Suchen
BGH Beschluss v. - 1 StR 489/24

Instanzenzug: LG Dresden Az: 14 KLs 114 Js 50515/18

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen und Fälschung technischer Aufzeichnungen in 939 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Urteilsgründe tragen den Schuldspruch wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen in 939 Fällen. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen hat demgegenüber keinen Bestand, weil das Urteil insoweit nicht den Anforderungen des § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO genügt. Die Urteilsgründe müssen stets eine in sich geschlossene, aus sich heraus verständliche Darstellung der Feststellungen und der sie tragenden Beweiserwägungen enthalten, was hier nicht der Fall ist.

3a) Bei einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung müssen die steuerlich erheblichen Tatsachen festgestellt sein. Dazu gehören insbesondere diejenigen Parameter, die maßgebliche Grundlage für die Steuerberechnung sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 14/24 Rn. 2 und vom – 1 StR 484/18, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Steuerhinterziehung 3 Rn. 3 ff.; jeweils mwN). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht, weil zur Berechnung der Steuerverkürzung auf das „eingeführte Selbstlesekonvolut 10“ (UA S. 57) Bezug genommen wird, das nicht Bestandteil der Urteilsurkunde ist. Bezugnahmen oder Verweisungen auf Urkunden, Aktenbestandteile oder sonstige Erkenntnisse sind aber – abgesehen von § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, der in den Akten befindliche Abbildungen wie Fotos, Bilddateien u.a. betrifft (vgl. § 11 Abs. 3 StGB;  Rn. 2 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 68. Aufl., § 267 Rn. 8 ff. mwN und Fischer, StGB, 72. Aufl., § 11 Rn. 34 ff. mwN) – unzulässig. Soweit die erforderlichen Urteilsfeststellungen durch eine solche unzulässige Bezugnahme ersetzt worden sind, fehlt es verfahrensrechtlich an einer Urteilsbegründung ( Rn. 42; Beschluss vom – 1 StR 167/19 Rn. 4; jeweils mwN).

4b) Die Darstellung des Landgerichts zu den Rohgewinnaufschlagsätzen der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesministeriums für Finanzen (UA S. 54 bis 56) enthält den gleichen Fehler. Auch hier hat das Landgericht auf Selbstlesekonvolute Bezug genommen und dann den auf den Wareneinkauf des Angeklagten im Rahmen eines äußeren Betriebsvergleichs hinzugeschätzten Rohgewinnaufschlag auf 300 % veranschlagt (zur Zulässigkeit eines äußeren Betriebsvergleichs in Gestalt einer Schätzung anhand der Richtsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesministeriums der Finanzen: , BFHE 278, 428; zur steuerstrafrechtlichen Verprobung und Schätzung von Besteuerungsgrundlagen anhand der amtlichen Richtsatzsammlung eingehend , BGHR AO § 370 Abs. 1 Steuerschätzung 6 Rn. 13 ff. mwN).

52. Darüber hinaus weisen die Urteilsgründe auch einen Erörterungsmangel auf.

6Nach den Urteilsfeststellungen wurden die Gewinne aus den vom Angeklagten als eigenes Gewerbe angemeldeten Restaurants, wie vor Aufnahme des Betriebs mit weiteren Personen abgesprochen, regelmäßig gemäß der Vereinbarung verteilt. Das Landgericht hätte sich deshalb bei der Verkürzung von Einkommensteuer mit den Grundsätzen der Mitunternehmerschaft (hierzu Rn. 11 mwN) befassen und prüfen müssen, ob die Einkünfte aus den Restaurants allein dem Angeklagten (als Einzelunternehmer) zuzurechnen oder auf die einzelnen Mitunternehmer aufzuteilen sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 EStG); (zur Verpflichtung des Unternehmers zur fristgemäßen Abgabe einer Erklärung zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen: § 179 Abs. 2 Satz 2, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a, § 181 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 1b AO; zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO als nicht gerechtfertigter Steuervorteil im Sinne von § 370 Abs. 1 AO, vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 322/08 Rn. 21 f., BGHSt 53, 99 ff. und vom – 1 StR 537/12 Rn. 5, BGHSt 58, 50 ff.; zur Bewertungseinheit mit der nachfolgenden Einkommensteuerverkürzung auf Ebene der einzelnen Mitunternehmer, vgl. Rn. 19 mwN). Insoweit müssten konkrete Feststellungen getroffen werden.

73. Der Feststellungs- und Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Steuerhinterziehung in 16 Fällen mit den zugehörigen Feststellungen, der insoweit verhängten Einzelstrafen und der Gesamtstrafe.

84. Der Schuldspruch wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen (§ 268 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2, Abs. 2 StGB) in 939 Fällen hat Bestand, weil er von dem Rechtsfehler nicht berührt wird (§ 353 Abs. 1 StPO). Die in diesen Fällen rechtsfehlerfrei gemäß § 268 Abs. 5, § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB nach Entkräftung der Indizwirkung des Regelbeispiels gegen den geständigen Angeklagten verhängten milden Einzelgeldstrafen von jeweils 30 Tagessätzen zu je 40 € haben ebenfalls Bestand.

Jäger                         Fischer                         Wimmer

             Leplow                    Welnhofer-Zeitler

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:010425B1STR489.24.0

Fundstelle(n):
CAAAJ-90534