Haftung des Geschäftsführers einer nunmehr insolventen GmbH bei unterlassener Vorsteuerberichtigung infolge der Stornierung
von Vorauszahlungsrechnungen über tatsächlich später nicht ausgeführte Fahrzeuglieferungen
Leitsatz
1. Die widerspruchslose Feststellung einer Umsatzsteuerforderung gegen die insolvente GmbH zur Tabelle im Insolvenzverfahren
ist als unanfechtbare Steuerfestsetzung im Sinne des § 166 AO anzusehen. Die widerspruchslose Eintragung in die Insolvenztabelle
wirkt wie die bestandskräftige Festsetzung der Forderung. Der Geschäftsführer der GmbH, der dem Tabelleneintrag hätte widersprechen
und seinen Widerspruch gegebenenfalls hätte weiterverfolgen können, muss daher die Feststellung der Forderung in der Insolvenztabelle
als das insolvenzrechtliche Äquivalent zur Umsatzsteuerfestsetzung gegen sich im Rahmen eines diese Umsatzsteuerforderung
betreffenden Haftungsverfahrens gelten lassen.
2. Hat die GmbH Rechnungen mit Vorsteuerabzug aufgrund von Kaufverträgen über noch nicht durchgeführte Fahrzeug-Lieferungen
erhalten und vorausbezahlt, so steht ihr der Vorsteuerabzug für diese Vorauszahlungen zu, wenn anhand objektiver Umstände
nicht erwiesen ist, dass die GmbH bzw. ihr Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Vorauszahlungen bereits wussten oder vernünftigerweise
hätten wissen müssen, dass die Bewirkung der Lieferungen tatsächlich unsicher war. Auf eine Ungewissheit im späteren Zeitpunkt
der Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung der GmbH kommt es dabei nicht an.
3. Die GmbH muss den Vorsteuerabzug für diese Vorauszahlungen (siehe 2.) aber nach § 17 UStG berichtigen, wenn ihr vom Lieferanten
später Stornorechnungen für diese Fahrzeuglieferungen sowie neue Rechnungen (ohne Mehrsteuerausweise) betreffend den Kauf
neuer, anderer Fahrzeugen mit unterschiedlichen Typenbezeichnungen und Fahrgestellnummern übersandt worden sind, wenn also
beide Vertragsparteien – GmbH und Lieferant – erkennbar von der Aufhebung der beiden ursprünglichen Kaufverträge und dem späteren
Abschluss neuer Kaufverträge ausgegangen sind, wenn damit feststand, dass die in den ursprünglichen Rechnungen aufgeführten
Fahrzeuge nicht mehr geliefert werden würden und sollten, und wenn die GmbH die Vorauszahlungen durch Aufrechnung mit den
Kaufpreisen für die neu gelieferten Fahrzeuge zurückbekommen hat.
4. Im Fall einer Vorauszahlung für eine später nicht erbrachte Lieferung oder Leistung ist die Pflicht zur Vorsteuerberichtigung
nach § 17 Abs. 2 Satz 2 UStG erst dann gegeben, wenn die Vorauszahlung von dem zur Lieferung oder Leistung verpflichteten
Unternehmer an den Unternehmer, der die Vorsteuer geltend gemacht hat, zurückgewährt worden ist (vgl. , BStBl 2011 II S. 991).
5. Der Geschäftsführer der GmbH hat grob fahrlässig gehandelt und haftet daher, wenn ihm die Problematik einer möglichen Vorsteuerberichtigungspflicht
der GmbH infolge von Rechnungsstornierungen (siehe 2. und 3.) bekannt war und er deswegen aber nur bei dem für den Lieferanten
zuständigen Finanzamt, trotz eines entsprechenden Hinweises dieses Finanzamt aber nicht bei dem für die GmbH zuständigen Finanzamt
nachgefragt, sondern die Berichtigung unterlassen hat. Der Grundsatz der Haftungsbeschränkung, wonach der in Anspruch genommene
Haftungsschuldner nur im Rahmen der anteiligen Befriedigung aller Gläubiger haftet, kommt nicht zur Anwendung, wenn die durch
die unterlassene Berichtigung des Vorsteuerabzugs unrichtige Umsatzsteuerjahreserklärung der GmbH dem Finanzamt die damals
bestehende Möglichkeit zur vollumfänglichen Aufrechnung mit Umsatzsteuerguthaben der GmbH genommen hat.
Fundstelle(n): VAAAJ-91556
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