Kürzung der Dienstbezüge wegen Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau
Leitsatz
Die Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau kann die Kameradschaftspflicht nach § 12 SG verletzen.
Gesetze: § 12 S 2 SG, § 12 S 3 SG, § 12 S 1 SG, § 1353 Abs 1 S 2 BGB, § 1353 Abs 2 BGB, § 17 S 1 StGB, § 17 S 2 StGB, § 58 Abs 1 Nr 2 WDO 2002, § 58 Abs 1 Nr 1 WDO 2002, Art 2 Abs 1 GG, Art 1 Abs 1 GG
Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 2 VL 21/23 Urteil
Tatbestand
1Das Verfahren betrifft die disziplinarische Ahndung der Beteiligung eines Soldaten am Ehebruch einer Kameradenehefrau.
21. Der ... geborene, kinderlose Soldat ist seit Anfang Juni 2022 geschieden. Er wurde 2007 Zeit- und 2021 Berufssoldat und ist seit 2019 Hauptfeldwebel. Er war in fünf Auslandseinsätzen und erhielt drei Leistungsprämien und drei förmliche Anerkennungen.
32. Der Soldat ist strafrechtlich unbescholten. Am wurde gegen ihn wegen einer ungewollten Schussabgabe im Auslandseinsatz eine Disziplinarbuße verhängt.
43. In dem im März 2023 eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren wurde der Soldat folgenden Verhaltens angeschuldigt:
"Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt im Mai 2022, an einem nicht genau zu ermittelnden Ort, kam es zwischen dem Soldaten und Frau A zu einem Kuss und im Zeitraum vom und führte der Soldat jedenfalls außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen mit Frau A eine sexuelle Beziehung, obwohl er wusste, dass die Zeugin A mit dem Stabsgefreiten B verheiratet ist und die Ehe weder im Mai 2022 noch im Juni 2022 gescheitert war, da mindestens der Stabsgefreite B an der Ehe festhielt."
54. Das Truppendienstgericht hat mit Urteil vom gegen den Soldaten ein 14-monatiges Beförderungsverbot nebst Kürzung der Dienstbezüge um ein Zwanzigstel für die Dauer von 6 Monaten verhängt.
6Der Soldat kenne Frau A aus seiner Teenager- und Lehrzeit. Die Eheleute A und B hätten 2014 geheiratet und ein fünfjähriges Kind. Seit 2017 gehörte der Stabsgefreite B zum selben Bataillon wie der Soldat. Danach sei das Verhältnis freundschaftlich geworden. Frau A habe sich mit dem Aufkommen von Eheproblemen dem Soldaten anvertraut, für ihn Gefühle entwickelt und sich entschlossen gezeigt, sich von ihrem Ehemann zu trennen. Der Soldat habe sie erst bestärkt, an der Ehe festzuhalten.
7Die intime Annäherung sei von beiden ausgegangen und habe sich mehrere Monate vor dem Tatzeitraum hingezogen. Im Mai 2022 habe der Soldat Frau A geküsst. Dies sei nach Aussage des Soldaten von ihm ausgegangen. Da ihm der Kuss als Fehler vorgekommen sei, habe er sich "eingebremst". Weitere Zärtlichkeiten hätten zunächst nicht stattgefunden. Am sei der Stabsgefreite B aus der Ehewohnung ausgezogen, nachdem ihm seine Ehefrau mitgeteilt habe, sie wolle sich scheiden lassen. Zwischen dem 17. und hätten der Soldat und Frau A außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen und außerhalb des Dienstes mindestens einmal miteinander Geschlechtsverkehr gehabt.
8Am Morgen des habe der Zeuge B vor seiner Ehewohnung das Auto des Soldaten gesichtet und ihn einige Stunden später in der Ehewohnung angetroffen. Nach Angaben des Zeugen B habe der Soldat dort verneint, mit Frau A geschlafen zu haben. In der Hauptverhandlung habe der Zeuge B glaubhaft geäußert, er sei aus der Wohnung nur ausgezogen, "um sich Luft zu verschaffen"; er habe an der Ehe festgehalten, bis ihm seine Ehefrau mitgeteilt habe, dass sie "fremdgegangen" sei. Die Ehe sei mittlerweile geschieden.
9Der Soldat habe erklärt, nicht gewusst zu haben, ein Dienstvergehen zu begehen. Auf Vorhalt habe er seine vorgerichtliche Aussage, dass es problematisch sei, etwas mit einer Frau anzufangen, die mit einem Kameraden verheiratet sei, klargestellt. Die Kammer sei zu seinen Gunsten davon ausgegangen, dass diese Äußerung nicht auch auf eine disziplinare Einordnung bezogen gewesen sei.
10Der Kuss sei disziplinarisch noch nicht relevant. Hingegen habe der Soldat durch den Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau des Stabsgefreiten B, der seine Ehe nicht in Frage gestellt und im selben Bataillon wie der Soldat Dienst geleistet habe, vorsätzlich gegen die Pflichten zur Kameradschaft und zum außerdienstlichen Wohlverhalten verstoßen.
11Zwar habe er sich in einem Verbotsirrtum befunden, weil er angenommen habe, dass sein Handeln nach der räumlichen Trennung der Eheleute A und B disziplinarisch irrelevant sei. Dieser Irrtum sei aber vermeidbar gewesen, weil er sein Rechtsverständnis nicht näher geprüft habe. Ihm hätten sich wegen seiner vorherigen Bedenken schon bezüglich des Kusses und der bei einem Portepeeunteroffizier vorauszusetzenden Kenntnis der Problematik des sog. "Einbruchs in die Kameradenehe", die den Soldaten in ihrer Rechtsausbildung zumindest in Ansätzen nahegebracht werde, Zweifel aufdrängen müssen.
12Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen sei ein Beförderungsverbot. Da es sich beim Soldaten nicht auswirke, sei es mit einer Kürzung der Dienstbezüge im untersten Bereich zu verbinden. Insoweit sei zum Nachteil des Soldaten zu berücksichtigen, dass er den Anlass für den Auszug seines Kameraden aus der Ehewohnung und dessen Scheidung gesetzt habe. Auch habe das Kameradschaftsverhältnis erheblich gelitten wie der Zeuge B in der Hauptverhandlung anschaulich geschildert habe. Ferner sei der Soldat als Hauptfeldwebel seiner Vorbildfunktion als Vorgesetzter nicht gerecht geworden. Negativ wirke zudem die nach dem Dienstvergehen gegen ihn verhängte Disziplinarbuße. Andererseits seien zu seinen Gunsten seine Einsicht und Reue, die überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen, der vermeidbare Verbotsirrtum sowie - wenngleich mit geringem Gewicht - der Umstand einzustellen, dass Frau A den Soldaten mit ihren Eheproblemen konfrontiert und ihm ihre Trennungsabsicht von ihrem Ehemann mitgeteilt habe, so dass er den Eindruck habe gewinnen können, dass die Ehe "am Ende war".
135. Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft hat eine unbeschränkte Berufung mit dem Ziel eines Freispruchs des Soldaten eingelegt. Dieser habe keine Dienstpflichten verletzt. Der Dienstherr habe mit der Allgemeinen Regelung A-2610/2 klargestellt, dass weniger in das Sexualleben der Soldaten eingegriffen werden solle. Jedenfalls habe der Soldat wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums schuldlos gehandelt.
146. Der Soldat hat sich der Auffassung der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft angeschlossen und hilfsweise eine Einstellung des Verfahrens unter Feststellung eines Dienstvergehens beantragt.
157. Hinsichtlich der Einzelheiten zur Person des Soldaten, zur Anschuldigung und zur Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf dieses verwiesen. Zu den im Berufungsverfahren eingeführten Dokumenten wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung Bezug genommen.
Gründe
16Die Berufung ist zulässig und teilweise begründet. Da die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft sie unbeschränkt und zu Gunsten des Soldaten eingelegt hat, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung aufgrund eigener Tat- und Schuldfeststellungen unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 331 Abs. 1 StPO) über die angemessene Disziplinarmaßnahme zu befinden (vgl. 2 WD 70.79 - juris Rn. 10). Danach ist eine Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um ein Zwanzigstel für die Dauer von 6 Monaten angemessen.
171. Der angeschuldigte Sachverhalt ist aufgrund der geständigen Einlassung des Soldaten, der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen B und der WhatsApp-Nachrichten der Eheleute A und B erwiesen. Danach steht insbesondere fest, dass der angeschuldigte Kuss im Mai 2022 und damit vor der räumlichen Trennung der Eheleute A und B und dass der einvernehmliche Geschlechtsverkehr kurz danach im Zeitraum vom 17. bis zum stattfand. Das Verhältnis bestand nach den Angaben des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung auch noch, nachdem ihn der Zeuge B am in der Wohnung der Eheleute A und B angetroffen hatte, dabei sehr aufgebracht war und durch die vom Soldaten verneinte Frage, ob er etwa mit seiner Ehefrau geschlafen habe, deutlich gemacht hatte, damit nicht einverstanden zu sein. Während seines am begonnenen Auslandseinsatzes hielt der Soldat erst noch Kontakt zu Frau A. Im Laufe des Einsatzes brach er den Kontakt ab.
18Der Senat ist davon überzeugt, dass der Zeuge B ungeachtet seines Auszugs aus der Ehewohnung an seiner Ehe festhielt, bis er von seiner Ehefrau erfuhr, dass sie mit dem Soldaten Geschlechtsverkehr hatte. Er hat erstinstanzlich ausgesagt, sein Gedanke beim Auszug aus der Ehewohnung sei gewesen, ihm und seiner Ehefrau "Luft zu verschaffen" und abzuwarten. Aus seiner Sicht sei die Ehe noch intakt gewesen und er habe an ihr festhalten wollen, weil die Ehe für ihn ein hohes Gut bedeute und man acht Jahre doch nicht einfach so wegwerfe. Für ihn sei die Ehe erst gescheitert gewesen, als er von seiner Ehefrau erfahren habe, dass sie "fremdgegangen" sei. Diese Aussage ist glaubhaft. Sie steht im Einklang mit den WhatsApp-Nachrichten des Zeugen B an seine Ehefrau.
192. Die Beteiligung am Ehebruch zu Lasten eines anderen Soldaten verstößt gegen die im Soldatengesetz vorgeschriebene Kameradschaftspflicht.
20a) § 12 Satz 2 SG verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Das schließt nach § 12 Satz 3 SG gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein. Die Kameradschaftspflicht ist eine "alte gute Überlieferung des Soldatentums" (vgl. die Begründung des Entwurfs des Soldatengesetzes, BT-Drs. 2/1700 S. 22 zu § 10 SG-E). Sie hat ein hohes Gewicht für die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte (vgl. 2 WD 6.23 - NZWehrr 2024, 327 Rn. 28). Denn der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht nach § 12 Satz 1 SG wesentlich auf Kameradschaft. Sie ist das Band, das in Not und Gefahr Halt verleiht. Die dienstlichen Aufgaben erfordern im Frieden und in noch höherem Maße im Verteidigungsfall gegenseitiges Vertrauen und das Bewusstsein, sich bedingungslos aufeinander verlassen zu können. Ein Soldat, der die Rechte, die Ehre oder die Würde eines Kameraden missachtet, untergräbt das gegenseitige Vertrauen und die Bereitschaft, füreinander einzustehen. Er beeinträchtigt damit den dienstlichen Zusammenhalt, stört den Dienstbetrieb und letztlich auch die Einsatzbereitschaft der Truppe (vgl. 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 <275>). Schutzgegenstand des § 12 SG ist das besondere Vertrauensverhältnis zwischen den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, das für den militärischen Zusammenhalt notwendig ist, unabhängig davon, ob zuvor ein konkretes soziales Näheverhältnis begründet worden ist ( 2 WD 6.23 - NZWehrr 2024, 327 Rn. 26 m. w. N.). Die Pflicht zur Kameradschaft kennt keine zeitliche und örtliche Beschränkung ( 2 WD 23.20 - BVerwGE 173, 352 Rn. 28 m. w. N.). Sie gilt innerhalb und außerhalb des Dienstes ( 2 WD 15.23 - NVwZ-RR 2024, 966 Rn. 33).
