Leitsatz
Geschäftsguthaben im Sinn von § 85 Abs. 2 UmwG ist der Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. der bilanziell auszuweisende Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zu- bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen. Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet nicht statt.
Gesetze: § 85 Abs 2 UmwG
Instanzenzug: Bayerisches Oberstes Landesgericht Az: 101 W 169/23 Beschlussvorgehend LG Nürnberg-Fürth Az: 1 HK O 7642/21 Beschluss
Gründe
I.
1Der Antragsteller war als einfaches Mitglied mit zwei Geschäftsanteilen zu je 125 € an der V. Bank eG in N. beteiligt. Diese verschmolz im Jahr 2021 als übertragende Genossenschaft zusammen mit der V. bank N. eG als weitere übertragende Genossenschaft im Wege der Aufnahme auf die Antragsgegnerin (damals firmierend als V. Bank E. eG). Die Höhe des künftigen Geschäftsanteils bei der vereinigten Genossenschaft wurde in § 4 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrags auf 25 € festgesetzt. Zum Umtauschverhältnis der Geschäftsanteile enthielt § 3 Abs. 2 des Verschmelzungsvertrags folgende Regelung:
"Jedes Mitglied der V. bank N. eG und der V. Bank eG ist mit mindestens einem und im Übrigen mit so vielen Geschäftsanteilen bei der V. -Bank-E. eG beteiligt, wie durch Anrechnung ihrer Geschäftsguthaben bei der V. bank N. eG und der V. Bank eG als voll eingezahlt anzusehen sind, zusätzlich einem weiteren Geschäftsanteil für ein etwa verbleibendes Geschäftsguthaben. Für die Feststellung des Geschäftsguthabens ist die Schlussbilanz der übertragenden Genossenschaft maßgeblich."
2Die beiden vom Antragsteller bei der V. Bank eG voll einbezahlten Geschäftsguthaben von insgesamt 250 € wurden im Zuge der Verschmelzung in zehn Geschäftsanteile der Antragsgegnerin zu je 25 € umgetauscht.
3Am hat der Antragsteller beim Landgericht beantragt, die Antragsgegnerin durch Entscheidung im Spruchverfahren zum Ausgleich des nach seiner Behauptung durch die Fusion entstandenen Wertverlusts seiner beiden Genossenschaftsanteile zur Zahlung von 1.063 € zu verurteilen. Das Landgericht hat den Antrag als unzulässig verworfen. Die dagegen erhobene Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg.
4Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sein Ausgleichsbegehren weiter. Der durch das Landgericht bestellte gemeinsame Vertreter der nicht am Verfahren beteiligten Anteilseigner hat sich dem Antrag des Antragstellers angeschlossen.
II.
5Die gemäß § 17 Abs. 1 SpruchG, § 70 Abs. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
61. Das Beschwerdegericht (BayObLG, ZIP 2024, 1600) hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
7Das Landgericht habe zu Recht bereits die Statthaftigkeit eines Spruchverfahrens verneint. Das Spruchverfahrensgesetz sei weder aufgrund spezialgesetzlicher Verweisung noch analog anwendbar. Bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander bestehe ein nach § 15 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG im Spruchverfahren geltend zu machender Ausgleichsanspruch gemäß § 85 Abs. 2 UmwG nur, wenn und soweit das Geschäftsguthaben des Mitglieds in der übernehmenden Gesellschaft niedriger sei als sein Geschäftsguthaben in der übertragenden Gesellschaft. Das sei hier nicht der Fall, da insoweit auf den Nominalwert des Geschäftsguthabens (ohne Berücksichtigung von Rücklagen und stillen Reserven) abzustellen sei und dem Antragsteller bei der Antragsgegnerin Geschäftsanteile mit einem seinem bisherigen Geschäftsguthaben entsprechenden Nominalwert von insgesamt 250 € zugewiesen worden seien. Eine andere Auslegung von § 85 Abs. 2 UmwG sei auch verfassungsrechtlich nicht geboten und eine analoge Anwendung des Spruchverfahrens komme mangels planwidriger Regelungslücke und vergleichbarer Interessenlage nicht in Betracht.
82. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung stand.
9Das Beschwerdegericht hat zu Recht bereits die Statthaftigkeit des Antrags des Antragstellers verneint, weil ein im Spruchverfahren durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf den von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Wertausgleich über den Nominalwert seines bisherigen Geschäftsguthabens hinaus von vornherein nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist (vgl. , ZIP 2013, 2254 Rn. 2).
10a) Nach § 85 Abs. 2 UmwG steht den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft bei einer - wie hier - rein genossenschaftlichen Verschmelzung ein im Spruchverfahren geltend zu machender Anspruch auf Verbesserung des Umtauschverhältnisses nach § 15 UmwG, § 1 Nr. 4 SpruchG nur zu, wenn und soweit ihr Geschäftsguthaben in der übernehmenden Genossenschaft niedriger ist als ihr Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft.
11Geschäftsguthaben im Sinn von § 85 Abs. 2 UmwG ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend angenommen hat, der Nominalwert der Beteiligung des Mitglieds an der Genossenschaft, d.h. der bilanziell auszuweisende (§ 337 Abs. 1 HGB) Betrag, den das Mitglied tatsächlich auf den oder die Geschäftsanteile eingezahlt hat, zu- bzw. abzüglich etwaiger Gewinn- oder Rückvergütungsgutschriften und Verlustabschreibungen gemäß § 19 Abs. 1 GenG (vgl. Beuthien/Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 7 Rn. 4; Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwR, 170. EL März 2018, § 80 Rn. 25; Lutter/Bayer, UmwG, 7. Aufl., § 80 Rn. 15). Eine wirtschaftliche Bewertung des "inneren Werts" des Geschäftsguthabens unter Einbeziehung von Rücklagen oder stillen Reserven der Genossenschaft findet entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht statt.
12aa) Den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber sich bewusst für eine Beschränkung des Ausgleichsanspruchs der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft auf den Nominalwert ihres bisherigen Geschäftsguthabens entschieden hat.
13Nach der Gesetzesbegründung zu der inhaltsgleichen, bis zum28. Februar 2023 geltenden Vorgängerregelung des § 85 Abs. 2 UmwG in § 85 Abs. 1 UmwG aF soll die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs verhindern, dass den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft aus Anlass der Verschmelzung eine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Gesellschaft zuwächst, die ihnen nicht zustehen würde, wenn sie aus der Genossenschaft durch Kündigung (gemäß §§ 93k, § 93m Abs. 1 Satz 3 GenG in der bis zum geltenden Fassung, im Folgenden aF) bzw. durch Ausschlagung (gemäß §§ 90, 93 Abs. 2 UmwG) ausscheiden würden. Zugleich soll damit eine Abschmelzung des Eigenkapitals der Genossenschaft vermieden werden (Fraktions E der CDU/CSU und der FDP eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts [UmwBerG], BT-Drucks. 12/6699, S. 108 zu § 85 Abs. 1 UmwG aF).
14Mit der Neuregelung des § 85 UmwG im Zuge der Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie wurde lediglich die Nummerierung des bisherigen Absatzes 1 wegen der Einfügung des neuen Absatzes 1 in Absatz 2 geändert, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung der bisherigen Bestimmung verbunden sein sollte (RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie[UmRUG], BT-Drucks. 20/3822, S. 81).
15Dass der "innere Wert" des Geschäftsguthabens nach dem Willen des Gesetzgebers bei einer Verschmelzung von Genossenschaften untereinander bei der Bestimmung des Umtauschverhältnisses grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sein soll, ergibt sich des Weiteren aus der Begründung zur Änderung der Regelung zur Angabe des Umtauschverhältnisses in § 80 Abs. 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz UmwG durch das Erste Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes. Danach ermöglicht § 80 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 UmwG, "abweichend von der gesetzlichen Regel, nach der der Berechnung die bei den beteiligten Genossenschaften gebildeten Geschäftsguthaben zugrunde zu legen sind", durch eine entsprechende Regelung in der Satzung "den unterschiedlichen 'inneren' Wert der Geschäftsguthaben … auszugleichen, der sich insbesondere aus unterschiedlichen offenen Rücklagen und stillen Reserven sowie nicht bilanzierungsfähigen Werten (good will)" ergeben kann (RegE, BT-Drucks. 13/8808, S. 13).
