Instanzenzug: Az: 12 KLs 19/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jeweils zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft haben zuungunsten der Angeklagten im Schuld- und Strafausspruch Erfolg; im Übrigen bleibt ihnen der Erfolg versagt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen – und seitens des Angeklagten G. auch formellen – Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten führen zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs; im Übrigen haben sie keinen Erfolg.
I.
3Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4Die Angeklagten erhielten vor März 2023 von einer unbekannt gebliebenen Person das Angebot, als Gärtner auf einer Plantage in D. zu arbeiten. Diese Person war Teil einer Gruppierung unter der Leitung eines gesondert Verfolgten, die sich dem Anbau von und dem Handel mit Marihuana widmete. Die Angeklagten fassten angesichts ihrer angespannten finanziellen Situation unabhängig voneinander den Entschluss, das Angebot anzunehmen, ohne zunächst zu wissen, dass die Plantage dem Anbau von Marihuana diente.
5Beide Angeklagte begannen Anfang März 2023 die Arbeit auf der Plantage und lernten sich dort kennen. Als sie die Plantage betraten und die dort befindlichen Pflanzen feststellten, wurde ihnen deutlich, dass es sich um den Anbau und die Herstellung von Marihuana handelte. Gleichwohl entschlossen sie sich, die Tätigkeit als Gärtner durchzuführen. Ihnen war bewusst, dass sie durch ihren Tatbeitrag den Betäubungsmittelhandel jedenfalls der Person unterstützten, die ihnen die Arbeitstätigkeit unterbreitet hatte. Sie wussten jedoch weder, dass die Plantage von einer Gruppierung betrieben wurde, noch kannten sie der Gruppierung angehörige Personen.
6Den Angeklagten wurde untersagt, die Plantage zu verlassen. Sie bekamen den Schlüssel zu den Räumlichkeiten und hielten die Zugänge stets von innen verschlossen. Sie befanden sich dort lediglich zu zweit und bestellten Lebensmittel, Zigaretten sowie die für den Betrieb der Plantage erforderlichen Materialien per WhatsApp bei einer Telefonnummer, die ihnen von der unbekannten Person mitgeteilt worden war. Die Gegenstände wurden zur Plantage gebracht und vor der abgeschlossenen Tür abgestellt.
7Die Aufgabe der Angeklagten bestand darin, die Pflanzen auf der Plantage zu versorgen. Ihre Tätigkeit umfasste außerdem das Abernten der reifen Pflanzen und das Verpacken des geernteten Materials. Die Pflanzen waren verteilt auf sechs verschiedene Räume. Sie benötigten jeweils drei Monate bis zum Erreichen der Erntereife und befanden sich in unterschiedlichen Wachstumsstadien, sodass jeden Monat Pflanzen abzuernten waren. Das abgeerntete Marihuana wurde abgeholt, zu dem Logistikzentrum der Gruppierung in D. gebracht und von dort aus von der Gruppierung an unbekannt gebliebene Abnehmer verkauft.
8Am wurde die Plantage von der Polizei durchsucht. Bei der Durchsuchung wurden insgesamt 1.109 Pflanzen in unterschiedlichen Größen verteilt auf sechs Plantagenräume mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 732,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) aufgefunden. Zudem wurden bereits abgeerntetes Marihuana mit einem Nettogewicht von 3.809 Gramm und einem Wirkstoffgehalt von 529 Gramm THC sowie weitere 7.363 Gramm mit einem Wirkstoffgehalt von 964 Gramm THC sichergestellt.
II.
Revisionen der Staatsanwaltschaft
9Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind der Schuld- und Strafausspruch aufzuheben.
101. Die Revisionen sind – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht auf den Schuldspruch und die Strafbemessung beschränkt. Denn die Staatsanwaltschaft hat mit der Revisionsbegründung die Sachrüge unbeschränkt erhoben und zudem beantragt, das Urteil insgesamt aufzuheben. Dass die Feststellungen von den Revisionen ausgenommen worden sind, ergibt sich daraus nicht.