21b) Der Senat hat in seiner bisherigen Rechtsprechung in der Beteiligung am Ehebruch einer Kameradenehefrau regelmäßig eine Verletzung der Kameradschaftspflicht in Form einer Missachtung der Rechte des Kameraden gesehen (vgl. 2 WD 38.71 - BVerwGE 43, 293 <294>; vom - 2 WD 16.73 - BVerwGE 46, 146 <147>; vom - 2 WD 8.91 - NZWehrr 1991, 252 <253>; vom - 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 <272> und vom - 2 WD 43.01 - NJW 2002, 3722 <3722>). Soweit er teilweise zudem auf eine Missachtung der Ehre und Würde des Kameraden abgestellt hat, hält er daran seit seiner Entscheidung vom - 2 WD 43.01 - nicht mehr fest. Ausnahmen hat er angenommen, wenn sich alle Beteiligten über das Scheitern ihrer Ehen einig waren und ihrem jeweiligen Ehepartner die freie Entscheidung über sein weiteres Verhalten zubilligten (vgl. 2 WD 55.79 - BVerwGE 73, 15 LS 1) oder wenn das Verhältnis erst begann, nachdem der Kamerad eindeutig zum Ausdruck gebracht hatte, dass er seine Ehe als gescheitert betrachtet und an ihr nicht mehr festhalten will (vgl. 2 WD 8.91 - NZWehrr 1991, 252 LS b und vom - 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 LS 2).
22c) Diese Rechtsprechung hat in der Literatur überwiegend Zustimmung erfahren (vgl. Huth, Hände weg von der Kameradenehefrau, Wehrausbildung 1993, 340; Lingens, Das Eindringen in die eheähnliche Lebensgemeinschaft eines Kameraden, NZWehrr 2006, 244 ff.; Lutze, Der Kameradenehebruch als Dienstvergehen, NZWehrr 2000, 200 ff.; Lutze, Sexuelle Beziehungen und die Truppe, NZWehrr 2007, 192 ff.; Mayer, Ehebruch als Dienstvergehen?, JZ 2013, 350 ff.). Sie ist zum Teil aber auch auf Kritik gestoßen (vgl. Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, Soldatengesetz, 4. Aufl. 2021, § 12 Rn. 22; Metzger, Zum Einbruch in die Kameradenehe, UBWV 2021, 380 ff.; Schneider, Die disziplinare Ahndung des Einbruchs in die Kameradenehe, DÖV 2023, 276 ff.). Außerdem hat das Bundesministerium der Verteidigung in dem seit September 2023 geltendem Erlass der Allgemeinen Regelung A-2610-2 "Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr" zu erkennen gegeben, dass die disziplinarrechtliche Ahndung einer Beteiligung am Ehebruch zu Lasten eines Kameraden nur noch bei Hinzutreten besonderer Umstände erfolgen soll.
23d) Die neue Verwaltungsvorschrift und die im Schrifttum geäußerte Kritik rechtfertigen es nicht, die bisherige Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Das Recht auf eheliche Treue gehört nach wie vor zu den von § 12 Satz 2 SG geschützten Rechten verheirateter Soldatinnen und Soldaten (aa). Die Beteiligung am Ehebruch ist eine Missachtung dieses Rechts (bb). Sie führt weiterhin in den meisten Fällen zu erheblichen Spannungen zwischen den beteiligten Soldaten, die die militärische Zusammenarbeit ebenso massiv belasten kann wie die Missachtung anderer Kameradenrechte (cc). Die disziplinarrechtliche Ahndung ist deswegen auch in gleicher Weise grundsätzlich verfassungsmäßig. In bestimmten Fällen ist aber aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer disziplinarrechtlichen Ahndung abzusehen (dd) oder bei Fehlen eines räumlich-dienstlichen Näheverhältnisses nur eine einfache Disziplinarmaßnahme zu verhängen (4.a).
24aa) Das in § 12 Satz 2 SG enthaltene Gebot, die Rechte anderer Soldaten zu achten, gilt grundsätzlich für alle subjektiven Rechte der Kameraden. Dazu zählen neben materiellen Rechten wie dem Eigentumsrecht (vgl. 2 WDB 8.22 - juris Rn. 24) auch immaterielle Rechte. Dazu zählen höchstpersönliche Rechtsgüter (vgl. BT-Drs. 2/1700 S. 22 zu § 10 SG-E) wie das Recht auf Achtung der Familie (vgl. 2 WD 15.23 - NVwZ-RR 2024, 966 Rn. 33 zum Missbrauch eines Kameradenkindes), das allgemeine Persönlichkeitsrecht (vgl. 2 WD 23.20 - BVerwGE 173, 352 Rn. 28 zum unbefugten Verbreiten des Bildnisses eines Kameraden) und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung (vgl. 2 WD 2.21 - juris Rn. 36 zum sexuellen Übergriff auf eine Kameradin). Ein Verhalten, das zwar das Anstandsgefühl anderer Soldaten verletzt, aber keine Rechtspositionen beeinträchtigt, wird von § 12 Satz 2 SG nicht untersagt. Denn der Gesetzgeber wollte nicht ein ethisches Maximum an Kameradschaft - besondere Hilfsbereitschaft, Teamgeist etc. - einfordern, sondern nur ein rechtliches Minimum an Kameradschaft im Sinne des Respekts vor fremden Rechtsgütern und des Beistands in Not und Gefahr vorschreiben (BT-Drs. 2/2140 S. 7; Metzger, in: Eichen/Metzger/Sohm, SG, 4. Aufl. 2021, § 12 Rn. 2 m. w. N.).