16Schließlich wurde auch in der Gesetzesbegründung zu der § 85 Abs. 2 UmwG entsprechenden Regelung in § 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 des Rates vom über das Statut der Europäischen Genossenschaft (SCE) (SCE-Ausführungsgesetz - SCEAG, BGBl. I 2006, 1911) zur Verbesserung des Umtauschverhältnisses bei Gründung einer europäischen Genossenschaft durch Verschmelzung nochmals betont, dass diese Regelung dem auch der Verordnung (Art. 16 Abs. 1, Art. 65 Abs. 3, Art. 75) zugrunde liegenden genossenschaftlichen Grundsatz entspreche, dass einem Mitglied auch bei seinem Ausscheiden kein Anspruch auf Beteiligung an dem inneren Wert der Genossenschaft zustehe (RegE eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts, BT-Drucks. 16/1025, S. 55).
17bb) Systematisch entspricht der Ausschluss eines wirtschaftlichen Wertausgleichs für die Mitglieder der übertragenden Genossenschaft dem in § 73 Abs. 2 Satz 3, § 76 Abs. 1 GenG, § 80 Abs. 1 Nr. 2, § 93 Abs. 2 UmwG zum Ausdruck kommenden genossenschaftsrechtlichen Nominalwertprinzip, nach dem ausscheidende Mitglieder bei der Auseinandersetzung (vorbehaltlich einer abweichenden Satzungsregelung einer Ergebnisrücklage gemäß § 73 Abs. 3 GenG) grundsätzlich keinen Anspruch auf die (anteiligen) Rücklagen oder das sonstige Vermögen der Genossenschaft haben und ihnen nur bei der Auflösung der Genossenschaft gemäß §§ 90, 91 GenG ein Anspruch auf Beteiligung an deren innerem (wirtschaftlichen) Wert in Form des nach Tilgung und Deckung der Schulden verbleibenden Vermögensüberschusses zukommen kann. Das Genossenschaftsvermögen stellt danach, soweit es die Geschäftsguthaben der Mitglieder übersteigt, einen nicht ihnen, sondern auf Dauer der Genossenschaft zweckgebunden zugeordneten Förderkapitalstock dar, der, solange der Förderzweck fortbesteht und erreichbar bleibt, so zweckgetreu wie möglich von Mitgliederstamm zu Mitgliederstamm weiterzureichen ist (vgl. Beuthien, NZG 2022, 1323, 1326). Eine Beteiligung der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft an deren Rücklagen und stillen Reserven durch einen wirtschaftlichen Wertausgleich bei einer rein genossenschaftlichen Verschmelzung wäre demgegenüber systemwidrig (vgl. Frenz in Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 3; Geschwandtner in Böttcher/Habighorst/Schulte, UmwR, 3. Aufl., § 85 UmwG Rn. 1; BeckOGK UmwG/Fuchs, Stand , § 85 Rn. 5, 6; Scholderer in Semler/Stengel/Leonhard, UmwG, 5. Aufl., § 85 Rn. 3; siehe auch Holthaus, NZG 2023, 221).
