Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots (Art 103 Abs 2 GG) durch Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung ohne hinreichende Feststellungen zu einem Vermögensnachteil des Geschädigten - Gegenstandswertfestsetzung
Gesetze: Art 103 Abs 2 GG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 253 Abs 1 StGB, § 255 StGB
Instanzenzug: Az: 2 BvR 1974/22 Einstweilige Anordnungvorgehend Az: 1 StR 178/22 Beschlussvorgehend LG Mannheim Az: 1 Ks 810 Js 2037/21 Urteil
Gründe
1Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die strafgerichtliche Verurteilung wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung. Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob die Würdigung, der Geschädigte habe einen Vermögensnachteil erlitten, gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG verstößt.
I.
21. Das Landgericht Mannheim verurteilte den Beschwerdeführer am wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten.
3Den Feststellungen des Landgerichts zufolge hatten der Mitangeklagte R. und der Geschädigte vereinbart, gemeinsam ein neues Tattoostudio zu eröffnen und zu betreiben, wofür sie am Tatort Räume angemietet hatten. Noch vor der Eröffnung des Tattoostudios wurde der Mitangeklagte R. festgenommen und kam in Untersuchungshaft, weshalb der Geschädigte das Tattoostudio von Beginn an faktisch alleine betrieb. Indes verbreitete der Mitangeklagte R. aus dem Maßregelvollzug, in dem er inzwischen untergebracht worden war, an weitere Mitglieder seiner Rockervereinigung den Vorwurf, von dem Geschädigten im Zusammenhang mit dem Betrieb des Tattoostudios finanziell übervorteilt worden zu sein. Er forderte den Geschädigten in einem Telefonat auf, sich aus dem Tattoostudio zurückzuziehen. Im Verlauf des Gesprächs zeigte sich der Geschädigte grundsätzlich offen für die Abgabe seiner Geschäftsanteile, erbat sich jedoch Bedenkzeit. Bei weiteren Telefonaten erklärte der Geschädigte dem Mitangeklagten R., er sei zwar zur Aufgabe seiner Geschäftsanteile bereit, wolle jedoch den Namen und das Logo des Tattoostudios für sich behalten; die Abgabe seiner Anteile am Tattoostudio könne er sich erst nach Klärung der Streitfrage vorstellen, wer künftig das Logo und den Namen verwenden dürfe. Daraufhin bestimmte der Mitangeklagte R. auf im Einzelnen nicht feststellbare Weise den Beschwerdeführer und weitere Mitangeklagte dazu, das Tattoostudio aufzusuchen, um den Geschädigten unter Anwendung körperlicher Gewalt dazu zu zwingen, eine Erklärung zu unterzeichnen, wonach dieser seine Beteiligung am Tattoostudio an den Mitangeklagten R. bedingungslos abtrete.
4In Ausführung dieser Absprache verabredeten der Beschwerdeführer und weitere Mitangeklagte, den Geschädigten in das Tattoostudio zu bestellen, das im Hinblick auf Corona-Schutzmaßnahmen geschlossen hatte, und diesen dort unter Einsatz körperlicher Gewalt oder unter Drohung mit körperlicher Gewalt dazu zu zwingen, eine entsprechende Erklärung zugunsten des Mitangeklagten R. zu unterschreiben. Es fand ein letztes Telefonat zwischen dem Mitangeklagten R. und dem Geschädigten statt, in dem der Mitangeklagte R. dem Geschädigten mitteilte, er werde das Tattoostudio ab sofort alleine betreiben. Zugleich kündigte er an, er werde noch am selben Tag seine Leute schicken, womit der Geschädigte nicht einverstanden war. Daraufhin begaben sich der Beschwerdeführer, weitere Mitangeklagte sowie weitere unbekannt gebliebene Personen in das Tattoostudio, wo sie den Geschädigten unter Einsatz von Schlagwerkzeugen und Studioinventar mit Schlägen und Tritten traktierten. Dabei forderte der Beschwerdeführer den Geschädigten mit den Worten "Unterschreibst du jetzt den Vertrag, du Fotze?" auf, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach der Geschädigte sämtliche Rechte an dem Tattoostudio an den Mitangeklagten R. abgebe. Wie von dem Beschwerdeführer beabsichtigt, unterschrieb der blutende Geschädigte die Erklärung unter dem Eindruck der Überlegenheit der Angreifer und der von ihnen zuvor angewendeten Gewalt.