112. Die Verurteilung hat keinen Bestand. Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, hinsichtlich der nicht abgeernteten Cannabispflanzen den Tatbestand des Anbaus (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b, Abs. 4 Nr. 3 KCanG oder § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 30a Abs. 1 BtMG) anzunehmen und zudem nicht in den Blick genommen, ob die Angeklagten als Mitglieder einer Bande handelten (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG oder § 30a Abs. 1 BtMG). Vor diesem Hintergrund kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob hinsichtlich der Tat das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für die Angeklagten günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist oder es ungeachtet der Rechtsänderung bei einem Schuldspruch nach dem Betäubungsmittelgesetz zu verbleiben hat. Im Einzelnen:
12a) Das Landgericht ist dem Erfordernis der Erschöpfung des Prozessstoffs durch vollständige Aburteilung der verfahrensgegenständlichen Tat (§ 264 StPO) nicht nachgekommen, indem es sich nicht zur Aufzucht der 1.109 Pflanzen verhält, die zum Zeitpunkt der Durchsuchung noch im Wachstum befindlich waren. Hierdurch ist der Tatbestand des Anbaus sowohl nach dem Betäubungsmittelgesetz als auch nach dem Konsumcannabisgesetz verwirklicht (vgl. Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 54 ff.).
13Der Tatbestand des Anbaus steht in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 278/24, juris Rn. 11; vom – 3 StR 98/24, juris Rn. 12). Mit dem Tatbestand des Herstellens hinsichtlich des abgeernteten Marihuanas (vgl. , NStZ-RR 2015, 14, 15) – ebenfalls in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben – könnte ein Verhältnis der Tatmehrheit gegeben sein. Insoweit dürfte es nicht darauf ankommen, ob die Pflanzen sukzessive oder gleichzeitig in einer oder mehreren Plantagen angebaut werden. Maßgeblich könnte insoweit der jeweilige (geplante) Verkaufsvorgang sein. Dieser könnte die Zäsur des Anbaus darstellen, die Tat des Handeltreibens konkretisiert haben und die zur Erzeugung des verkauften Betäubungsmittels notwendigen Anbauvorgänge von denen abtrennen, die der Herstellung der nächsten Lieferung und damit der nächsten Tat des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dienen (vgl. , NStZ 2019, 414 Rn. 14; Urteil vom – 3 StR 546/14, BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2 Rn. 10). Dieses Konkurrenzverhältnis wird das neue Tatgericht näher zu prüfen haben.
14b) Zudem hat das Landgericht den Sachverhalt insoweit unzureichend ausgeschöpft, als es ein Handeln der Angeklagten als Mitglieder einer Bande nicht in den Blick genommen hat.
15aa) Der Begriff der Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstypus zu begehen. Danach unterscheidet sich die Bande von der Mittäterschaft durch das Element der auf eine gewisse Dauer angelegten Verbindung zu zukünftiger gemeinsamer Deliktsbegehung. Ein gefestigter Bandenwille oder ein Tätigwerden in einem übergeordneten Bandeninteresse ist nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. , BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9 Rn. 9 mwN). Mitglied einer Bande kann auch derjenige Tatbeteiligte sein, dem nach der Bandenabrede nur Aufgaben zufallen, die sich bei wertender Betrachtung als Gehilfentätigkeit darstellen (, BGHSt 47, 214). Die Bandenabrede muss nicht ausdrücklich getroffen werden; vielmehr genügt jede Form auch stillschweigender Vereinbarung, die aus dem wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann (, BGHSt 47, 214, 219 f.). Sie setzt nicht voraus, dass sich alle Beteiligten persönlich absprechen und untereinander kennen; vielmehr kann sie auch durch aufeinander folgende Vereinbarungen entstehen. Insbesondere kann die Bandenabrede dadurch zu Stande kommen, dass sich zwei Personen einig sind, künftig im Einzelnen noch ungewisse Straftaten mit zumindest einem dritten Beteiligten zu begehen, und der von der Absprache informierte Dritte sich der Vereinbarung ausdrücklich oder durch schlüssiges Verhalten anschließt (, BGHSt 50, 160, 163 f.).
