Suchen Barrierefrei
BGH Urteil v. - I ZR 82/24

Portraitfoto

Leitsatz

Portraitfoto

Bei der Prüfung, ob ein Auskunftsanspruch gemäß § 32d Abs. 1 UrhG ausgeschlossen ist, weil der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat (§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG), kommt es auf eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls an. Dabei sind sowohl urheberrechtliche Umstände wie der Grad der Prägung des Beitrags des Urhebers in Bezug auf ein mit mehreren geschaffenes Werk (§ 8 UrhG) oder ein Sammelwerk (§ 4 UrhG) als auch - mit Blick auf den Beteiligungsgrundsatz, wonach der Urheber grundsätzlich an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werks tunlichst angemessen zu beteiligen ist - ökonomische Gesichtspunkte wie die Bedeutung des Werks des Urhebers für die Gesamtwertschöpfung, die mit dem Werk als solches oder durch ein Produkt oder eine Dienstleistung erzielt wird, zu berücksichtigen. Geht es - wie im Streitfall (Verwendung eines Portraitfotos auf einer Vielzahl von Produktpackungen) - um die werbliche Nutzung eines Werks für den Absatz eines Produkts, ist bei der gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG vorzunehmenden Prüfung, ob der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zum Produkt des Verwerters geleistet hat, auf die werbliche Bedeutung des Werks für den Produktabsatz abzustellen.

Gesetze: § 4 UrhG, § 8 UrhG, § 32a Abs 1 UrhG, § 32d Abs 1 UrhG, § 32d Abs 2 Nr 1 UrhG

Instanzenzug: Az: 29 U 8077/21 Urteilvorgehend LG München I Az: 42 O 18987/19

Tatbestand

1Die Beklagte bietet unter anderem Fitnessgeräte sowie Fitnessprogramme an und vertreibt Nahrungsergänzungsmittel. Der Kläger zu 2 (Kläger) ist Berufsfotograf. Er fertigte am im Rahmen eines Shootings Fotos für die Beklagte und stellte ihr dieses Shooting am in Rechnung. Die nicht mehr am Verfahren beteiligte Klägerin zu 1 ist ein Beratungsunternehmen, das mit dem Kläger einen Lizenzvertrag geschlossen hatte.

2Die Beklagte fertigte aus einem bei dem Shooting entstandenen Foto einen Bildausschnitt, der die Geschäftsführerin der Beklagten im Portrait zeigte. Diesen Bildausschnitt gab die Beklagte auf den Verpackungen verschiedener von ihr vertriebener Nahrungsergänzungsmittel - versehen mit dem Namen und der Unterschrift ihrer Geschäftsführerin - wieder. Die mit dem Portraitfoto versehenen Produkte wurden unter anderem auf der Webseite der Beklagten, der Webseite eines Onlinehändlers sowie auf einem Teleshopping-Kanal, dort präsentiert von der abgebildeten Geschäftsführerin selbst, sowie auf dessen Webseite vertrieben.

3Der Kläger macht geltend, für die bei dem Shooting gefertigten Aufnahmen der Geschäftsführerin der Beklagten sei ursprünglich eine Verwendung in einem Trainingsplan angedacht gewesen. Da er deshalb nicht davon habe ausgehen können, dass das streitgegenständliche Foto auf zahlreichen Produktaufmachungen verwendet werde, habe er für das Shooting lediglich einen Betrag von 180 € in Rechnung gestellt, was vier Arbeitsstunden zu je 45 € entsprochen habe. Das Portraitfoto sei millionenfach produktidentifizierend auf Verpackungen, Flyern und in Katalogen für das Angebot der Beklagten sowie eine Produktlinie eines Onlinehändlers verwendet worden. Ihm stehe daher gemäß § 32a Abs. 1 UrhG ein Anspruch auf Vertragsanpassung zu, durch die ihm eine weitere angemessene Beteiligung gewährt werde. Zur Vorbereitung dieses Anspruchs könne er nach den allgemeinen Bestimmungen gemäß §§ 242, 259 BGB für den Zeitraum seit dem sowie gemäß § 32d UrhG seit dem Ansprüche auf Auskunft und Rechenschaft betreffend Art und Umfang der von der Beklagten vorgenommenen Verwertungshandlungen in Bezug auf das streitgegenständliche Lichtbild geltend machen.

4Die Kläger haben die Beklagte - jeweils betreffend das streitgegenständliche Portraitfoto - zur Vorbereitung von Ansprüchen auf angemessene weitere Beteiligung auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung sowie auf Vorlage von mit Lizenznehmern geschlossenen Lizenz-, Unterlizenz- und/oder Gestattungsverträgen bezogen auf Verwertungshandlungen seit dem in Anspruch genommen und die Feststellung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet ist, auf der Grundlage der dann erteilten Auskunft in die Änderung des mit dem Kläger bestehenden Gestattungsvertrags einzuwilligen, soweit dies Zahlungsansprüche für die Zeit ab dem betrifft. Außerdem haben die Kläger - gestützt auf § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG und ebenfalls zur Vorbereitung von Ansprüchen auf angemessene weitere Beteiligung - Auskunftserteilung über Art und Umfang der in den Jahren 2018, 2019 und 2020 getätigten Verwertungshandlungen verlangt.