18Der dagegen im Schrifttum erhobene Einwand, das Beteiligungsverbot des § 73 Abs. 2 Satz 3 GenG gelte nur für das Ausscheiden aus einer fortbestehenden Genossenschaft, wohingegen den Mitgliedern bei Liquidation der Genossenschaft grundsätzlich nach §§ 90, 91 GenG ein Anspruch auf Beteiligung an dem verbleibenden Vermögensüberschuss zustehe, der bereits mit Begründung ihrer Mitgliedschaft aufschiebend bedingt entstehe und aufgrund der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Verschmelzung und Liquidation demnach auch bei der Verschmelzung entsprechend ausgeglichen werden müsse (vgl. Lutter/Bayer, UmwG, 7. Aufl., § 85 Rn. 5 ff.; Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwR, 201. EL September 2022, § 85 UmwG Rn. 24 ff.; Missio in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 10. Aufl., § 85 UmwG Rn. 3; Bleschke, Die Verschmelzung eingetragener Genossenschaften, 2003, S. 203 ff.), greift nicht durch. Die dem zugrundeliegende Auffassung, Liquidation und Verschmelzung seien wirtschaftlich vergleichbar, weil bei der Verschmelzung auf die übernehmende Genossenschaft ebenso wie bei der Liquidation das gesamte Vermögen der übertragenden Genossenschaft vollständig an die Mitglieder verteilt werde, indem ihnen für den Verlust ihrer bisherigen Anteile eine vermögensmäßig entsprechende Beteiligung an der übernehmenden Genossenschaft gewährt werde, trifft nicht zu. Anders als bei der das laufende Geschäft beendenden und auf Vermögensverteilung zielenden Liquidation gemäß §§ 78 ff. GenG führt die Verschmelzung zwar gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG zum Erlöschen der übertragenden Genossenschaft, ihr Vermögen wird aber gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG gerade nicht verteilt, sondern geht auf die übernehmende Genossenschaft über und wird damit substanzerhaltend fortgeführt ("Auflösung ohne Abwicklung", vgl. Scholderer in Semler/Stengel/Leonhard, UmwG, 5. Aufl., § 85 Rn. 5; BeckOGK UmwG/Fuchs,Stand , § 85 Rn. 29; Geschwandtner in Böttcher/Habighorst/Schulte, UmwR, 3. Aufl., § 85 UmwG Rn. 1; Holthaus, NZG 2023, 221, 222). Im Gegensatz zur vollständigen Liquidation einer Genossenschaft besteht bei der Verschmelzung mit einer anderen Genossenschaft bei der übernehmenden Genossenschaft weiterhin ein genossenschaftlicher Zweck, zu dessen Förderung es der Sicherung des Eigenkapitals und der wirtschaftlichen Substanz der Genossenschaft bedarf.
19cc) Die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs eines Mitglieds der übertragenden Genossenschaft auf den Differenzbetrag zwischen den Nominalwerten seiner Geschäftsguthaben bei der übertragenden und der übernehmenden Genossenschaft dient schließlich auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, durch die Begrenzung des Kapitalabflusses bei der übernehmenden Genossenschaft deren Eigenkapital zur (weiteren) Verfolgung ihres Förderzwecks zu bewahren (vgl. BeckOGK UmwG/Fuchs, Stand , § 85 Rn. 6; Beuthien/ Wolff, GenG, 16. Aufl., Sammelkomm. §§ 2 ff. UmwG Rn. 45). Zudem wird den Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft eine stärkere finanzielle Motivation für ein Ausscheiden genommen, um so den Mitgliederbestand bei der Genossenschaft nach der Verschmelzung zu sichern (vgl. BeckOGK UmwG/Fuchs, Stand , § 85 Rn. 5).
20dd) Die vom Antragsteller dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht.
21Die Regelung führt entgegen einer auch im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. Lutter/Bayer, UmwG, 7. Aufl., § 85 Rn. 5 ff.; Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwR, 201. EL September 2022, § 85 UmwG Rn. 24 ff.; Missio in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 10. Aufl., § 85 UmwG Rn. 3; Bleschke, Die Verschmelzung eingetragener Genossenschaften, 2003, S. 203 ff.) zu keiner unangemessenen, gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßenden Benachteiligung der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft (so auch Kölner Kommentar/Schöpflin, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 6 ff.; Scholderer in Semler/Stengel/Leonhard, UmwG 5. Aufl., § 85 Rn. 4 f.; Frenz in Maulbetsch/ Klumpp/Rose, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 7; BeckOGK UmwG/Fuchs,Stand , § 85 Rn. 28 f.; Schulteis, ZIP 2024, 1317; Holthaus, NZG 2023, 221, 222; siehe auch Denga, NZG 2024, 742 ff.).