16bb) Das Landgericht hat festgestellt, dass beide Angeklagte in Ausführung ihres zuvor gefassten Entschlusses handelten, durch sukzessive Aufzucht und das Abernten von Marihuanapflanzen einen fortwährenden Beitrag zum gewinnbringenden Handel ihres Arbeitgebers (der unbekannten Person) zu leisten. Diese Dreierverbindung kann bereits das Merkmal der Bande im strafrechtlichen Sinn begründen, ohne dass den Angeklagten die Identität ihres Arbeitgebers bekannt sein muss (vgl. , juris Rn. 25, 28; vom – 3 StR 255/21, juris Rn. 34 mwN; vom – 5 StR 366/21, juris Rn. 16 f.). Insoweit qualifizieren § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG und § 30a Abs. 1 BtMG sowohl den Anbau als auch das Herstellen und das Handeltreiben bzw. hier die Beihilfe zum Handeltreiben.
17c) Die in Rede stehende Strafbarkeit des Umgangs mit Marihuana ergibt sich nunmehr grundsätzlich aus § 34 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG. Welches Recht für den vor der Gesetzesänderung abgeschlossenen Sachverhalt gemäß § 354a StPO maßgeblich ist, richtet sich danach, ob die bei der Tat oder die jetzt geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist. Dazu ist zu prüfen, welches Gesetz anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt. Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt, etwa ein gesetzlich geregelter besonders oder minder schwerer Fall angenommen wird, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. , NStZ 2024, 547 Rn. 5 mwN).
18Für eine Strafbarkeit wegen des gegebenenfalls in Betracht kommenden bandenmäßigen Anbaus in Tateinheit mit Beihilfe zum Bandenhandel und wegen bandenmäßigen Herstellens in Tateinheit mit Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 1 BtMG) oder mit Marihuana (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) kommt es darauf an, inwieweit sich die Taten konkret jeweils als ein minder schwerer Fall darstellen; denn die Strafrahmen nach § 34 Abs. 4 KCanG sind gegenüber § 30a BtMG nur insofern günstiger, als die Regelungen für den jeweiligen Qualifikationstatbestand und die minder schweren Fälle direkt verglichen werden. Falls das Tatgericht aber nach den Umständen jeweils lediglich einen minder schweren Fall nach § 30a Abs. 3 BtMG, nicht aber nach § 34 Abs. 4 KCanG für gegeben hielte, wäre die Anwendung des § 30a Abs. 3 BtMG milder (vgl. insgesamt , NStZ-RR 2024, 282, 283). Eine Schuldspruchänderung durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO scheidet vor diesem Hintergrund aus.
193. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können aufrechterhalten bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
III.
Revisionen der Angeklagten
201. Die Verfahrensrüge des Angeklagten G. ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
212. Die auf die Sachrügen der Angeklagten gebotene Überprüfung des Urteils führt ebenfalls zur Aufhebung des Schuld- und Strafausspruchs. Wie zuvor dargelegt, ergibt sich die hier in Rede stehende Strafbarkeit des Umgangs mit Marihuana nunmehr grundsätzlich aus § 34 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 4 KCanG. Welches Recht für den vor der Gesetzesänderung abgeschlossenen Sachverhalt gemäß § 354a StPO maßgeblich ist, richtet sich danach, ob die bei der Tat oder die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB ist. Dazu ist zu prüfen, welches Gesetz anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt. Eine Änderung des Schuldspruchs entsprechend § 354 Abs. 1 StPO durch den Senat kommt vorliegend nicht in Betracht, da aufgrund des Erfolgs der Revisionen der Staatsanwaltschaft eine erneute Verhandlung über den Schuldspruch notwendig ist und erst dann das günstigere Ergebnis beurteilt werden kann.
223. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bleiben aufrechterhalten (§ 353 Abs. 2 StPO).
Prof. Dr. Schäfer Dr. Hohoff Dr. Anstötz
Dr. Voigt Munk
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:060325U3STR289.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-89905