wohlfahrtspflege erlitten hat.

2Der Kläger ist seit 1998 Vorsitzender ("Stammesmeister") eines eingetragenen gemeinnützigen Pfadfindervereins, für dessen Unternehmen die Beklagte ihre Zuständigkeit rückwirkend ab dem festgestellt hat (Zuständigkeitsbescheid vom ). Der Verein bezweckt, "zur positiven Entwicklung junger Menschen beizutragen", und verfolgtgemeinnützige, jugendpflegerische Ziele vorwiegend durch wöchentliche Gruppenstunden, mehrmalige jährliche Pfadfindertouren und -fahrten, die Fortbildung von Personen in Leitungspositionen sowie durch die Instandhaltung vereinseigener oder gemieteter Gegenstände.

3Am rutschte der Kläger auf Glatteis aus, als er den Pfadfinderbus verließ, um Zelte zur Dichtheitsprüfung und Reparatur abzuladen. Die Beklagte lehnte es ab, ihm Entschädigungsleistungen zu gewähren, weil er bei der unversicherten Erfüllung von Pflichten aus der Vereinsmitgliedschaft verunglückt sei und sich als ehrenamtlich tätiger Vereinsvorsitzender nicht freiwillig versichert habe (Bescheide vom und vom ; Widerspruchsbescheid vom ).

4Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ), das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ): Der Kläger sei weder als (Wie-)Beschäftigter oder aufgrund einer Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege kraft Gesetzes noch als ehrenamtlich Tätiger oder bürgerschaftlich Engagierter kraft Satzung pflichtversichert gewesen. Eine freiwillige Versicherung, ein formales Versicherungsverhältnis oder eine sog Formalversicherung seien nicht zustande gekommen und der Kläger sei nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch nicht so zu stellen, als habe er sich freiwillig versichert.

5Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen (§ 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII) und formellen (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG) Rechts. Die Wohlfahrtspflege erfasse nicht nur die Betreuung besonders schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher, sondern auch die allgemeine pädagogische Kinder- und Jugendarbeit. Hinsichtlich der Gruppenstunden bestehe objektiv kein Unterschied zur Kindertagespflege, die unbestritten zur Wohlfahrtspflege zähle. Für die Ferienfreizeiten sei das Zeltmaterial unerlässlich, sodass dessen Sichtung und Reparatur eng mit dem Vereinszweck der Jugendarbeit und der Erziehung junger Menschen zusammenhänge. Bei einer Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege sei zudem die als leistungspflichtig in Betracht kommende Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) notwendig beizuladen.

6Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom und des Sozialgerichts Koblenz vom sowie die Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom ein Arbeitsunfall ist.

7Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.

8Die Wohlfahrtspflege umfasse nur Hilfen für junge Menschen, die gesundheitlich, sittlich, wirtschaftlich oder sonst in ihrer Entwicklung gefährdet seien und deshalb besondere Fürsorge benötigten. Den dafür erforderlichen intensiven Betreuungsaufwand mit überproportionaler Aufsicht leiste der Pfadfinderverein indes nicht. Er beruhe vielmehr auf dem Prinzip der Selbstorganisation, richte sich mit seinen Angeboten an seine Mitglieder und diene der Geselligkeit, Freizeitgestaltung, Belehrung, Erholung und ähnlichen Zwecken. Dies unterscheide ihn nicht von Sportvereinen oder sonstigen Freizeitveranstaltern, die eindeutig nicht zur Wohlfahrtspflege zählten.

Gründe

9Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die geltend gemachte Verletzung des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII liegt vor. Es lässt sich indes nicht beurteilen, ob das angefochtene Urteil des LSG auf dieser Verletzung beruht (§ 162 SGG). Denn die dort getroffenen tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) zum Gesundheitsschaden reichen nicht aus, um gerichtlich festzustellen, dass das Ereignis vom ein Arbeitsunfall ist.

10Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt mithin voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität; stRspr; zB - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 10, vom - B 2 U 3/21 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 83 RdNr 11, vom - B 2 U 16/20 R - BSGE 134, 203 = SozR 4-2700 § 8 Nr 82, RdNr 11 und vom - B 2 U 2/18 R - BSGE 130, 1 = SozR 4-2700 § 8 Nr 70, RdNr 20, jeweils mwN).

11Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Als Vorsitzender des Pfadfindervereins war der Kläger in der Wohlfahrtspflege tätig und gehörte damit zum grundsätzlich versicherten Personenkreis (dazu A.). Dieser abstrakt-generell versicherten Tätigkeit ist die konkret-individuelle Verrichtung zur Zeit des Ereignisses - das Aussteigen aus dem Pfadfinderbus zum Abladen von Zeltmaterial des Vereins - anhand der objektivierten Handlungstendenz wertend zuzurechnen (dazu B.). Es lässt sich indes nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger im Bereich des rechten Oberschenkels einen Gesundheitserstschaden erlitten hat, als er beim Verlassen des Pfadfinderbusses auf Glatteis ausrutschte (dazu C.). Die beklagte Verwaltungs-BG ist der zuständige Unfallversicherungsträger, sodass die erhobene Verfahrensrüge nicht durchgreift und eine Beiladung der BGW entbehrlich ist (dazu D.).

12A. Als Vorsitzender des Pfadfindervereins gehörte der Kläger zum versicherten Personenkreis gemäß § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII. Nach dieser Vorschrift sind "kraft Gesetzes … versichert Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind". Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war der Kläger am in der Wohlfahrtspflege (dazu I.) ehrenamtlich tätig (dazu II.).

13I. Der Typusbegriff der "Wohlfahrtspflege" im Versicherungspflichttatbestand des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII ist nicht auf die Betreuung spezifisch gefährdeter oder besonders schutzbedürftiger Kinder und Jugendlicher begrenzt, sondern weit zu verstehen (zum Typusbegriff ausführlich - BSGE 135, 168 = SozR 4-2700 § 2 Nr 61, RdNr 20 und vom - B 2 U 18/17 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 47 RdNr 16). Er erfasst auch Tätigkeiten der allgemeinen Jugendhilfe (§ 1 Abs 3 SGB VIII), die am Wohl von Kindern und Jugendlichen orientiert ist und darauf abzielt, junge Menschen in ihrer persönlichen, sozialen und gesellschaftlichen Entwicklung zu fördern. Das ergibt die Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII nach dem Wortlaut der Norm (dazu 1.), dem systematischen Zusammenhang (dazu 2.), der Entstehungsgeschichte (dazu 3.) sowie ihrem Sinn und Zweck (dazu 4.), mit der der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers zu ermitteln ist ( - aaO, RdNr 21 und vom - B 2 U 27/17 R - BSGE 128, 92 = SozR 4-2700 § 67 Nr 1, RdNr 11). Bei der Zuordnung einer Tätigkeit zum Typus der Wohlfahrtspflege kommt es auf eine wertende Gesamtbetrachtung an (vgl - BVerfGE 145, 171 RdNr 65 und Kammerbeschluss vom - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11; - aaO, RdNr 20 mwN und vom - B 2 U 18/17 R - aaO, RdNr 16). Dabei ist ohne Belang, ob und ggf welchen Einfluss die Auslegung des Versicherungspflichttatbestands möglicherweise auf die Zuständigkeitsbereiche der Beklagten und der BGW haben könnte.

