Gründe
1I. Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Feststellung der Voraussetzungen für das Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung). Diesen Anspruch hat das verneint, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Ausgehend von der führenden Funktionsstörung, dem angeborenen zentralen Hypoventilationssyndrom (Undine-Syndrom), dem Tracheostoma, der Entwicklungsstörung und der Hypotonie sei von der Beklagten und dem SG zutreffend ein Gesamt-Grad der Behinderung (GdB) von 100 gebildet worden. Diese vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen wirkten sich nicht in relevanter Weise nachteilig auf die Gehfähigkeit aus, die Lungenfunktion am Tag bzw beim Gehen sei nicht wesentlich eingeschränkt. Ein GdB von 80 für die mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung werde bei Weitem nicht erreicht. Selbst wenn man die ständige Mitführung der Geräte zur Dauerbeatmung für die Mittags- bzw Nachtruhe als erforderlich ansähe, wären die erforderlichen Unterstützungsleistungen nicht zu berücksichtigen, weil hierdurch die Fortbewegung der Klägerin selbst nicht betroffen sei. Insofern seien die Einschränkungen und der Hilfebedarf durch die bereits festgestellten Merkzeichen G, B und H kompensiert.
2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht als Zulassungsgrund die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz geltend.
3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch eine Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der hierfür erforderlichen Weise dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
41. Die Klägerin hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht hinreichend dargelegt. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB - juris RdNr 7 mwN).
5Die Klägerin misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, "ob die dauerhaft erforderliche Mitnahme von lebensrettenden Therapiegeräten mit einem Gewicht von mehr als 14 kg eine erhebliche mobilitätsbezogene Teilhabebeeinträchtigung im Sinne des § 229 Abs 3 Satz 1 SGB IX insgesamt oder jedenfalls bei Kindern darstellt".
6Soweit der Senat die benannte Rechtsfrage verneinen sollte, misst die Klägerin der weiteren Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, "ob die Verneinung des Vorliegens einer mobilitätsbeeinträchtigenden Teilhabebeeinträchtigung eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung der Klägerin und der weiteren vom Undine-Syndrom Betroffenen darstellt".
7Der Senat lässt dahinstehen, ob die Klägerin damit ungeachtet des vorhandenen Einzelfallbezugs hinreichend abstrakte Rechtsfragen formuliert hat. Jedenfalls lässt die Beschwerdebegründung eine Klärungsbedürftigkeit nicht erkennen.
8Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; zB - juris RdNr 7 mwN). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Darstellung der gesetzlichen Vorgaben und Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Entscheidungen die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht hinreichend beantwortet worden ist (vgl stRspr; zB - juris RdNr 15 mwN). Hieran fehlt es.
9Zwar trägt die Klägerin vor, dass unter Berücksichtigung der Ausführungen des - SozR 4-3250 § 229 Nr 2) davon auszugehen sei, dass der Schwerpunkt der Beurteilung auf der Einschränkung der Mobilität im öffentlichen Verkehrsraum liege und gerade in diesem Bereich auch ihre Mobilitätseinschränkung vorliege, weil sie beim Verlassen des Fahrzeugs durch die Mitnahme der Geräte in ihrer Mobilität erheblich eingeschränkt sei. Sofern die Klägerin im Rahmen ihrer Beschwerdebegründung die gesetzlichen Regelungen zum Merkzeichen aG auf Fälle von mittelbarer Mobilitätsbeeinträchtigung angewendet wissen will und die Entscheidung des Berufungsgerichts im Widerspruch zur genannten Rechtsprechung des BSG sieht, fehlt es jedoch an einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Gesetzestext und der zitierten Senatsrechtsprechung. Bereits der Wortlaut des § 229 Abs 3 Satz 2 SGB IX verweist auf die Gehfähigkeit außerhalb des Kraftfahrzeugs und stellt einen unmittelbaren Bezug zum öffentlichen Verkehrsraum her. Das sich "bewegen können" von schwerbehinderten Menschen "außerhalb ihres Kraftfahrzeuges" bezieht sich erkennbar auf eine unbekannte und wechselnde Umgebung, wie sie mit einem Kraftfahrzeug typischerweise erreicht wird. Erfasst wird daher vor allem die (körperliche) Gehfähigkeit im öffentlichen Verkehrsraum auf dem Weg vom Parkplatz nach Verlassen des Kraftfahrzeugs zu sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder sonstigen Einrichtungen des privaten und öffentlichen Lebens. Der Zweck des Merkzeichens aG besteht vor allem darin, mittels der gewährten Parkerleichterungen die stark eingeschränkte Gehfähigkeit durch Verkürzung der neben der Kraftfahrzeugbenutzung unausweichlichen Wegstrecke auszugleichen (vgl - SozR 4-3250 § 229 Nr 2 und B 9 SB 1/22 R - SozR 4 3250 § 229 Nr 1 - juris; jeweils RdNr 19 f mwN).
