Instanzenzug: Az: 110 KLs 2/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Nötigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80 Euro verurteilt. Seine hiergegen gerichtete, auf die Höhe des Tagessatzes beschränkte, Revision, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, hat Erfolg.
21. Das Rechtsmittel ist wirksam auf die Bemessung der Tagessatzhöhe beschränkt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 319/76, BGHSt 27, 70, 73, und vom – 1 StR 147/17, StraFo 2017, 338). Ein Ausnahmefall, bei dem sich die Zumessungsakte zur Anzahl des Tagessatzes und dessen Höhe überschneiden, liegt nicht vor.
32. Die Revision ist auch begründet.
4a) Die Strafkammer hat die von ihr festgesetzte Tagessatzhöhe von 80 Euro auf folgende Feststellungen gegründet:
5Der vielfach vorbestrafte, gelegentlich Crack konsumierende und wiederholt inhaftierte Angeklagte wurde zuletzt am aus der Strafhaft entlassen. Die der hiesigen Verurteilung zugrundeliegende Hauptverhandlung begann am darauf folgenden Tag. Dort erklärte er, er habe 1997 eine Umschulung zum Konstruktionsmechaniker absolviert und sich anschließend im Bereich der Schweißtechnik fortgebildet. In der Folgezeit habe er ein Kleingewerbe für Schweißarbeiten betrieben, welches er 2022 aufgegeben habe. Seitdem gehe er keiner geregelten Tätigkeit mehr nach, verrichte jedoch Gelegenheitsarbeiten im Bereich der Schweißtechnik und könne auch nach seiner jetzigen Haftentlassung in diesem Bereich weiterarbeiten. Sein monatliches mit dieser Tätigkeit zu erwirtschaftendes Einkommen betrage „ca. 2.500 EUR“. Unterhaltsverpflichtungen bestünden keine.
6b) Diese von der Strafkammer als glaubhaft gewerteten Angaben rechtfertigen die Festsetzung einer Tagessatzhöhe von 80 Euro nicht.
7aa) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt sich unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters (§ 40 Abs. 2 Satz 1 StGB). Dabei ist grundsätzlich vom Nettoeinkommen auszugehen, das der Täter an einem Tag hat oder haben könnte (§ 40 Abs. 2 Satz 2 StGB). Nicht zum Nettoeinkommen gehören die laufenden Steuern, bei Unselbständigen die Sozialversicherungsbeiträge, bei Selbständigen die Betriebsausgaben, die Verluste, die Werbungskosten, ferner Kranken- und Altersversicherung sowie weitere Versicherungsleistungen, die der Sozialversicherung der Unselbständigen vergleichbar sind (vgl. Fischer/Lutz in Fischer, StGB, 72. Aufl., § 40 Rn. 13; LK-StGB/Werner, 14. Aufl., § 40 Rn. 27a, jeweils mwN). Jedoch erschöpft sich die Festlegung der Tagessatzhöhe nicht in einer mechanischen Berechnung. Vielmehr handelt es sich um einen wertenden Akt richterlicher Strafzumessung, der dem Tatrichter Ermessensspielräume hinsichtlich der berücksichtigungsfähigen Faktoren belässt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 147/17, BGHR StGB § 40 Abs. 2 Satz 1 Einkommen 6 Rn. 7, und vom – 1 StR 242/20, Rn. 5). Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der tatgerichtlichen Entscheidung (vgl. , BGHSt 28, 360, 362; MüKo-StGB/Radtke, 4. Aufl., § 40 Rn. 71 mwN). Eine Ausnahme gilt allerdings dann, wenn die Veränderung der Einkommensverhältnisse bereits im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung mit Sicherheit zu erwarten ist und die Veränderung nicht lediglich von vorübergehender Dauer sein wird (vgl. , BGHSt 26, 325, 329; Fischer/Lutz in Fischer, aaO, § 40 Rn. 6a; MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 40 Rn. 71; NK-StGB/Albrecht, 6. Aufl., § 40 Rn. 43). Die Berücksichtigung zukünftig zu erzielender Einnahmen setzt dabei hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine fundierte richterliche Überzeugung von der künftigen Entwicklung der Einkommensverhältnisse voraus (BGH, aaO, S. 326). Zudem ist zu beachten, dass bei einem im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung arbeitslosen Täter selbst bei einer mit Sicherheit zu erwartenden zeitnahen Arbeitsaufnahme die wirtschaftliche Lebenssituation nicht sofort wieder durch die Höhe des Erwerbslohns bestimmt wird (vgl. MüKo-StGB/Radtke, aaO, § 40 Rn. 72; Schönke/Schröder/Kinzig, 30. Aufl., § 40 Rn. 10; vgl. auch , BGHSt 26, 325, 330).
8bb) Diesen Maßstäben genügt die Festsetzung der Tagessatzhöhe durch die Strafkammer nicht. Sie hat ihr lediglich die Erwartung des Angeklagten zugrunde gelegt, nach seiner Haftentlassung im Bereich der Schweißtechnik durch Gelegenheitsarbeiten „2.500 EUR“ erzielen zu können. Auf welcher Tatsachengrundlage die Erwartung des Angeklagten, der sich im Urteilszeitpunkt bereits wieder einen Monat in Freiheit befand, basiert, lassen die Urteilsgründe offen. Allein der Umstand, dass der Angeklagte vormals durch Gelegenheitsarbeiten im Bereich der Schweißtechnik derartige Einkünfte erzielte, belegt eine gesicherte Erwartung nicht. Darüber hinaus ist dem Senat eine Überprüfung des tatrichterlichen Ermessens bei der Festsetzung der Tagessatzhöhe verschlossen. Denn die Urteilsgründe lassen offen, ob es sich bei den vom Angeklagten erwarteten Einkünften um solche aus einer selbständigen oder abhängigen Tätigkeit handelt und welche Berechnungspositionen in den Endbetrag von „2.500 EUR“ eingestellt worden sind.
93. Die Sache bedarf zur Festsetzung der Tagessatzhöhe neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hebt die der Tagessatzhöhe zugrundeliegenden Feststellungen mit auf, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht umfassende neue Feststellungen zu ermöglichen. Der Senat macht von der Möglichkeit des § 354 Abs. 3 StPO Gebrauch und verweist die Sache an das zuständige Amtsgericht Köln – Strafrichter – zurück (vgl. , Rn. 15).
Zeng Schmidt Lutz
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:240425B2STR464.24.0
Fundstelle(n):
NAAAJ-92788