52. Gegen das Urteil des Landgerichts legte der Beschwerdeführer Revision ein und rügte unter anderem die Verletzung materiellen Rechts.
63. Der Generalbundesanwalt beantragte, die Revision durch Beschluss gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen. Soweit die Strafkammer den Beschwerdeführer hinsichtlich der räuberischen Erpressung nur wegen Versuchs verurteilt habe, obwohl der Geschädigte infolge der Gewaltanwendung durch die Täter einen schriftlichen Vertrag zur "bedingungslosen" Abtretung der Geschäftsanteile an der Betreibergesellschaft des Tattoostudios unterzeichnet habe, sei der Beschwerdeführer nicht beschwert. Die Auflösung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts stelle zwar für sich genommen noch keinen Vermögensnachteil im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB dar, da der Mitangeklagte R. die Gesellschaft gemäß § 723 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB a.F. jederzeit habe kündigen können und der Geschädigte sich zuvor ohnehin zur Auflösung bereit erklärt habe. Auch ob der Geschädigte den Mitangeklagten R. bei dem Betrieb des Studios übervorteilt und dieser einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich gehabt habe, spiele keine Rolle. Den Tätern sei es in erster Linie darum gegangen, dem Mitangeklagten R. zu ermöglichen, das Tattoostudio - wie dann offensichtlich geschehen und womit der Geschädigte nicht einverstanden gewesen sei - an Ort und Stelle unter der bisherigen Bezeichnung und dem bisherigen Logo weiterzubetreiben. Dazu wäre der Mitangeklagte R. aber auch bei einer Auseinandersetzung der Gesellschaft nach den §§ 730 ff. BGB a.F. nicht ohne Weiteres berechtigt gewesen (vgl. § 5 MarkenG). Der Taterfolg sei damit eingetreten.
74. Dagegen machte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme geltend, es fehlten gänzlich Feststellungen zum vermeintlichen Vermögensschaden, insbesondere sei ein solcher nicht im Ansatz beziffert worden.
8a) Der Generalbundesanwalt stelle einzig auf einen möglichen Vorteil des Mitangeklagten R. ab, ohne zu erwähnen, wo konkret der Schaden des Geschädigten liegen solle. Insbesondere sei nicht erkennbar, wie das (vermeintlich) abgepresste Schreiben hätte verhindern sollen, dass der Geschädigte das Tattoostudio weiter betrete und dort weiter an "Ort und Stelle" arbeite. Das Schloss des Studios sei jedenfalls nicht ausgetauscht worden. Auch bleibe in dem Antrag des Generalbundesanwalts gänzlich unberücksichtigt, dass sämtliche Tattoostudios aufgrund der Corona-Maßnahmen bereits einen Monat vor dem Vorfall auf unabsehbare Zeit geschlossen gewesen seien und dass ein Arbeiten an "Ort und Stelle" zur Tatzeit unabhängig von dem Vorfall rechtlich nicht möglich gewesen sei.
9b) Im Hinblick auf den Namen des Tattoostudios und das entsprechende Logo sei zu beachten, dass weder der Name noch das Logo im Register des Deutschen Patent- und Markenamts eingetragen gewesen seien (§§ 4, 5 MarkenG). Insoweit habe keine natürliche Person einen alleinigen Anspruch auf Führung des Namens oder Logos gehabt. Sowohl der Geschädigte als auch der Mitangeklagte R. (als auch jeder Dritte) seien befugt gewesen, unter dem Namen und Logo - auch alleine - zu arbeiten. Unabhängig davon, dass laut den Feststellungen in dem vermeintlich abgenötigten Schreiben keine Regelung zu Logo und Namen getroffen worden sei, hätte eine solche Regelung rechtlich nicht verhindern können, dass der Geschädigte weiter unter dem Namen und Logo arbeite. Ein exklusives Recht daran sei nicht gegeben gewesen, weshalb insoweit auch kein Vermögenswert beim Geschädigten bestanden habe. Statt auf diese Fragestellungen einzugehen, verliere sich der Generalbundesanwalt in vagen zivilrechtlichen Prognosen zu einem theoretischen Zivilprozess, in welchem der Mitangeklagte R. nach Auffassung des Generalbundesanwalts nicht hätte obsiegen können. Ein konkreter Vermögensschaden im Sinne der §§ 253, 255 StGB werde durch diese Ausführungen nicht begründet.
