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BGH Urteil v. - VIa ZR 273/22

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 6 U 88/21vorgehend LG Würzburg Az: 91 O 471/21

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch. Er erwarb im Juli 2016 von einem Autohaus einen neuen VW Golf Variant, der mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 288 ausgestattet ist.

2Der Kläger hat zuletzt die Rückzahlung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung des Annahmeverzugs verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die Revision hat Erfolg.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Dem Kläger stehe kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB zu, weil er die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung seitens der Beklagten nicht substantiiert dargelegt habe. Insbesondere fehle es an ausreichendem Vortrag zum Vorhandensein einer Prüfstanderkennungssoftware. Dies gelte auch in Bezug auf das in dem Motor implementierte Thermofenster, für das zu Gunsten des Klägers unterstellt werden könne, dass es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele. Aus der objektiven Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung könne nicht auf einen Vorsatz der Beklagten hinsichtlich der sittenwidrigen Schädigung des Klägers geschlossen werden. Dafür hätte der Kläger vortragen müssen, dass sich den für die Beklagten tätigen Personen auch im Hinblick auf die unsichere Rechtslage die Gefahr einer Schädigung hätte aufdrängen müssen. Hierzu habe der Kläger keine Anhaltspunkte aufgezeigt.

6Dem Kläger stehe auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu, weil diese Vorschriften keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB seien.

II.

7Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren nicht in allen Punkten stand.

81. Allerdings begegnet es keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Die Revision erhebt insoweit auch keine Einwände.

92. Die Revision wendet sich jedoch mit Erfolg dagegen, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV aus Rechtsgründen abgelehnt hat. Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Urteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32).

10Das Berufungsgericht hat daher zwar im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf die Gewährung des sogenannten "großen" Schadenersatzes verneint (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 22 bis 27). Es hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Kläger nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch auf Ersatz eines erlittenen Differenzschadens zustehen kann (vgl. aaO, Rn. 28 bis 32; ebenso , WM 2023, 1839 Rn. 21 ff.; - III ZR 303/20, juris Rn. 16 f.; Urteil vom - VII ZR 412/21, juris Rn. 20). Demzufolge hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - weder dem Kläger Gelegenheit zur Darlegung eines solchen Schadens gegeben, noch hat es Feststellungen zu einer deliktischen Haftung der Beklagten wegen des zumindest fahrlässigen Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung getroffen.

III.

11Die Berufungsentscheidung ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), weil sie sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

12Das Berufungsgericht wird auf der Grundlage der mit Urteil des Senats vom in der Sache VIa ZR 335/21 aufgestellten Grundsätze die , nachdem es dem Kläger Gelegenheit gegeben hat, den Differenzschaden zu berechnen und dazu vorzutragen.

C. Fischer                        Brenneisen                        Messing

                 Katzenstein                         F. Schmidt

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:210525UVIAZR273.22.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-92555