5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

6In der Berufungsinstanz haben die Kläger ihre Anträge als Stufenklage gestellt und den auf § 32d UrhG gestützten Auskunftsantrag auf Verwertungshandlungen seit dem bezogen. Das Berufungsgericht (OLG München, GRUR 2024, 1633) hat die Berufung der Klägerin zu 1 zurückgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht auf der ersten Stufe der Stufenklage dem auf § 32d UrhG gestützten Auskunftsantrag betreffend die vom bis zum getätigten Verwertungshandlungen (Tenor zu I 1) sowie den auf §§ 242, 259 BGB gestützten Anträgen auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung (Tenor zu I 2) sowie auf Vorlage von mit Lizenznehmern geschlossenen Lizenz-, Unterlizenz- und/oder Gestattungsverträgen (Tenor zu I 3) in Bezug auf Verwertungshandlungen seit dem stattgegeben.

7Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Gründe

8A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die zulässige Klage des Klägers sei auf ihrer ersten Stufe begründet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

9Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG in der seit dem geltenden Fassung für den Zeitraum vom bis zum zu, der für den Zeitraum vom bis zum am und für den Zeitraum vom bis zum am entstanden sei. Der Anspruch sei nicht nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG ausgeschlossen, weil das Lichtbild keinen lediglich nachrangigen Beitrag zu den Produkten der Beklagten im Sinne dieser Bestimmung darstelle. Dabei sei eine ökonomische Sichtweise maßgeblich, nach der zentrale Vertriebs- und Marketingaspekte in die Betrachtung einzustellen seien. Im Streitfall spiele die visuelle Wiedererkennbarkeit der Produkte der Beklagten anhand des Lichtbilds ihrer Geschäftsführerin wirtschaftlich auch wegen der in Rede stehenden Vertriebswege eine erhebliche Rolle. Unstreitig seien die Produkte unter anderem über den Vertriebskanal des Teleshoppings abgesetzt worden, wobei die auf dem Portraitfoto abgebildete Geschäftsführerin der Beklagten dort selbst Präsentationen vorgenommen habe. Infolgedessen sei es bei einer ökonomischen Betrachtungsweise keinesfalls als nachrangig oder unerheblich anzusehen, dass den Zuschauern eines Teleshopping-Kanals durch das Portrait ermöglicht werde, die optische Verbindung zwischen dem Produkt und der im Fernsehen auftretenden Person herzustellen, zumal wenn diese im positiven Sinne, beispielsweise als sportlich oder attraktiv, in Erinnerung behalten werde.

10Dem Kläger stünden für den Zeitraum ab dem außerdem Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung zur Vorbereitung von Ansprüchen auf angemessene weitere Beteiligung gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG in Verbindung mit §§ 242, 259 BGB zu. Diese Ansprüche würden nicht durch den ebenfalls bestehenden Anspruch gemäß § 32d Abs. 1 UrhG verdrängt. Sie seien auch begründet, weil aufgrund nachprüfbarer Tatsachen greifbare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis zwischen der in Höhe von 180 € vereinbarten Gegenleistung und der Vergütung bestünden, die unter Berücksichtigung der von der Beklagten erlangten Erträge und Vorteile als angemessen anzusehen sei. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass das Portraitfoto auf Verpackungen in 25 Produktkategorien von Nahrungsergänzungsmitteln in Online-Shops der Beklagten, des Teleshopping-Senders und der Lizenznehmerin der Beklagten verwendet worden sei. Ein Anspruchsausschluss wegen einer gänzlich untergeordneten Bedeutung des Portraitfotos komme aufgrund der auch in diesem Zusammenhang maßgeblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht in Betracht.

11Die Ansprüche des Klägers seien weder verjährt noch verwirkt. Die Beklagte sei mit dem erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Verwirkungseinwand gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen, da weder dargetan noch ersichtlich sei, warum der auf Rechnungen aus dem Jahr 2019 gestützte Einwand ohne Nachlässigkeit nicht bereits in erster Instanz hätte angebracht werden können.

12B. Die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg.

13I. Ohne Erfolg wendet sich die Revision allerdings dagegen, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung aus § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG in Verbindung mit §§ 242, 259 BGB für den Zeitraum ab dem zu.

141. Für den Auskunftsanspruch zur Vorbereitung einer weiteren angemessenen Beteiligung muss nicht bereits feststehen, dass dem Urheber ein Anspruch nach § 32a Abs. 1 UrhG auf Einwilligung in die Vertragsanpassung zusteht. Vielmehr kann der Urheber grundsätzlich bereits dann, wenn aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen Anspruch nach § 32a Abs. 1 UrhG bestehen, Auskunftserteilung (§ 242 BGB) und gegebenenfalls Rechnungslegung (§ 259 Abs. 1 BGB) verlangen, um im Einzelnen die weiteren Voraussetzungen dieses Anspruchs zu ermitteln und die zu zahlende Vergütung berechnen zu können (, GRUR 2002, 602 [juris Rn. 22] = WRP 2002, 715 - Musikfragmente; Urteil vom - I ZR 49/06, GRUR 2009, 939 [juris Rn. 35] = WRP 2009, 1008 - Mambo No. 5; Urteil vom - I ZR 127/10, GRUR 2012, 496 [juris Rn. 11] = WRP 2012, 565 - Das Boot I; Urteil vom - I ZR 145/11, GRUR 2012, 1248 [juris Rn. 23] = WRP 2013, 65 - Fluch der Karibik; Urteil vom - I ZR 114/19, GRUR 2020, 1191 [juris Rn. 27] = WRP 2020, 1443 - Fotopool).

152. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass im Streitfall aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen Anspruch des Klägers nach § 32a Abs. 1 UrhG bestehen.

