Zuordnung von Beitragszeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung - Tätigkeit eines überlassenen Arbeitnehmers als Fördermaschinist in einem knappschaftlichen Entleihbetrieb
Gesetze: § 7 Abs 1 S 1 SGB 4, § 1 SGB 6, § 133 Nr 1 SGB 6, § 133 Nr 2 SGB 6, § 134 Abs 1 SGB 6, § 134 Abs 4 SGB 6, § 149 SGB 6, § 1 AÜG, § 8 AÜG
Instanzenzug: SG Gelsenkirchen Az: S 18 R 530/18 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 18 R 761/20 Urteil
Tatbestand
1Zwischen den Beteiligten ist die Zuordnung der Beschäftigungszeiten vom bis zum zur knappschaftlichen Rentenversicherung streitig.
2Der Kläger war bei der Beigeladenen zu 1 angestellt. Dabei handelt es sich um einen Betrieb, in dem Hoch-, Tief-, und Industriebauten aller Art insbesondere Schachtabteufen, Untertagearbeiten, Tunnelbau, Spezialtiefbau, Stollenbau und ähnliche Arbeiten durchgeführt werden. Die Beigeladene zu 1 verfügte über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Sie überließ den Kläger während der streitbefangenen Zeiten der Beigeladenen zu 2 als Leiharbeitnehmer zur Arbeitsleistung. Bei dieser handelt es sich um einen knappschaftlichen Betrieb, in dem Steinkohle bergmännisch gewonnen wird. Der Kläger wurde dort auf Grundlage einer Zusatzvereinbarung vom zu seinem mit der Beigeladenen zu 1 geschlossenen Arbeitsvertrag ganz überwiegend als "Seilfahrt-/Fördermaschinist über Tage in der Wasserhaltung" auf stillgelegten Bergwerken eingesetzt. Als Fördermaschinist führte er die Seilfahrten von Bergleuten nach unter Tage sowie die Förderung von Bergematerial von unter Tage nach über Tage durch. Dabei war er an der jeweiligen Fördermaschine über Tage allein im Einsatz und bediente die Fördermaschine selbständig.
3Die Beigeladene zu 1 führte im streitbefangenen Zeitraum für den Kläger Beiträge zur knappschaftlichen Rentenversicherung ab. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers der allgemeinen Rentenversicherung zuzuordnen sei, und stellte dies auch gegenüber dem Kläger fest (Bescheid vom ). Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom ; ). Das LSG hob die angefochtenen Bescheide auf (Urteil vom - L 18 KN 116/12). Die dagegen erhobene Revision der Beklagten wies das BSG mit der Begründung zurück, diese sei nicht berechtigt gewesen, gegenüber dem Kläger isoliert über die Zuordnung von Beschäftigungszeiten zur allgemeinen oder zur knappschaftlichen Rentenversicherung durch Verwaltungsakt zu entscheiden ( - SozR 4-2600 § 201 Nr 2).
4Während des damaligen Revisionsverfahrens wurde die Beklagte aufgefordert, zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung am BSG einen aktuellen Versicherungsverlauf des Klägers zu übermitteln. Daraufhin erließ sie den Vormerkungsbescheid vom , in dem Zeiten der knappschaftlichen Rentenversicherung vom bis zum festgestellt wurden. Die Beklagte hob den Vormerkungsbescheid zunächst auf, hob diesen Aufhebungsbescheid wegen formeller Fehler jedoch seinerseits wieder auf. Nach Anhörung des Klägers zur beabsichtigten erneuten Aufhebung des Vormerkungsbescheids vom nahm die Beklagte diesen mit Bescheid vom teilweise zurück und stellte für den Zeitraum vom bis zum Pflichtbeitragszeiten in der allgemeinen Rentenversicherung fest. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom ).
5Das den Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Zuordnung von Beschäftigungszeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung. Er sei nicht in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt gewesen. Das maßgebliche sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis habe allein zu der Beigeladenen zu 1 bestanden. Der Kläger habe auch keine knappschaftlichen Arbeiten im Sinne des Gesetzes ausgeübt (Urteil vom ).
6Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 133 Nr 1 und 2 sowie § 134 Abs 1 und 4 SGB VI. Er habe in einem knappschaftlichen Betrieb gearbeitet, weil er als entliehener Arbeitnehmer in den Betrieb der Beigeladenen zu 2 eingegliedert gewesen sei. Es komme nicht darauf an, bei wem er iS des § 7 SGB IV beschäftigt gewesen sei, sondern wo er tatsächlich gearbeitet habe. Im Übrigen habe er auch überwiegend knappschaftliche Arbeiten verrichtet. Die Tätigkeit als Fördermaschinist sei in entsprechender Anwendung des § 134 Abs 4 SGB VI von den dort aufgeführten Arbeiten erfasst.
7Der Kläger beantragt,das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom zurückzuweisen.
8Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
9Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
10Die Beigeladene zu 1 hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beigeladene zu 2 hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert. Beide Beigeladenen stellen keine Anträge.
Gründe
11Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das LSG auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
12A. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom , mit dem die Beklagte den Bescheid vom , soweit er für den Zeitraum vom bis zum Zeiten der knappschaftlichen Rentenversicherung verbindlich feststellte, zurücknahm und die Zeiten vom bis einschließlich der allgemeinen Rentenversicherung zuordnete. Der Kläger hat bereits vor dem SG nicht nur die Aufhebung der Rücknahmeentscheidung hinsichtlich des Zeitraums bis verlangt, sondern die Zuordnung seiner Beschäftigungszeiten bis einschließlich zur knappschaftlichen Rentenversicherung. Bei sachgemäßer Auslegung (vgl § 123 SGG) ist sein Begehren als eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alt 1 iVm Alt 2, § 56 SGG) zu behandeln gewesen. Über den Verpflichtungsantrag hinsichtlich der begehrten Zuordnung von Beitragszeiten zur knappschaftlichen Rentenversicherung im Jahr 2010 hat das LSG auch zumindest konkludent entschieden, in dem es die Klage insgesamt als unbegründet abgewiesen hat (§ 157 Satz 1 SGG - s hierzu - SozR 4-2600 § 249b Nr 1 - RdNr 16).
13B. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 Satz 1 SGG). Der Kläger war im streitbefangenen Zeitraum nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert.
14I. Rechtsgrundlage ist, soweit die Beklagte den Vormerkungsbescheid vom bezüglich der Zeiten vom bis zum teilweise zurückgenommen hat, § 45 Abs 1 SGB X. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, soweit er rechtswidrig ist, unter den Einschränkungen der Abs 2 bis 4 mit Wirkung für die Vergangenheit oder für die Zukunft zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
151. Der Vormerkungsbescheid vom war rechtswidrig. Nach § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI stellt der Versicherungsträger die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Vormerkungsbescheid fest, wenn er das Versicherungskonto geklärt hat oder der Versicherte innerhalb von sechs Kalendermonaten nach Versendung des Versicherungsverlaufs seinem Inhalt nicht widersprochen hat. Als Versicherungsverlauf bezeichnet das Gesetz die im Versicherungskonto des Betroffenen gespeicherten Sozialdaten, die für die Feststellung der Höhe einer Rentenanwartschaft erheblich sind (§ 149 Abs 3 SGB VI). Der Vormerkungsbescheid vom stellte den Versicherungsverlauf für die Zeit vom bis zum unzutreffend fest. Der Kläger war in diesem Zeitraum nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert.
16a) Die Beklagte ist als Träger der knappschaftlichen Rentenversicherung zuständig für Versicherte, die in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt sind (§ 133 Nr 1 SGB VI), ausschließlich oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten verrichten (§ 133 Nr 2 SGB VI) oder bei einer Arbeitnehmer- bzw Arbeitgeberorganisation bzw einer anderen Stelle mit entsprechenden Beiträgen zur knappschaftlichen Versicherung beschäftigt sind (§ 133 Nr 3 SGB VI). Letzteres kommt hier nicht in Betracht. Es war auch weder ein Fall des § 133 Nr 1 SGB VI noch des § 133 Nr 2 SGB VI gegeben.
17aa) Die Voraussetzungen des § 133 Nr 1 SGG lagen nicht vor.
18(1) Der Kläger war nicht in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt. Er war bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt, die ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) keine Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewinnt und deshalb kein knappschaftlicher und auch kein gleichgestellter Betrieb (vgl § 134 Abs 1 bis 3 SGB VI) ist. Ein Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen zu 2, einem nach den Feststellungen des LSG knappschaftlichen Betrieb, bestand hingegen nicht.