10Ungeachtet dieser bereits vom Senat entschiedenen Anknüpfung an das sich "bewegen können" eines schwerbehinderten Menschen zeigt die Klägerin angesichts der Bewertung ihres Gehvermögens durch das Berufungsgericht auch die Klärungsfähigkeit nicht auf. Soweit die Klägerin mit ihren Fragestellungen Schlussfolgerungen des LSG aus der zitierten Senatsrechtsprechung bezogen auf ihren Einzelfall infrage stellt, wendet sie sich gegen die Unrichtigkeit der Rechtsanwendung in ihrem Einzelfall. Hierauf kann jedoch eine Grundsatzrüge nicht gestützt werden (vgl - juris RdNr 9 mwN).
11Schließlich ist die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage auch deshalb nicht dargetan, weil die Beschwerdebegründung nicht erkennen lässt, dass bei der Klägerin nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG, an die der Senat mangels diesbezüglicher Verfahrensrügen gebunden ist (§ 163 SGG), die Mitnahme von lebensrettenden Therapiegeräten mit einem Gewicht von mehr als 14 kg dauerhaft (also bei jedem Schritt nach Verlassen eines Kraftfahrzeugs) erforderlich ist.
12Soweit die Klägerin hilfsweise die Frage aufwirft, ob die Verneinung des Vorliegens einer mobilitätsbeeinträchtigenden Teilhabebeeinträchtigung bei von einem Undine-Syndrom Betroffenen eine grundrechtswidrige Ungleichbehandlung darstelle, fehlt es ebenfalls an den erforderlichen Darlegungen. Denn die Begründungsanforderungen an eine Nichtzulassungsbeschwerde verringern sich nicht deshalb, weil damit eine Verfassungsverletzung geltend gemacht wird. Die Beschwerdebegründung durfte sich daher nicht lediglich darauf beschränken, einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz zu behaupten. Vielmehr hätte die Klägerin in Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hierzu im Einzelnen darlegen müssen, woraus sich im Fall der Klägerin die Verfassungswidrigkeit ergibt (vgl stRspr; zB - juris RdNr 9 mwN). Hierzu wäre insbesondere der Bedeutungsgehalt der infrage stehenden einfach-gesetzlichen Norm aufzuzeigen, hier von § 229 Abs 3 SGB IX, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung zu erörtern und eine nicht mehr zu rechtfertigende Verletzung des in Rede stehenden Artikels des GG darzulegen gewesen. Keine dieser Darlegungen enthält die Beschwerde.
132. Eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG aufgestellt hat. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakter Rechtssatz in der in Bezug genommenen höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die höchstrichterliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (vgl stRspr; zB - juris RdNr 5 mwN).
14Soweit die Klägerin eine Divergenz darin zu sehen meint, dass die Entscheidung des LSG im Widerspruch zu der Entscheidung des Senats vom (B 9 SB 8/21 R - SozR 4-3250 § 229 Nr 2) stehe, weil es die Anwendung der dort dargestellten Grundsätze verneint und unzutreffend allein darauf abgestellt habe, dass die unmittelbare Fortbewegungsfähigkeit der Klägerin nicht betroffen sei, fehlt es bereits an der Benennung eines divergierenden abstrakten Rechtssatzes aus dem angefochtenen Berufungsurteil. Die Klägerin rügt unter Hinweis auf die genannte Senatsrechtsprechung lediglich, dass das LSG die Umstände, unter denen sie sich fortbewegen könne, nicht hinreichend berücksichtigt habe. Mit diesem Vortrag bezeichnet die Beschwerde indes keinen Rechtssatz des LSG, der die höchstrichterliche Rechtsprechung infrage stellen würde, sondern wendet sich im Kern gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Letztere entzieht § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG vollständig der Beurteilung durch das BSG im Beschwerdeverfahren. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden. Allein die - behauptete - Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall - zB aufgrund der Nichtbeachtung oder fehlerhaften Anwendung höchstrichterlicher Rechtsprechung - rechtfertigt die Zulassung wegen Divergenz nicht (vgl - juris RdNr 6 mwN).
153. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
164. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
175. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2025:170325BB9SB5124B0
Fundstelle(n):
VAAAJ-89791