Gründe
1Das Amtsgericht – Schöffengericht – Karlsruhe hat den Angeklagten am wegen Diebstahls und Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die er nachträglich auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Ausweislich eines im Berufungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens litt der Angeklagte zu den jeweiligen Tatzeitpunkten an einer hebephrenen Schizophrenie, weswegen nach Auffassung der kleinen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe die Voraussetzungen der §§ 21, 63 StGB vorliegen könnten. Sie hat das Verfahren deshalb mit Beschluss vom „gemäß §§ 323 Abs. 1, 225a StPO“ der großen Strafkammer des Landgerichts Karlsruhe zur Übernahme vorgelegt, die es mit Beschluss vom übernommen hat.
2Mit Anklageschrift vom hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart den Angeklagten wegen Körperverletzung zum Amtsgericht – Strafrichter – Ludwigsburg angeklagt. Das Hauptverfahren ist dort mit Beschluss vom eröffnet worden. Das Landgericht Karlsruhe ist bereit, das beim Amtsgericht Ludwigsburg rechtshängige Verfahren zu übernehmen und mit dem dort rechtshängigen Verfahren zu verbinden, und hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Die formellen und materiellen Voraussetzungen einer Verbindung durch den Bundesgerichtshof gemäß § 4 Abs. 2 StPO liegen vor.
31. Der Bundesgerichtshof ist gemeinschaftliches oberes Gericht gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 StPO für das Amtsgericht Ludwigsburg (Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart) und das Landgericht Karlsruhe (Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe).
42. Die Verfahren richten sich gegen denselben Angeklagten; die Tatzeiträume liegen eng beieinander. Eine sachgerechte Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB erfordert eine Gesamtwürdigung aller gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe. Eine Verbindung der Verfahren, für die nach § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG die große Strafkammer in erster Instanz zuständig ist, ist daher zweckmäßig.
53. Verbunden werden schließlich zwei erstinstanzliche Verfahren, auch wenn das bei dem Landgericht Karlsruhe rechtshängige Verfahren vor seiner Übernahme durch die große Strafkammer als auf den Rechtsfolgenausspruch beschränktes Berufungsverfahren geführt wurde.
6Auch in dem Karlsruher Verfahren ist die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten, so dass es, was die kleine Strafkammer von Amts wegen in der Berufungsinstanz zu überprüfen hatte, § 6 StPO, tatsächlich nicht in die erstinstanzliche sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte, sondern in die der Landgerichte fiel, § 74 Abs. 1 Satz 2 GVG. Um eine Einstellung dieses Verfahrens durch Prozessurteil in der Berufungsinstanz zu vermeiden, hätte die kleine Strafkammer in der Hauptverhandlung unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils die Sache an die große Strafkammer des Landgerichts mit der Folge verweisen können, dass sie sogleich und ohne Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch als erstinstanzliches Gericht auf der förmlichen Grundlage des ursprünglichen Eröffnungsbeschlusses mit einer neuen Hauptverhandlung zu beginnen hatte (vgl. , BGHSt 21, 245, 247; Beschluss vom – 3 StR 141/09, BGHR StPO § 328 Abs. 2 Verweisungsurteil 1 Rn. 10). Außerhalb der Hauptverhandlung konnte der Vorsitzende der kleinen Strafkammer auf der Grundlage des § 323 Abs. 1 Satz 1 StPO in der seit dem geltenden Fassung in Verbindung mit § 225a Abs. 1 Satz 1 StPO die Akten der großen Strafkammer zur Entscheidung darüber vorlegen, ob sie das Verfahren als erstinstanzliches übernehme. Mit dem Erlass des Übernahmebeschlusses gemäß § 225a Abs. 1 Satz 2 StPO am durch die große Strafkammer (vgl. , BGHSt 44, 121, 123; Löwe/Rosenberg/Jäger, StPO, 27. Aufl., § 225a Rn. 30) traten die Folgen ein, die sonst ein Urteil nach § 328 Abs. 2 StPO gezeitigt hätte. Das erstinstanzliche amtsgerichtliche Urteil wurde gegenstandslos (vgl. , BGHR StPO § 225a Anwendungsbereich 1) und das Verfahren als erstinstanzliches Verfahren bei der großen Strafkammer des Landgerichts rechtshängig.
Menges Appl Zeng
Grube Schmidt
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:120325B2ARS76.25.0
Fundstelle(n):
MAAAJ-90775