16a) Ist - wie im Streitfall, in dem ein Vertragsschluss im Jahr 2011 in Rede steht - der Vertrag über die Einräumung von Nutzungsrechten ab dem und vor dem geschlossen worden, ist § 32a UrhG gemäß § 132 Abs. 3a UrhG vorbehaltlich des § 133 Abs. 2 bis 4 UrhG in der bis einschließlich geltenden Fassung weiter anzuwenden. Gemäß § 133 Abs. 2 UrhG ist § 32a UrhG in der am geltenden Fassung ab diesem Zeitpunkt auch auf zuvor geschlossene Verträge anzuwenden.

17Nach § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG in der vom bis zum geltenden Fassung kann der Urheber, der einem anderen ein Nutzungsrecht zu Bedingungen eingeräumt hat, die dazu führen, dass die vereinbarte Gegenleistung unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werks steht, von dem anderen verlangen, dass dieser in eine Änderung des Vertrags einwilligt, durch die dem Urheber eine den Umständen nach weitere angemessene Beteiligung gewährt wird.

18Mit Wirkung vom hat der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts vom (BGBl. I S. 1204) in Umsetzung von Art. 20 der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG geändert, indem der Maßstab des auffälligen Missverhältnisses durch eine abweichend formulierte Eingriffsschwelle ersetzt wurde (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts, BT-Drucks. 19/27426, S. 80). Nunmehr kommt es gemäß § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG darauf an, dass die vereinbarte Gegenleistung sich unter Berücksichtigung der gesamten Beziehungen des Urhebers zu dem anderen als unverhältnismäßig niedrig im Vergleich zu den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werks erweist. Für das vorliegende Revisionsverfahren hat diese Rechtsänderung keine Bedeutung. Da das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, dass im Streitfall ein auffälliges Missverhältnis vorliegt (dazu sogleich unter B I 2 b bis e), kann offenbleiben, ob für den Anspruch auf weitere angemessene Beteiligung nunmehr eine niedrigere Eingriffsschwelle gilt (vgl. , GRUR 2022, 899 [juris Rn. 17] = WRP 2022, 729 - Porsche 911, mwN).

19b) Die Beantwortung der Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis im Sinne von § 32a Abs. 1 Satz 1 UrhG aF zwischen der als Gegenleistung für die Einräumung des Nutzungsrechts vereinbarten Vergütung des Urhebers und den aus der Nutzung des Werks erzielten Erträgen und Vorteilen des Vertragspartners besteht, setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst die Feststellung der mit dem Urheber vereinbarten Vergütung und der vom Vertragspartner erzielten Erträge und Vorteile voraus. Sodann ist die Vergütung zu bestimmen, die - im Nachhinein betrachtet - insbesondere unter Berücksichtigung der erzielten Erträge und Vorteile angemessen im Sinne des § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG aF ist. Schließlich ist zu prüfen, ob die vereinbarte Vergütung mit Blick auf diese angemessene Vergütung in einem auffälligen Missverhältnis zu den Erträgen und Vorteilen steht (, GRUR 2021, 955 [juris Rn. 32] = WRP 2021, 1042 - Das Boot III, mwN).

20c) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, aufgrund nachprüfbarer Tatsachen seien greifbare Anhaltspunkte für ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Gegenleistung und den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Fotos gegeben, das bereits vor dem beziehungsweise eingetreten sei. Als gezahlte Vergütung sei vorliegend ein Teilbetrag der gemäß Rechnung vom für das Shooting vom insgesamt verlangten Vergütung von 180 € (4 Stunden à 45 €) zugrunde zu legen. Für die Frage, welche Vergütung bei einer ex-post-Betrachtung für die konkrete Verwertung des Fotos nach § 32 Abs. 2 Satz 2 UrhG angemessen gewesen wäre, gelte mit Blick auf den geltend gemachten Auskunftsanspruch, für den die Feststellung von greifbaren Anhaltspunkten aufgrund nachprüfbarer Tatsachen ausreichend sei, ein abgesenkter Prüfungsmaßstab. Danach sei der tatsächliche Nutzungsumfang in Betracht zu nehmen. Dieser habe im Online-Shop der Beklagten rund 25 Produktkategorien aus der Produktserie der Beklagten umfasst, die auf der Verpackung und/oder Umverpackung das streitgegenständliche Bild gezeigt hätten. Im Online-Shop des Teleshopping-Senders fänden sich wiederum rund 23 Produktkategorien aus der Serie der Beklagten, die mit dem Portraitfoto versehen seien. Weiter sei auf der Internetseite der möglichen Lizenznehmerin wiederum bei rund 25 Produktkategorien das Foto auf der Verpackung zu finden. Diese Nutzungen auf der Verpackung und Umverpackung verschiedener Produktkategorien habe die Beklagte als solche nicht bestritten, sondern sich lediglich gegen die Behauptung einer "millionenfachen" Verwendung der Fotografie gewendet. Aufgrund der nachprüfbaren Tatsache, dass das Portraitfoto auf den Verpackungen und Umverpackungen von jeweils ca. 25 Produktkategorien innerhalb einer von der Beklagten vertriebenen Serie von Nahrungsergänzungsmitteln vorhanden gewesen sei, die über jedenfalls drei verschiedene Online-Shops vertrieben worden seien, ergäben sich greifbare Anhaltspunkte dafür, dass auch die volle für das Shooting vom in Rechnung gestellte Vergütung von 180 € in einem auffälligen Missverhältnis zu den von der Beklagten erzielten Erträgen und Vorteilen stehe. Der Vorteil der Nutzung auf den (Um-)Verpackungen von 25 Produktkategorien läge selbst dann, wenn man nur einen für die bloße Online-Nutzung von Produktfotos in Webshops herangezogenen Schätzbetrag von 80 € pro Lichtbild ansetzen würde, um mehr als das Zehnfache über der tatsächlich gezahlten Vergütung. Ein auffälliges Missverhältnis werde von der Rechtsprechung bereits angenommen, wenn die vereinbarte Vergütung weniger als die Hälfte der angemessenen Vergütung betragen habe, wobei aufgrund der gesamten Beziehungen des Urhebers zum Nutzungsberechtigten nach Maßgabe der Umstände auch bereits geringere Abweichungen ein auffälliges Missverhältnis begründen könnten. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