22Zutreffend ist zwar, dass ein Genosse während seiner Mitgliedschaft an dem wirtschaftlichen Wert der Genossenschaft (einschließlich Rücklagen und sonstigem Vermögen) beteiligt ist (vgl. , ZIP 2009, 1883 Rn. 11). Auch wird der ihm bereits ab der Begründung seiner Mitgliedschaft zustehende aufschiebend bedingte Anspruch auf Beteiligung an einem etwaigen künftigen Liquidationsüberschuss als vermögensrechtliches Element seiner Genossenschaftsbeteiligung auch von dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG erfasst (vgl. BVerfGE 65, 267, 320; 100, 289, 302 zum Aktienanteil; Papier/Hirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Stand 105. EL August 2024, Art. 1 Rn. 310; Dederer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar zum GG, 228. Lfg. 2/2025, Art. 14 Rn. 62; Burghart in Leibholz/Rinck, GG, 92. Lfg. 5/2024, Art. 14 Rn. 152). Zutreffend ist weiter, dass ihm dieser Anspruch durch § 85 Abs. 2 UmwG bei Maßgeblichkeit des Nominalwerts seines Geschäftsguthabens in dem Maße entzogen wird, in dem das die Summe der Geschäftsguthaben übersteigende Vermögen der übertragenden Genossenschaft ohne Ausgleich auf die übernehmende Genossenschaft übergeht.
23Der damit durch § 85 Abs. 2 UmwG bewirkte Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht stellt jedoch eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des genossenschaftsrechtlich vermittelten Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, mit der der Gesetzgeber die schutzwürdigen Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Gleichheitssatzes in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis gebracht hat (vgl. BVerfGE 101, 239, 259; 104, 1, 11; NJW 2017, 217 Rn. 281 ff., 348, 386).Die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs eines Mitglieds der übertragenden Genossenschaft bei einer rein genossenschaftlichen Verschmelzung auf den Nominalwert seines Geschäftsguthabens bei der übertragenden Genossenschaft ist durch das Wesen der Genossenschaft, konkret das die Vermögensinteressen des Mitglieds überwiegende schutzwürdige Interesse an der Sicherung eines Förderkapitalstocks und der wirtschaftlichen Substanz der übernehmenden Genossenschaft, gerechtfertigt.
24(a) Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, sind eingetragene Genossenschaften gemäß § 1 Abs. 1 GenG ihrem Wesen nach darauf gerichtet, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. Dieser Förderzweck ist das charakteristische Merkmal einer Genossenschaft (RegE eines Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts, BT-Drucks. 16/1025, S. 81), weswegen eine als Selbstzweck verfolgte Gewinnerzielungsabsicht den genossenschaftlichen Grundprinzipien widerspricht. Dem steht zwar eine Beteiligung der Mitglieder am wirtschaftlichen Erfolg durch Gewinnausschüttungen oder Gewährung sonstiger Vorteile nicht entgegen (vgl. BVerfGE 164, 347 Rn. 203 mwN). Hauptzweck der Genossenschaft ist aber die gemeinschaftliche Förderung des statutarisch bestimmten Förderzwecks, zu dessen Realisierung das insoweit zweckgebundene Genossenschaftskapital dient (vgl. Beuthien/Beuthien, GenG, 16. Aufl., § 1 Rn. 3 f.). Dementsprechend ist eine Verteilung des Genossenschaftsvermögens unter die Mitglieder - über den Nominalwert ihrer jeweiligen Geschäftsguthaben hinaus - wie oben ausgeführt gesetzlich erst vorgesehen, wenn die Genossenschaft gemäß §§ 90, 91 GenG liquidiert wird und damit kein genossenschaftlicher Förderzweck mehr besteht. Solange der Förderzweck dagegen fortbesteht und erreichbar bleibt, stellt das die Geschäftsguthaben übersteigende Genossenschaftsvermögen, wie oben dargelegt, einen nicht ihnen, sondern auf Dauer der Genossenschaft zweckgebunden zugeordneten und so zweckgetreu wie möglich von Mitgliederstamm an Mitgliederstamm weiterzureichenden Förderkapitalstock dar (vgl. Beuthien, NZG 2022, 1323, 1326).