19IS des § 133 Nr 1 SGB VI kann nur als Versicherter in einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt sein, wer zu dem in § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI definierten Personenkreis der versicherungspflichtigen Beschäftigten gehört (vgl auch Polster in BeckOGK, SGB VI, Stand , § 133 RdNr 4; Tempel in jurisPK SGB VI, Stand , § 133 RdNr 14). Danach sind Personen versicherungspflichtig, wenn sie gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt werden. Den Begriff der Beschäftigung bestimmt § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV für sämtliche Bereiche der Sozialversicherung als eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs 1 Satz 2 SGB IV).
20Im Fall einer - wie hier - erlaubten Arbeitnehmerüberlassung übt der Leiharbeitnehmer die Tätigkeit zwar unter Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Entleihers aus und unterliegt seinem Weisungsregime (so seit ausdrücklich in § 1 Abs 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) idF des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom , BGBl I 258, geregelt; siehe zur bis zum geltenden Rechtslage zB - juris RdNr 26 mwN; vgl auch Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze, BR-Drucks 294/16 S 14). Es wird aber kein Beschäftigungsverhältnis zu dem Entleiher begründet (vgl - SozR 4-2400 § 7 Nr 69 RdNr 17). Auch wenn dieser teilweise Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, besteht das Beschäftigungsverhältnis - wie das LSG zu Recht angenommen hat - ausschließlich zum Verleiher als Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Das zeigt sich auch hier. Nach dem Arbeitsvertrag, einschließlich der Zusatzvereinbarung vom , war nur die Beigeladene zu 1 Arbeitgeberin des Klägers, die allein zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags verpflichtet war (vgl §§ 28d, 28e Abs 1 SGB IV). Die Beigeladene zu 2 haftete lediglich für die Erfüllung dieser Zahlungspflicht (vgl § 28e Abs 2 SGB IV).
21(2) Bei einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung ist auch unter Berücksichtigung deren Besonderheiten keine andere Auslegung nach § 133 Nr 1 SGB VI geboten. Auch insoweit ist für die Zuordnung zur knappschaftlichen Rentenversicherung allein auf den Beschäftigungsbetrieb abzustellen.
22(a) Zwar unterscheidet sich der Wortlaut des § 133 Nr 1 SGB VI ("in" einem knappschaftlichen Betrieb beschäftigt) von dem Gesetzestext in § 133 Nr 3 SGB VI ("bei" einer der dort genannten Organisationen beschäftigt). Dem lässt sich aber nicht entnehmen, dass für eine knappschaftliche Rentenversicherung nach § 133 Nr 1 SGB VI allein der Beschäftigungsort, dh der Ort, an dem die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt wird (§ 9 Abs 1 SGB IV), maßgeblich sein soll. Insbesondere historische Erwägungen unter Einbeziehung der weiteren Systematik und des Grundzwecks der knappschaftlichen Rentenversicherung sprechen für das hier vertretene Verständnis.
23Bereits unter der Geltung von § 1 Abs 1 iVm § 2 Reichsknappschaftsgesetz (RKG) in der ersten Fassung vom (RGBl 1923 I 431) wurde es als unbefriedigend empfunden, dass Personen, die vorwiegend in knappschaftlichen Betrieben arbeiteten, ohne Arbeitnehmer des jeweiligen Bergwerkbesitzers zu sein, nicht knappschaftlich versichert waren. In der Folge wurde in § 1 der Verordnung über knappschaftliche Arbeiten vom (VO 1933 - RGBl I S 66 bzw BGBl III 1964, Gliederungsnr 822-3-1) bestimmt, dass die dort aufgeführten Arbeiten von der knappschaftlichen Versicherung erfasst wurden, wenn sie räumlich und betrieblich mit einem Bergwerksbetrieb zusammenhingen, aber von einem anderen Unternehmer ausgeführt wurden (zur Gesetzeshistorie siehe auch - SozR Nr 1 zu § 1 RKG, Aa1 f; May, NZS 1996, 377, 378). Diese vorkonstitutionelle Regelung wurde zumindest als Auslegungshilfe weiter herangezogen (vgl - SozR 4-2600 § 134 Nr 3 RdNr 26; - SozR 4-5050 § 22 Nr 3 RdNr 38; 5a/5 RKn 19/79 - SozR 2600 § 1 Nr 3; - SozR Nr 1 zu § 1 RKG; zur Problematik vgl May, NZS 1996, 377) und im Wesentlichen unverändert zum in § 134 Abs 4 SGB VI überführt (Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom , BGBl I 3024; BT-Drucks 16/6540 zu Art 6 Nr 7 <§ 134> S 27). Dies zeigt, dass der Gesetzgeber trotz der damals bereits in ihrem heutigen Wortlaut existierenden Vorschrift des § 133 Nr 1 SGB VI noch ein Regelungsbedürfnis für Arbeiten sah, die von einem nicht dem knappschaftlichen Betrieb angehörigen Arbeitnehmer verrichtet werden, aber räumlich und betrieblich mit diesem zusammenhängen.