21d) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, dass zumindest greifbare Anhaltspunkte dafür festgestellt werden müssten, dass sich der Beitrag des Urhebers in irgendeiner Form absatzfördernd auf ein Produkt ausgewirkt habe. Vorliegend sei jedoch kein aus dem Verkaufsertrag herauslösbarer Ertragsanteil ermittelbar, welcher im Rahmen des gebotenen Vergleichs zugrunde gelegt werden könne.

22Die Revision lässt unberücksichtigt, dass sich dem Gesetz ein konkreter Maßstab für die Ermittlung des Vorteils, den die Beklagte durch die Verwendung des streitgegenständlichen Fotos erlangt hat, nicht entnehmen lässt. Wird die Art und Weise der Bewertung eines Vermögensgegenstands vom Gesetz nicht geregelt, ist es Aufgabe des Tatgerichts, im Einzelfall die nach den Umständen sachgerechteste Bewertungsart auszuwählen und anzuwenden. In der Sache handelt es sich um eine Schätzung im Sinne des § 287 Abs. 2 ZPO. Im Revisionsverfahren ist diese Schätzung nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen ist und sämtliche für die Beurteilung bedeutsamen Tatsachen berücksichtigt hat, die von den Parteien vorgebracht worden sind oder sich aus der Natur der Sache ergeben. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatgericht eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (BGH, GRUR 2021, 955 [juris Rn. 54] - Das Boot III, mwN).

23Nach diesen Maßstäben hält das Berufungsurteil der Nachprüfung stand. Die von ihm getroffenen und von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen zum Umfang der Nutzung der mit dem Foto versehenen Packungen sowie der Bedeutung des Portraitfotos der Geschäftsführerin als Marketinginstrument tragen seine Annahme, dass die Beklagte infolge der in Rede stehenden Verwendung des Fotos einen Vorteil in Höhe der ersparten Lizenzgebühren erlangt hat, der allein schon für die Online-Nutzung der Produktfotos in Webshops mit 80 € pro Lichtbild zu beziffern ist.

24e) Die Annahme eines auffälligen Missverhältnisses durch das Berufungsgericht hält den Angriffen der Revision ebenfalls stand.

25aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein auffälliges Missverhältnis jedenfalls dann vorliegt, wenn die vereinbarte Vergütung nur die Hälfte der angemessenen Vergütung beträgt (vgl. BGH, GRUR 2021, 955 [juris Rn. 103] - Das Boot III, mwN).

26bb) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht hätte ein auffälliges Missverhältnis verneinen müssen, weil es sich bei dem in Rede stehenden Foto um eine derart untergeordnete Leistung handele, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Vergütung und Vorteilen von vornherein ausgeschlossen sei.

27(1) Allerdings hat der Senat angenommen, dass bei gänzlich untergeordneten Leistungen, die üblicherweise durch ein Pauschalhonorar abgegolten werden, ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vereinbarten Vergütung und den aus der Verwertung erzielten Vorteilen von vornherein ausgeschlossen ist (BGH, GRUR 2012, 1248 [juris Rn. 42] - Fluch der Karibik, mwN). Es kann offenbleiben, ob an dieser Rechtsprechung angesichts der nunmehr in § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG geregelten Gegenausnahme festgehalten werden kann, nach der ein auf die Nachrangigkeit des Beitrags des Urhebers beruhender Ausschluss der Auskunftspflicht nicht eingreift, wenn der Urheber aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür darlegt, dass er die Auskunft für eine Vertragsanpassung (§ 32a Abs. 1 und 2 UrhG) benötigt (vgl. Stang in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., § 32d UrhG Rn. 47; BeckOK.Urheberrecht/Soppe, 45. Edition [Stand ], § 32d UrhG Rn. 44).

28(2) Das Berufungsgericht hat eine gänzlich untergeordnete Leistung im Sinne dieser Grundsätze verneint und zur Begründung ausgeführt, das Portraitfoto sei auf einer Vielzahl von einzelnen Produkten verwendet worden. Zudem sei das Foto im Bereich von Nahrungsergänzungsmitteln als wichtiges Marketinginstrument anzusehen, weil es den angesprochenen Verbrauchern suggeriere, dass die abgebildete Person mit ihrem Gesicht, ihrem Namen und ihrer Expertise als Person für die Qualität und gegebenenfalls auch Wirksamkeit der Produkte einstehen wolle, um sich so von anonymen Herstellern und Lieferanten solcher Mittel abzugrenzen. Diese im Wesentlichen auf tatgerichtlichem Gebiet liegende Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Die Revision macht zudem nicht geltend, dass die für anspruchsausschließende Umstände darlegungs- und beweisbelastete Beklagte substantiiert vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass Portraitfotos, die wie im Streitfall umfangreich auf Produktverpackungen präsentiert werden, üblicherweise durch ein Pauschalhonorar abgegolten würden.