25Das Recht auf eheliche Treue ist jedoch nicht lediglich eine moralische Forderung, sondern gehört zu den mit dem Rechtsinstitut der bürgerlichen Ehe verbundenen Rechten und Pflichten. Auch wenn die Strafbarkeit des Ehebruchs durch das Erste Strafrechtsreformgesetz vom (BGBl S. 645) abgeschafft worden ist, hat die zivilrechtliche Leitvorstellung vom wechselseitigen Anspruch auf eheliche Treue weiterhin Bestand. Sie ist auch mit dem Ersten Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom (BGBl. I S. 1421) nicht aufgegeben worden. Das Recht auf eheliche Treue leitet sich seither aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ab. Danach sind Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Dies ist keine bloße Obliegenheit, sondern eine Rechtspflicht (vgl. IVb ZR 83/86 - NJW 1988, 2032 <2033> m. w. N. und vom - 3 StR 153/03 - NJW 2003, 3212 <3214>). Das gilt nunmehr nach § 1353 Abs. 1 Satz 1 BGB unterschiedslos für Ehepaare verschiedenen und gleichen Geschlechts.
26Denn der Gesetzgeber hat die gegenseitige eheliche Treuepflicht als ein Wesensmerkmal der ehelichen Lebensgemeinschaft angesehen, das sich aus dem in unserem Kulturkreis allgemein anerkannten Ehebild ergibt (vgl. BT-Drs. 7/4361 S. 7). Allerdings hat er von einer Hervorhebung einzelner Elemente der ehelichen Lebensgemeinschaft im Gesetzestext bewusst abgesehen, damit zeitbezogene Gesichtspunkte nicht eine die gesellschaftliche Entwicklung einbeziehende Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung behindern (vgl. BT-Drs. 7/4361 S. 7).
27Auch wenn sich in den rund 50 Jahren seit Erlass des Ersten Ehe- und Familienrechtsreformgesetzes die gesellschaftlichen Verhältnisse stark verändert haben und insbesondere eine erhebliche Liberalisierung der Sexualmoral zu verzeichnen ist, kann von einem grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in Bezug auf das Leitbild der ehelichen Treue nicht gesprochen werden. Es gibt zwar viele Paare, die bewusst keine lebenslange Bindung im Sinne des § 1353 Abs. 1 BGB eingehen und nichtehelich zusammenleben. Es gibt aber keine gesellschaftliche Entwicklung dahingehend, dass Paare, die eine Ehe schließen, überwiegend wechselseitig auf eheliche Treue verzichten oder dass die Gesellschaft insgesamt das Rechtsinstitut der bürgerlichen Ehe nicht mehr mit dem Prinzip der wechselseitigen Treue in Verbindung bringt. Daher wird die eheliche Treuepflicht in der Ausprägung, während der Ehe keinen Geschlechtsverkehr mit anderen Personen als dem jeweiligen Ehepartner zu haben, in der Rechtswissenschaft weiterhin als ein Wesensmerkmal der ehelichen Lebensgemeinschaft begriffen (siehe Breuers, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand Januar 2025, § 1353 Rn. 13; Kroll-Ludwigs, in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1353 Rn. 1; Voppel, in: Staudinger, BGB, 2024, § 1353 Rn. 31 m. w. N.). Soweit in der Literatur angenommen wird, dass sich die Ehegatten einvernehmlich von der Pflicht zur ehelichen Treue entbinden und eine "offene Ehe" führen können (vgl. Voppel, in: Staudinger, BGB, 2024 § 1353 Rn. 31 m. w. N.), bestätigt die Anerkennung dieses Ausnahmetatbestandes nur die Regel, dass das Rechtsinstitut der bürgerlichen Ehe grundsätzlich - wie hier - mit der Rechtspflicht zur gegenseitigen Treue verbunden ist.
28Das gesetzliche Recht auf eheliche Treue wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs nicht möglich ist und dass § 120 Abs. 3 FamFG die Verpflichtung zur Herstellung des ehelichen Lebens von der Vollstreckung ausschließt. Denn die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung von Rechten und ihre Vollstreckbarkeit sind von dem Recht als solchem zu unterscheiden und eine Sanktionsbewehrung ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Rechts (vgl. Voppel, in: Staudinger, BGB, 2024, § 1353 Rn. 19 m. w. N.). Dementsprechend ist es für die Existenz des Rechts auch bedeutungslos, dass bei Verletzung der ehelichen Treuepflichten deliktische Schadensersatzansprüche wegen des Vorrangs der eherechtlichen Vorschriften regelmäßig ausscheiden (vgl. - NJW 1972, 199 <199 ff.>; siehe auch BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 412/11 - NJW 2013, 2108 Rn. 15 und vom - XII ZB 45/13 - NJW 2014, 1243 Rn. 10) und dass nur bei Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 823 Abs. 1, § 1004 BGB i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG bestehen, die sich auch gegen Dritte richten können (dazu - NJW 2014, 1243 Rn. 9 m. w. N.).
29Ebenso wenig wird die Verbindlichkeit der aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB resultierenden ehelichen Pflichten dadurch geschmälert oder aufgehoben, dass seit dem 1. EheRG der Funktionszusammenhang zwischen ehewidrigem Verhalten und den Scheidungstatbeständen weitgehend aufgehoben worden ist (vgl. Voppel, in: Staudinger, BGB, 2024, § 1353 Rn. 20 m. w. N.) und dass der Ehebruch nur bei Hinzutreten besonderer Umstände, nach § 1579 Nr. 7 BGB zum Ausschluss oder zur Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs geschiedener Ehegatten führt ( - NJW 2012, 1443 Rn. 21 ff.). Dass das Ideal gegenseitiger ehelicher Treue im Rechtsalltag nicht durchgehend gelebt wird, ändert an der normativen Verbindlichkeit ebenfalls nichts (vgl. - FamRZ 1999, 1136 <1137>).
