Verfahrenstrennung bei einem einzigen Klagegegenstand
Leitsatz
NV: Wird ein Klagegegenstand durch Beschluss abgetrennt und an den zuständigen Spruchkörper abgegeben, obwohl nicht „mehrere“ Klagegegenstände im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in einem Verfahren zusammengefasst waren, begründet dies keinen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Gesetze: FGO § 73 Abs. 1 Satz 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Instanzenzug:
Tatbestand
I.
1 Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erhob mit einem Schriftsatz Klage zum Finanzgericht (FG) betreffend Umsatzsteuer sowie Einkommensteuer (wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung). Er beantragte in diesem Schriftsatz, die Einspruchsentscheidungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) aufzuheben und das FA zu verpflichten, über die Einsprüche gegen die geänderten Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide zu entscheiden. Mit beiden Einspruchsentscheidungen hatte das FA die Einsprüche des Klägers wegen verspäteter Einlegung als unzulässig verworfen.
2 Der Berichterstatter beim FG, bei dem diese Klage unter dem Aktenzeichen 8 K 128/20 aufgenommen worden war, ging davon aus, dass für den Streitpunkt Umsatzsteuer eine Zuständigkeit des 11. Senats des FG gegeben sei. In der Folge verfügte er, die Klageschrift kopieren zu lassen und die Kopie an den 11. Senat zu übermitteln, damit dort ein gesondertes Klageverfahren aufgenommen werde, was dort auch geschah (Aktenzeichen 11 K 147/20). Mit Urteilen vom wurde in beiden Verfahren die Klage abgewiesen.
3 Der Bundesfinanzhof (BFH) hob auf die Beschwerde des Klägers das zur Umsatzsteuer ergangene durch Beschluss vom - V B 77/20 (BFH/NV 2021, 1518) auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den 8. Senat des FG, bei dem die Klage ursprünglich anhängig gemacht worden war, zurück. Zur Begründung führte er aus, dass durch gemeinsame Klageerhebung miteinander verbundene Verfahren nur —woran es im Streitfall fehle— durch einen gerichtlichen Trennungsbeschluss im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), nicht aber durch konkludentes Verhalten getrennt werden könnten. Dem stehe nicht entgegen, dass der 8. Senat des FG über die Klage zur einheitlichen und gesonderten Feststellung bereits entschieden habe und hierzu eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH anhängig sei. Denn die insoweit getroffene Entscheidung sei als bloßes Teilurteil (§ 98 FGO) zu diesem Streitgegenstand anzusehen, so dass das Verfahren zur Umsatzsteuer unter dem ursprünglichen Aktenzeichen weiter bei diesem Senat anhängig sei.
4 Mit Beschluss vom - VIII B 142/20 (nicht veröffentlicht —n.v.—) wies der BFH die Beschwerde gegen das zur Einkommensteuer ergangene als unbegründet zurück.
5 Zwischenzeitlich hatte der 8. Senat des FG bereits das Verfahren wegen Umsatzsteuer mit Beschluss vom abgetrennt und es an den 11. Senat des FG (Aktenzeichen 11 K 181/21) abgegeben. In diesem Verfahren beantragte der Kläger, die „Einspruchsentscheidung“ aufzuheben und das FA zu verpflichten, über die Einsprüche gegen die Bescheide über Einkommensteuer und Umsatzsteuer sowie Solidaritätszuschlag für die Streitjahre (2014 bis 2017) „in materieller Hinsicht“ zu entscheiden. Hilfsweise hierzu beantragte der Kläger die Feststellung, dass „der Einspruch“ zulässig war.
6 Mit Urteil vom - 11 K 181/21 trennte der 11. Senat des FG die Klage wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlags sowie die hilfsweise erhobene Feststellungsklage wegen Einkommensteuer, Solidaritätszuschlags, Kirchensteuer und Zinsen sowie gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ab und gab sie „zuständigkeitshalber“ an den 8. Senat des FG ab. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
7 Hiergegen richtet sich der Kläger mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision.
Gründe
II.
8 Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 FGO). Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen —soweit sie überhaupt in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt wurden— nicht vor.