29II. Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht angenommen hat, dem Kläger stehe gemäß § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG ein Auskunftsanspruch zu (dazu B II 1). Die Revision macht außerdem erfolglos geltend, das Berufungsgericht habe den Auskunftsanspruch rechtsfehlerhaft auf Verwertungshandlungen erstreckt, die ab dem getätigt worden seien (dazu B II 2).

301. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs gemäß § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG vorliegen.

31a) Gemäß § 32d Abs. 1 UrhG erteilt bei entgeltlicher Einräumung eines Nutzungsrechts der Vertragspartner dem Urheber mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Die Auskunft erfolgt auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebs üblicherweise vorhanden sind. Die Auskunft ist erstmals ein Jahr nach Beginn der Werknutzung und nur für die Zeit der Werknutzung zu erteilen.

32Diese Vorschrift beruht auf Art. 19 der Richtlinie (EU) 2019/790 und ist daher unionsrechtskonform auszulegen. Nach Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Urheber und ausübenden Künstler regelmäßig - mindestens einmal jährlich - und unter Berücksichtigung der branchenspezifischen Besonderheiten aktuelle, einschlägige und umfassende Informationen über die Verwertung ihrer Werke und Darbietungen, vor allem über die Art der Verwertung, sämtliche erzielten Einnahmen von und die fälligen Forderungen gegenüber denjenigen, denen sie Lizenzrechte erteilt oder an die sie Rechte übertragen haben, sowie von deren Rechtsnachfolgern erhalten.

33b) Im Streitfall liegen die in § 32d Abs. 1 Satz 1 UrhG geregelten Voraussetzungen der Auskunftspflicht vor.

34Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger der Beklagten gegen Entgelt ein Nutzungsrecht am streitgegenständlichen Lichtbild im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG eingeräumt hat. Nach dieser Bestimmung werden Lichtbilder in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften des Teils 1 des Urheberrechtsgesetzes geschützt. Danach findet auch die in diesem Teil geregelte Bestimmung des § 32d UrhG entsprechende Anwendung (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Soppe aaO § 32d UrhG Rn. 5; Stang in Wandtke/Bullinger aaO § 32d UrhG Rn. 15; aA Peifer in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 32d UrhG Rn. 11; Jaworski in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 13. Aufl., § 32d UrhG Rn. 6).

35c) Das Berufungsgericht hat überdies rechtsfehlerfrei angenommen, dass der Auskunftsanspruch nicht gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG ausgeschlossen ist.

36aa) Nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG sind die die Auskunfts- und Rechenschaftspflicht regelnden Absätze 1 und 1a dieser Vorschrift nicht anzuwenden, soweit der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat, es sei denn, der Urheber legt aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür dar, dass er die Auskunft für eine Vertragsanpassung (§ 32a Abs. 1 und 2 UrhG) benötigt; nachrangig ist ein Beitrag insbesondere dann, wenn er den Gesamteindruck eines Werks oder die Beschaffenheit eines Produkts oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werks, eines Produkts oder einer Dienstleistung gehört.

37Diese Bestimmung beruht auf Art. 19 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2019/790. Danach können die Mitgliedstaaten festlegen, dass die in Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 genannte Auskunftspflicht keine Anwendung findet, wenn der Beitrag des Urhebers oder ausübenden Künstlers vor dem Hintergrund des Gesamtwerks oder der Gesamtdarbietung nicht erheblich ist, es sei denn, der Urheber oder ausübende Künstler legt dar, dass er die Informationen zur Ausübung seiner Rechte auf Vertragsanpassung nach Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 benötigt und zu diesem Zweck anfordert.

38bb) Im Streitfall liegt der Ausschlusstatbestand gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG bereits deshalb nicht vor, weil die Voraussetzungen der dort geregelten Gegenausnahme vorliegen. Der Kläger hat aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür dargelegt, dass er die Auskunft für eine Vertragsanpassung gemäß § 32a Abs. 1 UrhG benötigt (vgl. Rn. 15 bis 28).

39cc) Im Übrigen ist das Berufungsgericht mit Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen einer Nachrangigkeit im Sinne von § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG nicht vorliegen.

40(1) Ausgehend vom Gesetzeswortlaut sind die Umstände der geringen Prägung des Gesamteindrucks eines Werks oder der Beschaffenheit eines Produkts oder einer Dienstleistung sowie der Gesichtspunkt der fehlenden Zugehörigkeit zum typischen Inhalt eines Werks, eines Produkts oder einer Dienstleistung als Regelbeispiele der Nachrangigkeit zu verstehen (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Soppe aaO § 32d UrhG Rn. 36; Jaworski in Fromm/Nordemann aaO § 32d UrhG Rn. 28; Stang in Wandtke/Bullinger aaO § 32d UrhG Rn. 43). Maßgeblich ist eine Beurteilung der Umstände des Einzelfalls. Dabei sind sowohl urheberrechtliche Umstände wie der Grad der Prägung des Beitrags des Urhebers in Bezug auf ein mit mehreren geschaffenes Werk (§ 8 UrhG) oder ein Sammelwerk (§ 4 UrhG) als auch - mit Blick auf den Beteiligungsgrundsatz, wonach der Urheber grundsätzlich an jeder wirtschaftlichen Nutzung seines Werks tunlichst angemessen zu beteiligen ist (vgl. , BGHZ 242, 102 [juris Rn. 31] - Über alle Berge) - ökonomische Gesichtspunkte wie die Bedeutung des Werks des Urhebers für die Gesamtwertschöpfung, die mit dem Werk als solches oder durch ein Produkt oder eine Dienstleistung erzielt wird, zu berücksichtigen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler, BT-Drucks. 18/8625, S. 27; BeckOK.Urheberrecht/Soppe aaO § 32d UrhG Rn. 39 und 41; Jaworski in Fromm/Nordemann aaO § 32d UrhG Rn. 29 und 32; Mantz in Dreier/Schulze, UrhG, 8. Aufl., § 32d Rn. 12). Geht es - wie im Streitfall - um die werbliche Nutzung eines Werks für den Absatz eines Produkts, ist bei der gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG vorzunehmenden Prüfung, ob der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zum Produkt des Verwerters geleistet hat, auf die werbliche Bedeutung des Werks für den Produktabsatz abzustellen.