25Soweit dagegen eingewandt wird, ein besonderes Schutzbedürfnis des Eigenkapitals von Genossenschaften im Verhältnis zu anderen Gesellschaftsformen sei nicht zu erkennen (so Fronhöfer in Widmann/Mayer, UmwR, 201. EL September 2022, § 85 UmwG Rn. 26), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Mitglieder einer Genossenschaft müssen grundsätzlich weder - wie bei Kapitalgesellschaften - ein gesetzlich vorgeschriebenes Mindesthaftkapital aufbringen (§ 7 Nr. 1, § 8a GenG), noch - wie bei Personengesellschaften - für die Verbindlichkeiten der Genossenschaft persönlich haften (vgl. BeckOGK UmwG/Fuchs, Stand , § 85 Rn. 5). Bei Insolvenz der Genossenschaft unterliegen sie zwar gemäß § 105 Abs. 1 GenG einer Nachschusspflicht, die sie aber in der Satzung nicht nur beschränken, sondern gänzlich ausschließen können (§ 6 Nr. 3 GenG). Vor diesem Hintergrund kommt der Erhaltung eines Eigenkapitalstocks sowohl mit Blick auf die Realisierung des gemeinschaftlich verfolgten Förderzwecks als auch zum Schutz von Gläubigerinteressen besondere Bedeutung zu.
26(b) Demgegenüber hat das Interesse des einzelnen Genossenschaftsmitglieds an der Bewahrung seines aufschiebend bedingten Anspruchs auf Beteiligung an einem (etwaigen) Liquidationsüberschuss der übertragenden Genossenschaft zurückzustehen.
27Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich das Mitglied mit seinem Beitritt freiwillig nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen an der Genossenschaft beteiligt hat, d.h. auch in Kenntnis dessen, dass es - vorbehaltlich einer anderen Regelung in der Satzung oder in einem Verschmelzungsvertrag - mit Ausnahme des Falls einer Liquidation der Genossenschaft keinen wirtschaftlichen Ausgleich über den Nominalwert seines Geschäftsguthabens hinaus erwarten kann (vgl. Kölner Kommentar/Schöpflin, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 8). Dass man, wie der Antragsteller geltend macht, bei Beitritt zu einer Genossenschaft nicht zwangsläufig eine Verschmelzung mit einer vermögensschwächeren Genossenschaft und deren Folgen im Blick haben muss, ändert daran nichts.
28Zudem wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Anspruch auf Beteiligung an einem künftigen Liquidationserlös in der Regel (auch aus Sicht des beitretenden Mitglieds) wirtschaftlich kein besonderes Gewicht zukommen dürfte, da insbesondere bei prosperierenden Genossenschaften eine Liquidation kaum zu erwarten ist (vgl. Kölner Kommentar/Schöpflin, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 8; Scholderer in Semler/Stengel/Leonhard, UmwG, 5. Aufl., § 85 Rn. 5; Frenz in Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, 2. Aufl., § 85 Rn. 7; Holthaus, NZG 2023, 221, 222).