141. Der Versicherungspflichttatbestand des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII erfasst mit den Begriffen "Gesundheitswesen" und "Wohlfahrtspflege", die mit einem einschließenden "oder" verknüpft sind, das gesamte Spektrum der sozialen Arbeit (Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 2000, "Wohlfahrtspflege", S 1443). Das Gesundheitswesen ist im Kern medizinisch ausgerichtet, während sich die Wohlfahrtspflege stärker auf soziale Unterstützung und Integration bezieht. Das Wort "Wohlfahrtspflege" ist ein Kompositum aus den Wörtern "Wohlfahrt" und "Pflege". Der Begriff "Wohlfahrt" setzt sich seinerseits aus dem Adverb "wohl" im Sinne von "gut", "gesund", "angenehm-behaglich" (Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 5. Aufl 2018, "wohl", S 1134) und dem Morphem "fahrt" (ursprünglich "Reise" oder "Fortbewegung") in seiner übertragenen Bedeutung "Lebensweg" bzw "Lebensreise" zusammen. "Wohlfahrt" bezeichnet daher ein gutes, gesundes Leben in Wohlstand bzw Wohlergehen über die gesamte Lebensspanne (vgl dazu Duden, Das Herkunftswörterbuch, 6. Aufl 2020, unter "Hoffart", S 373; Paul, Deutsches Wörterbuch, 10. Aufl 2002, "Wohlfahrt", S 1181). "Pflegen" bedeutet im Kern "sich sorgend um jemanden bemühen" (Duden online <https://www.duden.de/rechtschreibung/pflegen>; DWDS - Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/pflegen>) und weist damit auf Aktivitäten hin, durch die das Wohlergehen von Personen gefördert oder bewahrt wird. Damit trägt das Wort "Wohlfahrtspflege" sowohl sprachlich als auch inhaltlich die Idee der Fürsorge und des Einsatzes für das Wohl anderer in sich und verbindet die historische Tradition der Sozialfürsorge (Caritas) durch die Kirchen ("christliche Wohlfahrt") und die außerkonfessionelle Selbsthilfe ("Arbeiterwohlfahrt") mit den modernen Strukturen des Sozialstaats. Eine Begrenzung auf spezifisch gefährdete oder besonders schutzbedürftige Personen, die sich in sozialen, wirtschaftlichen bzw gesundheitlichen Notlagen oder sonst in schwierigen Lebenssituationen befinden, enthält der Begriff nicht, wenngleich hilfebedürftige Menschen faktisch im Zentrum der Wohlfahrtspflege und ihrer Angebote stehen. Hinreichend, aber nicht notwendig ist ein Tätigwerden in der organisierten (öffentlichen oder privaten) Wohlfahrtspflege; erfasst werden auch Eigeninitiativen (zB zur Pflege von Einzelpersonen) ohne direkten Bezug zu einer entsprechenden Organisation oder Einrichtung ( - SozR 2200 § 539 Nr 134 und vom - 2 RU 79/84 - BSGE 58, 210 = SozR 2200 § 539 Nr 111 jeweils zu § 539 Abs 1 Nr 7 RVO; Becker in ders/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, SGB VII, Stand 02/2020, § 2 Abs 1 Nr 9 RdNr 540; Schwerdtfeger in Lauterbach, Unfallversicherung - SGB VII, Stand 09/2024, § 2 RdNr 336 a). Erstreckt sich die Wohlfahrtspflege prinzipiell auf alle Menschen in allen Lebensphasen, so gehört zu ihren Leistungen auch die Kinder- und Jugendhilfe, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (Kinder- und Jugendhilfegesetz <KJHG> vom , BGBl I 1163) und der Einordnung des SGB VIII in das SGB zum als Jugendwohlfahrt bezeichnet wurde (vgl Gesetz für Jugendwohlfahrt vom , RGBl I 633). Konsequenterweise hält sich die BGW nach ihrer Satzung sachlich zuständig für solche Wohlfahrtspflegeunternehmen, die in der Kinder- und Jugendhilfe Pflege-, Hilfe- und Betreuungsdienste anbieten und entsprechende Einrichtungen unterhalten (vgl § 3 Abs 1 Buchst a der Satzung der BGW vom ).

152. Auch bei systematisch-typologischer Betrachtung ist die Tätigkeit als Vorsitzender des Pfadfindervereins nach ihrem Gesamtbild der Kinder- und Jugendhilfe und damit der Wohlfahrtspflege zuzuordnen. Die Typusmerkmale der alternativ in Betracht zu ziehenden Beschäftigung (§ 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 1 Abs 1 Satz 1, § 7 SGB IV), Wie-Beschäftigung (§ 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII) oder des bürgerschaftlichen Engagements (§ 3 Abs 1 Nr 4 SGB VII) liegen nicht vor, wie das LSG zu Recht angenommen hat und was die Beteiligten auch nicht bezweifeln.