41(2) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass nach diesen Maßstäben der mit dem Portraitfoto der Beklagten geleistete Beitrag des Klägers zu den Produkten der Beklagten nicht nachrangig ist.

42(a) Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte das vom Kläger angefertigte Portraitfoto weder als Teil eines Werks noch im Rahmen einer Dienstleistung genutzt. Es war vielmehr - gemeinsam mit dem Namen und der Unterschrift ihrer abgebildeten Geschäftsführerin - auf den Verpackungen verschiedener von ihr vertriebener Nahrungsergänzungsmittel angebracht. Die Packungen wiederum sind unter anderem auf der Webseite der Beklagten, der Webseite eines Onlinehändlers sowie auf einem Teleshopping-Kanal, dort präsentiert von der abgebildeten Geschäftsführerin selbst, sowie auf dessen Webseite vertrieben worden. Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht angenommen, eine Nachrangigkeit scheide bei der gebotenen ökonomischen Gesamtbetrachtung aus, weil das Portrait der Geschäftsführerin der Beklagten auf einer Vielzahl von einzelnen Produktkategorien Verwendung finde, so dass schon der großflächige Einsatz auf eine nicht nur geringe Prägung der gesamten Produktlinie aufgrund eines Wiedererkennungseffekts schließen lasse. Ansonsten hätte es nahegelegen, nur punktuelle Bezüge zur Person der Geschäftsführerin, beispielsweise bei besonders auf Sport bezogenen Artikeln, herzustellen. Überdies sei das Portraitfoto im Bereich von Nahrungsergänzungsmitteln auch deshalb ein wichtiges Marketinginstrument, weil es den angesprochenen Verbrauchern suggerieren solle, dass die Geschäftsführerin der Beklagten mit ihrem Gesicht, ihrem Namen und ihrer Expertise als Person für die Qualität und gegebenenfalls auch Wirksamkeit der Produkte einstehen möchte, um sich so von anonymen Herstellern und Lieferanten solcher Mittel abzugrenzen. Die visuelle Wiedererkennbarkeit der Produkte der Beklagten anhand des Lichtbilds ihrer Geschäftsführerin spiele wirtschaftlich auch wegen der Wahl der Vertriebswege eine erhebliche Rolle. Unstreitig würden die Produkte unter anderem über den Vertriebskanal des Teleshoppings abgesetzt, wobei die Geschäftsführerin selbst auf dem Sender Präsentationen vornehme. Dadurch werde den Zuschauern eines Teleshopping-Kanals durch das Portrait ermöglicht, die optische Verbindung zwischen dem Produkt und der im Fernsehen auftretenden Person herzustellen, zumal wenn diese im positiven Sinne, beispielsweise als sportlich oder attraktiv, in Erinnerung behalten werde.

43(b) Diese im Wesentlichen auf tatgerichtlichem Gebiet liegende Würdigung des Berufungsgerichts ist nach den allgemeinen Grundsätzen revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Gericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen und keine wesentlichen Umstände unberücksichtigt gelassen hat (vgl. , GRUR 2024, 310 [juris Rn. 26] = WRP 2024, 471 - Peek & Cloppenburg V, mwN). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.

442. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe dem Kläger gemäß § 32d Abs. 1 UrhG Auskunft über Art und Umfang der ab dem getätigten Verwertungshandlungen zu erteilen, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenfalls stand.

45a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 32d UrhG sei in der ab dem geltenden Fassung in zeitlicher Hinsicht anwendbar. § 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG sei zu entnehmen, dass die Regelung des § 32d UrhG ab dem auf Altverträge anzuwenden sei. Zu diesem Stichtag seien deshalb erstmals entsprechende Auskünfte für den zurückliegenden Jahreszeitraum zu erteilen. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

46b) § 32d UrhG ist am in Kraft getreten und gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG in der am geltenden Fassung ab dem auch auf vor dem geschlossene Verträge anwendbar. Aus dem Wortlaut dieser gesetzlichen Rückwirkungsregelung ergibt sich, dass die Auskunftspflicht Verwertungshandlungen umfasst, die ab dem vorgenommen wurden. Entgegen der Ansicht der Revision steht dies mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip und dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes im Einklang.