10c) Entscheidend sei darüber hinaus, dass die Kammer - rechtlich untragbar - keine Bezifferung des vermeintlichen angestrebten Schadens vorgenommen habe. Dies verstoße gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts. Letzteres habe bereits in der "Al-Qaida-Entscheidung" (vgl. BVerfGE 130, 1 <47 f.>) entschieden, dass zur Verhinderung einer Tatbestandsüberdehnung des Vermögensbegriffs - von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen abgesehen - der Vermögensschaden der Höhe nach beziffert und dies in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen dargelegt werden müsse. Auch bei Unsicherheiten müsse eine solche Bezifferung stattfinden, im Zweifel sei jedenfalls ein Mindestschaden im Wege einer tragfähigen Schätzung zu ermitteln. Normative Gesichtspunkte dürften zwar bei der Bewertung von Schäden eine Rolle spielen; sie dürften die wirtschaftliche Betrachtung allerdings nicht überlagern oder verdrängen. Diesen Grundsätzen werde die Kammer nicht im Ansatz gerecht. Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben sei die Bezifferung des angestrebten Vermögensvorteils auch für die Strafzumessung zentral. Dies gelte insbesondere in Fällen wie dem hiesigen - nämlich dem Fall eines Tattoostudios -, wo sämtliche werthaltigen Positionen stark variierten und es keine einfache oder pauschale Bemessungsgrundlage zur Bestimmung wirtschaftlicher Positionen gebe.
115. Mit Beschluss vom verwarf der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet.
II.
12Der Beschwerdeführer rügt mit seiner Verfassungsbeschwerde die Verletzung des strafrechtlichen Bestimmtheitsgebots gemäß Art. 103 Abs. 2 GG.
13Er führt aus, die Sache gebe dem Bundesverfassungsgericht Gelegenheit klarzustellen, dass seine zur verfassungsrechtlichen Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils in § 266 StGB beziehungsweise Vermögensschadens in § 263 StGB entwickelten Maßstäbe ebenso für den Vermögensschaden als Merkmal der (räuberischen) Erpressung in §§ 253, 255 StGB anzuwenden seien.
141. Das Tatgericht habe den Beschwerdeführer verurteilt, ohne Feststellungen zu treffen, wodurch der Geschädigte einen Vermögensschaden erlitten haben solle. Auch die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs habe diesen Rechtsmangel nicht kompensiert. Der insoweit als Begründungsersatz fungierende Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts gebe hierauf ebenfalls keine Antwort, weil er sich auf allgemeine Erwägungen stütze, zu denen das Tatgericht keine Feststellungen getroffen habe. Vielmehr leide das Verfahren daran, dass die Strafgerichte den Schaden mit dem abgenötigten Verhalten gleichgesetzt und so die Tatbestandsmerkmale verfassungsrechtlich unstatthaft verschliffen hätten. Feststellungen zu den rechtlichen Verhältnissen hinsichtlich des Betriebs des Tattoostudios und zum Vorstellungsbild des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine etwaige Vermögensbeeinträchtigung des Geschädigten seien nicht getroffen worden. Auch eine konkrete Schadenshöhe werde nirgends in den Urteilsgründen beziffert. Eine Schadenssumme oder eine auch nur abstrakte werthaltige und nachteilsbegründende Position werde nirgends erwähnt.
15Kern der verfassungsrechtlichen Vorgaben sei, dass der Vermögensnachteil dort, wo ihn das Gesetz fordere, ein eigenes Tatbestandsmerkmal darstelle. Folglich dürfe sein Gehalt bei der Erpressung nicht gänzlich in dem abgepressten Verhalten aufgehen. Der Vermögensnachteil habe insoweit die Funktion, die strafrechtlichen Tatbestände zu begrenzen (vgl. BVerfGE 130, 1 <47>). Das Schadensmerkmal kennzeichne ein Delikt als Vermögensdelikt; es bestimme den Taterfolg und charakterisiere das geschützte Rechtsgut. Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb insbesondere im Rahmen der Untreue - aber auch beim Betrug - dafür gesorgt, dass die abstrakte Extensionsanfälligkeit des Vermögensnachteils eingehegt werde, und die realwirtschaftliche Perspektive bei dessen Bestimmung betont.