16Um den Begriff der allgemeinen Wohlfahrtspflege in § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII jugendhilferechtlich zu konkretisieren und auszufüllen, sind die Bestimmungen des SGB VIII über die dort geregelte Kinder- und Jugendhilfe ergänzend heranzuziehen (vgl zu diesem Vorgehen - SozR 4-2700 § 2 Nr 18 RdNr 19 ff und grundlegend vom - 2 RU 79/84 - BSGE 58, 210 = SozR 2200 § 539 Nr 111 = juris RdNr 16 zum BSHG; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche UV, Stand 2/2025, § 2 Anm 20.18). Die Durchführung wöchentlicher Gruppenstunden und mehrtägiger Touren und Ausflüge durch Verbände, Gruppen und Initiativen der Jugend (§ 11 Abs 2 Satz 1 SGB VIII) gehören zu den klassischen Aufgaben und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe, zu denen ua die Jugendarbeit in Spiel, Sport und Geselligkeit (§ 11 Abs 3 Nr 2 SGB VIII) sowie die Kinder- und Jugenderholung (§ 11 Abs 3 Nr 5 SGB VIII) zählen. Dabei ist die Betreuung von Kindern (§ 7 Abs 1 Nr 1 SGB VIII) in wöchentlichen Gruppenstunden durch Mitglieder des Pfadfindervereins außerhalb des Haushalts der Erziehungsberechtigten während eines Teils des Tages (Kindertagespflege) nach § 43 Abs 1 SGB VIII von vornherein erlaubnisfrei, weil weder Entgeltlichkeit festgestellt noch der dort genannte zeitliche Mindestumfang (mehr als 15 Stunden wöchentlich länger als drei Monate) erreicht ist. Dasselbe gilt für die Veranstaltung mehrtägiger Ferienfreizeiten (Pfadfindertouren, -ausflüge und -fahrten) über Tag und Nacht (Vollzeitpflege), die bis zur Dauer von acht Wochen (§ 44 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB VIII) keine behördliche Erlaubnis (Wiesner in ders/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl 2022, § 75 RdNr 1) und keinen Eignungsnachweis der Betreuer voraussetzt. Folglich hängt auch der Unfallversicherungsschutz des Klägers nach § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII weder von einem Sachkundenachweis noch von dem Erlass eines gestaltenden Verwaltungsakts oder einer Zertifizierung ab.

17Gleichwohl ist nicht jeder Umgang mit Kindern und Jugendlichen als Tätigkeit in der Wohlfahrtspflege versichert. Um den Unfallversicherungsschutz in seinen Grenzbereichen näher zu konturieren, müssen Versicherte selbst auf dem Gebiet der Jugendhilfe iS des § 1 SGB VIII tätig werden (dazu a), dabei im Kern gemeinnützige Ziele verfolgen (dazu b), ein Mindestmaß an Eignung aufweisen (dazu c) und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten (dazu d; vgl zu derartigen Kriterien als Orientierungshilfe § 75 Abs 1 SGB VIII). Die Definition der Wohlfahrtspflege in § 66 Abs 2 AO für Zwecke des Steuerrechts ist für die sozialversicherungsrechtliche Begriffsbestimmung ohne Belang (dazu e).

18a) Der Versicherte muss - wie es § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII mit dem Erfordernis des Tätigseins in der Wohlfahrtspflege ausdrückt - selbst Aufgaben der Jugendhilfe erfüllen und persönlich dazu beitragen, die Entwicklung junger Menschen zu einer selbstbestimmten, eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu fördern (vgl § 1 Abs 1 SGB VIII). Die bloße Bereitstellung finanzieller, sächlicher oder personeller Mittel (durch Spender, Sponsoren, Schenker, Stifter) genügt ebenso wenig wie die Vertretung kinder- und jugendpolitischer Forderungen gegenüber Politik und Öffentlichkeit (Trésoret in jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl, Stand , § 75 RdNr 42) oder die allgemeine Aufklärung und Information über jugendspezifische Themen. Die Verfolgung der kinder- und jugendhilferechtlichen Ziele muss in der praktischen Kinder- und Jugendarbeit - neben anderen Aufgaben und Belangen - einen gewichtigen (tendenziell: den) Schwerpunkt bilden (Trésoret, aaO, § 75 RdNr 44). Deshalb reichen Angebote ohne jugendspezifische Zielsetzung sowohl an Erwachsene als auch an Jugendliche nicht aus. Auch der - reine - Sportbetrieb für Kinder und Jugendliche in bloßen Freizeit- und Sportvereinen genügt nicht, ohne dass Inklusions- oder Integrationssportvereine von vornherein ausgeschlossen wären. Aufgrund ihrer spezifischen Zweck- und Zielsetzung gehört auch die Betätigung in Jugendorganisationen politischer Parteien oder Gruppierungen (vgl dazu § 3 Abs 1 Nr 4, § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB VII) ebenso wenig zur Wohlfahrtspflege wie die bloße Vermittlung theoretischer Kenntnisse und praktischer Fähigkeiten in schulisch-beruflichen oder sonstigen Kontexten der Aus-, Fort- und Weiterbildung (vgl dazu § 2 Abs 1 Nr 2 und 8 SGB VII). Gleiches gilt für Aktivitäten, die überwiegend der Lehre und Verbreitung einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft dienen (Trésoret, aaO, RdNr 45; Wiesner in ders/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl 2022, § 75 RdNr 9; zu öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen s auch § 2 Abs 1 Nr 10 Buchst b SGB VII). Der Kläger war als Vorsitzender des Pfadfindervereins selbst in der Kinder- und Jugendhilfe tätig, die den Schwerpunkt der Vereinsarbeit bildete.