47aa) Die in § 32d Abs. 1 UrhG bestimmte Auskunftsverpflichtung entfaltet eine unechte Rückwirkung, weil sie in gegenwärtige noch nicht abgeschlossene Sachverhalte rückwirkend eingreift (J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 133 UrhG Rn. 16; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 133 Rn. 5; Thomas Wirth in Eichelberger/Wirth/Seifert, UrhG, 4. Aufl., § 133 Rn. 2). Regelungen, die eine unechte Rückwirkung (auch: tatbestandliche Rückanknüpfung) entfalten, weil sie den Eintritt ihrer Rechtsfolgen von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig machen, unterliegen zwar weniger strengen Anforderungen als die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (dazu vgl. BVerfGE 97, 67 [juris Rn. 40] mwN). Sie sind aber an den Grundrechten sowie den allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen des Vertrauensschutzes, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit zu messen (BVerfGE 92, 277 [juris Rn. 225]; BVerfGE 97, 67 [juris Rn. 41]; , BGHZ 240, 144 [juris Rn. 29]).

48bb) Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass § 133 Abs. 3 Satz 1 UrhG die Transparenzpflichten gemäß § 32d UrhG auch auf vor dem geschlossene Verträge für anwendbar erklärt und dadurch den Verwertern Belastungen auferlegt, die bei Vertragsschluss von den Parteien noch nicht berücksichtigt werden konnten (vgl. J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 133 UrhG Rn. 16; Jani in Wandtke/Bullinger aaO § 133 UrhG Rn. 7; Thomas Wirth in Eichelberger/Wirth/Seifert aaO § 133 Rn. 2; Jaworski, GRUR-Prax 2021, 398). Dass auch der Richtliniengeber diesen Umstand für maßgeblich gehalten hat, ergibt sich aus Satz 5 des Erwägungsgrunds 77 der Richtlinie (EU) 2019/790. Danach dient die in Art. 27 der Richtlinie (EU) 2019/790 angeordnete Übergangsfrist (Geltung der Transparenzpflicht ab dem ) der Anpassung der geltenden Praxis in der Berichterstattung.

49cc) Ein schützenswerter Vertrauenstatbestand, der die Berücksichtigung von Verwertungshandlungen bereits ab dem bei der Pflicht zur Auskunft ausschließen würde, kommt jedoch angesichts des Umstands nicht in Betracht, dass gemäß Art. 26 Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2019/790 von ihren Be-stimmungen und damit auch der Transparenzpflicht gemäß Art. 19 der Richtlinie in zeitlicher Hinsicht lediglich Handlungen und Rechte nicht berührt werden, die vor dem abgeschlossen beziehungsweise erworben wurden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Berücksichtigung von Verwertungshandlungen bereits ab dem mit Blick auf die nach dem Zweck des Transparenzgebots schützenswerten Belange der Urheber unverhältnismäßig ist.

50III. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die den Klageanträgen zugrundeliegenden Ansprüche seien nicht verwirkt.

511. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei mit ihrem erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen Verwirkungseinwand nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen. Sie habe weder dargetan noch sei sonst ersichtlich, warum der auf Rechnungen aus dem Jahr 2019 gestützte Einwand ohne Nachlässigkeit nicht bereits in erster Instanz hätte angebracht werden können.

522. Diese Beurteilung hält dem Angriff der Revision nicht stand.

53a) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nach § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO nur zuzulassen, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine Nachlässigkeit im Sinne von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vor, wenn die Partei gegen ihre Prozessförderungspflicht verstoßen hat, aufgrund derer sie zu konzentrierter Verfahrensführung gehalten ist und insbesondere Vorbringen nicht aus prozesstaktischen Erwägungen bis zur zweiten Instanz zurückhalten darf. Jede Partei hat schon im ersten Rechtszug die Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, deren Relevanz für den Rechtsstreit ihr bekannt ist oder bei Aufwendung der gebotenen Sorgfalt hätte bekannt sein müssen und zu deren Geltendmachung sie dort imstande ist (st. Rspr.; vgl. , BGHZ 220, 77 [juris Rn. 32] mwN).

54b) Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass neues unstreitiges Vorbringen nicht gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO zurückgewiesen werden könne, sondern stets zuzulassen sei. Vorliegend sei die Erhebung der Einrede ebenso unstreitig wie die ihr zugrundeliegenden Tatsachen. Danach habe der Kläger die nunmehr beanstandete Handlungsweise der Beklagten gekannt und über viele Jahre hinweg geduldet. Außerdem habe er im Zuge der lange währenden Zusammenarbeit ein ganz erhebliches monatliches Honorarvolumen vereinnahmt und die Beklagte dabei in dem Glauben gelassen, weitere Ansprüche werde er nicht stellen.

55c) Damit hat die Revision Erfolg.

56aa) Zwar handelt es sich bei dem Einwand der Verwirkung in der Berufungsinstanz um ein neues Verteidigungsmittel, so dass seine Zulassung sich grundsätzlich nach § 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO richtet. Allerdings ist § 531 Abs. 2 ZPO auf Tatsachen, die erstmals im Berufungsrechtszug vorgetragen und unstreitig werden, nicht anwendbar. Die Vorschriften über die Behandlung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel betreffen nur streitiges und daher beweisbedürftiges Vorbringen (vgl. , BGHZ 161, 138 [juris Rn. 14]; Beschluss vom - XI ZR 538/17, NJW 2018, 2269 [juris Rn. 25]).

57bb) Bei den zur Begründung des Verwirkungseinwands vorgetragenen Tatsachen handelt es sich um unstreitiges Vorbringen.