9 1. Eine Revisionszulassung ergibt sich nicht aufgrund eines Verfahrensmangels im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
10 a) Die Einwendungen des Klägers gegen den Trennungsbeschluss vom - 8 K 128/20 führen nicht zur Revisionszulassung.
11 aa) Dem Vortrag des Klägers liegt zugrunde, dass der Ausgangssenat des FG (Ausgangssenat), bei dem ein Einkommensteuer und Umsatzsteuer betreffendes Klageverfahren anhängig war, den Klagegegenstand betreffend Umsatzsteuer ohne den nach § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO erforderlichen Beschluss abgetrennt und an den für Umsatzsteuer zuständigen Senat des FG (Umsatzsteuersenat) abgegeben hat, der BFH daher mit seinem Beschluss vom - V B 77/20 (BFH/NV 2021, 1518) das durch den Umsatzsteuersenat ergangene Urteil aufgehoben und die Sache an den Ausgangssenat des FG zurückverwiesen hat, wobei der Ausgangssenat des FG bereits zuvor die Klage zur Einkommensteuer abgewiesen hatte und eine Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen aufgrund eines später gefassten BFH-Beschlusses keinen Erfolg hatte. Noch während des zur Einkommensteuer beim BFH anhängigen Beschwerdeverfahrens fasste der Ausgangssenat am den Beschluss, die Umsatzsteuer abzutrennen, wobei die abgetrennte Umsatzsteuersache an den Umsatzsteuersenat abgegeben wurde.
12 bb) Hierzu macht der Kläger zwar zutreffend geltend, dass der Trennungsbeschluss vom in § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO keine gesetzliche Grundlage findet, da diese Vorschrift „mehrere in einem Verfahren zusammengefasste Klagegegenstände“ voraussetzt, an denen es jedenfalls im Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Ausgangssenat bei diesem fehlte. Wird aber ein Klagegegenstand durch Beschluss abgetrennt und an den zuständigen Spruchkörper abgegeben, obwohl nicht „mehrere“ Klagegegenstände im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO in einem Verfahren zusammengefasst waren, begründet dies keinen im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde beachtlichen Verfahrensfehler im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Denn da nur ein —die Umsatzsteuer betreffendes— Klagebegehren beim Ausgangssenat anhängig war, war die Sache formlos an den Umsatzsteuersenat abzugeben (vgl. , BFH/NV 2009, 1825, unter II.), ohne dass es hierfür eines somit überflüssigen und keine Rechtsverletzung des Klägers begründenden Trennungsbeschlusses bedurfte. Maßgeblich ist insoweit, dass gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO die Revision nur zuzulassen ist, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Möglichkeit besteht, dass das Urteil bei richtigem Verfahren anders ausgefallen wäre (, BFH/NV 2021, 1108, Rz 24), woran es vorliegend fehlt. Im Verfahren über die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil ist im Übrigen nicht darüber zu entscheiden, ob ein Erfordernis besteht, den unzutreffenden Schein eines gerichtlichen Beschlusses, der dem Urteil vorausgegangen ist und dabei zwar ohne Rechtsgrundlage erlassen wurde, den Kläger aber unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt belasten kann, zu beseitigen.
