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BAG Beschluss v. - 4 AZB 29/24

Prozesskostenhilfe - Entschädigungszahlungen nach AGG als Einkommen oder Vermögen

Instanzenzug: ArbG Duisburg Az: 3 Ca 1245/23 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 11 SLa 374/24 Beschluss

Gründe

1I. Die Parteien streiten in der Hauptsache über eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Innerhalb der Frist zur Einlegung der Berufung hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines noch zu benennenden Rechtsanwalts beantragt und diesem Antrag eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigefügt, in der als Einkommen ein monatlicher Betrag von … Euro angegeben war. Später teilte der Kläger mit, monatliche Einkünfte in Höhe von … Euro zu beziehen. Aus den ebenfalls beigefügten Auszügen eines Kontos des Klägers bei der … waren im Zeitraum vom bis zum Zahlungseingänge in Höhe von insgesamt … Euro und im Zeitraum vom bis zum in Höhe von insgesamt … Euro ersichtlich.

2Ferner erklärte der Kläger, er habe Schulden in Höhe von … Euro und könne von seinem Konto … lediglich über einen Betrag in Höhe von … Euro verfügen ...

3Das Landesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, der Kläger sei wirtschaftlich in der Lage, die Kosten seiner Prozessführung aus seinem Einkommen zu bestreiten. Soweit es sich bei den Zahlungseingängen um Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG handele, seien diese bei Ermittlung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als Einkommen zu berücksichtigen.

4Auf Antrag des Klägers, eingegangen beim Bundesarbeitsgericht am , hat der Senat dem Kläger mit Beschluss vom , seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellt, für das beabsichtigte Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung unter Beiordnung seines jetzigen Prozessbevollmächtigten bewilligt. Dabei ist zugunsten des Klägers unterstellt worden, dass etwaige Entschädigungszahlungen weder als Einkommen noch als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sind, da es sich hierbei in Bezug auf das Rechtsbeschwerdeverfahren um einen „doppeltrelevanten Umstand“ (vgl.  - Rn. 18) handelt. Am hat der Kläger Rechtsbeschwerde eingelegt und zugleich die Wiedereinsetzung in die Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt. Mit Schriftsatz vom hat er die Rechtsbeschwerde begründet.

5II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

61. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

7Zum Zeitpunkt ihres Eingangs am und der Begründung am beim Bundesarbeitsgericht war die einmonatige Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 575 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 ZPO) gegen den dem Kläger am zugestellten Beschluss des Landesarbeitsgerichts zwar verstrichen. Insoweit ist dem Kläger aber auf seinen rechtzeitigen Antrag (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er war ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Der Kläger ist wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage gewesen, die Rechtsbeschwerde rechtzeitig einzulegen und zu begründen. Er hat am und damit rechtzeitig innerhalb der Notfrist des § 575 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gestellt (vgl. hierzu  - Rn. 56, BAGE 175, 281). Diese ist ihm mit Beschluss vom bewilligt worden.

82. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

9a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG nicht um Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

10aa) Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Diese Definition des Einkommensbegriffs stimmt wörtlich mit der einleitenden Begriffsbestimmung des § 82 Abs. 1 SGB XII überein. Hinsichtlich der vom Einkommen vorzunehmenden Abzüge wird in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO auf § 82 Abs. 2 SGB XII verwiesen. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 ZPO knüpft demnach an denjenigen des Sozialhilferechts an. Dies erklärt sich daraus, dass Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt ( - Rn. 4;  - Rn. 7). Im Hinblick auf diese weitgehende Orientierung der Bestimmungen zur Prozesskostenhilfe an den Regelungen des SGB XII sind die diesem Gesetz zugrundeliegenden Wertungen auch für die Bewertung von Zahlungen als Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu berücksichtigen (vgl. zum Rückgriff auf die Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII  - Rn. 19). Die Behandlung des Einkommens nach dem Prozesskostenhilferecht darf sich zu den Wertungen des Sozialrechts nicht in Widerspruch setzen (MüKoZPO/Wache 7. Aufl. § 115 Rn. 3).

11bb) Dementsprechend handelt es sich bei Zahlungen nach § 83 Abs. 2 SGB XII, also Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 BGB geleistet werden, nicht um Einkommen iSd. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO (so auch Gottschalk/Schneider Prozess- und Verfahrenskostenhilfe Beratungshilfe 10. Aufl. Rn. 278). § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO übernimmt zwar ausdrücklich lediglich den Einkommensbegriff aus § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nicht aber die in § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII oder § 83 SGB XII normierten Ausnahmen. Wenn aber diese Zahlungen nach der Wertung des Sozialrechts wegen ihres besonderen Zwecks beim Empfänger verbleiben sollen, kann er auch nicht verpflichtet sein, diese im Rahmen des Prozesskostenhilferechts einzusetzen.