16Diese Maßstäbe ließen sich bruchlos auf §§ 253, 255 StGB übertragen. Der Vermögensnachteil unterscheide die (räuberische) Erpressung von der einfachen Nötigung, die allein die Willensfreiheit und nicht auch das Vermögen schütze. Darum müsse er gesondert festgestellt werden, um dem Schuldgrundsatz zu genügen. Um einen Evidenzfall nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs handele es sich hier mitnichten. Dieser habe vielmehr in einem ähnlich gelagerten Fall moniert, dass sich den Urteilsgründen bei der versuchten Erpressung zur Aufgabe eines Lokals und Übertragung eines Mietverhältnisses nicht entnehmen ließ, ob der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens des dortigen Geschädigten dadurch gemindert worden wäre. Da dem durch den Mietvertrag eingeräumten Besitzrecht an den Räumlichkeiten die Verpflichtung zu monatlichen Mietzahlungen gegenübergestanden habe und zum Wert des Besitzrechts keine Feststellungen getroffen worden seien, sei nicht erkennbar gewesen, ob der Vertrag für den dortigen Geschädigten wirtschaftlich vorteilhaft gewesen sei (vgl. -, juris, Rn. 13).
172. Wie bereits mit der Revision zutreffend moniert worden sei, ergebe sich auch kein Vermögensnachteil aus der - vom Landgericht nicht festgestellten - markenrechtlichen Beurteilung des Falles. Anhand der Urteilsgründe könne gerade nicht beurteilt werden, ob dem Namen oder Logo ein wirtschaftlich anerkannter Wert beizumessen sei. Erneut wäre es erforderlich gewesen, dies zu konkretisieren, denn Erwerbs- und Gewinnaussichten könnten nur ausnahmsweise Vermögensbestandteil sein, wenn sie so verdichtet seien, dass ihnen der Rechtsverkehr bereits einen wirtschaftlichen Wert beimesse, weil sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Vermögenszuwachs erwarten ließen (vgl. -, juris, Rn. 16). Gerade im Hinblick auf die auch vom Generalbundesanwalt betonte Weiternutzung des Studionamens und Ähnlichem handele es sich - wenn überhaupt - um Erwerbs- oder Gewinnaussichten, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung niemals ohne Weiteres Vermögensbestandteil seien. Zudem stelle das Urteil auch nicht fest, ob und in welcher Höhe getätigte Investitionen des Geschädigten durch die Tat tangiert worden seien. Auch dies verstehe sich hier nicht von selbst, sondern bedürfe einer näheren Darlegung. Der landgerichtliche Weg verkenne die Sicherungsfunktion der Schadensdarstellung damit in grober Weise.
III.
18Auf den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat die Kammer die weitere Vollstreckung der gegen den Beschwerdeführer ausgesprochenen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Mannheim vom mit Beschluss vom bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers - längstens für die Dauer von sechs Monaten - ausgesetzt.
IV.
19Das Bundesministerium der Justiz sowie das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Das Bundesministerium der Justiz hat mitgeteilt, von einer Stellungnahme abzusehen. Das Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg hat sich nicht geäußert.
20Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.
V.
21Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers aus Art. 103 Abs. 2 GG angezeigt. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und in einer die Kammerzuständigkeit begründenden Weise offensichtlich begründet (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).
221. Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig, insbesondere genügt die Begründung den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG.
232. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Die angegriffenen Entscheidungen verletzen den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG.
24a) Art. 103 Abs. 2 GG gewährleistet, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Die Bedeutung dieser Verfassungsnorm erschöpft sich nicht im Verbot der gewohnheitsrechtlichen oder rückwirkenden Strafbegründung. Art. 103 Abs. 2 GG enthält für die Gesetzgebung ein striktes Bestimmtheitsgebot sowie ein damit korrespondierendes, an die Rechtsprechung gerichtetes Verbot strafbegründender Analogie (vgl. BVerfGE 75, 329 <340>; 126, 170 <194>; 130, 1 <43>; 160, 284 <317 Rn. 88> - verbotene Kraftfahrzeugrennen <§315d Abs. 1 Nr. 3 StGB>). Dabei ist "Analogie" nicht im engeren technischen Sinn zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die - tatbestandsausweitend - über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>; 160, 284 <320 f. Rn. 94>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 972/21 -, Rn. 12; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1373/20 -, Rn. 33).
