Instanzenzug: LG Darmstadt Az: 5 T 15/22vorgehend AG Darmstadt Az: 274 XIV 546/21
Gründe
1I. Der Betroffene, ein guineischer Staatsangehöriger, reiste am nach Deutschland ein. Seinen Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als unzulässig ab und ordnete seine Überstellung nach Spanien an. Mit Beschluss vom ordnete das Amtsgericht Haft zur Sicherung der Überstellung bis zum an.
2Auf Antrag der beteiligten Behörde vom hat das die Überstellungshaft bis zum verlängert. Den Anhörungstermin vor der Verlängerung hat es trotz Terminsverlegungsantrags des Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen wie anberaumt durchgeführt. Auf die gegen die Haftverlängerung gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht, nachdem es den Betroffenen unter Beteiligung seines Verfahrensbevollmächtigten am angehört hat, am festgestellt, dass die Verlängerung der Haft im Zeitraum vom bis zum den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, mit der er nach weiterer Haftverlängerung am die Feststellung beantragt, die Haftverlängerung habe ihn auch über den hinaus in seinen Rechten verletzt.
3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
41. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftverlängerung sei für den Zeitraum vom bis zum rechtswidrig gewesen. Das Amtsgericht habe das Recht des Betroffenen auf ein faires Verfahren verletzt, indem es den vom Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen gestellten Terminsverlegungsantrag missachtet und so dessen Teilnahme an der Anhörung vereitelt habe. Dieser Mangel des Verfahrens sei aber durch die vom Landgericht im Beschwerdeverfahren durchgeführte Anhörung am mit Wirkung für die Zukunft geheilt worden. Im Übrigen sei die Haftverlängerung nicht zu beanstanden.
52. Das hält rechtlicher Überprüfung nur zum Teil stand.
6a) Die vom Beschwerdegericht zutreffend angenommene Heilung des Verfahrensfehlers ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erst mit seiner Entscheidung am eingetreten, nicht bereits mit der Durchführung der Anhörung am . Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, tritt die Heilung des Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren nicht bereits zum Zeitpunkt der Nachholung der verfahrensfehlerhaft durchgeführten Anhörung ein, sondern mit Wirkung für die Zukunft erst von der Entscheidung des Beschwerdegerichts an (BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 24/19, juris Rn. 9 mwN; vom - XIII ZB 16/20, juris Rn. 8). Der Vollzug der Haft ist rechtmäßig ab dem Tag, an dem der Beschluss ergeht (, juris Rn. 11). Danach hat die Verlängerung der Haft den Betroffenen auch im Zeitraum vom bis zum in seinen Rechten verletzt.
7b) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde hingegen, die Haft sei auch am 26. und rechtswidrig gewesen, weil eine Heilung des Verstoßes gegen das Recht auf ein faires Verfahren grundsätzlich ausscheide. Die Haft sei bei erkanntem Verstoß sofort zu beenden.
8aa) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass der Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens mit Wirkung für die Zukunft geheilt werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 123/19, InfAuslR 2021, 242 Rn. 14 mwN; vom - XIII ZB 58/20, juris Rn. 9; vom - XIII ZB 74/20, InfAuslR 2022, 331 Rn. 18). Die Heilung setzt eine Nachholung der Anhörung voraus, bei der der Zugang des Betroffenen zu seinem Anwalt gewährleistet wird (vgl. , juris Rn. 13; InfAuslR 2022, 331 Rn. 18). Dem steht nicht entgegen, dass die rechtswidrig angeordnete Haft bis zur Terminierung des weiteren Anhörungstermins durch das Beschwerdegericht vorübergehend andauert. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde war der Betroffene nicht spätestens am Tag der mit Schriftsatz vom erhobenen Rüge der Verletzung des fairen Verfahrens zu entlassen. Sie lässt dabei außer Betracht, dass die Gerichte die erhobene Rüge zunächst zu prüfen haben. Erst wenn das Beschwerdegericht sich mit der in Haftsachen generell gebotenen Verfahrensbeschleunigung unter Gewährung des erforderlichen rechtlichen Gehörs die Überzeugung von dem behaupteten Verfahrensverstoß verschafft hat, kann es die unterbliebene oder mit grundlegenden Mängeln behaftete Anhörung nachholen. Auch die Nachholung der Anhörung ist mit der in Haftsachen erforderlichen Verfahrensbeschleunigung zu betreiben und kann nur für die Zukunft "heilende Wirkung" entfalten (vgl. , FGPrax 2020, 274 Rn. 38 mwN). Sieht das Beschwerdegericht, was in seinem pflichtgemäßen Ermessen steht, in solchen Fällen von einer Aussetzung der Vollziehung gemäß § 64 Abs. 3 FamFG ab, ist das nicht zu beanstanden. Die Aussetzung der Vollziehung einer Freiheitsentziehung kommt regelmäßig nur in Betracht, wenn das Rechtsmittel Aussicht auf Erfolg hat oder die Rechtslage zumindest zweifelhaft ist (st. Rspr., siehe nur , NVwZ 2025, 278 Rn. 5). Ist eine Heilung möglich, liegen diese Voraussetzungen nicht vor; das Rechtsmittel gegen die Haftanordnung hat keine Erfolgsaussicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 181/13, juris Rn. 1; vom - XIII ZB 136/19, InfAuslR 2020, 167 Rn. 11).
9bb) Dass das Beschwerdegericht das Verfahren nicht mit der erforderlichen Beschleunigung betrieben hätte, wird nicht geltend gemacht und ist auch sonst nicht ersichtlich. Das Amtsgericht hat der am eingelegten Beschwerde gegen die Haftanordnung am gleichen Tag nicht abgeholfen und den gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag zurückgewiesen. Nachdem auch dagegen Beschwerde eingelegt worden war, hat es auch dieser mit Beschluss vom nicht abgeholfen. Das Landgericht hat mit Verfügungen vom 3. und Gelegenheit gegeben, die Verfahrenskostenhilfeunterlagen einzureichen, und bei der Posteingangsstelle des Amtsgerichts um Informationen zum Eingang des behaupteten Telefaxes mit dem Verlegungsantrag gebeten. Am hat es Akteneinsicht gewährt, eine Frist zur Stellungnahme bis gesetzt und den Verfahrensbevollmächtigten um die Mitteilung freier Termine für die nachzuholende Anhörung gebeten, die dann - nach entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen zur Vorführung des Betroffenen und Dolmetscherbestellung - am stattgefunden hat.
103. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
Roloff Picker Vogt-Beheim
Holzinger Kochendörfer
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:130525BXIIIZB17.22.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-92058