13 b) Vergleichbares gilt, soweit sich der Kläger gegen die im angefochtenen Urteil vorgenommene Abtrennung der Klage wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlags sowie der hilfsweise erhobenen Feststellungsklage wegen Einkommensteuer, Solidaritätszuschlags, Kirchensteuer und Zinsen sowie gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen wendet. Diese Klagegegenstände wurden in das vor dem 11. Senat des FG geführte Verfahren (11 K 181/21), dessen Gegenstand ausweislich des Abtrennungsbeschlusses vom zunächst ausschließlich die Umsatzsteuer betraf, aufgrund der Antragstellung durch den Kläger, die sich trotz des zur Einkommensteuer ergangenen (n.v.) nochmals auf die Einkommensteuer bezog, im Wege der nachträglichen objektiven Klagehäufung —und damit im Wege der Klageänderung im Sinne des § 67 FGO (vgl. , BFH/NV 1992, 267, unter II.2.)— eingeführt. Diese Klageänderung sah das FG unter Annahme einer Einwilligung des FA gemäß § 67 Abs. 2 FGO als zulässig an. Insoweit ergibt sich ein sachlicher Grund für die vorgenommene Trennung —der es anders als bei Fehlen der Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 FGO bedurfte (vgl. , BFH/NV 2010, 47, unter II.3.)— bereits aus dem Umstand, dass die sachliche Zuständigkeit für diese Streitsachen nach dem maßgeblichen Geschäftsverteilungsplan einem anderen Senat des FG zugewiesen war und nur durch eine Abgabe an diesen Senat dem Anspruch des Klägers auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes —GG—) genügt werden konnte. Dies schließt zugleich von vornherein aus, dass aus den von dem Kläger geltend gemachten „acht oder neun Aufspaltungen des Rechtsstreits“ eine greifbare Gesetzwidrigkeit der vom FG im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Abtrennung folgt.
14 c) Auch aus dem Vorbringen des Klägers, das FG habe nicht über seinen Hilfsantrag entschieden, ergibt sich kein Verfahrensfehler im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Zwar stellt die Unterschreitung des Klagebegehrens, an das das FG nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gebunden ist, einen auch ohne ausdrückliche Rüge beachtlichen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens dar und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (z.B. , BFH/NV 2006, 360, unter II.1.). Da jedoch durch die vorgenommene Abtrennung auch die hilfsweise begehrte Feststellung nicht mehr Gegenstand des vor dem 11. Senat des FG geführten Verfahrens war, war hierüber in einem anderen Verfahren zu verhandeln und zu entscheiden (vgl. , BFHE 170, 308, BStBl II 1993, 514).
15 d) Die Ablehnung des durch den Kläger gestellten Befangenheitsantrags durch das FG begründet keinen Verfahrensmangel.
16 aa) In Bezug auf die Ablehnung von Gerichtspersonen ist ein Zulassungsgrund nur gegeben, wenn die Ablehnung entweder gegen das Willkürverbot verstößt oder ein Verfahrensgrundrecht, wie der Anspruch auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), verletzt wird. Auch das Verfahrensgrundrecht auf den gesetzlichen Richter schützt indes nur vor willkürlichen Verstößen gegen Verfahrensvorschriften. Eine Besetzungsrüge kann deshalb auch nur dann Aussicht auf Erfolg haben, wenn sich dem Beschwerdevorbringen entnehmen lässt, dass der Beschluss über die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs nicht nur fehlerhaft, sondern greifbar gesetzwidrig und damit willkürlich war (BFH-Beschlüsse vom - VII B 2/05, BFH/NV 2005, 2035, unter II.; vom - V B 108/14, BFH/NV 2015, 849, Rz 6).
17 bb) Eine solche greifbare Gesetzwidrigkeit liegt im Streitfall nicht vor.
18 (1) Soweit der Kläger geltend macht, der abgelehnte Richter habe an der Entscheidung im ersten Rechtsgang mitgewirkt, weshalb davon auszugehen sei, dass er nunmehr die gleiche Auffassung wie zuvor vertreten und damit auch die anderen vier Mitglieder des Senats infizieren würde, steht dem schon entgegen, dass ein Ablehnungsgesuch grundsätzlich nicht auf Verfahrensverstöße oder fehlerhafte Entscheidungen des Richters —im Streitfall selbst oder in einem früheren Verfahren— gestützt werden kann (vgl. z.B. , BFH/NV 2009, 945, unter II.2.a). Die Rüge von Rechtsverstößen kann lediglich dann die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass das mögliche Fehlverhalten auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber der ablehnenden Partei oder auf Willkür beruht. Die Fehlerhaftigkeit muss ohne Weiteres feststellbar und schwerwiegend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (vgl. , BFH/NV 2003, 640, unter 3.c).