30bb) Die Beteiligung am Ehebruch ist auch eine Missachtung des Rechts eines verheirateten Kameraden auf eheliche Treue. § 12 Satz 2 SG verlangt nicht, dass die zu achtenden Rechte gerade gegenüber dem bzw. der sie Missachtenden bestehen müssen. Eine solche Einschränkung ist dem Gesetzeswortlaut nicht zu entnehmen. Vielmehr spricht der weit formulierte § 12 Satz 3 SG, wonach die Pflicht nach § 12 Satz 2 SG gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen einschließt, dafür, dass § 12 Satz 2 SG auch solche Rechte erfasst, welche die betroffene Kameradin oder der betroffene Kamerad gegenüber Dritten hat. Eine Missachtung von Kameradenrechten liegt dementsprechend auch dann vor, wenn ein Soldat sich an der Pflichtverletzung Dritter beteiligt und damit ein Recht seines Kameraden beeinträchtigt. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des § 12 SG, weil eine Beteiligung an der Rechtsverletzung Dritter in gleicher Weise wie eine eigene Rechtsverletzung den Zusammenhalt in der Bundeswehr gefährdet und weil ein solches Verhalten nicht nur den ethischen Gehalt, sondern den rechtlichen Kern der Kameradschaftspflicht betrifft (vgl. BT-Drs. 2/ 2140 S. 7 zu § 10 SG-E).
31cc) Die Beteiligung am Ehebruch hat in gleicher Weise wie die Missachtung anderer Kameradenrechte regelmäßig negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Insbesondere wenn der verheiratete Soldat und sein Kamerad in derselben Einheit oder im selben Bataillon eingesetzt sind, sind angesichts des zerstörten Vertrauensverhältnisses Konflikte im Dienst zu erwarten. Nichts Anderes gilt, wenn eine Soldatin mit dem Mann einer Kameradin Ehebruch begeht. Kaum ein anderes Verhalten zum Nachteil einer Kameradin oder eines Kameraden ist stärker geeignet, Spannungen, Unruhe und Misstrauen nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern in der Truppe allgemein auszulösen und damit den Zusammenhalt untereinander zu stören ( 2 WD 50.81 - juris Rn. 31; vom - 2 WD 8.91 - NZWehrr 1991, 252 <253> und vom - 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 <272 f.>). Darum ist es für den Zusammenhalt der Truppe und den geordneten Dienstbetrieb wesentlich, dass verheiratete Soldatinnen und Soldaten sich insbesondere mit Blick auf ihre oft unvermeidlichen häufigen dienstlich bedingten Abwesenheiten - Dienst als Offizier vom Wachdienst, Teilnahme an Übungen, Lehrgängen, Manövern oder Einsätzen - darauf verlassen können, dass ihre Ehe von ihren Kameradinnen und Kameraden respektiert wird ( 2 WD 50.81 - juris Rn. 31; vom - 2 WD 8.91 - NZWehrr 1991, 252 <253> und vom - 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269 <272 f.>). Aus diesen Gründen wird auch in anderen Ländern - etwa in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika - die Beteiligung am Ehebruch disziplinarrechtlich geahndet (vgl. Mayer, JZ 2013, S. 350 f. m. w. N.).
32dd) Die disziplinarrechtliche Ahndung ehestörenden Verhaltens ist auch verfassungsmäßig. Sie führt zu keiner unverhältnismäßigen Beschränkung des Grundrechts auf sexuelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ( - BVerfGE 128, 109 <124>). Dieses Recht ist nicht vorbehaltlos gewährleistet. Der Einzelne muss, soweit nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird, staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit oder im Hinblick auf grundrechtlich geschützte Interessen Dritter unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots ergriffen werden (vgl. - BVerfGE 120, 224 <239>; Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1864/14 - NJW 2016, 1229 Rn. 12).
33Die Beteiligung eines Soldaten oder einer Soldatin am Ehebruch ist nicht dem unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen. Denn sie betrifft nicht ausschließlich diese beiden Personen, sondern ist geeignet, in die Kameradenehe, Kameradenfamilie und Kameradengemeinschaft hineinzuwirken ( - BVerfGE 120, 224 <239>).
34Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird durch eine Androhung disziplinarer Schritte bei der Missachtung ehelicher Rechte anderer Soldaten nicht verletzt. Der Gesetzgeber verfolgt mit der gesetzlichen Verankerung der Kameradschaftspflicht das legitime Gemeinwohlziel, den Zusammenhalt innerhalb der Streitkräfte zu schützen und dadurch die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu stärken. Indem er mit § 12 Satz 2 SG den Respekt vor den persönlichen Rechten anderer Soldaten zur Dienstpflicht erhebt, wird deren schuldhafte Missachtung zu einem Dienstvergehen (§ 23 Abs. 1 SG), das mit einfachen oder gerichtlichen Disziplinarmaßnahmen nach der Wehrdisziplinarordnung geahndet werden kann. Die damit verbundene Androhung von dienstrechtlichen Sanktionen für den Fall der Missachtung persönlicher Rechte anderer Soldaten ist auch grundsätzlich geeignet, der Gefahr des Entstehens von Konflikten zwischen den Soldatinnen und Soldaten vorzubeugen und damit einen präventiven Beitrag zur Stärkung des Zusammenhalts in der Bundeswehr zu leisten. Die Maßnahme ist auch erforderlich. Ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich. Zwar kann der Dienstherr beim Auftreten von Konflikten infolge von Ehestörungen die Beteiligten durch Kommandierungen oder Versetzungen trennen. Diese Maßnahmen zielen aber eher auf eine Beseitigung von Normverletzungen und deren Folgen im konkreten Fall; dem kommt in der Regel keine vergleichbare generalpräventive und normstabilisierende Wirkung zu (vgl. - BVerfGE 120, 224 <252>). Schließlich stellt die Androhung disziplinarer Schritte eine angemessene Maßnahme dar. Sie führt zu keiner unzumutbaren Beschränkung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung. Denn damit wird nicht ein grundrechtlich gerechtfertigtes privates Verhalten speziell für Soldatinnen und Soldaten untersagt. Vielmehr ist dieses Grundrecht bereits durch die zivilrechtliche Regelung des § 1353 Abs. 1 BGB im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG zum Schutz der Rechte Anderer eingeschränkt worden. Da das Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft den Grundsatz der ehelichen Treue umfasst, wird der Ehebruch zum Schutz des Grundrechts auf Ehe aus Art. 6 Abs. 1 GG von der Rechtsordnung missbilligt. Infolgedessen bewirkt § 12 Satz 2 SG lediglich, dass ein generell rechtlich missbilligtes Verhalten aufgrund der damit verbundenen nachteiligen Auswirkungen auf den militärischen Dienstbetrieb mit einer außerhalb der Bundeswehr unüblichen Sanktion bedroht wird. Auch wenn mit der Androhung disziplinarrechtlicher Maßnahmen die durch die eherechtlichen Normen bewirkte Beschränkung des Grundrechts auf sexuelle Selbstbestimmung verstärkt wird, erweist sich bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter als verhältnismäßig im engeren Sinne. Denn die dienstrechtliche Sanktionsandrohung betrifft nur ein rechtlich missbilligtes sexuelles Verhalten in Bezug auf einen überschaubaren Personenkreis. Da die Missachtung ehelicher Rechte von Kameraden - wie ausgeführt - ein hohes Konfliktpotential in sich birgt, besteht hingegen ein überwiegendes öffentliches Interesse daran, den negativen Auswirkungen privater Konflikte auf den militärischen Dienstbetrieb durch Androhung disziplinarer Schritte vorzubeugen. Sie bewirkt im Übrigen, dass die Rechte der betreffenden Soldatinnen und Soldaten umgekehrt in derselben Weise vor Missachtungen durch Kameradinnen und Kameraden geschützt werden.
35Die Androhung und Verhängung disziplinarrechtlicher Maßnahmen ist nur in den Fällen unverhältnismäßig, in denen keine negativen Auswirkungen auf den Zusammenhalt der Bundeswehr drohen. Deshalb hat sie zu unterbleiben, wenn die Beteiligten sich zum Zeitpunkt des ehewidrigen Verhaltens über das Scheitern ihrer Ehe einig waren und an ihr nicht mehr festhielten ( 2 WD 55.79 - BVerwGE 73, 15; vom - 2 WD 8.91 - NZWehrr 1991, 252 und vom - 2 WD 14.92 - BVerwGE 93, 269). Das Gleiche gilt, wenn sich die Eheleute von vornherein auf eine "offene Ehe" verständigt haben und deswegen zum Tatzeitpunkt negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb nicht zu befürchten sind.
363. Nach diesen Maßstäben hat der Soldat mit der Beteiligung am Ehebruch zum Nachteil des Stabsgefreiten B ein Dienstvergehen begangen.
37a) Er hat vorsätzlich seine Kameradschaftspflicht aus § 12 Satz 2 SG verletzt. Dass der angeschuldigte Geschlechtsverkehr wie der angeschuldigte Kuss außerhalb dienstlicher Anlagen und außerhalb des Dienstes stattfanden, ändert an der Kameradschaftspflichtverletzung nichts. Denn die Pflicht zur Kameradschaft kennt keine örtliche und zeitliche Beschränkung und gilt innerhalb wie außerhalb des Dienstes ( 2 WD 23.20 - BVerwGE 173, 352 Rn. 28 und vom - 2 WD 15.23 - NVwZ-RR 2024, 966 Rn. 33). Allerdings fällt der angeschuldigte Kuss angesichts des nachfolgenden Ehebruchs als ehewidriges Verhalten nicht mehr disziplinarrechtlich ins Gewicht.
38aa) Der Soldat hat durch den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit Frau A das Recht seines Kameraden B auf eheliche Treue missachtet. Denn zwischen den Eheleuten A und B bestand zur Tatzeit noch eine eheliche Lebensgemeinschaft. Die Verpflichtungen aus § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB entfallen grundsätzlich erst, wenn die Ehe im Sinne des § 1353 Abs. 2 BGB "gescheitert" ist. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus den einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen (vgl. 2 WD 43.01 - NJW 2002, 3722 <3722>). Nach § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht mehr erwartet werden kann, dass diese sie wiederherstellen. Diese Voraussetzungen waren zur Tatzeit offensichtlich nicht erfüllt. Die gesetzlichen Zerrüttungsvermutungen lagen nicht vor. Die Ehegatten A und B lebten nicht seit drei Jahren getrennt (§ 1566 Abs. 2 BGB). Da auch keine zumindest einjährige Trennung vorlag und der Zeuge B noch an der Ehe festhielt, greift auch § 1566 Abs. 1 BGB nicht ein.
39bb) Der Soldat handelte vorsätzlich. Sein Vorsatz entfiel nicht dadurch, dass er annahm, mit seinem Verhalten nach der räumlichen Trennung des Ehepaares A und B keine Rechtspflichten zu verletzen. Unterliegt ein Soldat bei der Verletzung von Dienstpflichten einem Irrtum, kann ein zum Ausschluss des Vorsatzes führender Tatbestandsirrtum (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB) oder ein Verbotsirrtum (vgl. § 17 Satz 1 StGB) vorliegen, bei dem zwar nicht der Vorsatz, aber im Fall der Unvermeidbarkeit die Schuld entfällt (vgl. 2 WD 15.10 - juris). Im vorliegenden Fall irrte der Soldat über die Rechtslage. Denn er ging nach eigenen Angaben davon aus, dass die eheliche Treuepflicht bereits mit der räumlichen Trennung der Eheleute endet. Nach dem Auszug des Stabsgefreiten B aus der Ehewohnung habe er nicht das Bewusstsein gehabt, etwas rechtlich Unerlaubtes zu tun und die ehelichen Rechte seines Kameraden zu missachten. Danach war die fehlerhafte Bewertung der Grenzen der Kameradschaftspflicht durch den Soldaten ein Verbotsirrtum. Ihm fehlte die Unrechtseinsicht, weil er nach seiner glaubhaften Aussage nicht mit der Möglichkeit rechnete, Unrecht zu tun (vgl. - juris Rn. 13 m. w. N.). Das Bewusstsein moralischer Verwerflichkeit oder Sozialwidrigkeit genügt für ein Unrechtsbewusstsein nicht (vgl. Fischer, StGB, 72. Aufl. 2025, § 17 Rn. 3 m. w. N.).