12cc) Zu den Entschädigungszahlungen nach § 253 Abs. 2 BGB iSd. § 83 Abs. 2 SGB XII zählen auch auf der Grundlage von § 15 Abs. 2 AGG geleistete Zahlungen. Der Ausschluss von Entschädigungen ist zwar dem Wortlaut der Vorschrift nach auf solche nach § 253 Abs. 2 BGB beschränkt. Im Sozialrecht sind aber, wie sich aus der historischen Entwicklung der Vorschriften ergibt und den Gesetzesbegründungen entnehmen lässt, alle Schmerzensgeldansprüche gleich zu behandeln, so dass auch Ansprüche zu berücksichtigen sind, die zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs. 2 BGB fallen (ausführlich zu § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der bis zum geltenden Fassung (aF), jetzt § 11a Abs. 2 SGB II  - Rn. 15 ff.). Insoweit gilt für § 83 Abs. 2 SGB XII das Gleiche wie für § 11a Abs. 2 SGB II, da die Vorschriften inhaltsgleich sind und beide auf der früheren Vorschrift des § 77 BSHG beruhen (vgl. im Übrigen zur fehlenden Übertragbarkeit von sich aus dem SGB II ergebenden Privilegierungen auf das Prozesskostenhilferecht  - Rn. 14).

13b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Die Höhe der Entschädigungszahlungen rechtfertigt nicht die Annahme, der Kläger verfüge über einzusetzendes Vermögen, das die Kosten der Prozessführung voraussichtlich übersteigt (§ 115 Abs. 4 ZPO).

14aa) Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Zum Vermögen in diesem Sinne zählen alle beweglichen und unbeweglichen Sachen sowie geldwerte Forderungen und sonstige Rechte ( - zu II 2 b der Gründe). Bei Zahlungen, die der Partei zur Zeit der Antragstellung bereits zugeflossen waren und die noch vorhanden sind, handelt es sich um Vermögen. Der spätere Zufluss von Zahlungen stellt demgegenüber Einkommen dar (Wieczorek/Schütze/Smid/Hartmann ZPO 5. Aufl. § 115 Rn. 24; Zöller/Schultzky ZPO 35. Aufl. § 115 Rn. 6; vgl. zum Begriff des Vermögens im SGB XII  - Rn. 21 mwN).

15bb) Nach § 115 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO iVm. § 90 Abs. 3 SGB XII ist der Einsatz von Vermögen nicht zumutbar, soweit dies für den Antragsteller eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche liegt vor, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls, wie zB der Art, Schwere und Dauer der Hilfe, des Alters, des Familienstands oder der sonstigen Belastungen des Vermögensinhabers und seiner Angehörigen eine typische Vermögenslage deshalb zur besonderen wird, weil die soziale Stellung des Hilfesuchenden insbesondere wegen seiner Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit nachhaltig beeinträchtigt ist ( - Rn. 16 mwN).

16Dabei ist für die Anwendung des § 90 Abs. 3 SGB XII die Herkunft des Vermögens grundsätzlich unerheblich. In Einzelfällen, insbesondere, wenn anrechnungsfreies Einkommen angespart wurde, kann die Herkunft des Vermögens dieses so prägen, dass seine Verwertung eine Härte darstellen kann ( B 8/9b SO 20/06 R - Rn. 15 f. mwN). Dies gilt dann, wenn der gesetzgeberische Grund für die Nichtberücksichtigung einer laufenden Zahlung als Einkommen auch im Rahmen der Vermögensanrechnung durchgreift, weil das Vermögen den gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist wie die laufende Zahlung selbst. Auch ein aus Schmerzensgeldzahlungen gebildetes Vermögen bleibt nach § 90 Abs. 3 SGB XII aus diesem Gesichtspunkt grundsätzlich einsatzfrei ( - Rn. 17 mwN). Schmerzensgeld ist daher im Rahmen der Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht als Vermögen einzusetzen ( 5 B 26.11 ua. - Rn. 6; vgl. auch  5 C 22.93 - BVerwGE 98, 256).

17cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG regelmäßig nicht als im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendes Vermögen angesehen werden. Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG sind nicht dem Einkommen nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zuzurechnen. Nach deren Sinn und Zweck würde es eine besondere Härte bedeuten, frühere, noch vorhandene Zahlungen als Vermögen im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzen.

18(1) Die Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG hat eine Doppelfunktion: Sie dient einerseits der vollen Kompensation des immateriellen Schadens und andererseits der Prävention. Sie muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte gewährleisten. Die Härte der Sanktion muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber der Arbeitgeberin gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt. Sie muss auf jeden Fall in einem angemessenen Verhältnis zum erlittenen Schaden stehen. Die tatsächlich entstandenen Nachteile sind in vollem Umfang auszugleichen ( - Rn. 16 f., BAGE 176, 134; - 8 AZR 62/19 - Rn. 86 f., BAGE 172, 99). Soweit es um eine Entschädigung im Zusammenhang mit dem Zugang zur Beschäftigung geht, ist diese sowohl Sanktion dafür, dass der erfolglose Bewerber nicht die Chance zur Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit durch eine bestimmte Beschäftigung erhält, als auch dafür, dass er nicht die Chance erhält, ein Arbeitseinkommen zu erzielen und dadurch auch in seinem Geltungs- und Achtungsanspruch berührt ist ( - Rn. 93, aaO).

19(2) Die Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG sind trotz ihrer Doppelfunktion wegen ihres Charakters und ihrer Zweckbestimmung insgesamt von der Einkommensberücksichtigung ausgenommen (vgl.  - Rn. 18). Vor dem Hintergrund dieser gesetzgeberischen Wertung kommt es nicht in Betracht, einen Teil der Zahlung als einsetzbares Vermögen anzusehen. Dies wäre auch praktisch nicht handhabbar. Die Entschädigungszahlung wird nicht in Teilbeträgen bestimmt. Es ließe sich im Nachhinein kaum festlegen, welcher Teil im Hinblick auf welche Funktion zugesprochen worden wäre. Zudem ist die Höhe der angemessenen Entschädigung zunächst - in einem ersten Schritt - ohne Rücksicht auf eine Begrenzung zu ermitteln und sodann - in einem zweiten Schritt - nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG zu kappen, sofern sie drei Bruttomonatsentgelte übersteigen sollte ( - Rn. 90, BAGE 172, 99). Damit wird die Entschädigung begrenzt, ohne dass feststellbar wäre, im Hinblick auf welche Funktion dies geschieht.

20(3) Etwas anderes ergibt sich nicht im Hinblick der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( -) zu Geldentschädigungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen als im Rahmen der Prozesskostenhilfe einzusetzendem Vermögen (aA  - zu II 3 b der Gründe;  - zu A II 1 der Gründe;  - zu II 2 b der Gründe; offengelassen bei  - zu II 3 b der Gründe).

21(a) Danach ist der Einsatz von Entschädigungszahlungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Begleichung von Prozesskosten nicht in jedem Fall unzumutbar. Eine solche Entschädigung sei mit dem Schmerzensgeld nicht vergleichbar. Die zugebilligten Entschädigungen seien im Hinblick auf den mit ihnen bezweckten Hemmeffekt deutlich höher als Schmerzensgeldbeträge für schwerste Körperschäden. Vorrangiger Zweck der Geldentschädigung sei die Genugtuung des Geschädigten sowie die Vorbeugung weiterer Rechtsverletzungen ( - zu II 2 b aa der Gründe).

22(b) Diese Erwägungen sind nicht auf eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG übertragbar. Sie ist bereits nicht im Hinblick auf ihren Hemmeffekt in der Regel deutlich höher als Schmerzensgeldbeträge, sondern im Gegenteil der Höhe nach begrenzt. Eine Zahlung, aus der selbst nach Abzug des Schonbetrags die Kosten eines (weiteren) Prozesses ohne weiteres gezahlt werden könnten, wird daher - anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall, in dem eine Entschädigung in Höhe von 45.000,00 Euro gezahlt worden war - aufgrund einer (einzelnen) Entschädigungszahlung nicht zu erwarten sein.

23c) Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung (§ 577 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

24aa) Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

25(1) Dem Kläger ist nicht unabhängig von der Berücksichtigung der erhaltenen Zahlungen Prozesskostenhilfe zu bewilligen, weil er im Hinblick auf bestehende Schulden nicht zahlungsfähig wäre. Derartige Belastungen, insbesondere aus früheren Prozessen (vgl. § 123 ZPO), sind zwar denkbar, aber nicht hinreichend dargelegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Kläger etwaige Verbindlichkeiten (ratenweise) abtragen würde (vgl. hierzu Zöller/Schultzky ZPO 35. Aufl. § 115 Rn. 49). Für die behauptete Kontenpfändung bestehen - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat - keine Anhaltspunkte.