19b) Der Versicherte handelt gemeinnützig, wenn die zuständige Steuerbehörde das Unternehmen, für das er tätig wird, als gemeinnützig anerkannt hat. Andernfalls ist zu prüfen, ob die Tätigkeit in erster Linie auf die selbstlose Sorge und das allgemeine Wohl von Kindern und Jugendlichen ausgerichtet ist und nicht vornehmlich eigenwirtschaftlichen Zwecken dient (zB bei kommerziellen Freizeitangeboten an Kinder und Jugendliche) oder von vornherein nur einem fest abgeschlossenen Personenkreis zugutekommt (zB Kindern und Jugendlichen einer Familie, von Belegschaftsangehörigen eines Unternehmens). Der eingetragene Pfadfinderverein, dem der Kläger vorstand, war nach den Feststellungen des LSG als gemeinnützig anerkannt und prinzipiell offen für alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen.

20c) Dass Erwachsene, die sich in der Kinder- und Jugendhilfe engagieren, ein Mindestmaß an Eignung aufweisen, darf unterstellt werden, solange sich Gegenteiliges nicht aus dem Gesamtbild ihres Verhaltens erschließt oder sonstige greifbare Anhaltspunkte bekannt werden, die auf eine Kindeswohlgefährdung hindeuten (vgl dazu zB VG Aachen Beschluss vom - 2 L 193/06 - juris; VG Ansbach Beschluss vom - AN 14 K 05.01916 - juris; - juris). Gegen die Eignung des Klägers als Tätiger in der Kinder- und Jugendhilfe bestehen auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts keinerlei Anhaltpunkte, zumal "die Aus- und Fortbildung von Personen in Leitungspositionen" nach der Vereinssatzung zu den Zwecken des Pfadfindervereins zählt.

21d) Aus Gründen des Jugendschutzes, der seinerseits Verfassungsrang genießt und entsprechende Schutzpflichten der staatlichen Gemeinschaft begründet, müssen Anbieter im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bieten. Dies ist nicht der Fall, wenn von ihnen Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgehen (vgl zum Begriff § 4 Abs 1 Satz 1 Buchst c BVerfSchG; näher hierzu 6 C 22.09 - BVerwGE 137, 275 RdNr 59 f; vgl auch - BVerfGE 113, 63, 81 = juris RdNr 69 - Verfassungsschutzbericht "Junge Freiheit"). Die sog "Verfassungsgewähr" für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet grundsätzlich, wer die Aufgaben der Jugendhilfe als umfassenden Erziehungsauftrag begreift und junge Menschen befähigen möchte, ihre Anlagen und Fähigkeiten zu entwickeln, ihre Persönlichkeit zu entfalten, die Würde Anderer zu achten und ihre Pflichten gegenüber Mitmenschen in Familie, Gesellschaft und Staat zu erfüllen. Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung mit den bestehenden Verhältnissen nicht aus, solange und soweit die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die unveränderbaren Grundsätze der Verfassungsordnung nicht in Frage gestellt werden (vgl - BVerfGE 39, 334, 347 f - Radikalenerlass und grundlegend - BVerfGE 2, 1, 12 f - SRP-Verbot; s zum Jugendverband "REBELL" der MLPD - BSGE 133, 187 = SozR 4-4200 § 28 Nr 12, RdNr 34; V C 33.76 - BVerwGE 55, 232, 237 ff zu § 9 JWG und vom - II C 68.73 - BVerwGE 47, 330, 343 sowie Beschluss vom - 5 B 90/96 - Buchholz 436.511 § 74 KJHG/SGB VIII Nr 1). Unfallversicherungsschutz entfällt somit für Personen, die in der Kinder- und Jugendhilfe tätig sind und sich nur pro forma zu den Grundprinzipien der Verfassung bekennen, in ihrer praktischen Arbeit dagegen verfassungsfeindliche Ziele verfolgen. Auch die Anknüpfung an mit der Verfassung unvereinbare Traditionen, zB in Namen, Symbolik oder Sprache, schließt eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit aus. Weder die Vereinssatzung noch die Aktivitäten des Klägers auf Vereinsebene geben Anlass, an seiner Verfassungstreue zu zweifeln.