19 Eine solche greifbare Gesetzwidrigkeit ergibt sich aus dem Vorbringen des Klägers nicht. Zum einen ist die schlichte Behauptung einer angeblich materiell-rechtlich fehlerhaften Entscheidung —hier die Annahme der Unzulässigkeit des Einspruchs— im Streitfall selbst oder in einem vorausgegangenen Verfahren nicht geeignet, solche unsachliche Erwägungen darzulegen (, BFH/NV 2017, 748, Rz 20). Zum anderen wurde —ungeachtet der Frage, ob aus der schlichten Behauptung des Klägers, es sei gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters verstoßen worden, überhaupt auf eine unsachliche Einstellung gegenüber einem Beteiligten oder auf Willkür geschlossen werden kann— das durch den abgelehnten Richter als Berichterstatter getroffene Urteil nicht wegen einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG aufgehoben. Vielmehr hat das FG im ersten Rechtszug unberücksichtigt gelassen, dass durch gemeinsame Klageerhebung miteinander verbundene Verfahren (§ 43 FGO) nur durch einen gerichtlichen Trennungsbeschluss im Sinne des § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO, nicht aber durch konkludentes Verhalten —der formlosen Übermittlung einer Kopie der Klageschrift an einen anderen Senat und der dortigen Erfassung als eigenständige Klage— getrennt werden können (, BFH/NV 2021, 1518). Schon aufgrund des Umstands, dass die formlose Übermittlung nicht durch den abgelehnten Richter erfolgte, sowie angesichts der nach dem Geschäftsverteilungsplan des FG bestehenden Zuständigkeit des Senats, dem der abgelehnte Richter angehört, für Umsatzsteuer, kann aus einem solchen Verfahrensfehler nicht auf eine unsachliche Einstellung des abgelehnten Richters gegenüber dem Kläger oder gar auf Willkür geschlossen werden.
20 (2) Auch kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, der abgelehnte Richter habe —da keine Tatsachen genannt worden seien— keine ordnungsgemäße dienstliche Äußerung abgegeben. Ungeachtet der Frage, ob die von dem abgelehnten Richter abgegebene dienstliche Äußerung ausschließlich die eigene subjektive Einschätzung des abgelehnten Richters enthält und daher den Anforderungen des § 44 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht genügt (vgl. BFH-Beschlüsse vom - II B 36/94, BFH/NV 1996, 45, unter II.4.a; vom - X B 168/21, BFH/NV 2023, 43, Rz 30 bis 32), macht das Fehlen einer ordnungsmäßigen dienstlichen Äußerung des abgelehnten Richters die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch im Streitfall in jedem Fall nicht willkürlich. Da die mit dem Ablehnungsantrag vorgetragenen Tatsachen —die Vorbefassung des abgelehnten Richters und dessen Entscheidung im ersten Rechtsgang— unstreitig waren, hätte eine ordnungsmäßige dienstliche Äußerung zu keinem anderen Ergebnis der Entscheidung über den Ablehnungsantrag führen können.
21 (3) Ebenso wenig ergibt sich ein Verfahrensfehler aus dem Vorbringen des Klägers, in der kurzen Zeit, in der über das Ablehnungsgesuch verhandelt worden sei, habe sich die „eingesprungene“ Richterin kein Bild über die gesamten Hintergründe des Ablehnungsgesuchs machen können. Wird ein Ablehnungsgesuch —wie im Streitfall— ausschließlich darauf gestützt, dass von einem Richter im Streitfall selbst in formeller oder materiell-rechtlicher Hinsicht unrichtige Entscheidungen getroffen worden seien, ist es offensichtlich unzulässig (, BFH/NV 2017, 748, Rz 20) und kann in den Gründen der Hauptsacheentscheidung unter Mitwirkung des abgelehnten Richters zurückgewiesen werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom - VII B 131/13, BFH/NV 2014, 1055, Rz 8; vom - IV B 68/14, BFH/NV 2016, 575, Rz 3). Wird dennoch —entsprechend § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO— ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters über das Ablehnungsgesuch entschieden, kann allein aus einer kurzen Verhandlungs- und Beratungsdauer —im Streitfall sechs Minuten— nicht auf eine greifbare Gesetzwidrigkeit der Ablehnung geschlossen werden.