25Gegenstand der Auslegung strafgesetzlicher Bestimmungen kann damit immer nur der Gesetzestext sein (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 972/21 -, Rn. 13). Der mögliche Wortsinn des Gesetzes markiert die äußerste Grenze zulässiger richterlicher Interpretation. Da Art. 103 Abs. 2 GG die Vorhersehbarkeit der Strafandrohung für den Normadressaten garantieren will, ist die Wortlautgrenze aus dessen Sicht zu bestimmen (vgl. BVerfGE 92, 1 <12>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Der Gesetzgeber hat zu entscheiden, ob und in welchem Umfang er ein bestimmtes Rechtsgut, dessen Schutz ihm wesentlich und notwendig erscheint, gerade mit den Mitteln des Strafrechts verteidigen will (vgl. BVerfGE 130, 1 <43>; 153, 310 <339 f. Rn. 72> - Knorpelfleisch; BVerfGK 10, 442 <445>; 14, 177 <182>). Den Gerichten ist es verwehrt, seine Entscheidung zu korrigieren (vgl. BVerfGE 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Würde erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Deutung zur Strafbarkeit eines Verhaltens führen, so müssen sie zum Freispruch gelangen und dürfen nicht korrigierend eingreifen (vgl. BVerfGE 64, 383 <393>; 126, 170 <197>; 130, 1 <43>). Dies gilt auch dann, wenn infolge des Bestimmtheitsgebots besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, obwohl sie ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das pönalisierte Verhalten. Es ist dann Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die Strafbarkeitslücke bestehen lassen oder durch eine neue Regelung schließen will (vgl. BVerfGE 92, 1 <13>; 126, 170 <197>; 160, 284 <320 f. Rn. 97>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 972/21 -, Rn. 13).
26Den Strafgerichten ist es dabei nicht verwehrt, den Wortlaut einer Strafbestimmung weit auszulegen. Gerade wenn der Normzweck eindeutig und offensichtlich ist, kann eine daran orientierte weite Auslegung des Wortsinns geboten sein, denn unter dieser Voraussetzung kann der Normadressat das strafrechtlich Verbotene seines Handelns vorhersehen (vgl. BVerfGE 160, 284 <322 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1404/20 -, Rn. 37). Dies zu gewährleisten ist Sinn des Art. 103 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 57, 250 <262>; 160, 284 <322 Rn. 99>). Allerdings sind die Strafgerichte verpflichtet, die einzelnen Tatbestandsmerkmale, mit denen der Gesetzgeber das unter Strafe gestellte Verhalten bezeichnet hat, nicht so zu definieren, dass die vom Gesetzgeber dadurch bewirkte Eingrenzung der Strafbarkeit im Ergebnis wieder aufgehoben wird. Einzelne Tatbestandsmerkmale dürfen - auch zum Schutz des Normadressaten - innerhalb ihres möglichen Wortsinns nicht so weit ausgelegt werden, dass sie vollständig in anderen Tatbestandsmerkmalen aufgehen, also zwangsläufig mit diesen mitverwirklicht werden (Verbot der Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen; vgl. BVerfGE 87, 209 <229>; 92, 1 <16 f.>; 126, 170 <198>; 130, 1 <43 f.>; 160, 284 <322 Rn. 99>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1404/20 -, Rn. 37).
27Im Falle des Nachteilsmerkmals des § 253 Abs. 1 StGB muss die Auslegung dabei den gesetzgeberischen Willen beachten, das Merkmal selbständig neben dem der Nötigung zu statuieren; sie darf dieses Tatbestandsmerkmal nicht mit dem abgenötigten Verhalten verschleifen, das heißt, es in diesem Merkmal aufgehen lassen. Deswegen und um das Vollendungserfordernis zu wahren, sind eigenständige Feststellungen zum Bestehen eines Nachteils geboten. Von einfach gelagerten und eindeutigen Fällen - etwa bei einem ohne Weiteres greifbaren Mindestschaden - abgesehen, werden die Strafgerichte den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen müssen (vgl. zur Untreue BVerfGE 126, 170 <211>; BVerfGK 20, 114 <120>). Normative Gesichtspunkte können bei der Feststellung eines Nachteils durchaus eine Rolle spielen. Sie dürfen aber, soll der Charakter der Erpressung als Vermögensdelikt und Erfolgsdelikt bewahrt bleiben, wirtschaftliche Überlegungen nicht überlagern oder verdrängen (vgl. BVerfGE 126, 170 <211, 228>; 130, 1 <48> zum Betrug; BVerfGK 20, 114 <120>).
28Bei der verfassungsgerichtlichen Überprüfung, ob die Strafgerichte diesen aus Art. 103 Abs. 2 GG folgenden Vorgaben gerecht geworden sind, ist wegen des strengen Gesetzesvorbehalts auch eine strenge inhaltliche Kontrolle gefordert (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>; 130, 1 <44>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1404/20 -, Rn. 38). Sowohl die Überschreitung der Grenzen des Strafgesetzes als auch die Konturierung und Präzisierung ihres Inhalts betreffen die Entscheidung über die Strafbarkeit und damit die Abgrenzung von Judikative und Legislative. Die Klärung der insoweit aufgeworfenen Fragen ist Sache des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 126, 170 <199>; 130, 1 <44>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 972/21 -, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1404/20 -, Rn. 38).