22e) Aus dem Umstand, dass § 66 Abs 2 AO den Begriff der Wohlfahrtspflege für das Steuerrecht (§ 1 Abs 1 AO) legaldefiniert, lässt sich für das Sozialversicherungsrecht nichts herleiten. Insbesondere enthält § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII keine stillschweigende Verweisung auf § 66 Abs 2 AO (zur stillschweigenden Verweisung vgl - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 17; Debus, Verweisungen in deutschen Rechtsnormen, 2008, S 49 f; Stodt, Dynamische Verweisungen, 2023, S 7) und die dort erwähnte Begrenzung der Wohlfahrtspflege auf die "ausgeübte Sorge für notleidende oder gefährdete Mitmenschen". Bei stillschweigenden Verweisungen, die § 31 SGB I in den Sozialleistungsbereichen des SGB praktisch ausschließt, ergibt sich die Bezugnahme aus der Systematik (Debus, aaO, S 50 mwN; Stodt, aaO, S 7) in den Grenzen des rechtsstaatlichen (Art 20 Abs 3 GG) Bestimmtheitsgebots ( - BSGE 127, 203 = SozR 4-2700 § 185 Nr 2, RdNr 17 mwN). Der Bedeutungszusammenhang ist hier jedoch dadurch gekennzeichnet, dass der Begriff der Wohlfahrtspflege in § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII durch die sozialrechtlichen Regelungen, Prinzipien und Wertungen des Kinder- und Jugendhilferechts (SGB VIII) ausgefüllt und konkretisiert wird. Für Präzisierungen und Spezifizierungen anhand des Steuerrechts bleibt kein Raum.

233. Die Entstehungsgeschichte gibt keinen Grund, den Begriff der "Wohlfahrtspflege" in § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII enger auszulegen. Das Sozialversicherungsrecht führte ihn erstmals mit dem Dritten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom (RGBl I 405) in den neugeschaffenen Versicherungstatbestand des § 537 Nr 4b RVO ein. Aus dessen Anwendungsbereich schloss das Reichsversicherungsamt (RVA) verwaltende Tätigkeiten und rein sportliche Betätigungen aus (EuM 25 S 31, EuM 27 S 44, EuM 30 S 28 und EuM 31 S 437 sowie AN 1930, IV 506 f). Nachdem die 2. BKVO vom (RGBl I 27) den Begriff der "Wohlfahrtspflege" unter Nr 22 der Anlage in das Berufskrankheiten-(BK-)Recht übernommen hatte, forderte das RVA einschränkend die Unmittelbarkeit der Hilfeleistung (EuM 36 S 145). Hieran anknüpfend hat die Senatsrechtsprechung im BK-Recht seit jeher Tätigkeiten in der Wohlfahrtspflege auf die unmittelbare Betreuung von Menschen im Sinne eines persönlichen (nicht notwendig körperlichen) Kontakts verengt ( - BSGE 15, 116, 117 = SozR Nr 1 zu Anl Nr 26 4. BKVO und vom - 2 RU 122/54 - BSGE 6, 74, 77 = SozR Nr 2 zu Anl Nr 39 5. BKVO). Diese Betrachtung ist indes der spezifischen Funktion des BK-Rechts geschuldet, wie der Senat bereits entschieden hat ( - BSGE 58, 210, 212 = SozR 2200 § 539 Nr 111). Die Anl 1 der geltenden BKV verwendet den Begriff der Wohlfahrtspflege, um im Rahmen der BK 3101 bei Infektionskrankheiten bestimmte Gefährdungsbereiche iS des § 9 Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VII abzugrenzen. Im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in Laboratorien bestehen typischerweise akute Ansteckungsgefahren, denen der Versicherungsschutz gegen Infektionsgefahren Rechnung trägt. Um den Versicherungsschutz möglichst zielgenau auf den gefährdeten Personenkreis zuzuschneiden und die Bereiche auszusondern, die keine überdurchschnittlichen Infektionsgefahren aufweisen, ist der Begriff der Wohlfahrtspflege im BK-Recht restriktiv auszulegen. Diese Begrenzung bezieht sich indes nicht auf den Begriff der Wohlfahrtspflege, sondern darauf, unter welchen Voraussetzungen eine Infektionskrankheit bei einem in der Wohlfahrtspflege Tätigen als BK anzuerkennen und zu entschädigen ist ( - BSGE 58, 210, 212 = SozR 2200 § 539 Nr 111). Dagegen geht es im Rahmen des Versicherungspflichttatbestandes des § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII um den allgemeinen Begriff "Wohlfahrtspflege", der nicht durch seine besondere Funktion im BK-Recht eingeengt oder vorgeprägt ist.