24Dass die Zuordnung zur knappschaftlichen Rentenversicherung nicht nur auf den knappschaftlichen Betrieb, sondern auch auf die knappschaftliche Tätigkeit iS des heutigen § 134 Abs 4 SGB VI abstellt, entspricht dem Grundzweck der knappschaftlichen Versicherung. Bereits nach der Gesetzesbegründung zum Reichsknappschaftsgesetz vom sollten die mit bergmännischer Arbeit beschäftigten Personen erfasst sein. Die Versicherung sollte eine Berufsversicherung der Bergarbeiter darstellen, die ihren Ursprung in dem Gedanken hatte, dass den schwierigen Verhältnissen und Gefahren des Bergbaus und der stärkeren Abnutzung der Körperkräfte des Bergarbeiters im Vergleich zu anderen gewerblichen Arbeitern besonders Rechnung getragen werden müsse (vgl bereits - SozR Nr 1 zu § 1 RKG, juris RdNr 18f). Diese Rechtfertigung für die berufsständische Versicherung der Bergleute und ihren Fortbestand gilt auch heute noch (vgl - SozR 4-2600 § 134 Nr 3 RdNr 27). Auch dies belegt, dass nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers die Begründung einer knappschaftlichen Rentenversicherung über die Regelung im heutigen § 133 Nr 1 SGB VI ein Beschäftigungsverhältnis zu einem knappschaftlichen Betrieb voraussetzt.
25(b) Ein anderes Verständnis von § 133 Nr 1 SGB VI ist auch nicht im Hinblick auf den Gleichstellungsgrundsatz nach dem AÜG iVm der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom (Leiharbeitsrichtlinie) geboten.Danach ist der Verleiher verpflichtet, dem Leiharbeitnehmer für die Zeit der Überlassung an den Entleiher die im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers geltenden wesentlichen Arbeits- (und Beschäftigungs-)bedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts zu gewähren; ein Tarifvertrag kann davon abweichen (sog "equal-pay"/"equal-treatment"-Grundsatz; vgl Art 5 der Leiharbeitsrichtlinie; §§ 3 Abs 1 Nr 3, 9 Nr 2, 10 Abs 4 AÜG in der hier einschlägigen Fassung des Ersten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom , BGBl I 4607; vgl auch § 8 AÜG idF des Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze vom , BGBl I 258). Die Versicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung ist schon kein Umstand, den ein Verleiher einem Leiharbeitnehmer zu dessen Schutz gewähren könnte. Als Teil der Sozialversicherung ist die knappschaftliche Rentenversicherung eine kraft Gesetzes bestehende Pflichtversicherung. Der davon erfasste Personenkreis wird ausschließlich und abschließend durch Gesetz bestimmt (vgl §§ 133, 134, 273 SGB VI). Eine Beitragszahlung an die Beklagte konstituiert keine Versicherung in der knappschaftlichen Rentenversicherung, sondern wäre deren Folge.
