Gründe
I.
1Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in einem bei ihm anhängigen Revisionsverfahren über die gegen den Angeklagten angeordnete erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB zu entscheiden. Der Angeklagte ist in erster Instanz wegen einer am begangenen Tat unter anderem des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung am wurde Bargeld in Höhe von 11.875 € sichergestellt, bei dem es sich zur Überzeugung der Strafkammer um Erlöse aus anderen, nicht aufklärbaren Straftaten des Angeklagten handelte. Hinsichtlich dieses Geldes hat das Tatgericht die erweiterte Einziehung von Taterträgen angeordnet, auch wenn nicht hat festgestellt werden können, ob der Angeklagte über das Geld bereits bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat am verfügte.
2Der 5. Strafsenat beabsichtigt, die Revision des Angeklagten, soweit sie sich gegen die Einziehungsentscheidung richtet, als unbegründet zu verwerfen und zu entscheiden:
3„Die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB setzt nicht voraus, dass dieser bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war.“
4Hieran sieht sich der 5. Strafsenat durch Rechtsprechung des 2. und 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs gehindert. Er fragt deshalb bei den anderen Strafsenaten an, ob diese an (gegebenenfalls) entgegenstehender Rechtsprechung festhalten.
II.
51. Der 3. Strafsenat tritt der in dem Anfragebeschluss vom vertretenen Rechtsauffassung des 5. Strafsenats bei und teilt die dortige Begründung für diese. Auch der 3. Strafsenat ist der Rechtsüberzeugung, dass die erweiterte Einziehung eines durch oder für eine andere rechtswidrige Tat erlangten Gegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB nicht voraussetzt, dass dieser bereits bei Begehung der Anknüpfungstat im Vermögen des Betroffenen gegenständlich vorhanden war. Die erweiterte Einziehung eines Vermögensgegenstands nach § 73a Abs. 1 StGB ist vielmehr auch dann möglich, wenn dieser dem Vermögen des Angeklagten erst nach der Anknüpfungstat zugeflossen ist.
62. Eigene Rechtsprechung des 3. Strafsenats steht dem vom 5. Strafsenat in der Entscheidungsformel des Anfragebeschlusses formulierten Rechtssatz soweit ersichtlich nicht entgegen; vorsorglich erklärt der Senat, an etwaiger entgegenstehender früherer eigener Rechtsprechung nicht festzuhalten.
7Der 3. Strafsenat hat – worauf der Anfragebeschluss zutreffend hinweist – bereits 2023 in drei Entscheidungen (, BGHR StGB § 73a Abs. 1 Einziehung 3 Rn. 13 f.; zudem , juris Rn. 7; Urteil vom – 3 StR 412/22, BGHR StGB § 73a Abs. 1 Wertersatz 2 Rn. 78), wenngleich nicht tragend, zum Ausdruck gebracht, dass er der im Anfragebeschluss dargetanen Rechtsauffassung ist.
83. Die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB erfordert nach der Rechtsprechung aller Strafsenate des Bundesgerichtshofs, dass das zur Überzeugung des Tatgerichts durch eine andere, nicht näher aufklärbare Tat Erlangte zum Zeitpunkt der Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat – der Anknüpfungstat – entweder gegenständlich oder in Form eines hierfür erlangten Surrogats im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden war. Diese Rechtsauffassung hat der 3. Strafsenat bereits zur früheren Rechtslage des erweiterten Verfalls des Wertes von Taterträgen gemäß § 73d Abs. 2 StGB aF in Verbindung mit § 73a Satz 1 StGB aF vertreten (vgl. , NStZ 2003, 422, 423; Urteil vom – 3 StR 541/00, BGHR StGB § 73d Gegenstände 4); nach der Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung hat er an ihr festgehalten (vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 32, 59, 78; Beschlüsse vom – 3 StR 132/23, BGHR StGB § 73 a Abs. 1 Einziehung 3 Rn. 13; vom – 3 StR 238/21, NZWiSt 2022, 404 Rn. 14; vom – 3 StR 294/21, juris Rn. 5; vom – 3 StR 158/21, BGHR StGB § 73a Abs. 1 Wertersatz 1 Rn. 13). Sie entspricht dem Willen des historischen Gesetzgebers und ergibt sich – wie der Anfragebeschluss zutreffend darlegt – aus dem Umstand, dass es sich bei erlangten Gegenständen, die zur Zeit der Begehung der Anknüpfungstat nicht mehr im Vermögen des Angeklagten vorhanden waren, begrifflich nicht um solche des Täters handelt. Diese Restriktion der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen ist zudem – jedenfalls insofern, als es vor der Anknüpfungstat erlangte Gegenstände anbelangt – sachgerecht. Denn anderenfalls wäre das Tatgericht stets verpflichtet, im Rahmen des eigenen Strafverfahrens auch – gegebenenfalls bereits lange zurückliegende – andere Taten des Angeklagten dahin aufzuklären, ob er durch oder für diese etwas erlangte, selbst wenn keinerlei Bezug zum aktuellen Verfahrensgegenstand namentlich in Form einer Sicherstellung des durch oder für früheres strafbares Handeln erlangten Gegenstands oder für diesen erworbenen Surrogats im Zuge der Ermittlungen im eigenen Verfahren besteht. Die Einziehung wäre damit uferlos (vgl. insofern , BGHR StGB § 73a Abs. 1 Wertersatz 2 Rn. 78; s. ferner Bittmann, NZWiSt 2022, 406, 407; Zivanic, NZWiSt 2023, 212, 216). Überdies liefe eine gegenteilige Rechtsauffassung im Ergebnis rein faktisch vielfach darauf hinaus, den Angeklagten neben der für die verfahrensgegenständliche Tat verhängten Strafe mit einer „Geldsanktion“ zu belegen, die einer „Nebenstrafe“ gleichkäme. Für die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB besteht daher kein Anlass, von dem Erfordernis Abstand zu nehmen, dass der betreffende Tatertrag zum Zeitpunkt der Anknüpfungstat gegenständlich oder zumindest in Form eines Surrogats im Vermögen des Angeklagten noch vorhanden gewesen sein muss; gegenteiligen Stimmen in der Literatur (vgl. Tschakert, wistra 2022, 309, 314; Wiersch, NStZ 2022, 385, 388 ff.) ist der 3. Strafsenat nicht gefolgt (, BGHR StBG § 73a Abs. 1 Einziehung 3 Rn. 13). Insofern sieht sich der 3. Strafsenat in Übereinstimmung mit den anderen Strafsenaten des Bundesgerichtshofs und den Ausführungen im Anfragebeschluss des 5. Strafsenats.
