Nachreichung der für eine Vorsteuervergütung relevanten Belege erst nach Eintritt der Bestandskraft der Umsatzsteuerbescheide
als grobes Verschulden im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
kein EU-rechtlicher Anspruch auf Änderung der nach nationalem Recht bestandskräftig gewordenen Umsatzsteuerbescheide
Leitsatz
1. Der Umstand, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin bzw. die Klägerin die für eine Vorsteuervergütung relevanten Belege
nicht vor Erlass der zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Umsatzsteuerbescheide vorgelegt haben, dass allen Beteiligten
die Entscheidungserheblichkeit dieser Belege bereits ein halbes Jahr vor Erlass der streitigen Umsatzbescheide bekannt war
und die Klägerin gleichwohl nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt hat, stellt sich als grobes Verschulden im Sinne des § 173
Abs. 1 Nr. 2 AO dar.
2. Dem Grunde nach verfügen die EU-Mitgliedstaaten über eine Verfahrensautonomie, die allerdings dadurch begrenzt wird, dass
die für die Mehrwertsteuer geltenden Vorschriften nicht ungünstiger sein dürfen als diejenigen, die gleichartige interne Sachverhalte
regeln (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen
oder sie übermäßig erschweren dürfen (Effektivitätsgrundsatz; vgl. EuGH-Rechtsprechung).
3. War zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Finanzamt mehrere Jahre lang streitig, ob der Rechtsvorgängerin
der Klägerin Vorsteuervergütungen für die Streitjahre zustanden, und standen ihr bis zur Bestandskraft der endgültigen Steuerfestsetzungen
fast vier bzw. drei Jahre nach Ablauf der Streitjahre zur Verfügung, um den Vorsteuerabzug geltend zu machen und die Vorlage
der dafür erforderlichen Belege vorzubereiten, und hatte die Klägerin nach Erlass der streitigen Umsatzsteuerbescheide noch
einen Monat Zeit, um Einspruch einzulegen und die für den Vorsteuerabzug erforderlichen Belege nachzureichen, so machten es
unter diesen Umständen die Verfahrensregelungen des deutschen Rechts der Rechtsvorgängerin der Klägerin oder ihren Gesamtrechtsnachfolgerinnen
nicht praktisch unmöglich, den ihr zustehenden Vorsteuerabzug geltend zu machen, und erschwerten dies auch nicht übermäßig.
Aus dem EU-Recht bzw. der EuGH-Rechtsprechung ergibt sich bei diesem Sachverhalt kein unionsrechtlicher Anspruch auf Änderung
der nach nationalem Recht bestandskräftig gewordenen Umsatzsteuerbescheide.
Fundstelle(n): OAAAJ-89964
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