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BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 366/25

Nichtannahmebeschluss: Überspannung der Begründungsanforderungen an einen Verfahrenskostenhilfeantrag im Beschwerdeverfahren bei Forderung eines hinreichend bestimmten Beschwerdeantrags - hier: erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen Versagung von Verfahrenskostenhilfe in einer Unterhaltssache - unzureichende Verfassungsbeschwerdebegründung bei Nichtvorlage entscheidungserheblicher Unterlagen

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 113 Abs 1 S 2 FamFG, § 114 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: Az: 12 UF 8/25 e Beschluss

Gründe

1Die Verfassungsbeschwerde betrifft die abgelehnte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.

I.

21. Der Beschwerdeführer und die Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) des Ausgangsverfahrens waren miteinander verheiratet. In dem der Verfassungsbeschwerde zugrundeliegenden Ausgangsverfahren hat die Ehefrau die Scheidung der Ehe und im Wege eines Folgesachenantrags die Zahlung von nachehelichem Unterhalt durch den Beschwerdeführer beantragt.

3Mit Beschluss vom hat das Familiengericht die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Beschwerdeführer verpflichtet, an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt zu leisten. Zu einer Befristung oder Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578b BGB hat sich die Entscheidung nicht verhalten.

4Der Beschwerdeführer hat mit einem von ihm verfassten Schriftsatz vom Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel gegen die familiengerichtliche Entscheidung zum nachehelichen Unterhalt beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Unterhaltsberechnung des Familiengerichts sei hinsichtlich mehrerer Einzelpositionen im Rahmen der Einkommensermittlung fehlerhaft und außerdem habe sich das Familiengericht nicht zu einer vorzunehmenden Befristung oder Beschränkung des Unterhaltsanspruchs verhalten. Einen bestimmten Beschwerdeantrag enthält der Antrag ebenso wenig wie eine konkrete Unterhaltsberechnung.

5Das Oberlandesgericht hat mit angegriffenem Beschluss vom den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Die mit der Beschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Maßgeblich für die hinreichende Erfolgsaussicht seien die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Danach wäre die beabsichtigte Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Es fehle an einem den Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG genügenden hinreichend bestimmten Beschwerdeantrag. Das gelte selbst dann, wenn die vom Beschwerdeführer angeführte Begründung seines Antrags mit in die Betrachtung einbezogen werde. Der Beschwerdeführer habe keine Angaben zur Höhe des von ihm als angemessen angesehenen Unterhalts und zur Dauer der von ihm geforderten Befristung getätigt. Das Begehren des Beschwerdeführers lasse sich auch nicht dahingehend auslegen, dass er die Zahlung nachehelichen Unterhalts insgesamt ablehne, weil sonst seine Ausführungen zu einer Herabsenkung oder Befristung überflüssig wären.

62. Gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts hat der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde eingelegt, die mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung verbunden ist. Die Entscheidung verletze Art. 3 Abs. 1 GG, weil er als wirtschaftlich schwächere Person ungleich behandelt werde. Auch sei Art. 103 Abs. 1 GG verletzt, weil das Oberlandesgericht seine Argumente zur fehlerhaften Berechnung des Unterhalts nicht berücksichtigt habe. Ferner verletze die Entscheidung seinen grundrechtlichen Anspruch auf effektiven Rechtschutz.

II.

7Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil ihr weder grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihre Begründung genügt nicht den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen. Schon deshalb ist die Verfassungsbeschwerde unzulässig und damit ohne Aussicht auf Erfolg (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).

81. a) Richtet sich eine Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, so zählt zu den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die hinreichende Begründung auch die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen und derjenigen Schriftstücke, ohne deren Kenntnis die Berechtigung der geltend gemachten Rügen sich nicht beurteilen lässt, zumindest aber deren Wiedergabe ihrem wesentlichen Inhalt nach, weil das Bundesverfassungsgericht nur so in die Lage versetzt wird, zu beurteilen, ob die Entscheidungen mit dem Grundgesetz in Einklang stehen (vgl. BVerfGE 112, 304 <314 f.>; 129, 269 <278>; stRspr).