40cc) Da der Verbotsirrtum vermeidbar war, handelte der Soldat auch schuldhaft (vgl. § 17 Satz 1 StGB).
41Ob ein Verbotsirrtum vermeidbar oder unvermeidbar war, bestimmt sich nach der vom Soldaten nach seiner Amtsstellung und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zu fordernden Sorgfalt unter Berücksichtigung ihm zugänglicher Informationsmöglichkeiten (vgl. 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 22).
42Der Soldat war zur Tatzeit als Hauptfeldwebel ein Unteroffizier mit Portepee. Er war bereits seit rund 15 Jahren bei der Bundeswehr und hatte Rechtsunterricht erhalten. Ihm war die grundsätzliche Problematik des sogenannten "Einbruchs in die Kameradenehe" bekannt. Dies zeigt sich daran, dass er nach eigenen Angaben bereits den vor der räumlichen Trennung der Eheleute A und B erfolgten Kuss mit Frau A als problematisch ansah. Bei gewissenhafter Prüfung der Rechtslage unter gehöriger Anspannung seiner geistigen Erkenntniskräfte (vgl. - BGHSt 45, 148 <155> m. w. N.) hätte er daher erkennen können und müssen, dass die Pflicht eines Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft (nach § 1353 Abs. 2 BGB) grundsätzlich erst mit dem Scheitern der Ehe und nicht schon wenige Tage nach der Trennung endet und dass sein Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau kurz nach dem Auszug des Kameraden in der Ehewohnung dessen eheliche Rechte missachtet und darum die Kameradschaftspflicht aus § 12 Satz 2 SG verletzt. Er hätte dazu auch ohne Weiteres innerhalb wie außerhalb der Bundeswehr Rechtsrat einholen können. Eine Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums folgte auch nicht aus der Allgemeinen Regelung A-2610/2, weil diese erst im September 2023 in Kraft trat und damit zur Tatzeit noch nicht galt. Vielmehr heißt es im Abschnitt 1.46 ("Umgang mit Sexualität in der Bundeswehr") der zur Tatzeit geltenden Zentralen Dienstvorschrift A-2160/6 ("Wehrdisziplinarordnung und Wehrbeschwerdeordnung") in Ziffer 1456, dass der Umgang mit Sexualität für das Dienstverhältnis von Bedeutung ist, wenn dadurch der Dienstbetrieb gestört wird, der kameradschaftliche Zusammenhalt beeinträchtigt wird oder es in sonstiger Weise zu einer nachhaltigen Störung der dienstlichen Ordnung kommt.
43b) Ob der Soldat zudem die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht (§ 17 Abs. 2 Satz 3 SG) verletzt hat, bedarf keiner Entscheidung, weil dies das Gewicht des Dienstvergehens nicht in bemessungsrelevanter Weise erhöhen würde.
44c) Ein Verstoß gegen die Fürsorgepflicht (§ 10 Abs. 3 SG), dem zusätzliche disziplinarische Relevanz zukäme, liegt nicht vor. Denn es bestand zur Tatzeit kein "Verhältnis der besonderen militärischen Unterordnung" des Kameraden B zum Soldaten, aus dem sich eine besondere Schutzbedürftigkeit und eine besondere Fürsorgepflicht diesem gegenüber abgeleitet hätte (vgl. 2 WD 18.15 - juris Rn. 67).
454. Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist von der von Verfassungs wegen allein zulässigen Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts auszugehen, dazu beizutragen, einen ordnungsgemäßen Dienstbetrieb wiederherzustellen und/oder aufrechtzuerhalten ("Wiederherstellung und Sicherung der Integrität, des Ansehens und der Disziplin der Bundeswehr", vgl. 2 WD 21.20 - BVerwGE 173, 29 Rn. 19 m. w. N.). Bei Art und Maß der zu verhängenden Disziplinarmaßnahme sind nach § 58 Abs. 7 i. V. m. § 38 Abs. 1 WDO die Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen. Dabei legt der Senat ein zweistufiges Prüfungsschema zugrunde, das zur Kürzung der Dienstbezüge des Soldaten um ein Zwanzigstel für die Dauer von 6 Monaten führt.
46a) Auf der ersten Stufe bestimmt er zwecks Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle und im Interesse der Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die betreffende Fallgruppe als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Nach der bisherigen Senatsrechtsprechung ist dies bei einer Beteiligung am Bruch einer Kameradenehe ein Beförderungsverbot (vgl. 2 WD 50.81 - juris LS und vom - 2 WD 43.01 - NJW 2002, 3722 <3723>). Daran hält der Senat fest, soweit zwischen den jeweiligen Kameradinnen bzw. Kameraden zur Tatzeit eine räumlich-dienstliche Nähe bestand. Denn in diesen Fällen drohen durch das Dienstvergehen infolge des regelmäßig gestörten Kameradschaftsverhältnisses im Regelfall konkrete nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. Fehlt es hingegen zur Tatzeit an einer räumlich-dienstlichen Nähe, ist regelmäßig nur eine einfache Disziplinarmaßnahme angezeigt. Denn in solchen Fällen besteht nur die abstrakte Gefahr, dass es bei Versetzungen, Kommandierungen, Lehrgängen, gemeinsamen Einsätzen oder sonstigen Zusammentreffen der jeweiligen Kameradinnen bzw. Kameraden zu Beeinträchtigungen des Dienstbetriebs kommt. Hier bestand zwischen dem Soldaten und dem Kameraden B zur Tatzeit eine räumlich-dienstliche Nähe, weil sie demselben Bataillon angehörten. Dementsprechend ist Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen ein Beförderungsverbot.