58(1) Die Beklagte hat mit ihrer Berufungserwiderung vom geltend gemacht, der Kläger habe diejenigen Handlungsweisen der Beklagten, auf die er seinen Anspruch auf weitere Vergütung stütze, über einen Zeitraum von acht Jahren geduldet, wobei ein ständiger Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten und deren Geschäftsführerin bestanden habe. Er habe zudem monatliche Rechnungen für seine Tätigkeiten ohne zusätzliche Abrechnung der hier gewünschten Vergütung und ohne jegliches Auskunftsverlangen gestellt. Durch dieses über Jahre hinweg praktizierte Verhalten und unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Parteien seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Verwirkung erfüllt. Im Einzelnen habe der Kläger bis Ende 2019 monatliche Rechnungen mit einem durchschnittlichen Honorarvolumen von 15.000 € bis 18.000 € gestellt. Dies werde exemplarisch durch die mit dem Schriftsatz überreichten Rechnungen vom und vom 24. und belegt, denen auch diverse Tätigkeitsbeschreibungen des Klägers beigefügt seien. Die vorgelegten Berechnungen seien exemplarisch für den gesamten Zeitraum der Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und der Beklagten. Aus diesen Berechnungen und - im Bestreitensfall - weiter vorzulegenden Rechnungen werde deutlich, dass der Kläger zum einen fürstlich für seine Tätigkeiten, Shootings und Bildbearbeitungen entlohnt worden sei. Außerdem sei daraus zu entnehmen, dass er monatlich etwa 150 Stunden für die Beklagte tätig gewesen sei und regelmäßig mit den Produkten der Beklagten und dem Außenauftritt, insbesondere der Vermarktung der Produkte der Beklagten, zu tun gehabt habe und hierfür mitverantwortlich gewesen sei. Der Kläger habe positive Kenntnis von der Art und Weise der Verwendung des streitgegenständlichen Lichtbilds gehabt. Er sei insbesondere in die Art und Weise der Verwendung durch seine vergütete Tätigkeit involviert gewesen. Durch seine Tätigkeiten im Marketing-, Datenschutz-, Webhosting-, kurz: im Mediabereich, sei er eng in die Tätigkeiten des Unternehmens eingebunden gewesen.

59(2) Dieses Vorbringen hat der Kläger nicht bestritten. Abweichendes macht auch die Revisionserwiderung nicht geltend. Sie hat lediglich vorgebracht, die Beklagte habe ihren Einwand auf Rechnungen aus dem Jahr 2019 gestützt, die sie erst in der Berufungsinstanz in das Verfahren eingeführt habe. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger dieses Vorbringen der Beklagten nicht bestritten hat.

60cc) Der Rechtsfehler des Berufungsgerichts ist auch entscheidungserheblich.

61(1) Die Verwirkung schließt als ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) die illoyal verspätete Geltendmachung eines Rechts aus. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment; vgl. , GRUR 2014, 363 [juris Rn. 38] = WRP 2014, 455 - Peter Fechter, mwN).

62(2) Auf der Grundlage des zuzulassenden Vorbringens erscheint es - auch bei den mit Blick auf § 32a UrhG zu stellenden hohen Anforderungen (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Soppe aaO § 32a UrhG Rn. 39) - nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht bei seiner Würdigung zu der Annahme gelangt, die den Klageanträgen zugrundeliegenden Ansprüche auf weitere angemessene Beteiligung seien jedenfalls bis zu ihrer erstmaligen Geltendmachung verwirkt.

63Ist der Anspruch gemäß § 32a Abs. 1 UrhG verwirkt, fehlt dem zu seiner Verwirklichung auf die allgemeinen Grundsätze gemäß §§ 242, 259 BGB gestützten Auskunfts- und Rechnungslegungsantrag die Grundlage.

64Entsprechendes gilt für den auf § 32d Abs. 1 UrhG gestützten Auskunftsantrag. Da der Kläger auch diesen Antrag gestellt hat, um die für die nötige Konkretisierung des von ihm geltend gemachten Anspruchs auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG erforderlichen Informationen zu erhalten, wäre die Inanspruchnahme der Beklagten bei Annahme der Verwirkung des Anspruchs gemäß § 32a Abs. 1 UrhG unverhältnismäßig und der Auskunftsanspruch daher gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG ausgeschlossen. Zwar hängt die Transparenzpflicht gemäß Art. 19 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 sowie die darauf beruhende Auskunftspflicht gemäß § 32d Abs. 1 UrhG - anders als der Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung gemäß §§ 242, 259 BGB - nicht davon ab, dass aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte für einen Anspruch nach § 32a Abs. 1 UrhG bestehen (vgl. dazu B I 1). Die Informationspflicht gemäß § 32d Abs. 1 UrhG besteht vielmehr unabhängig davon, ob der Urheber einen Anspruch gemäß § 32a Abs. 1 UrhG geltend macht (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Soppe aaO § 32d UrhG Rn. 1). Ist aber - wie im Streitfall - der auf § 32d Abs. 1 UrhG gestützte Antrag vom Kläger gestellt worden, um die für die Begründung eines Anspruchs auf weitere angemessene Beteiligung nach § 32a Abs. 1 UrhG erforderlichen Informationen zu erhalten, und ist dieser Anspruch aufgrund der Umstände des Einzelfalls wegen Verwirkung von vorneherein ausgeschlossen, fehlt es an der Verhältnismäßigkeit gemäß Art. 19 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie (EU) 2019/790 und § 32d Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 UrhG.

65C. Danach ist das angefochtene Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht auf die Berufung des Klägers zu 2 zum Nachteil der Beklagten entschieden hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Koch                          Löffler                          Schwonke

            Schmaltz                         Wille

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180625UIZR82.24.0

Fundstelle(n):
IAAAJ-94174