Instanzenzug: LG Hagen (Westfalen) Az: 49 KLs 500 Js 376/19 - 30/19 Urteil
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 Euro verurteilt, von der es wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung 90 Tagessätze für vollstreckt erklärt hat. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt zur Feststellung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung des Revisionsverfahrens; im Übrigen ist es unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
I.
2Dem Antrag des Generalbundesanwalts auf Verwerfung der Revision als unzulässig gemäß § 349 Abs. 1 StPO kann nicht gefolgt werden. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die ausweislich des Prüfvermerks per Elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach durch den Verteidiger als Absender unter dessen Nutzer-ID und mit seiner qualifizierten elektronischen Signatur fristgerecht eingegangene Revisionsbegründungsschrift nicht in der gemäß § 345 Abs. 2, § 32a Abs. 3 StPO erforderlichen Form erfolgt ist. Dass die Einreichung des elektronischen Dokuments hier durch eine Kanzleiangestellte vorgenommen worden sein könnte, ist angesichts der qualifizierten elektronischen Signatur des Verteidigers unschädlich (vgl. aber zur Übermittlung einfach signierter Dokumente per beA: ; Beschluss vom – 3 StR 292/23, jeweils mwN). Der Senat kann den beiden von Seiten der Verteidigung vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen – anders als im Antrag des Generalbundesanwalts ausgeführt – auch nicht entnehmen, dass eine der Mitarbeiterinnen anstelle des Verteidigers dessen qualifizierte elektronische Signatur angebracht hätte. Vielmehr wird explizit darin versichert, Rechtsanwalt R. habe den eingescannten Schriftsatz unterzeichnet.
II.
3Der mit Verteidigerschriftsatz vom gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „hinsichtlich der Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist“ ist unzulässig.
41. Der Angeklagte hat mit der Revision fristgerecht die vermeintlich zu Unrecht erfolgte Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gerügt. Auf Grundlage des gleichen Tatsachenvortrags hat er ferner darin liegende Verstöße gegen § 194 GVG und § 238 Abs. 2 StPO geltend gemacht. Das vom Angeklagten angebrachte Befangenheitsgesuch, die hierauf erfolgte dienstliche Stellungnahme des Vorsitzenden, der ablehnende Beschluss und weitere in Bezug genommene Dokumente sind jedoch nicht vollständig vorgetragen worden. Wenn in der Revisionsbegründungsschrift – erkennbar an der Einleitung „hat folgenden Wortlaut:“ – eine wörtliche Bezugnahme zu erwarten war, folgt anstelle eines hineinkopierten Dokuments eine fortlaufend paginierte Leerseite. Nach Kenntnisnahme der Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft, in der auf diesen Mangel hingewiesen worden war, hat der Angeklagte Wiedereinsetzung beantragt und zugleich eine um die fehlenden Dokumente ergänzte Revisionsbegründungsschrift nachgereicht.
52. Da die Sachrüge form- und fristgerecht begründet worden ist, geht der Antrag insoweit ins Leere.
63. Soweit das Wiedereinsetzungsgesuch auf eine Ergänzung der Verfahrensrügen gerichtet ist, ist es ebenfalls unzulässig.
7Gemäß § 44 Satz 1 StPO kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, wenn eine Frist versäumt worden ist. Das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung dient nicht dazu, formale Mängel in der Revisionsbegründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) zu heilen. Infolgedessen kommt es bei bloßen Begründungsmängeln einer Verfahrensrüge nicht darauf an, ob den Angeklagten an dem Begründungsmangel kein Verschulden trifft (vgl. zum Ganzen ; Beschluss vom – 1 StR 91/18; jeweils mwN). Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einer Verfahrensrüge kommt daher nur in besonderen Prozesssituationen in Betracht, wenn dies zur Wahrung des Anspruchs des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) unerlässlich erscheint (st. Rspr.; vgl. mwN; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 44 Rn. 7 ff.).
8Eine solche Ausnahmesituation liegt hier nicht vor. Der Verteidiger des Angeklagten hatte bereits vor Ablauf der Revisionsbegründungsfrist Kenntnis von dem Inhalt des eigenhändig verfassten Befangenheitsgesuchs, der dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden und dem zugehörigen Gerichtsbeschluss. Er hat in seiner fristgerecht eingegangenen Revisionsbegründung mitgeteilt, diese Dokumente im Wortlaut wiederzugeben, dies dann aber unterlassen, ohne mangels Gewährung von Akteneinsicht an der formgerechten Erhebung gehindert worden zu sein (vgl. mwN). Es handelt sich auch nicht um einen technischen Übersendungsfehler (vgl. mwN). Die 42 Seiten umfassende Revisionsbegründungsschrift ist durchgehend paginiert, alle Seiten sind lückenlos fristgerecht eingereicht worden. Das Nichtbemerken des Fehlens von angekündigten wörtlichen Zitaten stellt keinen Sachverhalt dar, der es zur Wahrung des Anspruchs des Angeklagten auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG unerlässlich erscheinen lässt, Wiedereinsetzung zur Nachholung von Verfahrensrügen zu gewähren (vgl. ).
III.
9Das Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Die diesbezüglichen Ausführungen auf den Seiten drei und vier der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zur Unbegründetheit der Revision sind als hilfsweise gestellter Verwerfungsantrag nach § 349 Abs. 2 StPO zu verstehen (vgl. ).
101. Die Verfahrensrügen genügen mangels Mitteilung des Inhalts der in der Revisionsbegründungsschrift in Bezug genommenen Dokumente bereits nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Hinsichtlich der im Einzelnen unvollständig vorgetragenen Urkunden wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
112. Die umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat aus den ebenfalls in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen zum Schuld- und Rechtsfolgenausspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
123. Das Urteil ist jedoch um eine Kompensation für eine während des Revisionsverfahrens vor dem Bundesgerichtshof eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung (von vier Monaten) zu ergänzen. Zur Kompensation genügt im vorliegenden Fall die ausdrückliche Feststellung des Konventionsverstoßes (vgl. ; Beschluss vom – 3 StR 402/23).
Quentin Maatsch Scheuß
Marks Gödicke
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:250325B4STR357.23.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-90026