47b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im Einzelfall im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die ein Abweichen von der Regelmaßnahme gebieten. Danach ist ein Übergang zu einer Kürzung der Dienstbezüge geboten, die im untersten Bereich anzusiedeln ist.
48aa) Der Übergang vom Beförderungsverbot (§ 58 Abs. 1 Nr. 2 WDO) zur nächstmilderen Maßnahmeart der Kürzung der Dienstbezüge (§ 58 Abs. 1 Nr. 1 WDO) ist wegen des Verbotsirrtums des Soldaten angezeigt. Entsprechend § 17 Satz 2 StGB kann bei einem vermeidbaren Verbotsirrtum die Disziplinarmaßnahme gemildert werden. Von dem insoweit eröffneten Ermessen macht der Senat hier Gebrauch. Denn die Schuld eines Täters, der im vermeidbaren Verbotsirrtum handelt, ist in der Regel geringer als desjenigen, welcher in vollem Unrechtsbewusstsein handelt (vgl. Schaefer in Leipold/Tsambikakis/Zöller, Anwaltkommentar StGB, 3. Aufl. 2020, § 17 StGB Rn. 18 m. w. N.). Ein Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere beruhte der Verbotsirrtum des Soldaten nicht auf Rechtsblindheit (dazu 2 WD 26.11 - NZWehrr 2014, 32 <35>).
49bb) Innerhalb der durch § 59 Satz 1 WDO eröffneten Spannbreite einer Kürzung der Dienstbezüge sind im vorliegenden Fall die geringstmögliche Dauer (6 Monate) und das unterste Kürzungsmaß (ein Zwanzigstel) angemessen.
50Zwar ist Ausgangspunkt der obere Rand des für diese Maßnahmeart gesetzlich Zulässigen, weil nur der auf der zweiten Bemessungsstufe vorliegende Milderungsgrund des vermeidbaren Verbotsirrtums dazu führt, von der Regelmaßnahme abzuweichen (vgl. 2 WD 18.20 - juris Rn. 27 m. w. N.).
51Jedoch rechtfertigen die sehr guten dienstlichen Leistungen des Soldaten eine Bezügekürzung am untersten Rand. Er ist ein doppelter Laufbahnaufsteiger und dienstlich sehr engagiert. Seine dienstlichen Leistungen bewegen sich konstant im oberen Drittel. Dies folgt aus seinen Beurteilungen zum sowie vom /, den Stellungnahmen von Hauptmann C vom und von Hauptmann D vom , dem Sonderbeurteilungsbeitrag für die Zeit vom bis zum , der erstinstanzlichen Aussage von Hauptmann E, seiner ergänzenden Stellungnahme vom und der Aussage des aktuellen Disziplinarvorgesetzten Hauptmann F in der Berufungshauptverhandlung. Zudem hat der Soldat drei Leistungsprämien und drei förmliche Anerkennungen erhalten und war in fünf Auslandseinsätzen.
52Eine zu einem weiteren Maßnahmesprung führende Nachbewährung ist ihm allerdings nicht zuzubilligen, weil er sich nach dem Dienstvergehen nicht in jeder Hinsicht beanstandungsfrei geführt hat (vgl. 2 WD 10.12 - juris Rn. 48). Denn gegen ihn ist unmittelbar an das Dienstvergehen anschließend eine Disziplinarbuße verhängt worden.
53cc) Eine weitere Milderung der Disziplinarmaßnahme ist nicht veranlasst. Denn die übrigen den Soldaten be- und entlastenden Umstände wiegen in etwa gleich. Einerseits hatte er zur Tatzeit als Hauptfeldwebel kraft Dienstgrades eine Vorgesetztenstellung (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 und 2 SG i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 VorgV). Wer in dieser Stellung eine Pflichtverletzung begeht, gibt ein schlechtes Vorbild ab, was das Gewicht seines Dienstvergehens auch bei einem außerdienstlichen Fehlverhalten erhöht (vgl. 2 WD 10.19 - NVwZ-RR 2020, 983 27 m. w. N.). Zudem hatte das Dienstvergehen konkrete - wenngleich überschaubare - nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb. So stellte der Zeuge B einen Antrag bei seinem Gruppenführer, dass er nicht mehr in den Bereich des Stabes gehen müsse, um ein Aufeinandertreffen mit dem Soldaten zu vermeiden. Auch hat er ausgesagt, dass er im Fall einer gemeinsamen Verlegung nach Litauen Abstand zum Soldaten halten würde. Andererseits sprechen für den Soldaten seine durchweg an den Tag gelegte Geständigkeit sowie die Reue und Einsicht, die er auch in der Berufungshauptverhandlung glaubhaft zum Ausdruck gebracht hat. Das Verfahren war ferner nicht überlang.
545. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Kosten des Berufungsverfahrens auf § 139 Abs. 3 und § 140 Abs. 5 Satz 1 WDO. Es wäre unbillig, den Soldaten, der selbst keine Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt hat, insoweit mit Kosten zu belasten. Hinsichtlich der Kosten für das erstinstanzliche Verfahren folgt die Kostenentscheidung aus § 138 Abs. 1 Satz 1, § 140 Abs. 2 Satz 1 WDO. Es wäre unbillig, die entsprechende Kostenquote im erstinstanzlichen Urteil zum Nachteil des Soldaten abzuändern, weil er das Berufungsverfahren selbst nicht führen wollte.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2025:220125U2WD14.24.0
Fundstelle(n):
FAAAJ-93955