94. Verfehlt ist es dagegen, dieses Erfordernis des gegenständlichen Vorhandenseins des Erlangten oder eines Surrogats im Vermögen des Angeklagten zum Tatzeitpunkt der Anknüpfungstat auf die erweiterte Einziehung von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 StGB zu erstrecken. Zu entsprechender Judikatur des 2. und 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs (s. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 486/24, NStZ-RR 2025, 109 Rn. 6; vom – 2 StR 484/23, NStZ-RR 2024, 341, 342; vom – 4 StR 450/23, wistra 2024, 464 Rn. 11; vom – 2 StR 501/23, juris Rn. 5; vom – 2 StR 131/23, juris Rn. 11; vom – 2 StR 3/23, StV 2024, 439 Rn. 12; vom – 4 StR 221/22, wistra 2023, 209 Rn. 6) hat sich der 3. Strafsenat bereits ablehnend verhalten (vgl. , BGHR StGB § 73a Abs. 1 Einziehung 3 Rn. 14; ebenso MüKoStGB/Joecks/Meißner, 4. Aufl., § 73a Rn. 20; Wiersch, NStZ 2022, 385, 388 ff.; s. ferner , juris Rn. 7; Urteil vom – 3 StR 412/22, BGHR StGB §73 a Abs. 1 Wertersatz 2 Rn. 78).
10Der Anfragebeschluss des 5. Strafsenats legt zutreffend dar, dass die Erstreckung dieses Erfordernisses auf die erweiterte Einziehung von Taterträgen aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableitbar ist, dem Willen des historischen Gesetzgebers zuwiderläuft, der Systematik und Intention des Rechts der Vermögensabschöpfung widerstreitet sowie europarechtlich nicht geboten ist. Der 3. Strafsenat nimmt insofern auf die von ihm geteilten Erwägungen im Anfragebeschluss Bezug und macht sie sich zu eigen.
11Die Annahme, eine erweiterte Einziehung von Taterträgen nach §§ 73a Abs. 1 StGB setze voraus, dass der Täter über diese (bereits) bei der Begehung der Anknüpfungstat verfügte, führte letztlich zu einer inakzeptablen Lücke in der Vermögensabschöpfung. Sie widerstritte dem für die Kriminalitätsbekämpfung zentralen Gebot, einem Täter durch Straftaten erlangte und von den Ermittlungsbehörden sichergestellte Vermögenswerte zu entziehen. In der Rechtspraxis kommt es regelmäßig vor, dass im Rahmen von Durchsuchungsmaßnahmen bei einem Beschuldigten neben Taterträgen aus der verfahrensgegenständlichen Tat weitere Gegenstände sichergestellt werden, die ebenfalls illegal erlangt wurden – etwa Diebesbeute –, allerdings keiner konkreten Straftat zugeordnet werden können. Es wäre mit dem Ziel des Rechts der Vermögensabschöpfung unvereinbar, solche Gegenstände dem Täter belassen zu müssen, nur weil die Möglichkeit besteht, dass er sie aus einer nach der verfahrensgegenständlichen Tat – der Anknüpfungstat – begangenen weiteren Straftat erlangte. Wenn beispielsweise bei einer Durchsuchung bei einem Beschuldigten, der verdächtig ist, eine Vielzahl von Diebstahlstaten begangen zu haben, eine große Menge Diebesgut sichergestellt wird, ist kein Grund ersichtlich, warum ihm diejenige Diebesbeute belassen werden sollte, die keiner konkreten Straftat individuell zugeordnet werden kann und hinsichtlich derer unklar bleibt, ob er das betreffende Erlangungsdelikt vor oder nach einer aufklärbaren Tat beging, die Gegenstand des Strafverfahrens ist.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:150425B3ARS2.25.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-92476