Instanzenzug: LG Neubrandenburg Az: 22 KLs 13/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision ausschließlich gegen die vom Landgericht angeordnete „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 23.270 Euro“. Sie beanstandet zum einen – insoweit zugunsten des Angeklagten – die Einziehungsentscheidung in der ausgesprochenen Höhe, zum anderen wendet sie sich – insoweit zuungunsten des Angeklagten – dagegen, dass von der Einziehung eines höheren Betrages abgesehen worden ist. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
21. Nach den Feststellungen des Landgerichts begann der Angeklagte im Sommer 2020, gewinnbringend Marihuana, Haschisch und Amphetamin an einen Abnehmerkreis von zehn Personen zu verkaufen. Er lagerte die Drogen in einer Garage und in einer Wohnung, in der er gemeinsam mit seiner Großmutter lebte; dort wickelte er auch die Verkäufe ab.
3Am wurden bei einer Durchsuchung in den von dem Angeklagten genutzten Objekten Drogen aufgefunden, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren, unter anderem 1.753,20 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 276 Gramm THC, 106 Platten Haschisch mit einem Gesamtnettogewicht von 10.304,936 Gramm und 466,93 Gramm Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 73,4 Gramm Amphetaminbase. Außerdem wurde in dem Zimmer des Angeklagten in der gemeinsam von ihm und seiner Großmutter bewohnten Wohnung Bargeld in Höhe von 3.270 Euro „festgestellt“, bei dem es sich um Einnahmen aus den Rauschgiftgeschäften des Angeklagten handelte.
4Am wurde die gemeinsam von dem Angeklagten und seiner Großmutter genutzte Wohnung erneut durchsucht. Dabei wurde in einer Vitrine im Wohnzimmer und in dem Schlafzimmer der Großmutter am Kopf- und Fußende des Bettes sowie im Bettkasten Bargeld in Höhe von insgesamt 219.490 Euro „festgestellt“ bzw. „aufgefunden“, wovon der Angeklagte 20.000 Euro durch seine Betäubungsmittelverkäufe erlangt hatte.
52. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist wirksam auf die angeordnete „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 23.270 Euro“ und die unterbliebene Einziehung eines darüber hinausgehenden Betrages beschränkt. Es ist insoweit unerheblich, ob es sich bei der Einziehung des Geldbetrages in Höhe von 23.270 Euro um die Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB oder um die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB handelt. In jedem Fall ist die Entscheidung mangels Strafähnlichkeit im Allgemeinen losgelöst vom Schuld- und Strafausspruch einer Rechtsfehlerkontrolle zugänglich (vgl. , BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 25; vom – 5 StR 558/23, Rn. 5). Gleiches gilt für die von der Revision weitergehend erklärte Teilanfechtung der Einziehungsentscheidung; auch insoweit ist eine getrennte Überprüfung des angefochtenen vom nicht angefochtenen Entscheidungsteil möglich (vgl. , Rn. 6).
6Besondere Umstände, in denen die Einziehungsentscheidung ausnahmsweise nicht losgelöst vom Strafausspruch bewertet werden könnte (vgl. zu verbotenen Insidergeschäften nach § 119 Abs. 3 Nr. 1 WpHG BGH, Urteil vom6. Dezember 2023 – 2 StR 471/22, NZWiSt 2024, 282, 286) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Höhe der Taterträge beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im Rahmen der Strafzumessung regelmäßig untergeordnete Bedeutung. Für die Strafzumessung bestimmend im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO sind vielmehr vor allem Art und Menge der Betäubungsmittel. Dementsprechend hat das Landgericht die Höhe der Taterträge bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt.
7Die wirksame Beschränkung der Revision auf die Entscheidung über die Einziehung (des Wertes) von Taterträgen hat zur Folge, dass der Schuld- und der Strafausspruch nicht der Überprüfung des Revisionsgerichts unterliegen, weder auf Rechtsfehler zugunsten noch auf solche zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht durch die Rechtsänderungen infolge Inkrafttretens des Konsumcannabisgesetzes zum (BGBl. I 2024 Nr. 109). Die Berücksichtigung des danach milderen Rechts (§ 2 Abs. 3 StGB) hat zwar im Falle einer Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch Auswirkungen auf den nicht angefochtenen Schuldspruch, damit klar zum Ausdruck kommt, auf welche Gesetze sich der Strafausspruch jetzt gründet (vgl. ; Urteil vom – 3 StR 35/64, BGHSt 20, 116, 121). Anders verhält es sich indes bei einer Beschränkung des Rechtsmittels auf die Gesamtstrafenbildung (vgl. , Rn. 14). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – nur die Höhe des nach den §§ 73, 73c StGB einzuziehenden Betrages in Rede steht.