9b) Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Der Beschwerdeführer hat es versäumt, seinen Antrag vom auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerde gegen den Beschluss des Familiengerichts vorzulegen oder seinem wesentlichen Inhalt nach wiederzugeben. Auf die Kenntnis des Antrags kommt es aber für die verfassungsrechtliche Überprüfung des vom Beschwerdeführer beanstandeten Beschlusses des Oberlandesgerichts an, Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren nicht zu gewähren. Das Oberlandesgericht hat sich zur Begründung darauf gestützt, dass der Antrag weder hinreichend bestimmt noch mit einer ausreichenden Begründung versehen sei. Ob das Oberlandesgericht damit überspannte Anforderungen an die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gestellt hat (vgl. BVerfGE 81, 347 <358>) und dadurch den Anspruch des Beschwerdeführers aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verletzt haben kann, lässt sich ohne Kenntnis des Antrags nicht beurteilen. Insoweit genügt für die Erfüllung der Darlegungsanforderungen nicht, dass das Oberlandesgericht in dem angegriffenen Beschluss selbst auf den Antrag Bezug nimmt. Denn das Oberlandesgericht hat den Inhalt des Antrags lediglich stichwortartig wiedergegeben. Das genügt nicht als Grundlage über eine verfassungsrechtliche Prüfung der Entscheidung über diesen Antrag.

102. Soweit sich dies aufgrund des (unzureichenden) Vorbringens des Beschwerdeführers und der von ihm vorgelegten Unterlagen überhaupt beurteilen lässt, bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass das Oberlandesgericht Anforderungen an die Antragsbegründung gestellt haben kann, die mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren wären.

11a) aa) Die Gewährleistung der Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Menschen mit mehr und Menschen mit weniger finanziellen Mitteln bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes(vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357>; 122, 39 <49>; stRspr). Dem dienen die gesetzlichen Bestimmungen über die Verfahrenskosten- und die Prozesskostenhilfe. Diese kann zwar davon abhängig gemacht werden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>). Die Prüfung der Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsschutzverfahrens soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Verfahrens- und Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern will ihn zugänglich machen. So sieht § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Gewährung von Verfahrens- und Prozesskostenhilfe bereits dann vor, wenn hinreichende Erfolgsaussichten für den beabsichtigten Rechtsstreit bestehen, ohne dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss (vgl. BVerfGE 81, 347 <357>).

12bb) Die Auslegung und Anwendung von § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO (vorliegend i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG) obliegt dabei in erster Linie den zuständigen Fachgerichten, die dabei von Verfassungs wegen den Zweck der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe zu beachten haben. Das Bundesverfassungsgericht kann nur eingreifen, wenn Verfassungsrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der durch das Grundgesetz verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen (vgl. BVerfGE 56, 139 <144>; 81, 347 <357 f.>). Das ist namentlich dann der Fall, wenn das Fachgericht die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung überspannt und dadurch der Zweck der Verfahrens- beziehungsweise Prozesskostenhilfe, dem Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, deutlich verfehlt wird(vgl. BVerfGE 81, 347 <358>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 631/19 -, Rn. 17 ff.; Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1814/21 -, Rn. 18 f.).

13b) Ungeachtet der nicht vollständigen Darlegungen des Beschwerdeführers lassen die Ausführungen des Oberlandesgerichts Zweifel dahingehend aufkommen, dass es an die Begründung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für die Beschwerdeinstanz mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit nicht ohne Weiteres zu vereinbarende strenge Anforderungen gestellt hat. Soweit dies auf der Grundlage des angegriffenen Beschlusses allein beurteilt werden kann, dürfte das Oberlandesgericht mit seinen Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein zu erhebendes Rechtsmittel deutlich über die im Fachrecht vertretenen Auffassungen dazu hinausgegangen sein, ohne näher auf die Gründe dafür einzugehen.

14aa) Nach in der Rechtsprechung der Bundesfachgerichte vielfach vertretener Ansicht erfordert ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrens- beziehungsweise Prozesskostenhilfe für ein zu erhebendes Rechtsmittel keine Ausführungen zur hinreichenden Erfolgsaussicht des beabsichtigten Rechtsmittels (vgl. -, juris, Rn. 7; Beschluss vom - XII ZB 118/92 -, juris, Rn. 11; Beschluss vom - XII ZB 193/00 -, Rn. 10; .-, juris, Rn. 7; -, Rn. 15; siehe auch V ER 224.64 -, NJW 1965, 1293) und damit erst recht nicht die Formulierung eines den fachrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden Beschwerdeantrags. Das Rechtsmittelgericht habe vielmehr von Amts wegen und unabhängig vom Inhalt des Antrags zu prüfen, ob hinreichende Erfolgsaussicht für das beabsichtigte Rechtsmittel besteht (vgl. -, Rn. 10; V ER 224.64 -, NJW 1965, 1293).