26Auch soweit die knappschaftliche Rentenversicherung als ein bifunktionales Alterssicherungssystem verstanden wird, das die soziale (Regel-)Alterssicherung um eine (betriebliche) Zusatzsicherung ergänzt (vgl Knorr, SGb 2016, 567, 568; Tempel in jurisPK-SGB VI, Stand , § 79 RdNr 10; zum bifunktionalen Charakter der knappschaftlichen Rentenversicherung vgl auch Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, BT-Drucks 11/4124 S 173) und dazu eine erhöhte Beitragstragung durch den Arbeitgeber vorsieht (§ 168 Abs 3 Halbsatz 2 SGB VI), ist dies lediglich die Folge einer kraft Gesetzes bestehenden Versicherungspflicht, begründet diese aber nicht. Bei der Beitragstragung durch den Arbeitgeber handelt es sich nicht um eine wesentliche Arbeits- und (Beschäftigungs-)bedingung, die nach dem "equal-pay"-Grundsatz einem Leiharbeitnehmer wie dem Kläger gewährt werden könnte. Der arbeitgeberfinanzierte Beitragsanteil zur knappschaftlichen Rentenversicherung stellt kein Arbeitsentgelt iS von § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV dar (vgl - BSGE 125, 207 = SozR 4-2400 § 35a Nr 5, RdNr 30; ausführlich - BSGE 86, 262 = SozR 3-2600 § 210 Nr 2 = juris RdNr 80 ff). Er gehört auch nicht zu dem für die Anwendung des AÜG maßgeblichen Bruttoarbeitslohn (vgl - juris RdNr 26f).
27bb) Die Voraussetzungen des § 133 Nr 2 iVm § 134 Abs 4 SGB VI sind ebenfalls nicht erfüllt. Der Kläger verrichtete im streitbefangenen Zeitraum nicht ausschließlich oder überwiegend knappschaftliche Arbeiten. Knappschaftliche Arbeiten sind die in § 134 Abs 4 Nr 1 bis 11 SGB VI genannten Arbeiten, wenn sie räumlich und betrieblich mit einem Bergwerksbetrieb zusammenhängen, aber von einem anderen Unternehmer ausgeführt werden (sog Unternehmerarbeiten). Es kann dahingestellt bleiben, ob im Fall einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung Arbeiten "von einem anderen Unternehmer" iS des § 134 Abs 4 SGB VI ausgeführt werden. Jedenfalls sind die weiteren Voraussetzungen der Rechtsnorm hier nicht erfüllt.
28Ausgehend von den für den Senat bindend festgestellten Aufgaben des Klägers kann die von ihm ausgeübte Tätigkeit des Fördermaschinisten unter keine der im Gesetz genannten Katalogarbeiten gefasst werden. Der Katalog von knappschaftlichen Unternehmerarbeiten in § 134 Abs 4 SGB VI, der den zuvor in § 1 Abs 1 VO 1933 aufgeführten Arbeiten bis auf geringfügige sprachliche Änderungen entspricht, ist abschließend (noch zu § 1 der VO 1933 vgl - SozR Nr 2 zu § 1 RKG - juris RdNr 21 "katalogweise und erschöpfend"; - juris RdNr 30 "enumerativer Katalog"; Polster in BeckOGK, SGB VI, Stand , § 134 RdNr 17 “abschließender Katalog“; zur entsprechenden Anwendung von § 1 Abs 1 VO 1933 nur im Hinblick auf die Unternehmereigenschaft bei Tätigwerden eines Vereins für die bergbaulichen Interessen vgl - SozR Nr 1 zu § 1 RKG - juris RdNr 19). Hieran hält der Senat fest.
29Insbesondere kommt keine analoge Anwendung hinsichtlich der in § 134 Abs 4 SGB VI genannten Tätigkeiten in Betracht. Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung einer gesetzlichen Vorschrift ist, dass die Norm analogiefähig ist, das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem vom Gesetzgeber geregelten Tatbestand vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von denselben Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl - SozR 4-4300 § 131a Nr 3 RdNr 19 mwN; zu den verfassungsrechtlichen Schranken der richterlichen Rechtsfortbildung vgl auch - juris RdNr 75; aus jüngerer Zeit vgl auch - juris RdNr 130).