26(2) Ob die dem Kläger zufließenden Zahlungen als Einkommen zu berücksichtigen oder frühere Zahlungen als Vermögen einzusetzen sind, steht noch nicht fest.

27(a) Nicht bei jeder Zahlung, die infolge einer Klage auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geleistet wird, handelt es sich zwangsläufig um eine solche Entschädigung. Von einer Entschädigungszahlung ist auszugehen, wenn in einem Urteil ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot festgestellt worden ist. Wird dagegen in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrags vereinbart, kann dies nur dann als eine von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellende Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gewertet werden, wenn dieser Rechtsgrund im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Ausdruck gekommen ist und der Vergleich nicht lediglich zur Beseitigung der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens abgeschlossen wurde (vgl. zu § 11 Abs. 3 Nr. 2 SGB II aF, jetzt § 11a Abs. 2 SGB II  - Rn. 20). Entsprechendes gilt im Hinblick auf die Frage des einzusetzenden Vermögens. Der Einsatz der Zahlungen stellt nur dann eine besondere Härte dar, wenn es sich tatsächlich um Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG gehandelt hat.

28(b) Das Landesarbeitsgericht hat zum Hintergrund der Zahlungen - aus seiner Sicht konsequent - keine Feststellungen getroffen.

29(c) Die dem Kläger zugeflossenen Zahlungen können nicht allein im Hinblick auf die Vielzahl der von ihm geführten Verfahren ausnahmsweise als Einkommen oder einzusetzendes Vermögen Berücksichtigung finden. Auch wenn die Vorgehensweise des Klägers ein „Geschäftsmodell“ darstellen sollte, das darauf gerichtet ist, mit der Durchsetzung von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG Einnahmen zu generieren (vgl. dazu  - Rn. 48 ff.), hat dies keinen Einfluss auf die Bewertung früherer oder zukünftiger Zahlungen als Vermögen oder Einkommen. Erhält der Kläger Zahlungen aufgrund eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 15 Abs. 2 AGG, ist nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Vorgehensweise des Klägers auszugehen.

30(d) Soweit dem Kläger danach in der Vergangenheit einzusetzendes Einkommen zur Verfügung stand, ist davon auszugehen, dass ihm auch zukünftig Zahlungen in gleicher Höhe zufließen. Gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ihm würden im Schnitt monatlich … Euro zufließen, hat sich der Kläger nicht gewendet.

31(e) Frühere Zahlungen können auch dann als einzusetzendes Vermögen zu berücksichtigen sein, wenn diese beim Kläger nicht mehr vorhanden sind. Sind Rechtsverfolgungskosten absehbar, darf vorhandenes Vermögen nicht mehr leichtfertig für nicht unbedingt notwendige Zwecke ausgegeben werden. Geschieht dies gleichwohl, muss sich der Antragsteller die ausgegebene Summe als fiktives Vermögen anrechnen lassen und kann sich insoweit auch nicht mehr auf den Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII berufen ( - Rn. 9). Bislang hat der Kläger keine Angaben dazu gemacht, wann er welche Ausgaben zu welchen Zwecken getätigt hat und warum die Rechtsverfolgungskosten für ihn zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar waren.

32bb) Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Senat nicht im Hinblick darauf, dass der Achte Senat des Bundesarbeitsgerichts ihm Prozesskostenhilfe bewilligt hat, gehalten, entweder ebenfalls Prozesskostenhilfe zu bewilligen oder nach § 45 Abs. 2 ArbGG den Großen Senat anzurufen. Über die Anrechnung von Entschädigungszahlungen hat der Achte Senat bislang keine Entscheidung getroffen, eine Divergenz besteht daher nicht.

33cc) Dem Kläger ist Gelegenheit zu geben, seine Angaben zu ergänzen. Auf Basis dieser Angaben wird das Landesarbeitsgericht eine (erneute) Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzunehmen haben. Dabei ist der Kläger, wie sich aus § 117 Abs. 2 Satz 1 und § 118 Abs. 2 ZPO ergibt, bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in besonderem Maße zur Mitwirkung verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ablehnen ( - Rn. 29).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2025:270325.B.4AZB29.24.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-89877