15Abweichend davon stellt die Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte höhere Anforderungen an einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittel und verlangt, dass seine Begründung auch Ausführungen zur hinreichenden Erfolgsaussicht enthält; dies aber nur nach Maßgabe der subjektiven Fähigkeiten der antragstellenden Person. Diese muss lediglich laienhaft ausführen, inwieweit sie die betreffende Entscheidung für fehlerhaft hält und daher zur Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht stellen will (vgl. etwa OLG Celle, Beschluss vom - 3 U 278/02 -, Rn. 12; OLG Dresden, Beschluss vom - 10 UF 447/03 -, juris, Rn. 4; UE -, FamRZ 1993, 715; -, MDR 1999, 509; Beschluss vom - 7 U 30/03 -, Rn. 7; auch Zimmermann, in: Zimmermann, Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe, X. PKH/VKH für ein Rechtsmittelverfahren, 6. Aufl. 2021, Rn. 663a; Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 117 Rn. 18).

16bb) Die vom Oberlandesgericht aufgestellten Anforderungen an die Begründung eines Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe dürften fachrechtlich mit keiner der beiden referierten Auffassungen, die verfassungsrechtlich keine Bedenken hervorrufen, vereinbar sein. Das liegt für die in der Bundesfachgerichtsbarkeit vertretene Ansicht auf der Hand, weil dort keine Begründung zu den Erfolgsaussichten des beabsichtigten Rechtsmittels verlangt wird. Selbst gemessen an der strengere Anforderungen stellenden Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte hätte aber der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag mit der im angegriffenen Beschluss gegebenen Begründung wohl nicht zurückgewiesen werden können. Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts dürfte der Antrag des Beschwerdeführers ausreichende Ausführungen zur Fehlerhaftigkeit der anzufechtenden Entscheidung enthalten haben. Immerhin scheint der Beschwerdeführer nach der Darstellung des Oberlandesgerichts unter anderem geltend gemacht zu haben, dass das fiktive Einkommen der Ehefrau zu niedrig bestimmt worden sei, es an einer Befassung mit der Herabsetzung des Bedarfs sowie mit einer Befristung der Unterhaltszahlungen gefehlt habe und zudem das Familiengericht die Gründe des Beschwerdeführers für die Kündigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses in Deutschland nicht ordentlich bearbeitet habe. Soweit das Oberlandesgericht ausführt, der Beschwerdeführer habe daraus aber keine Schlüsse auf die Höhe und die Dauer des nachehelichen Unterhalts gezogen und keinen konkreten, daran orientierten Antrag gestellt, dürfte dies selbst auf der Grundlage der strengeren Auffassung zum Fachrecht kaum zu fordern sein. Die dort von Antragstellenden erwarteten laienhaften Ausführungen dürften kaum die Formulierung eines den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Beschwerdeantrags verlangen.

17cc) Die ohne nähere Begründung und ohne Eingehen auf die verschiedenen Auffassungen zum Fachrecht gestellten Anforderungen des Oberlandesgerichts rufen - soweit dies auf unvollständiger Grundlage beurteilt werden kann - Bedenken auf ihre Vereinbarkeit mit dem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit hervor. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht mit seiner Auslegung und Anwendung des maßgeblichen Fachrechts den Zweck der Verfahrenskostenhilfe deutlich verfehlt und damit mit der durch Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit nicht mehr gerecht wird. Das Oberlandesgericht scheint von dem Beschwerdeführer letztlich zu verlangen, dass dieser bereits seinen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe entsprechend den Anforderungen einer erst nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe einzureichenden Beschwerdebegründung fertigt. Damit bürdet es dem Beschwerdeführer aber auf, an Stelle eines erst beizuordnenden Rechtsanwalts selbst eine Rechtsmittelbegründung zu verfassen. Das ließe aber den Zweck der Verfahrenskostenhilfe leerlaufen. Unabhängig von der Unzumutbarkeit derartiger Anforderungen wird ein rechtlich nicht vorgebildeter Antragsteller hierzu in aller Regel nicht in der Lage sein. Dies gilt insbesondere in Unterhaltssachen, setzt doch die Formulierung eines den Bestimmtheitsanforderungen genügenden Beschwerdeantrags die Vornahme einer eigenen Unterhaltsberechnung voraus. Um die Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht abschließend beurteilen zu können, bedarf es der Kenntnis des Inhalts des vom Beschwerdeführer gestellten Antrags. Daran fehlt es aber (Rn. 9).

183. Von einer weiteren Begründung der Nichtannahme wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

19Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250409.1bvr036625

Fundstelle(n):
XAAAJ-91350