30(1) Es liegen entgegen der Rechtsauffassung des Klägers keine Anhaltspunkte vor, dass der Gesetzgeber die knappschaftlichen Arbeiten, die unter den Schutz der knappschaftlichen Rentenversicherung fallen sollen, nur unvollständig erfasst hätte. Vielmehr belegen die Gesetzesmaterialien zur Änderung des § 134 SGB VI (siehe BT-Drucks 16/6540 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vierten Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom - zu Art 6 Nr 7 <§ 134> S 27), wonach die Regelung dem geltenden Recht entspreche, bisher in § 1 der VO 1933 enthalten gewesen sei und nun aus Gründen der Rechtsbereinigung in das SGB VI überführt werde, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der bisherigen Rechtlage und mithin auch der Rechtsprechung des BSG im Wesentlichen lediglich die in der VO 1933 aufgeführten Tätigkeiten als knappschaftliche Arbeiten erfassen wollte. Dass er sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens im Einzelnen mit dem Inhalt der VO 1933 auseinander gesetzt hat, zeigen die vorgenommenen Änderungen (vgl § 134 Abs 4 Nr 6 "das Rangieren" anstelle "das Verschieben"; Nr 7 den Zusatz "zur Zeche gehörenden" und Nr 11 den Zusatz "Sanierungsarbeiten wie beispielsweise" und "sowie" anstelle eines Kommas) sowie die Anfügung des § 134 Abs 6 SGB VI, nach dem nunmehr auch Montagearbeiten unter Tage knappschaftliche Arbeiten iS des § 134 Abs 4 Nr 1 sind, wenn sie die Dauer von drei Monaten überschreiten.
31Anders als vom Kläger vorgebracht, ist Leiharbeit im Bergbau keine "relativ neue Entwicklung". Wie die Änderungen des RKG im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des AÜG zum zeigen, befasste sich der Gesetzgeber schon damals mit der Arbeitnehmerüberlassung im knappschaftlichen Bereich (vgl BT-Drucks VI/2303 S 17 f; Art 3 § 3 des Gesetzes zur Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung - Arbeitnehmerüberlassungsgesetz - AÜG vom , BGBl I S 1393, 1398 f). So wurde insbesondere das Bedürfnis gesehen, die subsidiäre Bürgenhaftung des Entleihers bei Nichterfüllung der Zahlungspflicht des Verleihers für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag auch im Geltungsbereich des RKG einzuführen (siehe § 114 Abs 1 Satz 2 RKG iVm § 393 Abs 3 RVO jeweils idF des AÜG vom ; jetzt § 28e Abs 2 SGB IV).
32Dass die Regelung im jetzigen § 134 Abs 4 SGB VI nicht hinter dem Plan des Gesetzgebers zurückgeblieben ist, wird insbesondere aus einem im Gesetzgebungsverfahren abgelehnten Änderungsvorschlag des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz - vgl BT-Drucks 19/5412) deutlich. Danach sollten Arbeiten in Objekten des Altbergbaus unter Tage den knappschaftlichen Tätigkeiten gleichgestellt und hierfür dem § 134 SGB VI ein Abs 7 angefügt werden. Eines solchen Änderungsvorschlags hätte es bei einem weiten Verständnis der von § 134 Abs 4 SGB VI erfassten Tätigkeiten nicht bedurft. Zudem belegen die Gesetzesmaterialien, dass die Ausdehnung des § 134 SGB VI auf Arbeiten unter Tage im Altbergbau nicht befürwortet und die von § 134 SGB VI erfassten Arbeiten als abschließend betrachtet wurden. Ziel des § 134 SGB VI sei es gerade nicht, auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die knappschaftliche Rentenversicherung einzubeziehen, die die Sicherung und Verwahrung von altbergbaulichen schadensrelevanten Hinterlassenschaften übernehmen (vgl BT-Drucks 19/5412 S 8).