22 e) Auch die von dem Kläger gerügte Verletzung der das FG gemäß § 76 Abs. 1 FGO treffenden Sachaufklärungspflicht liegt nicht vor. Das FG hat dem Antrag des Klägers auf Vernehmung einer Zeugin zu Recht nicht entsprochen.
23 aa) Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn das FG einen entscheidungserheblichen Beweisantrag übergeht (, BFH/NV 2018, 538, Rz 11). Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich, das Beweismittel unerreichbar, unzulässig oder untauglich ist oder wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann. Auch ist das FG nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (, BFH/NV 2002, 1595, unter II.1.). Bei der Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, ist auf den materiellen Rechtsstandpunkt des FG abzustellen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 276, 127, BStBl II 2022, 450, Rz 25).
24 bb) Der Verzicht auf eine Beweiserhebung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt, insbesondere zu einer von einem Beteiligten behaupteten Tatsache, unter dem Gesichtspunkt der Wahrunterstellung ist gerechtfertigt, wenn das Gericht zugunsten des Beteiligten den von diesem behaupteten Sachverhalt ohne jede inhaltliche Einschränkung als richtig annimmt, die behauptete Tatsache also in ihrem mit dem Parteivorbringen gemeinten Sinn so behandelt, als wäre sie nachgewiesen. Das Gericht ist daher gehalten, die Beweisbehauptung ohne jede Einengung, dem Beteiligten nachteilige Umdeutungen oder sonstige Änderungen als wahr zu behandeln. Es darf insbesondere nicht von einem anderen als dem unter Beweis gestellten Sachverhalt ausgehen oder einen Sachverhalt zugrunde legen, durch den das Beweisvorbringen in seiner Bedeutung abgeschwächt oder irrelevant wird (, BFHE 276, 127, BStBl II 2022, 450, Rz 27).
25 cc) Gemessen daran hat das FG nicht deshalb gegen seine Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nicht nachkam, wonach die von dem Kläger benannte Zeugin dazu hätte vernommen werden sollen, dass die Einspruchsschrift zunächst mit anderen Kanzleiangelegenheiten auf einer Kassette diktiert worden sei und dass die Zeugin gefragt habe, ob das Schreiben im Postausgangsbuch eingetragen werden solle, was der Kläger verneint habe. Vielmehr hat es diese unter Beweis gestellten Tatsachen zum Ablauf der Erstellung der Einspruchsschrift als wahr unterstellt. Es ist nicht ersichtlich, dass das FG einen anderen als den unter Beweis gestellten Sachverhalt als wahr unterstellt oder seiner Entscheidung einen Sachverhalt zugrunde gelegt hat, durch den das Beweisvorbringen in seiner Bedeutung abgeschwächt oder irrelevant wurde. Vielmehr hat das FG seine Entscheidung auf seine fehlende Überzeugung von dem Einwurf des Einspruchsschreibens —dessen Erstellung es nicht in Zweifel gezogen hat— in den Hausbriefkasten des FA gestützt. Soweit es aus der als wahr unterstellten Tatsache einen anderen Schluss gezogen hat, als der Kläger geltend macht, begründet dies keinen Verfahrensfehler. Vielmehr richtet sich das Vorbringen des Klägers insoweit allein gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das FG, die dem materiellen Recht zuzuordnen ist und der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich entzogen ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom - III B 26/13, BFH/NV 2014, 46, Rz 21; vom - VIII B 41/18, BFH/NV 2019, 702, Rz 19). Zudem lässt der Kläger außer Betracht, dass nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH eine eidesstattliche Versicherung des Bevollmächtigten, wie sie auch vorliegend abgegeben wurde, für die Glaubhaftmachung nicht genügt, wenn der Bevollmächtigte —wie hier— vorträgt, das fristwahrende Schriftstück selbst eingeworfen zu haben (, BFH/NV 2021, 1329, Rz 5).
