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BGH Urteil v. - VIa ZR 1055/22

Instanzenzug: Az: 3 U 6859/20vorgehend LG Deggendorf Az: 23 O 344/20

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im September 2017 von einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten Gebrauchtwagen des Typs (Schadstoffklasse Euro 6) ausgestattet ist.

2Der Kläger begehrt im Wesentlichen im Wege des Schadensersatzes die Rückabwicklung des Kaufvertrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers, mit welcher er zuletzt von der Beklagten die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des klägerischen Fahrzeugs (Berufungsantrag 2a), die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz für weitere Schäden (Berufungsantrag 2b mit einem Hilfsantrag) und des Annahmeverzugs (Berufungsantrag 2c) und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Berufungsantrag 3) beantragt hat, zurückgewiesen. Mit der vom Senat insoweit zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge 2a, 2c und 3 weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

4Das Berufungsgericht, das einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat, hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB bestehe nicht. Mit Ausnahme der Implementierung eines "Thermofensters" seien bereits keine greifbaren Anhaltspunkte für den Einsatz von Abschalteinrichtungen in dem klägerischen Fahrzeug dargetan. Insbesondere unterliege das Fahrzeug keinem Rückruf. Hinsichtlich des "Thermofensters" fehle es an dem für die Annahme einer Sittenwidrigkeit erforderlichen Bewusstsein, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

82. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nicht erwogen hat. Wie der Senat nach Erlass des angegriffenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl.  VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

9Das Berufungsgericht hat daher zwar zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung sogenannten "großen" Schadensersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch unberücksichtigt gelassen, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

10Das angefochtene Urteil ist demnach im tenorierten Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird der Kläger Gelegenheit haben, einen Differenzschaden darzulegen. Das Berufungsgericht wird sodann nach den näheren Maßgaben des Urteils des Senats vom (VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245) die erforderlichen Feststellungen zu der - hinsichtlich des Thermofensters bislang lediglich unterstellten - Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung sowie gegebenenfalls zu den weiteren Voraussetzungen und zum Umfang einer Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu treffen haben.

C. Fischer                          Möhring                          Messing

                   F. Schmidt                         Pastohr

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:140525UVIAZR1055.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-92912