8Der Bundesgerichtshof hat zwar die Aufhebung einer rechtskräftig verhängten Strafe unter Neufassung des Schuldspruchs gemäß § 354a StPO auch dann für geboten erachtet, wenn der Rechtsmittelangriff lediglich die Frage einer Strafaussetzung zur Bewährung betraf und Schuld- und Strafausspruch rechtskräftig waren (vgl. , BGHSt 26, 1). Das beruhte aber auf der in diesem Fall anzuwendenden Ausnahmevorschrift des Art. 313 Abs. 1 und Abs. 3 EGStGB. So verhält es sich hier nicht. Das abgeurteilte Verhalten des Angeklagten ist – soweit es den Umgang mit Cannabis betrifft – nach wie vor strafbar (vgl. § 34 KCanG). Die Übergangsvorschrift des § 313p EGStGB verweist nur für solche Fälle auf § 313 EGStGB, die nach dem neuen Recht weder strafbar noch bußgeldbewehrt sind (vgl. , Rn. 15).
93. Die Revision ist begründet.
10a) Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht, dass sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob es sich bei der angeordneten „Einziehung eines Geldbetrages in Höhe von 23.270 Euro“ um die Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB oder um die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB handelt. Das Landgericht hat die Entscheidung auf „§ 73 Abs. 1“ StGB gestützt. Es fehlt jedoch an Feststellungen dazu, ob es sich bei dem einzuziehenden Geldbetrag von 23.270 Euro um individualisierbares und gegenständlich noch vorhandenes, insbesondere sichergestelltes, Bargeld handelt oder ob das „festgestellte“ bzw. „aufgefundene“ Bargeld nicht mehr gegenständlich vorhanden ist und schon deshalb nur eine entsprechende Einziehung des Wertes von Taterträgen in Betracht kam. Darauf, dass das Bargeld nicht gegenständlich vorhanden ist, deutet hin, dass das Landgericht bei seinen übrigen Entscheidungen über die Einziehung von Betäubungsmitteln, Betäubungsmittelutensilien und Tatmitteln – anders als bei der „Einziehung des Geldbetrages“ – jeweils ausdrücklich Asservatennummern benannt hat. Zudem hat das Landgericht nicht bedacht, dass die Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB aufgrund einer zwischenzeitlichen Vermischung (§ 948 BGB) von inkriminiertem mit legal erworbenem Bargeld ausscheiden und nur die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB in Betracht kommen könnte (vgl. , NStZ 2010, 85).
11b) Die Staatsanwaltschaft wendet sich auch zu Recht dagegen, dass das Landgericht von einer über den Betrag von 23.270 Euro hinausgehenden Einziehung abgesehen hat, weil nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, dass es sich bei dem übrigen in der von dem Angeklagten und seiner Großmutter genutzten Wohnung aufgefundenen Bargeld ebenfalls um Taterträge des Angeklagten gehandelt habe. Diese Einschätzung entbehrt einer tragfähigen Beweiswürdigung.
12aa) Der Angeklagte hat sich den Urteilsgründen zufolge dahin eingelassen, dass ihm von dem bei der Durchsuchung am aufgefundenen Bargeld in Höhe von 219.490 Euro nur ein Teilbetrag von 20.000 Euro zuzuordnen sei, den er durch seine Betäubungsmittelgeschäfte seit dem Sommer 2020 „in kleinen Schritten verdient“ habe. Im Übrigen habe das Geld teilweise seiner im Jahr 2023 verstorbenen Mutter gehört, die regelmäßig Bargeld angespart habe. Seine Großmutter und er hätten das Geld gefunden, als sie die Wohnung seiner Mutter nach deren Tod aufgeräumt hätten. Sie hätten das Geld nicht gezählt, aber mit in ihre eigene Wohnung genommen. Bestandteil des ursprünglich seiner Mutter gehörenden Bargelds seien zumindest ca. 50.000 Euro gewesen, welche seine Mutter nach dem Tod seines Großvaters für Renovierungsarbeiten in dem von seiner Großmutter erworbenen Haus von dieser erhalten habe. Das restliche Bargeld gehöre seiner Großmutter, die ebenfalls regelmäßig Geld zurückgelegt habe.