29Schließlich stellt die grundsätzliche Beschränkung des Ausgleichsanspruchs auf den Nominalbetrag des Geschäftsguthabens auch deshalb keine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des genossenschaftsrechtlich vermittelten Eigentums dar, weil die Mitglieder einer Genossenschaft grundsätzlich die Möglichkeit haben, fortlaufend selbst über das Ausmaß der Investitionen und Rücklagen zu entscheiden. Anders als Aktionäre beschließen sie bei der Feststellung des Jahresabschlusses in der Generalversammlung gemäß § 48 Abs. 1 GenG nicht nur über die Verteilung des zuvor vom Vorstand und Aufsichtsrat festgelegten Bilanzgewinns (§§ 172 ff. AktG), sondern steht ihnen grundsätzlich die umfassende Finanzhoheit zu, kraft derer sie außer über die Höhe des auf ihre Geschäftsguthaben zu verteilenden oder an sie auszuzahlenden Gewinns (§ 19 Abs. 1 GenG) auch über Investitionen und Rücklagen befinden (vgl. Beuthien, NZG 2022, 1323, 1325; Fahndrich/Bloehs in Pöhlmann/Fahndrich/Bloehs, GenG, 4. Aufl., § 48 Rn. 11 f.; Beuthien/Schöpflin, GenG, 16. Aufl., § 48 Rn. 1, 3 aE; Geibel in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 48 GenG Rn. 2 ff.). Darüber hinaus hat ihnen der Gesetzgeber mit § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 2 UmwG die Möglichkeit an die Hand gegeben, im Verschmelzungsvertrag ein anderes, nicht auf den Nominalwert abstellendes Umtauschverhältnis festzulegen und damit in dieser Form einen wirtschaftlichen Wertausgleich im Zuge der Verschmelzung zu realisieren.
30(c) § 85 Abs. 2 UmwG verstößt nicht gegen das Gebot, die gesetzlichen Regelungen des Eigentums im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 GG auszugestalten (vgl. dazu BVerfG, NJW 2017, 217 Rn. 348). Der dem Gesetzgeber im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich zustehende (vgl. BVerfGE 71, 39, 52 f.; 93, 386, 396 f.; st. Rspr.; siehe auch Burghart in Leibholz/Rinck, GG, 92. Lfg., 5/2024, Art. 3 Rn. 64 ff., 146 ff.) und durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich eröffnete Gestaltungsspielraum wird damit nicht überschrittten. Entgegen der Ansicht des Antragstellers führt die Beschränkung des Ausgleichsanspruchs für die Mitglieder der übertragenden Genossenschaft auf den Nominalwert des Geschäftsguthabens zu keiner ungerechtfertigten Benachteiligung gegenüber den Mitgliedern der übernehmenden Genossenschaft, da diesen gemäß § 85 Abs. 1 UmwG von vornherein (gar) kein im Spruchverfahren durchsetzbarer Anspruch auf bare Zuzahlung wegen eines unangemessenen Umtauschverhältnisses gemäß § 15 UmwG zusteht.
31Sie haben zwar durch den in § 85 Abs. 1 UmwG enthaltenen Ausschluss von § 14 Abs. 2 UmwG (wie vor Änderung von § 14 Abs. 2, § 15 UmwG aF durch das UmRUG die Anteilsinhaber eines übernehmenden Rechtsträgers jeglicher Rechtsform) die Möglichkeit, eine Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses oder des Gegenwerts für den Anteil/die Mitgliedschaft beim übertragenden Rechtsträger im Wege der Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses geltend zu machen (RegE zum UmRUG, BT-Drucks. 20/3822, S. 81). Abgesehen davon, dass damit für das einzelne Mitglied gegenüber einer Anspruchsdurchsetzung im Spruchverfahren erheblich größere Prozess- und Kostenrisiken verbunden sind, kann es mit der Anfechtung des Verschmelzungsbeschlusses aber auch nur die Verschmelzung zu den vereinbarten Umtauschbedingungen verhindern, ohne jedoch sein eigentliches Ziel - ein aus seiner Sicht richtiges Umtauschverhältnis oder einen angemessenen Wertausgleich - zu erreichen (ausführlich dazu Martens, AG 2000, 301, 303 f.; siehe auch Hommelhoff, NZG 2022, 683; Winter in Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 10. Aufl., § 14 UmwG Rn. 29 mwN; jeweils zu § 14 UmwG aF). Ein adäquates, die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft gegenüber den auf § 85 Abs. 2, § 15 UmwG verwiesenen Mitgliedern der übertragenden Genossenschaft gleichheitswidrig bevorzugendes Mittel zur Durchsetzung ihres individuellen Interesses an einem über den Nominalwert hinausgehenden Wertausgleich steht ihnen damit nicht zu.
