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BSG Beschluss v. - B 9 V 13/24 B

Gründe

1I. Der Kläger begehrt die Gewährung von Berufsschadensausgleich (BSA) unter Berücksichtigung eines höheren Vergleichseinkommens der Leistungsgruppe 3 (Arbeitnehmer mit Berufsausbildung) wegen der Folgen einer 1998 erlittenen Gewalttat nach dem Opferentschädigungsgesetz iVm dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

2Das LSG hat den Anspruch wie vor ihm der Beklagte und das SG verneint. Die Prognose des Beklagten, der Kläger hätte ohne die Schädigung wahrscheinlich keine Berufsausbildung absolviert, sondern eine nichtselbstständige Tätigkeit als angelernter Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft ausgeübt, sei nicht zu beanstanden. Wie das SG zutreffend herausgearbeitet habe, habe der Kläger seine Berufsausbildung nicht nur nach, sondern gerade aufgrund der 1998 erlittenen Gewalttat in den ab Oktober 2000 absolvierten Reha-Maßnahmen erworben. Nach dem Gesetzeswortlaut des für den Fall des Klägers noch einschlägigen § 30 Abs 5 Satz 1 BVG in der bis zum geltenden Fassung (aF) und der diesbezüglichen Rechtsprechung des BSG sei für die Ermittlung des Vergleichseinkommens bei der Prognose des weiteren Berufswegs in einer ex-ante Sicht vor Eintritt des schädigenden Ereignisses auf den "bisher", also bis zum Eintritt der Schädigung, betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen abzustellen (Urteil vom ).

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde erhoben. Das LSG sei von der Rechtsprechung des BSG abgewichen, weil es seine nach der Schädigung gezeigten beruflichen Leistungen und Erfolge nicht berücksichtigt habe. Diese erlaubten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts einen Rückschluss auf den bereits zuvor vorhandenen Arbeits- und Ausbildungswillen des Klägers.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil er eine Divergenz nicht ordnungsgemäß bezeichnet hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

51. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus der Berufungsentscheidung und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG einander gegenüber zu stellen (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 6). Zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; zB - juris RdNr 9; B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge). Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; zB - juris RdNr 7; - juris RdNr 6; - juris RdNr 16).

6Diesen Darlegungsanforderungen an eine Divergenzrüge genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger entnimmt dem Urteil des LSG den Rechtssatz, nach § 30 Abs 5 Satz 1 BVG aF sei für die Ermittlung des Vergleichseinkommens für die Prognose des weiteren Berufswegs auf den bis zum Eintritt der Schädigung betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen abzustellen. Die Beschwerde legt nicht substantiiert dar, warum dieser Rechtssatz dem vom LSG zum Beleg für seine Auffassung zitierten Urteil des BSG (vom - B 9 V 14/97 R - juris RdNr 13 mwN) widersprechen sollte. Danach fordert das Gesetz zur Bestimmung des Anspruchs auf BSA eine Prognose des wahrscheinlich ohne die Schädigung eingetretenen weiteren Berufswegs unter Berücksichtigung aller bis dahin erkennbar gewordenen einschlägigen Gesichtspunkte einschließlich der Lebensverhältnisse, Kenntnisse und Fähigkeiten und des "bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen[s]".

7Zwar weist die Beschwerde zutreffend darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des BSG für die Bestimmung der vom Geschädigten ohne die Schädigung voraussichtlich erreichten Berufs- oder Wirtschaftsgruppe nach § 30 Abs 5 Satz 1 BVG aF auch auf den nach der Schädigung betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen abzustellen sein kann, sofern dieser überzeugende Rückschlüsse auf den voraussichtlich ohne die Schädigung erreichten Bildungs- oder Berufsabschluss zulässt (vgl - juris RdNr 15 mwN; - juris RdNr 8 mwN; 9/9a RV 50/87 - juris RdNr 17; Hansen, Der Berufsschadensausgleich, S 56 mwN). Einen solchen Rückschluss hat das Berufungsgericht im Fall des Klägers nicht gezogen. Soweit er daraus einen so genannten verdeckten Rechtssatz ableiten möchte, welcher der zitierten Rechtsprechung des BSG grundsätzlich widerspricht, hätte es aber der Darlegung bedurft, an welcher Stelle und mithilfe welcher anerkannten Methodik der Kläger welchen Rechtssatz dem Urteil entnommen hat. Dabei genügt es grundsätzlich nicht, aus der konkreten Rechtsanwendung im Einzelfall auf einen Rechtssatz zu schließen (vgl - juris RdNr 10). Diese gesteigerten Anforderungen für die Bezeichnung eines verdeckten Rechtssatzes verfehlt die Beschwerde. Vielmehr wendet sich der Kläger im Ergebnis lediglich dagegen, dass das LSG in seinem Fall den grundsätzlich möglichen Rückschluss von Entwicklungen nach der Schädigung auf einen schon vorher bestehenden Arbeits- und Ausbildungswillen nicht gezogen hat. Damit erschöpfen sich seine Darlegungen letztlich in einer Kritik an den Tatsachenfeststellungen und der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in seinem Einzelfall (vgl - juris RdNr 15). Dies reicht nicht aus, um eine Divergenz aufzuzeigen. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (vgl - juris RdNr 23 f mwN).

8Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).

92.Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

103. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:040425BB9V1324B0

Fundstelle(n):
VAAAJ-92207