29b) Gemessen hieran entsprechen die Feststellungen des Landgerichts zu einem - von dem Beschwerdeführer zumindest für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen - Vermögensnachteil des Geschädigten und infolgedessen die rechtliche Bewertung des festgestellten Sachverhalts nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen.
30aa) Geschütztes Rechtsgut der §§ 253, 255 StGB ist das Vermögen. Eine versuchte räuberische Erpressung läge deshalb nur vor, wenn der Tatentschluss des Beschwerdeführers darauf gerichtet gewesen wäre, dem Vermögen des Geschädigten einen Nachteil zuzufügen. Der Nachteil für das Vermögen im Sinne des § 253 StGB ist gleichbedeutend mit dem Vermögensschaden beim Betrug (vgl. -, juris, Rn. 12 m.w.N.). Ein Schuldspruch wegen versuchter räuberischer Erpressung durch das Revisionsgericht setzt somit voraus, dass eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechende Bezifferung und Darlegung eines Mindestschadens entweder bereits erfolgt oder - in den Evidenzfällen, in denen sich eine nähere Darlegung erübrigt - sicher möglich ist (vgl. zum Betrug BVerfGE 130, 1 <48>).
31bb) Entsprechende Feststellungen lassen sich den angegriffenen Entscheidungen nicht entnehmen.
32(1) Soweit der Geschädigte genötigt werden sollte, den Betrieb des Tattoostudios aufzugeben und einer Übertragung des Betriebs auf den Mitangeklagten R. zuzustimmen, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen, dass dadurch der wirtschaftliche Gesamtwert des Vermögens des Geschädigten - nach dem für die Versuchsstrafbarkeit maßgeblichen Vorstellungsbild des Beschwerdeführers - gemindert worden wäre.
33(a) Ob das Besitzrecht des Geschädigten an den Räumlichkeiten nach dem Vorstellungsbild des Beschwerdeführers als Vermögensgegenstand angesehen werden und ein Verlust des Besitzrechts zu einer Minderung des wirtschaftlichen Gesamtwerts des Vermögens führen konnte, ist den Urteilsfeststellungen nicht zu entnehmen. Festgestellt ist insoweit lediglich, dass der Geschädigte und der Mitangeklagte R. am Tatort Räumlichkeiten zum Betrieb des Tattoostudios angemietet und dort das Studio eröffnet hatten. Nähere Einzelheiten zum Bestehen oder Inhalt eines Mietvertrages sowie zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Beschwerdeführer ergeben sich daraus nicht. Somit ist auch nicht erkennbar, ob ein solcher Vertrag nach der Vorstellung des Beschwerdeführers für den Geschädigten wirtschaftlich vorteilhaft gewesen wäre sowie ob und gegebenenfalls in welcher Höhe einem durch Mietvertrag eingeräumten Besitzrecht an den Räumlichkeiten die Verpflichtung zu monatlichen Mietzahlungen gegenübergestanden hätte (vgl. dazu -, juris, Rn. 13).
34(b) Auch der Hinweis in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts, dass der Mitangeklagte R. selbst bei einer Auseinandersetzung der Gesellschaft nach den §§ 730 ff. BGB a.F. nicht ohne Weiteres berechtigt gewesen wäre, das Tattoostudio an Ort und Stelle unter der bisherigen Bezeichnung und dem bisherigen Logo weiterzubetreiben, gibt keinen weiteren Aufschluss. Zwar ist anerkannt, dass auch Marken- und Patentrechte dem strafrechtlich geschützten Vermögen unterfallen (vgl. Hefendehl, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 263 Rn. 614; Kubiciel/Tiedemann, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2025, § 263 Rn. 143). Konkrete Feststellungen zur Werthaltigkeit von Logo und Name des Tattoostudios sowie zu den für die Versuchsstrafbarkeit maßgeblichen Vorstellungen des Beschwerdeführers hierzu sind jedoch nicht getroffen. Zur Tatvorgeschichte ist insoweit allein festgestellt, dass laut Aussage des Geschädigten ein Bekannter des Mitangeklagten R. das Logo des Studios sowie eine Webseite entwarf und dafür später ein kostenloses Tattoo erhielt. Ob für das Logo außerdem noch Geld bezahlt wurde, konnte der Geschädigte den Urteilsgründen zufolge nicht berichten. Zum Namen des Tattoostudios geben die Urteilsgründe nur wieder, dass dieser der Kurve einer Motorrennstrecke entstammt. Ob für den Namen oder das Logo etwa eine Marke in das Register des Deutschen Patent- und Markenamts nach § 4 Nr. 1 MarkenG eingetragen wurde oder sie aus sonstigen Gründen Markenschutz genießen und welche Vorstellungen der Beschwerdeführer in Bezug auf das Bestehen eines etwaigen Markenschutzes hatte, kann den Urteilsgründen dagegen nicht entnommen werden.
