Instanzenzug: LG Dresden Az: 2 KLs 612 Js 39386/23
Gründe
I.
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit sexueller Nötigung sowie wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit versuchter Nötigung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren rechtskräftigen Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zwei Monaten verurteilt.
2Darüber hinaus hat es gegen den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in drei Fällen, sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 24 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Körperverletzung, wegen Fremdbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Verbreitung kinderpornographischer Inhalte, wegen sexueller Nötigung in vier Fällen und des öffentlichen Zugänglichmachens kinderpornographischer Inhalte in zwei Fällen eine weitere Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten verhängt und eine Einziehungsentscheidung getroffen.
3Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf sachlich-rechtliche und verfahrensrechtliche Beanstandungen gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
II.
41. Den Verfahrensbeanstandungen bleibt aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen der Erfolg versagt.
52. Die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils führt lediglich zu einer teilweisen Änderung des Schuldspruchs und zur Korrektur zweier Einzelstrafen.
6a) Die Schuldsprüche weisen in den Fällen zu II.2.4, II.3.1 und II.2.32 Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.
7aa) In Fall II.2.4 entfällt die tateinheitliche Verurteilung wegen sexueller Nötigung.
8Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte seinem Opfer drohte, es werde bei Verweigerung der begehrten sexuellen Handlungen ausschließlich Oliven zu essen bekommen. Es hat bei seiner rechtlichen Wertung nicht bedacht, dass nach der im Tatzeitraum anzuwendenden, vom bis gültigen Fassung des § 177 Abs. 1 StGB – im Gegensatz zur heutigen Fassung – nur qualifizierte Nötigungsmittel in Form von Gewalt (Nr. 1), Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (Nr. 2) oder Ausnutzung einer schutzlosen Lage (Nr. 3) den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllten. Die hier allein in Betracht kommende „einfache“ Nötigung mit sexuellem Bezug war als besonders schwerer Fall in § 240 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 StGB der vom bis gültigen Fassung strafbar; der Straftatbestand des § 240 StGB aF erweist sich im konkreten Fall als milderes Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB. Für diesen gilt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB eine Verjährungsfrist von fünf Jahren, welche bei der ersten Unterbrechungshandlung (Haftbefehl vom ) bereits abgelaufen war.
9Es ist ohne Bedeutung, dass dieses verjährte Delikt mit den nicht verjährten Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB aF) und des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 StGB aF) in Tateinheit steht. Denn die Verjährung bestimmt sich bei tateinheitlichem Zusammentreffen für jede Gesetzesverletzung gesondert (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 424/21 Rn. 4; und vom – 6 StR 178/22 Rn. 2).
10bb) Die in Fall II.3.1 (Tatzeitraum Sommer 2014) neben dem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern (§ 176a Abs. 2 StGB aF) ausgesprochene tateinheitliche Verurteilung wegen versuchter Nötigung (§§ 240, 22 StGB) muss ebenfalls entfallen, denn auch diese Tat ist aus den oben genannten Gründen verjährt.
11cc) Soweit die Strafkammer in Fall II.2.32 das festgestellte Abspielen pornographischer Videos im Beisein des Nebenklägers als Fremdbesitzverschaffung kinderpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Verbreitung kinderpornographischer Inhalte (§ 184b Abs. 1 StGB) gewürdigt hat, erweist sich dies als rechtsfehlerhaft. Die getroffenen Feststellungen sind nicht beweiswürdigend unterlegt. Die Strafkammer hat sich insoweit allein auf die Angaben
des Nebenklägers gestützt. Dieser hat allerdings bekundet, der Angeklagte habe ihm Aufnahmen vorgespielt, auf denen „weiblichen Kindern unter sechzehn Jahren“ ein Penis vaginal eingeführt wurde. Danach hat sich der Angeklagte lediglich wegen Zugänglichmachens jugendpornographischer Inhalte (§ 184c Abs. 1 Nr. 2 StGB) strafbar gemacht. Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO geändert. Die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
12b) Zum Strafausspruch gilt:
13aa) Der Wegfall der tateinheitlichen Verurteilungen in den Fällen II.2.4 und II.3.1 lässt die für diese Taten verhängten Einzelstrafen unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Strafkammer angesichts des Tatbildes zu niedrigeren Strafen gelangt wäre, zumal da bei der Strafzumessung auch verjährte Taten strafschärfend berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 2 StR 119/24 Rn. 19; vom – 4 StR 381/23 Rn. 11; vom – 5 StR 423/19 Rn. 8).
14bb) Um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, setzt der Senat in Fall II.2.32 (Zugänglichmachen jugendpornographischer Inhalte) aus Gründen der Prozessökonomie die Einzelstrafe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf das gesetzliche Mindestmaß von einem Monat Freiheitsstrafe fest (vgl. Rn. 7).
15cc) Bezüglich der Tat II.4 der Urteilsgründe, die das öffentliche Zugänglichmachen kinderpornographischer Inhalte in zwei Fällen über ein Internetnetzwerk betrifft, hat das Landgericht die Strafen dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 1 StGB in der Fassung vom entnommen, der Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren vorsah. Dabei hat es nicht berücksichtigen können, dass § 184b Abs. 1 StGB durch das am in Kraft getretene „Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches – Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte“ vom (BGBl. I 2024 Nr. 213) als Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe von sechs Monaten neugefasst worden ist; die Strafrahmenobergrenze hat der Gesetzgeber unverändert gelassen. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren gemäß § 354a StPO zu berücksichtigen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 298/24 Rn. 4; vom – 1 StR 278/24 Rn. 3 und vom – 5 StR 591/24 Rn. 2). Er setzt deshalb entsprechend § 354 Abs. 1 StPO die betroffenen Einzelfreiheitsstrafen auf das nunmehr geltende Mindestmaß von sechs Monaten herab, um eine den Angeklagten ausschließlich begünstigende, sofort abschließende Sachentscheidung zu treffen.
163. Die Einzelstrafänderungen der Fälle II.2.32 und II.4. gefährden die Gesamtstrafe von fünf Jahren und zwei Monaten nicht. Im Hinblick auf die Vielzahl der verbleibenden Einzelfreiheitsstrafen von jeweils mehr als einem Jahr bis zu – in 24 Fällen – drei Jahren und zehn Monaten, ist auszuschließen, dass die Strafkammer auf eine mildere Sanktion erkannt hätte.
174. Angesichts des nur geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Gericke Köhler Fritsche
Resch Werner
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:080425B5STR683.24.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-91344