13Das Landgericht hat die Angaben des Angeklagten für nicht widerlegbar erachtet. Sie seien nachvollziehbar, und die konkrete Auffindesituation des überwiegend im höchstpersönlichen Bereich der Großmutter des Angeklagten befindlichen Bargelds spreche dafür, dass es aus „Erbschaften“ und Ersparnissen der Großmutter stamme, soweit es über 20.000 Euro hinausgehe. Die Kontoverdichtungen des Angeklagten, seiner Mutter und seiner Großmutter für die Zeit ab Anfang 2015 ließen keine genauen Rückschlüsse auf die Herkunft des restlichen Bargeldbetrages in Höhe von 199.490 Euro zu. Die Einlassung des Angeklagten, dass es sich um Erspartes seiner Verwandten handele, sei dadurch nicht zu widerlegen.
14bb) Die Beweiswürdigung stößt auch eingedenk des insoweit beschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. etwa , Rn. 19 mwN) auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Die Ausführungen des Landgerichts lassen besorgen, dass es die Einlassung des Angeklagten nicht der gebotenen kritischen Überprüfung unterzogen hat. Entlastende Angaben eines Angeklagten, für deren Richtigkeit es keine zureichenden Anhaltspunkte gibt, sind nicht ohne Weiteres als unwiderlegt hinzunehmen und den Feststellungen zugrunde zu legen, weil es für das Gegenteil keine unmittelbaren Beweise gibt. Das Tatgericht hat die Angaben des Angeklagten vielmehr – ebenso wie andere Beweismittel – kritisch auf ihren Wahrheitsgehalt und ihre Plausibilität zu überprüfen, dabei auch gegenläufige Indizien in den Blick zu nehmen und sich aufgrund einer Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme seine Überzeugung von der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der Einlassung zu bilden (vgl. , BGHSt 34, 29, 34; vom – 5 StR 55/15, NStZ-RR 2015, 255; vom – 4 StR 603/19, NStZ 2021, 116, 118 jeweils mwN).
15Das Landgericht hat sich demgegenüber im Wesentlichen darauf beschränkt, die Angaben des Angeklagten jeweils für sich als „nachvollziehbar“ und „nicht zu widerlegen“ zu erachten, ohne sie kritisch auf ihren Wahrheitsgehalt zu hinterfragen. Es hat sich schon nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Angeklagten behauptete Vermischung legaler Ersparnisse mit Erträgen aus seinem Betäubungsmittelhandel plausibel erscheint, sondern sich damit begnügt, die in der Wohnung aufgefundenen Bargeldsummen einer möglichen legalen Herkunft zuzuordnen und dies aufgrund der Einlassung des Angeklagten, dass seine Mutter und seine Großmutter regelmäßig Geld angespart hätten, für nicht widerlegt erachtet. Dabei hat es nicht berücksichtigt, dass die Kontoauswertungen insoweit unergiebig waren und es – wie die Beschwerdeführerin im Einzelnen dargetan hat – aufgrund der Einkommensverhältnisse des Angeklagten und seiner Verwandten eher fernliegt, dass es sich um legal erworbenes, „angespartes“ Geld handelte. Den Blick darauf, dass das in der Wohnung aufgefundene Bargeld insgesamt oder weitgehend aus den Betäubungsmittelgeschäften des Angeklagten herrührte, hat sich das Landgericht dadurch versperrt, dass es auch insoweit unkritisch der Einlassung des Angeklagten gefolgt ist, nur eine „geringe Gewinnspanne“ erzielt zu haben, ohne zu bedenken, dass der Angeklagte mehr als drei Jahre lang Betäubungsmittelhandel mit einem aus zehn Personen bestehenden Abnehmerkreis betrieb und die bei der Durchsuchung am sichergestellten Betäubungsmittelmengen auf ein Handeltreiben in beträchtlichem Ausmaß hindeuten.
16c) Im Hinblick auf die Entscheidung über die Einziehung (des Wertes) von Taterträgen bedarf die Sache deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:080125U6STR241.24.0
Fundstelle(n):
XAAAJ-90621