35(2) Auch hinreichende Feststellungen zum Vorstellungsbild des Beschwerdeführers bezüglich etwaiger Erwerbs- und Gewinnaussichten, die nur ausnahmsweise als Vermögensbestandteil angesehen werden könnten, hat das Landgericht nicht getroffen.
36(a) Der Verlust einer bloßen ungesicherten Aussicht eines Geschäftsabschlusses kann grundsätzlich noch nicht als Vermögensschaden angesehen werden. Erwerbs- und Gewinnaussichten können nur ausnahmsweise Vermögensbestandteil sein, wenn sie so verdichtet sind, dass ihnen der Rechtsverkehr bereits einen wirtschaftlichen Wert beimisst, weil sie mit einiger Wahrscheinlichkeit einen Vermögenszuwachs erwarten lassen (vgl. -, juris, Rn. 16 m.w.N.; Sander, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2021, § 253 Rn. 24; Vogel/Burchard, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl. 2023, § 253 Rn. 30; Wittig, in: BeckOK StGB, § 253 Rn. 14 <Feb. 2025>). Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, können daher auch Erwerbs- und Gewinnaussichten, wie sie mit dem Betrieb einer Gaststätte verbunden sein können, nur ausnahmsweise als Vermögensbestandteil angesehen werden (vgl. -, juris, Rn. 14; zust. Schilling, NStZ 2018, S. 213 <214 f.>; anders wohl noch -, juris, Rn. 4).
37(b) Hierzu hat das Landgericht lediglich festgestellt, dass der Geschädigte mit dem Mitangeklagten R. ursprünglich vereinbart hatte, erwartete Gewinne hälftig zu teilen, und dass der Geschädigte für seine Arbeitsleistung im Tattoostudio - zusätzlich zu der Gewinnbeteiligung - ein Gehalt bekommen haben soll. Später soll der Geschädigte dem Mitangeklagten R. dagegen mitgeteilt haben, er werde an sich und den Mitangeklagten R. jeweils 1.200 Euro pro Monat auszahlen und darüber hinausgehende Gewinne für sich selbst oder das Studio verwenden, woraufhin er die Zahlungen an den Mitangeklagten R. beziehungsweise dessen Lebensgefährtin gekürzt habe. Bezogen auf die Aussage des Mitangeklagten R., er habe über "verschiedene Freunde" erfahren, dass der Geschädigte mit dem Tattoostudio gute Geschäfte mache, sodass ihm klargeworden sei, dass der Geschädigte in erheblichem Maße in die eigene Tasche gearbeitet habe, hat das Landgericht selbst angenommen, diese Vorwürfe seien pauschal geblieben, Namen, konkrete Sachverhalte oder Beträge seien nicht genannt worden. Ob und in welchem Umfang - zumal nach dem hier nicht näher beschriebenen Vorstellungsbild des Beschwerdeführers - auch künftig Einnahmen des Geschädigten aus dem Betrieb des Tattoostudios zu erwarten gewesen wären, bleibt damit offen. Eine ausreichende Beschreibung und Bezifferung eines von dem Beschwerdeführer zumindest für möglich gehaltenen und billigend in Kauf genommenen Vermögensschadens ist damit auch hierin nicht zu erkennen. Somit kann letztlich dahinstehen, ob - wie der Beschwerdeführer meint - bereits der Umstand, dass das Tattoostudio zur Tatzeit im Hinblick auf Corona-Schutzmaßnahmen geschlossen war, einer Verdichtung einer entsprechenden Erwerbs- und Gewinnaussicht entgegenstünde.