24Gegen die weite Auslegung lässt sich schließlich auch nicht einwenden, das BSG habe § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII im Urteil vom (B 2 U 5/02 R - juris) weder herangezogen noch das Vorliegen von Wohlfahrtspflege erörtert, als es Unfallversicherungsschutz für das Mitglied des Leitungsteams eines eigenständig organisierten Verbandes (Katholische Junge Gemeinde) verneinte, das während einer Jugendfreizeit verunglückte. Denn nach dem dort festgestellten Sachverhalt lag die Anwendung der Vorschrift weder nahe noch ist deren Verletzung gerügt worden. Gleiches gilt für die unterbliebene Heranziehung des § 539 Abs 1 Nr 7 RVO für eine Gruppenleiterin, die im Rahmen eines Zeltlagers der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg einen Unfall erlitt ( - SozR 3-2200 § 539 Nr 41).

254. Der Versicherungsschutz für Tätigkeiten im Gesundheitswesen und der Wohlfahrtspflege soll das im öffentlichen Interesse liegende und dem Wohl der Allgemeinheit dienende gesellschaftliche Engagement im Bereich der sozialen Arbeit honorieren und die damit verbundenen Gefährdungsrisiken (insbesondere Infektionsgefahren) ausgleichen (vgl dazu Roos/Karmanski/Karl/Herbst in FS Schlegel, 2024, 603, 612). Auch dieser Zweck des Versicherungsschutzes streitet für die weite Auslegung des Versicherungspflichttatbestandes, um alle karitativen Helfer, Aktivisten und Freiwilligen möglichst lückenlos zu erfassen.

26II. Das Engagement des Klägers für den Pfadfinderverein ist nach seinem Gesamtbild dem Typus der ehrenamtlichen Tätigkeit zuzuordnen. Zum Gepräge (Typuskern) jeder ehrenamtlichen Tätigkeit gehört, dass sie unentgeltlich ausgeübt wird und immateriellen Werten, ideellen Zwecken oder dem Gemeinwohl dient (vgl - BSGE 135, 168 = SozR 4-2700 § 2 Nr 61, RdNr 20 mwN; Roos/Karmanski/Karl/Herbst, FS Schlegel, 2024, 603, 612). Der Kläger übte nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz eine "ehrenamtliche Vereinstätigkeit" als "gewählter Ehrenamtsträger" ohne Entlohnung aus. Die in § 163 SGG angeordnete Bindungswirkung erstreckt sich auch auf sog juristische Tatsachen, denen eine rechtliche Würdigung zugrunde liegt, die einen tatsächlichen Zustand, Status oder ein Ereignis zusammenfassen und die nach ihrer rechtlichen Bedeutung durch einen Rechtsbegriff bezeichnet werden. Denn den tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) stehen Tatsachen in ihrer juristischen Einkleidung gleich, wenn dies durch einen einfachen, geläufigen Rechtsbegriff des täglichen Lebens geschieht und sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Vorinstanz den Rechtsbegriff fehlerhaft verwendet haben könnte (vgl dazu - BGHZ 158, 295 = juris RdNr 13 und vom - V ZR 9/96 - BGHZ 135, 92, 95). Zu diesen juristischen Tatsachen gehört der Begriff des Ehrenamtes, dessen Inhalt das LSG nicht verkannt hat und gegen dessen Anwendung im Einzelfall die Beklagte keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben hat. Eine Gewinnerzielungsabsicht des Klägers hat das LSG weder festgestellt oder angedeutet noch ist dies sonst erkennbar.