32Dass sie von einem über dem Nominalwert der Geschäftsguthaben der Genossenschaft liegenden Vermögen der übertragenden Genossenschaft mittelbar durch einen entsprechenden Wertzuwachs bei ihrer (übernehmenden) Genossenschaft profitieren, ist, wie oben ausgeführt, durch die dadurch bewirkte Erhaltung eines zweckgebundenen Förderkapitals gerechtfertigt.
33ee) Eine teleologische Reduktion des Anspruchsausschlusses nach § 85 Abs. 2 UmwG in Fällen, in denen der innere Wert sich maßgeblich von dem Nominalwert des Geschäftsguthabens unterscheidet, kommt mangels einer diesbezüglichen verdeckten Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes nicht in Betracht. Sie ist aus den oben genannten Gründen verfassungsrechtlich nicht geboten und würde angesichts des im Wortlaut und in der Gesetzesbegründung zu § 85 UmwG zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers die Grenzen zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten (vgl. , NJW 2021, 2281 Rn. 36; Beschluss vom - II ZB 8/22, ZIP 2022, 1859 Rn. 12; jeweils mwN).
34b) Danach ist hier ein im Spruchverfahren gemäß § 15 Abs. 1, § 1 Nr. 4 SpruchG durchsetzbarer Anspruch des Antragstellers auf Zahlung eines Ausgleichs wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses nach § 85 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen. Die in Höhe von insgesamt 250 € voll einbezahlten Geschäftsguthaben des Antragstellers bei der übertragenden Genossenschaft sind in zehn Geschäftsanteile bei der Antragsgegnerin mit in der Summe gleichem Nominalwert umgetauscht worden.
35c) Eine entsprechende Anwendung des Spruchverfahrens ist ebenfalls ausgeschlossen. Zwar enthält § 1 SpruchG keine abschließende Auflistung der Fälle, in denen ein Spruchverfahren eröffnet ist, so dass auch eine analoge Anwendung möglich ist (vgl. , BGHZ 153, 47, 58; BeckOGK SpruchG/Drescher, Stand , § 1 Rn. 17; Hörtnagl in Schmitt/Hörtnagl, UmwG, 10. Aufl., § 1 SpruchG Rn. 1). Einer entsprechenden Anwendung steht aber auch hier die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen die Eröffnung des Spruchverfahrens für einen den Nominalwert seines bisherigen Geschäftsguthabens übersteigenden Ausgleichanspruch des Mitglieds der übertragenden Genossenschaft bei einer rein genossenschaftlichen Verschmelzung und damit das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen (vgl. BeckOGK SpruchG/Drescher, Stand , § 1 Rn. 17).
363. Die Kostenentscheidung beruht auf § 15 SpruchG. Nach § 15 Abs. 1 SpruchG sind die Gerichtskosten den Antragstellern aufzuerlegen, wenn dies der Billigkeit entspricht, was nur ausnahmsweise, etwa bei Rechtsmissbrauch, zu bejahen ist (vgl. , ZIP 2024, 1070 Rn. 82 mwN). Ein Rechtsmissbrauch des Antragstellers ist schon im Hinblick auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nicht ersichtlich. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers und der Antragsgegnerin findet nicht statt. Anlass, der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers nach § 15 Abs. 2 SpruchG aufzuerlegen, besteht angesichts der Unbegründetheit der Rechtsbeschwerde nicht.
Born B. Grüneberg Sander
von Selle Adams
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:180325BIIZB7.24.0
Fundstelle(n):
EAAAJ-90192