33(2) Darüber hinaus ist auch eine Vergleichbarkeit der Interessenlage nicht ersichtlich. Bei den einzelnen Katalogarbeiten muss es sich um körperlich belastende und den spezifischen Gefahren des Bergbaus ausgesetzte Arbeiten handeln, die den besonderen Schutz der knappschaftlichen Rentenversicherung rechtfertigen. Selbst bei den im Katalog der Nr 2 bis 11 genannten Arbeiten, die nicht unter Tage stattfinden, muss es sich um solche handeln, die ebenso kräftezehrend und gesundheitsgefährdend sind wie Tätigkeiten unter Tage (vgl - SozR 4-2600 § 134 Nr 3 RdNr 27; - SozR 4-5050 § 22 Nr 3 RdNr 38; - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 = juris RdNr 29). Nur solche Tätigkeiten entsprechen dem bereits aufgezeigten Grundzweck der knappschaftlichen Versicherung. Ausgehend von den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG trifft dies auf die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als über Tage eingesetzter Fördermaschinist nicht zu. Die Tätigkeit mag zwar - wie das LSG festgestellt hat - gehobene Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit stellen und auch eine gewisse körperliche Leistungsfähigkeit voraussetzen. Sie wird jedoch ganz überwiegend im Sitzen und ohne das Heben und Tragen schwerer Gegenstände und ohne starke Belastungen durch Rauch, Staub, Dämpfe oder Gas, Hitze oder Zugluft und ohne besondere Unfallgefahr ausgeführt. Die Tätigkeit ist nach diesen Feststellungen vorwiegend geistig und nicht körperlich geprägt (siehe auch zur Tätigkeit des Fördermaschinisten im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau - juris RdNr 39 ff).
34Entgegen der Ansicht des Klägers folgt aus § 23 Abs 2 Nr 4 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung (Renten-Überleitungsgesetz - RÜG vom , BGBl I 1606) nichts anderes. Danach sind Arbeiten als Fördermaschinist als Untertagetätigkeit iS des § 23 Abs 1 Nr 1 RÜG definiert. Es handelt sich um eine Überleitungsvorschrift, die in ihrem materiellen Gehalt den am im Beitrittsgebiet geltenden Bestimmungen des Rentenrechts entspricht (hier konkret § 41 Abs 1 Buchstabe a bis h Erste Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung - s BT-Drucks 12/405, S 143 zu § 23). Wie die zeitlich spätere Änderung des § 134 SGB VI zum (Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom , BGBl I 3024) zeigt, hat sich der Gesetzgeber dabei gerade nicht an § 23 RÜG orientiert, sondern die Regelung in § 1 VO 1933 in das SGB VI überführt.
35b) Der Kläger kann auch keine günstigere Rechtsfolge aus der Regelung des § 273 SGB VI herleiten (vgl dazu - SozR 3-8110 Kap VIII H III Nr 1 Nr 2 = juris RdNr 30 ff). Es ist nicht ersichtlich, dass er sich auf Besitzschutz wegen einer vor dem bei der Bundesknappschaft versicherten und noch andauernden Tätigkeit in einem nichtknappschaftlichen Betrieb (§ 273 Abs 1 Satz 1 SGB VI) oder wegen Verschmelzung und Umwandlung eines Betriebs, für den die Bundesknappschaft vor dem zuständig gewesen ist (§ 273 Abs 1 Satz 2 SGB VI), berufen kann.
362. Die Rücknahmeverfügung erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs 2 bis 4 SGB X. Insbesondere bestehen - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - keine Anhaltspunkte, die einen Vertrauensschutz des Klägers begründen könnten. Die Beklagte hat zudem ihr Rücknahmeermessen ordnungsgemäß ausgeübt (siehe hierzu auch - vorgesehen für SozR 4-2600 § 149 Nr 8 - juris RdNr 27).
37II. Dem Kläger steht auch hinsichtlich der Beschäftigungszeiten vom bis zum kein Anspruch auf Zuordnung zur knappschaftlichen Rentenversicherung zu. Soweit die Beklagte mit Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom erstmalig eine Zuordnung der im Jahr 2010 zurückgelegten Beschäftigungszeiten des Klägers zur allgemeinen Rentenversicherung gemäß § 149 Abs 5 Satz 1 SGB VI festgestellt hat (siehe zur Befugnis, einen ausgelagerten Vormerkungsbescheid zu erlassen, zuletzt - vorgesehen für BSGE und SozR 4-2600 § 56 Nr 12 - juris RdNr 13), erfolgte dies zu Recht. Der Kläger war auch in dieser Zeit nicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung versichert. Nach den bindenden Feststellungen des LSG war er unverändert bei der Beigeladenen zu 1 angestellt und der Beigeladenen zu 2 als Fördermaschinist zur Arbeitsleistung überlassen. Die obigen Ausführungen lassen sich mithin auf das Jahr 2010 übertragen.
38C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 Satz 1 iVm § 193 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:191224UB5R824R0
Fundstelle(n):
VAAAJ-89914