26 dd) Schließlich musste das FG dem Antrag des Klägers auf Vernehmung der Zeugin „zu dem Ablauf der Einspruchsschrift“ nicht nachgehen. Dieser Antrag zielte bereits mangels näherer Angaben zu dem in Bezug genommenen „Ablauf“ ausschließlich darauf ab, diejenigen Tatsachen zu ermitteln, welche den Kläger nach seiner Vorstellung erst in die Lage versetzt hätten, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 355 Abs. 1 der Abgabenordnung —die fristgemäße Einlegung des Einspruchs— darzutun. Dies wird durch die Beschwerdebegründung bestätigt, wonach bei einer Anwesenheit der Zeugin die —in dem im finanzgerichtlichen Verfahren gestellten Antrag nicht in Bezug genommenen— „letztlich im Ergebnis unwesentlichen Punkte“, wann genau die letzte Änderung an der Einspruchsschrift vorgenommen worden ist und ob die Einspruchsschrift dem Kläger mit einer leeren Umschlagshülle oder in einem verschlossenen Umschlag übergeben wurde, hätten geklärt werden können.
27 2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO oder hilfsweise wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
28 a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte, für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom - XI B 119/18, BFH/NV 2020, 367, Rz 8; vom - XI B 17/20, BFH/NV 2021, 185, Rz 9; vom - XI B 33/21, BFH/NV 2022, 247, Rz 9).
29 b) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Danach soll der „ständigen Atomisierung“ des Streitgegenstandes grundsätzliche Bedeutung zukommen und der BFH grundsätzlich dazu Stellung nehmen können, inwieweit es zulässig sei, Klagen, in denen es erkennbar nur darum geht, die Zulässigkeit des Einspruchs beim Finanzamt zu klären, immer wieder in einzelne Verfahren aufzuteilen. Zwar schließt der Umstand, dass es sich hierbei um eine verfahrensrechtliche Fragestellung handelt, deren grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht von vornherein aus (vgl. , BFH/NV 2008, 1445, unter II.1.). Jedoch hätte sich der Kläger damit auseinandersetzen müssen, dass Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren (§ 73 Abs. 1 FGO) nach § 128 Abs. 2 FGO nicht mit der Beschwerde angefochten werden können und daher nicht der Beurteilung der Revision unterliegen (§ 124 Abs. 2 FGO), so dass auch eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht auf eine angeblich fehlerhafte Verfahrenstrennung gestützt werden kann (BFH-Beschlüsse vom - III B 241/11, BFH/NV 2012, 1322, Rz 5; vom - I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445, unter II.2.b); vom - X B 138/05, BFH/NV 2006, 972, unter II.2.d). Derartige Anordnungen sind allenfalls dann beachtlich, wenn das FG sie willkürlich —also ohne sachlichen Grund— erlassen hat oder wenn der Steuerpflichtige dadurch prozessual in der Wahrnehmung seiner Rechte behindert wird (vgl. etwa , BFH/NV 2012, 1322, Rz 6). Dies gilt auch, wenn —wie im Streitfall— die Trennung von Verfahren im Urteil ausgesprochen wird. Auch in diesem Fall ergeht die Entscheidung über die Trennung durch unanfechtbaren Beschluss, der lediglich äußerlich mit dem Urteil verbunden ist (vgl. zu Beschlüssen über die Ablehnung von Gerichtspersonen , BFH/NV 2025, 33, Rz 2).
30 Da damit die von dem Kläger aufgeworfene Frage —soweit sie in einem zu erwartenden Revisionsverfahren überhaupt klärbar ist— von dem Vorliegen eines sachlichen Grundes in dem konkreten Streitfall oder der Behinderung des jeweiligen Klägers in der Wahrnehmung seiner Rechte und damit von den Umständen des Einzelfalls abhängt, wären —wozu sich die Beschwerdebegründung nicht verhält— zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit Ausführungen dazu erforderlich gewesen, weshalb einer Entscheidung des Streitfalls durch das Revisionsgericht ausnahmsweise eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommen soll (vgl. z.B. , BFH/NV 2019, 515, Rz 7). Auch eine greifbare Gesetzwidrigkeit wird damit nicht dargelegt.
31 3. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
32 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2025:B.240325.VB57.23.0
Fundstelle(n):
IAAAJ-89807