38(3) Schließlich ist auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen auch unter dem Gesichtspunkt des Entzuges bereits getätigter Investitionen (vgl. dazu -, juris, Rn. 15) ein von dem Beschwerdeführer zumindest für möglich gehaltener und billigend in Kauf genommener Vermögensschaden nicht zu erkennen. Zwar hat das Landgericht - entgegen der ebenfalls wiedergegebenen Aussage des Mitangeklagten R., wonach dieser den überwiegenden Teil der Kosten zur Einrichtung des Tattoostudios übernommen habe - festgestellt, dass der Geschädigte bis auf die Kosten des Umbaus der Räumlichkeiten, für die der Mitangeklagte R. aufkam, die Investitionen zur Einrichtung des Tattoostudios selbst übernommen hatte. Feststellungen zum Umfang der von dem Beschwerdeführer für möglich gehaltenen Investitionen des Geschädigten fehlen aber ebenso wie zur Frage, ob die abgenötigte Übergabe des Betriebs des Tattoostudios an den Mitangeklagten R. aus der maßgeblichen Sicht des Beschwerdeführers auch die entschädigungslose Abtretung von (werthaltigen) Rechten des Geschädigten an der Einrichtung des Tattoostudios umfasst hätte.
39c) Da der Bundesgerichtshof die Revision des Beschwerdeführers ohne nähere Begründung als unbegründet verworfen hat, leidet seine Entscheidung an denselben Mängeln wie das angegriffene Urteil des Landgerichts.
403. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, da dies zur Durchsetzung der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG).
41a) Eine Annahme ist nach § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG angezeigt, wenn die geltend gemachte Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten besonderes Gewicht hat oder den Beschwerdeführer in existenzieller Weise betrifft (vgl. BVerfGE 90, 22 <25>).
42b) Dies ist vorliegend angesichts der unter Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 2 GG erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe ohne Weiteres der Fall.
VI.
431. Es ist danach festzustellen, dass das Urteil des Landgerichts Mannheim vom und der den Beschwerdeführer in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG verletzen (§ 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG). Der angegriffene Beschluss des Bundesgerichtshofs ist deshalb, soweit er den Beschwerdeführer betrifft, aufzuheben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückzuverweisen (§ 93c Abs. 2 i.V.m. § 95 Abs. 2, § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).
442. Eine Aufhebung des Urteils des Landgerichts durch das Bundesverfassungsgericht ist indes nicht angezeigt. Zwar verletzt - wie gezeigt - auch dieses Urteil den Beschwerdeführer in seinem Recht aus Art. 103 Abs. 2 GG. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist im weiteren Verlauf des Verfahrens sicherzustellen, dass eine Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Erpressungsdelikts ohne die dafür auch aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlichen Feststellungen zum Vermögensnachteil beziehungsweise zum diesbezüglichen Tatentschluss unterbleibt. Hierfür ist es möglicherweise aber nicht erforderlich, das Urteil des Landgerichts, soweit es den Beschwerdeführer betrifft, vollumfänglich, also auch mit allen Feststellungen, aufzuheben. Vielmehr ist zu prüfen, ob das Strafprozessrecht auch den Weg einer den festgestellten Verfassungsverstoß zwar vollständig beseitigenden, insbesondere in Bezug auf die getroffenen Feststellungen aber nur beschränkten Aufhebung des Urteils des Landgerichts eröffnet. Es stellen sich damit Zweifelsfragen darüber, in welchem Umfang der festgestellte Verfassungsverstoß eine Aufhebung der angegriffenen Entscheidung erfordert, die ihre Wurzel nicht im Verfassungs- oder Verfassungsprozessrecht haben, sondern sich gerade aus den Besonderheiten des Strafprozessrechts ergeben. Unter diesen Umständen ist es - ausnahmsweise - gerechtfertigt, allein die Revisionsentscheidung des Bundesgerichtshofs aufzuheben und die Sache an diesen zurückzuverweisen, damit dieser im Rahmen der neuen Revisionsentscheidung den Umfang der Aufhebung des landgerichtlichen Urteils näher bestimmen kann, der aus strafprozessrechtlicher Sicht notwendig ist, um den festgestellten Verfassungsverstoß zu beheben (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1180/94 -, juris, Rn. 15; ferner BVerfGK 14, 177 <186 f.>).
VII.
45Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.
46Die Festsetzung des Gegenstandswertes für die anwaltliche Tätigkeit stützt sich auf § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG in Verbindung mit den Grundsätzen über die Festsetzung des Gegenstandswertes im verfassungsrechtlichen Verfahren (vgl. BVerfGE 79, 365 <368 ff.>).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250409.2bvr197422
Fundstelle(n):
AAAAJ-91349