27B. Der abstrakt-generell versicherten Tätigkeit als ehrenamtlich Tätiger in der Wohlfahrtspflege ist die konkret-individuelle Verrichtung zur Zeit des Ereignisses - das Aussteigen aus dem Pfadfinderbus zum Abladen von Zeltmaterial des Vereins - wertend zuzurechnen. Entscheidender Wertungsfaktor und maßgebendes Zurechnungskriterium ist die objektivierte Handlungstendenz (stRspr; - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen - juris RdNr 18, vom - B 2 U 1/21 R - SozR 4-2700 § 2 Nr 62 RdNr 37 und vom - B 2 U 14/20 R - BSGE 135, 155 = SozR 4-2700 § 2 Nr 60, RdNr 39). Danach besteht der sachliche Zusammenhang zwischen der Verrichtung und der versicherten Tätigkeit, wenn das objektiv beobachtbare Verhalten des Verletzten - aus seiner subjektiven Sicht - zumindest auch dem Unternehmen (§ 121 Abs 1 Satz 1 SGB VII) des Unternehmers (§ 136 Abs 3 SGB VII) dienen, nutzen bzw zugutekommen sollte, diese subjektive Ziel- und unternehmensdienliche Zweckrichtung in den realen Gegebenheiten eine Stütze findet, dh objektivierbar ist, und die schadenstiftende Verrichtung den objektiven Interessen des Unternehmers zumindest mutmaßlich entsprach ( - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 8 Nr 85 vorgesehen - juris RdNr 17). Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Als der Kläger den Pfadfinderbus verließ und auf Glatteis ausrutschte, wollte er aus seiner subjektiven Sicht unternehmereigenes Zeltmaterial abladen, um es auf seine Dichtheit zu überprüfen, ggf zu reparieren und für künftige Unternehmungen (Pfadfindertouren, -ausflüge und -fahrten) des Vereins vorzubereiten. Dies entsprach den objektiven Interessen des Pfadfindervereins, der in der kommenden Saison für Kinder und Jugendliche ua Zeltlager anbieten wollte. Für den Versicherungsschutz ist dabei belanglos, dass der Kläger nicht unmittelbar bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen, sondern im Vorfeld konkreter Betreuungsmaßnahmen ausgerutscht ist. § 2 Abs 1 Nr 9 SGB VII zieht den Kreis der abstrakt-generell versicherten Tätigkeit mit dem Typusbegriff der "Wohlfahrtspflege" weit. Die konkrete Zurechnung im Einzelfall erfolgt maßgeblich anhand der objektivierten Handlungstendenz. Deshalb ist hier auch unerheblich, ob der Kläger mit dem Abladen des Zeltmaterials Mitgliedschaftspflichten aus seiner Vereinsmitgliedschaft erfüllte, was im Übrigen nur dem Versicherungsschutz nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB VII (Wie-Beschäftigung) entgegengehalten werden könnte ( - SozR 3-2200 § 539 Nr 41 S 167 f, vom - 2 RU 83/80 - juris RdNr 25 und vom - 2 RU 40/79 - BSGE 52, 11, 14 = SozR 2200 § 539 Nr 81).

28C. Der Senat kann jedoch anhand der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger im Bereich des rechten Oberschenkels einen Gesundheitserstschaden erlitten hat, als er beim Verlassen des Pfadfinderbusses auf Glatteis ausrutschte. Das LSG gibt insofern nur die Angaben des Klägers wieder, am auf vereistem Untergrund mit dem rechten Bein unter ein Auto gerutscht und rechts ventral mit dem Oberschenkel angeprallt zu sein, wobei es zu einem "Ruck" im Oberschenkel rechts gekommen sei. Eine Sehnenteilruptur im rechten Oberschenkel mit Hämatomen und einer Gehstörung wurde durchgangsärztlich erst am festgestellt, nachdem der Kläger bei einer privaten Umbaumaßnahme am einen Riss im rechten Oberschenkel verspürt hatte. Nähere Ermittlungen zu den Ursachenzusammenhängen hat das LSG - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - nicht durchgeführt. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.

29D. Soweit der Kläger schließlich die unterbliebene Beiladung der BGW geltend macht, greift diese Verfahrensrüge nicht durch (§ 170 Abs 3 Satz 1 SGG). Denn die Beklagte hat den Beginn ihrer Zuständigkeit mit (Rück-)Wirkung zum durch schriftlichen (Zuständigkeits-)Bescheid vom gegenüber dem Pfadfinderverein festgestellt (vgl § 133 Abs 1 SGB VII).

30E. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:250325UB2U323R0

Fundstelle(n):
SAAAJ-94175